Hinz&Kunzt_353_Juli
You also want an ePaper? Increase the reach of your titles
YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.
Das Hamburger<br />
Straßenmagazin<br />
Seit 1993<br />
N O <strong>353</strong><br />
<strong>Juli</strong>.22<br />
2,20 Euro<br />
Davon 1,10 Euro für<br />
unsere Verkäufer:innen<br />
Keine Angst<br />
vorm Alter
Editorial<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />
Peter Suppa ist<br />
82 Jahre alt und<br />
topfit! Redak teurin<br />
Anna-Elisa Jakob<br />
hat ihn beim Leichtathletiktraining<br />
der Senioren des<br />
LG Alsternord<br />
getroffen.<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
Deutschland altert. Schon jetzt ist jede zweite Person älter als 45 Jahre.<br />
Wissen Sie, dass auch auf der Straße immer mehr alte Menschen leben?<br />
Eine Erhebung der Sozialbehörde von 2018 zeigt, dass die Zahl derer,<br />
die mit über 60 obdachlos sind, in Hamburg innerhalb von zehn Jahren<br />
um knapp 40 Prozent gestiegen ist. Mehr als 150 Menschen gaben an,<br />
dass die Straße seit mehr als zehn Jahren ihr Zuhause ist. Welche Folgen<br />
das hat, welche Perspektiven es für alte Menschen auf der<br />
Straße gibt und was arm sein im Alter bedeutet, damit beschäftigen<br />
wir uns im Schwerpunkt dieser Ausgabe.<br />
Dass Altern nicht nur Last ist, sondern auch Lust macht, zeigen<br />
Ihnen die Sportbegeisterten, die wir besucht haben. Etwa<br />
die Mitglieder der Leichtathletikgemeinschaft Alsternord. Ob Stephan<br />
Karrenbauer dort bald anheuert? Zeit dürfte unser scheidender<br />
Sozialarbeiter als Rentner ja haben. Und die Puste dürfte auch<br />
noch reichen. Schließlich hat er sich nicht nur jahrzehntelang für<br />
Obdach lose eingesetzt, sondern auch als Marathoni Kilometer abgespult.<br />
Wie er auf fast 30 Jahre bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> zurückblickt und was<br />
er sich für Hamburgs Obdachlose wünscht, lesen Sie in unserem<br />
Abschiedsinterview.<br />
Doch nicht nur Stephan verabschiedet sich von Ihnen. Auch ich sage<br />
„Tschö“, zum Glück nur vorübergehend. Bis Ende des Jahres befinde<br />
ich mich in Elternzeit. Meine Kolleg:innen tüfteln derweil am Magazin<br />
und am digitalen Wandel weiter. Seit einem Jahr gestalten wir das<br />
Magazin jetzt als Gleichberechtigte in einem Team. Eine große<br />
Aufgabe, die Spaß macht – vor allem dank der zahlreichen positiven<br />
Rück meldungen. Deshalb freue ich mich schon jetzt auf meine Rückkehr.<br />
Denn auch für Hinz&<strong>Kunzt</strong> gilt: Wir werden zwar immer älter,<br />
aber wir bleiben in Bewegung!<br />
Ihr Jonas Füllner<br />
Redaktion<br />
Schreiben Sie uns an: briefe@hinzundkunzt.de<br />
FOTOS SEITE 2: MIGUEL FERRAZ (UNTEN), DMITRIJ LELTSCHUK (OBEN)<br />
TITELFOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
2
Inhalt <strong>Juli</strong> 2022<br />
40<br />
Abschiedsinterview mit<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozial ar bei ter<br />
Stephan Karrenbauer<br />
Stadtgespräch<br />
06 In der Falle<br />
Eine 16-Jährige kämpft um einen Pass und ein normales Leben.<br />
10 Die sozialen Folgen der Inflation<br />
Ökonom Marcel Fratzscher im Interview<br />
14 Wie der Staat Profit abschöpfen könnte<br />
Zahl des Monats: Inflationsgewinne<br />
32<br />
Überwältigende<br />
Bilder aus Albanien<br />
26<br />
Stella ist 61<br />
Jahre alt und<br />
odachlos.<br />
Alter<br />
18 Alte Freundschaft<br />
Win-win-Situation: Ein Verein bringt Jung und Alt zusammen.<br />
20 Fit ohne Ende<br />
Trainingsbesuche bei Sportgruppen für Ältere<br />
26 (K)Ein Ort zum Altwerden<br />
Immer mehr Obdachlose in Hamburg sind alt und krank.<br />
30 „Eine Frage des politischen Willens“<br />
Es gibt Rezepte gegen Altersarmut.<br />
Fotostrecke<br />
32 Land zwischen Vergangenheit und Zukunft<br />
Albanien: überwältigende Landschaft, große Gastfreundschaft<br />
Freunde & Internes<br />
40 „Wir sind Meinungsmacher“<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer geht in Rente.<br />
44 100 Jahre Leichtigkeit<br />
Geburtstagsspende von Claudia und Steffen Leicht<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
48 „Keine Heimatmelodie“<br />
Andreas Karmers Film über das Hamburger Gängeviertel<br />
52 Tipps für den <strong>Juli</strong><br />
56 Literaturkolumne: Claudia Schumacher<br />
58 Momentaufnahme: Hinz&Künztler Alexandru<br />
48<br />
Endlich fertig:<br />
Mammutfilm über<br />
das Gängeviertel<br />
Rubriken<br />
04 Gut&Schön<br />
09 Meldungen<br />
46 Buh&Beifall<br />
57 Rätsel, Impressum<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk
Raus aus dem Hörsaal, rein in die Stadt<br />
Vorlesungen im Museumshafen Övelgönne, in Planten un<br />
Blomen oder der Hanseatischen Materialverwaltung (Foto)<br />
statt im muffigen Hörsaal – das bietet die Uni Hamburg bei der<br />
„Vorlesung für alle“. Interessierte können die Veran stal tungen<br />
in den kommenden Monaten an ungewöhnlichen Orten<br />
in Hamburg erleben. Thematisch sind kaum Grenzen gesetzt:<br />
Mal geht es ums menschliche Gehirn, mal um Kolo nialismus<br />
oder die Kommunikation von Pflanzen. LG<br />
LG<br />
•<br />
Weitere Infos und Anmeldung: www.huklink.de/Vorlesungenfueralle
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE
Rahma ist in Hamburg<br />
aufgewachsen, sie hat<br />
nie woanders gewohnt.<br />
Ein normales Leben<br />
kann sie dennoch<br />
nicht führen – aufgrund<br />
fehlender Papiere.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
In der Falle<br />
Wie eine 16-jährige Hamburgerin um einen Pass kämpft –<br />
und damit um das Recht auf ein normales Leben.<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
FOTOS: MIGUEL FERRAZ<br />
Rahma ist eine Heranwachsende,<br />
wie sie sich viele Eltern wünschen:<br />
freundlich, ziel strebig,<br />
klug. Hat nie die Schule geschwänzt,<br />
nimmt keine Drogen, besucht die höhere<br />
Handelsschule und denkt darüber<br />
nach, wo sie eine Ausbildung machen<br />
könnte. Immobilienmaklerin möchte sie<br />
mal werden. „Ich brauche Abwechslung,<br />
und Verkaufen macht mir Spaß!“,<br />
sagt sie mit einem kleinen Lächeln.<br />
Doch sie steht vor einem Problem, das<br />
ihr Leben zunehmend überschattet:<br />
Rahma hat in den 16 Jahren und zehn<br />
Monaten seit ihrer Geburt in Hamburg<br />
nie ein Ausweispapier besessen. Alle<br />
drei bis sechs Monate muss die Tochter<br />
zweier Geflüchteter deshalb bei der<br />
Ausländerbehörde vorsprechen, um sich<br />
eine sogenannte Duldung ausstellen<br />
zu lassen. Formal droht der jungen<br />
Hamburgerin jederzeit die Abschiebung.<br />
Vor allem aber fehlt ihr jeder<br />
Raum für Perspektiven: Wer stellt eine<br />
Auszubildende ein, die drei Monate<br />
später vielleicht nicht mehr da ist?<br />
„Das ist eine Last, die ich tragen<br />
muss“, sagt die junge Frau mit ernstem<br />
Gesicht. „Obwohl ich eine saubere Akte<br />
habe und nie etwas Schlimmes gemacht<br />
habe.“ Und diese Last wiegt von Tag<br />
zu Tag schwerer: Ein Bankkonto eröffnen?<br />
Ohne Ausweispapiere undenkbar.<br />
Mit der Familie in den Auslandsurlaub<br />
fahren? Nicht möglich. Sie erzähle ihre<br />
Geschichte nicht jeder und jedem, sagt<br />
Rahma. Aber wenn Freundinnen sie<br />
fragen würden, ob sie gemeinsam den<br />
Führerschein machen oder verreisen,<br />
„muss ich mit Nein antworten.“ Und<br />
dann muss sie entweder lügen oder<br />
beginnen, eine lange, komplizierte<br />
Geschichte zu erzählen.<br />
Auf die Welt kommt sie 2005 in<br />
Volksdorf. Ihre Mutter war mit Rahmas<br />
älteren Halbgeschwistern vor dem<br />
Krieg in der Kaukasus-Republik Inguschetien<br />
geflohen, ihr erster Ehemann<br />
verlor dort sein Leben. Rahmas Vater<br />
stammt aus dem Irak. In einer Geflüchteten-Unterkunft<br />
lernten er und die<br />
„Ich habe nie<br />
etwas Schlimmes<br />
gemacht.“<br />
RAHMA<br />
Mutter sich kennen und lieben. Doch<br />
als Rahma fünf Jahre alt ist, trennen<br />
sich ihre Eltern. Die Kinder bleiben bei<br />
der Mutter. 16 Jahre dauert es, bis diese<br />
nach einer heiklen Reise in ihre Heimat<br />
und mithilfe der Ausländerbehörde<br />
einen russischen Pass ausgestellt bekommt<br />
– Voraussetzung für ein sichereres<br />
Aufenthaltsrecht in Deutschland.<br />
Auch Rahmas Halbgeschwister haben<br />
entsprechende Papiere. Nur Rahma<br />
selbst – obwohl sie nie woanders als in<br />
Hamburg gelebt hat – bekommt keinen<br />
Aufenthaltstitel. Weil sie keinen Pass<br />
hat. Keinen deutschen. Keinen russischen.<br />
Und auch keinen irakischen.<br />
7<br />
Wären ihre Eltern vor 20 Jahren nach<br />
Großbritannien geflohen, hätte Rahma<br />
heute einen britischen Pass und vermutlich<br />
einige Probleme weniger: Außerhalb<br />
Deutschlands wird die Staatsangehörigkeit<br />
meist nicht über die Herkunft<br />
der Vorfahren definiert, sondern darüber,<br />
wo Menschen geboren werden und<br />
leben. Doch die junge Frau wohnt in<br />
Hamburg, und das bedeutet: Ein dauerhaftes<br />
Bleiberecht wird sie so schnell<br />
nicht bekommen und einen deutschen<br />
Pass schon gar nicht. Da hilft es nicht,<br />
dass sie in der Unterkunft, in der sie mit<br />
Mutter und Oma lebt, nach der Schule<br />
zwei Kindergruppen leitet. Dass Halbschwester<br />
und Halbbruder studieren<br />
und nebenbei jobben, um sich ihr Leben<br />
zu finanzieren. Und es hilft Rahma auch<br />
nicht, dass die Mutter, nachdem sie<br />
ihren Job als Hotelreinigungskraft wegen<br />
Corona verloren hat, sich zur Betreuerin<br />
von alten Menschen hat umschulen<br />
lassen, um finanziell möglichst bald<br />
wieder auf eigenen Beinen zu stehen.<br />
Die Ausländerbehörde sieht keinen<br />
Ermessensspielraum und verweist auf<br />
den fehlenden Pass. Doch wo soll der<br />
herkommen? Über die Mutter? Das Generalkonsulat<br />
der Russischen Förderation<br />
schreibt, um Rahma wie ihre Mutter<br />
und die Halbgeschwister als russische<br />
Staatsbürgerin anzuerkennen, müsse sie<br />
zwecks Feststellung ihrer Identität „einen<br />
Personalausweis oder einen ausländischen<br />
Reisepass“ vorlegen. Doch alles,<br />
was Rahma hat, ist eine deutsche Geburtsurkunde.<br />
Und ihre Geschichte als<br />
Tochter einer Russin und eines Irakers,
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />
Das Problem der<br />
„Kettenduldungen“<br />
Rund 3500 Menschen in Hamburg leben<br />
seit fünf Jahren oder länger in völlig<br />
ungesicherten Verhältnissen, weil ihre<br />
Abschiebung lediglich ausgesetzt worden<br />
ist. Bundesweit sind es knapp 105.000.<br />
Sie bekommen regelmäßig – alle ein bis<br />
sechs Monate – eine sogenannte Duldung<br />
ausgestellt. Oft sind fehlende Ausweispapiere<br />
das Problem. Besonders tragisch<br />
sind die Fälle von Kindern und Jugendlichen,<br />
die den unsicheren Aufenthaltsstatus<br />
ihrer Eltern quasi „erben“. Besserung<br />
schaffen könnten Pläne der Ampelkoalition,<br />
die gut integrierten Geduldeten die<br />
Chance auf ein Bleiberecht eröffnen<br />
sollen. Wie viele Menschen davon profitieren<br />
werden, hängt von der Ausgestaltung<br />
des Gesetzes ab, das derzeit<br />
erarbeitet wird. Dass Integration unbürokratisch<br />
gelingen kann, wenn sie gewollt<br />
ist, zeigt der Umgang mit Geflüchteten<br />
aus der Ukraine. Sie werden rechtlich mit<br />
anerkannten Asyl bewerber:innen gleichgestellt,<br />
dürfen ohne Einschränkungen<br />
arbeiten und haben Zugang zu Sozialleistungen<br />
wie Hartz IV. UJO<br />
Sozialberater<br />
Norbert Boock<br />
kennt Rahma seit<br />
vielen Jahren.<br />
die vor 20 Jahren vor zwei Kriegen nach<br />
Deutschland geflohen sind.<br />
Bleibt der Weg über den Vater:<br />
Der könnte mit seiner Tochter zur irakischen<br />
Botschaft gehen und dort einen<br />
Pass seines Geburtslandes für sie beantragen.<br />
Doch der Vater mache das<br />
nicht, erzählen Rahma, ihre Mutter<br />
und ihre ältere Halbschwester. Seine<br />
Motive wurden auch bei einem Telefonat<br />
mit Hinz&<strong>Kunzt</strong> nicht deutlich.<br />
Inzwischen sei das Verhältnis zerrüttet,<br />
so die Frauen. Rahma sehe ihren Vater<br />
vielleicht einmal im Jahr, mehr Kontakt<br />
gebe es nicht. „Eine Zeit lang wollte ich<br />
das anders. Aber es funktioniert nicht.“<br />
Rahmas ältere Schwester ist im Juni<br />
zur Öffentlichen Rechtsauskunft gegangen,<br />
einer Beratungsstelle der Stadt für<br />
Menschen, die sich teure Anwälte nicht<br />
leisten können. Sie sollen es, so der Rat,<br />
nun auf mehreren Wegen gleichzeitig<br />
versuchen. Also hat Rahma eine Aufenthaltserlaubnis<br />
beantragt mit dem<br />
Hinweis, dass sie den dafür erforderlichen<br />
Reisepass „nicht auf zumutbare<br />
Weise erlangen kann“. In einem weiteren<br />
Antrag bittet sie um einen deutschen<br />
Reisepass für Ausländer:innen.<br />
Und dann wollen sie noch das Familiengericht<br />
anschreiben: Würde das dem<br />
Vater das gemeinsame Sorgerecht<br />
zumindest für diese Angelegenheit entziehen,<br />
könnte vielleicht die Mutter mit<br />
Rahma zur irakischen Botschaft gehen<br />
und dort den so dringend benötigten<br />
Pass beantragen.<br />
Und wenn das alles nichts hilft?<br />
Rahma könnte noch vor Gericht ziehen.<br />
Doch das alles kann dauern, sagt<br />
Norbert Boock vom Jugendmigrationsdienst<br />
Wandsbek I, der die Familie seit<br />
vielen Jahren begleitet. Allein bis die<br />
Ausländerbehörde auf ein Schreiben<br />
antwortet, erzählt er, vergehen derzeit<br />
mehrere Monate. Bleibt die Hoffnung,<br />
dass die Bundesregierung Menschen<br />
wie Rahma aus dieser Falle befreit: mit<br />
einem Aufenthaltsrecht, das ihnen eine<br />
Zukunft ermöglicht. „Es muss Schluss<br />
8<br />
sein mit dieser vererbten Chancenlosigkeit“,<br />
sagt Berater Boock. „Der<br />
Staat müsste sagen: ,Du bist 10, 15 oder<br />
20 Jahre in Deutschland, wir stellen dir<br />
jetzt Papiere aus – damit du hier ganz<br />
normal leben kannst.‘“ •<br />
ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />
Leichte Sprache:<br />
Es gibt den Text<br />
auch in Leichter<br />
Sprache. Scannen<br />
Sie den QR-Code<br />
mit dem Handy.<br />
Dann klicken Sie auf<br />
den Link. Der Text in Leichter Sprache<br />
öffnet sich. Oder Sie gehen auf unsere<br />
Webseite www.hinzundkunzt.de und<br />
suchen dort nach „Leichte Sprache“.<br />
www.huklink.de/<strong>353</strong>-leichte-sprache
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Meldungen<br />
Menschen in Wohnungsnot<br />
Diakonie fordert Neustart<br />
Mindestens 13.000 Haushalte in Not warten in Hamburg auf eine passende<br />
Wohnung – Tendenz steigend. Darauf hat das Hamburger Bündnis für eine<br />
soziale Wohnungspolitik hingewiesen. „Die Lage für Wohnungsnotfälle ist und<br />
bleibt dramatisch“, sagt Landespastor und Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Herausgeber Dirk Ahrens<br />
stellvertretend für das Bündnis. Zu den Betroffenen gehören Wohnungslose,<br />
alleinerziehende Frauen, Menschen mit Mietschulden oder mit Assistenzbedarf.<br />
Sie sind nicht nur arm, sondern können die Wohnungssuche nicht alleine meistern.<br />
Deshalb erhalten sie einen Dringlichkeitsschein, damit ihnen die Ämter eine<br />
Wohnung vermitteln. Ein Grund dafür, dass viele von ihnen bislang vergeblich<br />
warten: Zum wiederholten Mal hat der Senat vergangenes Jahr sein selbst<br />
gestecktes Ziel von 300 neuen Wohnungen für diese Personengruppe verpasst.<br />
Fertiggestellt wurden nur 101 Sozialwohnungen mit entsprechender Bindung.<br />
Angesichts dessen fordert Ahrens, dass jede zweite neue Sozialwohnung für<br />
Menschen mit Dringlichkeitsschein bereitgestellt wird. Außerdem solle der Anteil<br />
der Sozialwohnungen bei Neubauprojekten von einem Drittel auf 50 Prozent<br />
angehoben werden. Ahrens: „Wir brauchen jetzt einen echten Neustart.“ JOF<br />
•<br />
Notschlafstellen für junge Obdachlose<br />
Keine Schlafplätze in Sicht<br />
Ab Oktober sollen junge Obdachlose Zuflucht in zwei Hamburger Notschlafstellen<br />
finden. Doch ob das klappt, ist unklar: Auf die europaweite Ausschreibung<br />
der Sozialbehörde hat sich kein Träger beworben, bestätigte Behördensprecher<br />
Martin Helfrich gegenüber Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Das Konzept sieht vor, dass junge Erwachsene<br />
zwischen 18 und 27 Jahren in den Einrichtungen beraten und innerhalb<br />
von sechs bis acht Wochen an weiterführende Hilfen vermittelt werden. In einer<br />
Stellungnahme des Sozialarbeiter:innen-Bündnisses „Arbeitskreis Wohnraum<br />
für junge Menschen“ wird als größte Schwierigkeit die Suche nach geeigneten<br />
Räumen bis Oktober genannt. Auch das Finanzierungsmodell sei nicht umsetzbar.<br />
Die Behörde hält an ihrem Vorhaben fest und will nun in Absprache mit den potenziellen<br />
Trägern eine angepasste Ausschreibung auf den Weg bringen. BELA<br />
•<br />
Steigende Lebensmittelpreise<br />
Überlastete Tafeln<br />
Angesichts einer stark gestiegenen Nachfrage sind die Hamburger Tafeln am<br />
Limit. „Wir erleben einen sprunghaften Anstieg von bedürftigen Menschen“, sagt<br />
Geschäftsführer Jan Henrik Hellwege. Als Grund für den hohen Andrang nennt<br />
er vor allem die gestiegenen Lebensmittelpreise: „Bei vielen Familien, die bislang<br />
gerade so ausgekommen sind, reicht es jetzt nicht mehr.“ Laut Hellwege mussten<br />
19 von 31 Hamburger Ausgabestellen mittlerweile einen Aufnahmestopp verhängen<br />
(Stand: 20.6.). Die restlichen Stellen würden mit Wartelisten arbeiten.<br />
Immerhin: Das Spendenaufkommen an Lebensmitteln stabilisiere sich mittlerweile,<br />
außerdem hätten sich zuletzt viele Helfer:innen gemeldet. Dennoch ist die<br />
Hilfsorganisation immer auf der Suche nach Freiwilligen, insbesondere nach<br />
Fahrer:innen und Beifahrer:innen zum Abholen von Lebensmitteln. LG<br />
•<br />
Hartz IV<br />
Sanktionen auf Eis gelegt<br />
Der Bundesrat hat ein einjähriges<br />
Sanktionsmoratorium beschlossen,<br />
das ab 1. <strong>Juli</strong> in Kraft treten soll. Die<br />
Ampelkoalition hatte sich in ihrem<br />
Koalitionsvertrag auf die Maßnahme<br />
geeinigt. Bereits im Mai hatte der<br />
Bundestag dafür gestimmt. Das<br />
Moratorium soll ein erster Schritt in<br />
Richtung eines Bürgergeldes sein.<br />
Wie dieses konkret aussehen soll, ist<br />
allerdings weiterhin unklar. Der Paritätische<br />
Wohlfahrtsverband kritisiert das<br />
beschlossene Moratorium als unzureichend<br />
– weil Sanktionen bei mehrmaligen<br />
Terminversäumnissen auch<br />
weiterhin möglich sind. Die bayerische<br />
Gesundheitsministerin Ulrike<br />
Scharf (CSU) hingegen sorgt sich angesichts<br />
wegfallender Sanktionen vor<br />
einer Abkehr vom Sozialstaatsprinzip<br />
des Forderns. Nach Angaben der<br />
Bundesagentur für Arbeit sind bislang<br />
jährlich rund 3 Prozent der Leistungsempfäng<br />
er:innen von Sanktionen<br />
betroffen. LG<br />
•<br />
Armut<br />
Kostenlose Ausweise<br />
Rund 1500 kostenlose Ausweispapiere<br />
hat das Bezirksamt Mitte zwischen<br />
Mai 2021 und April 2022 für<br />
Obdachlose und andere bedürftige<br />
Menschen ausgestellt. Als erstes<br />
Bezirksamt in Hamburg übernimmt<br />
die Verwaltung in Mitte seit Mai 2021<br />
die Gebühren für die Beantragung<br />
eines Personalausweises für mittellose<br />
Menschen ohne festen Wohnsitz. Ein<br />
Personalausweis ist zum Beispiel zum<br />
Erhalt von Sozialleistungen wichtig.<br />
Aus Sicht des Bezirksamtes ist das<br />
Projekt eine Erfolgsgeschichte, die<br />
man gerne fortschreiben möchte.<br />
Am 23. Juni (nach Redaktionsschluss)<br />
stimmte die Bezirksversammlung<br />
über eine Fortführung ab. Mit einer<br />
Zustimmung ist zu rechnen. JOF<br />
•<br />
9
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />
„Wer von<br />
der Krise<br />
profitiert,<br />
muss sich auch<br />
an den<br />
Kosten<br />
beteiligen“<br />
Lebensmittel- und Energiepreise explodieren momentan regelrecht.<br />
Im Interview spricht der Ökonom Marcel Fratzscher über die<br />
sozialen Folgen der Inflation – und darüber, welche Maßnahmen jetzt helfen.<br />
INTERVIEW: LUKAS GILBERT<br />
FOTO: DIW BERLIN/B. DIETL; GRAFIK: GRAFIKDEERNS.DE<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Im Januar haben Sie<br />
vor einer Inflationspanik gewarnt.<br />
Heute herrscht Krieg in Europa, und<br />
viele Menschen haben zunehmend<br />
Angst vor der nächsten Nebenkostenabrechnung.<br />
Wie viel Panik<br />
ist mittlerweile angebracht?<br />
Marcel Fratzscher: Panik ist nie angebracht,<br />
aber die Sorge ist völlig berechtigt<br />
und die aktuelle Inflation ein großes<br />
Problem. Wir sprechen von einer<br />
Preisstabilität, wenn die Preise im<br />
Durchschnitt um 2 Prozent im Jahr<br />
steigen. 3 oder 4 Prozent sind gesamtwirtschaftlich<br />
auch okay. Problematisch<br />
wird es, wenn die Preissteigerungen<br />
über eine längere Zeit 8, 9 oder<br />
10 Prozent betragen. Also Zahlen, wie<br />
wir sie jetzt haben. Wenn das über<br />
zwei, drei Jahre geht, führt es dazu,<br />
dass Unternehmen weniger investieren,<br />
weil sie nicht mehr gut planen<br />
können. Dann gibt es weniger Jobs und<br />
geringere Einkommen.<br />
10<br />
Ab wann wird Inflation zum Problem<br />
für den Einzelnen, gerade für Menschen<br />
mit geringem Einkommen?<br />
Aus der individuellen Perspektive kann<br />
Inflation immer ein Problem sein. Das<br />
hängt vom Einkommen ab. Was in der<br />
aktuellen Diskussion gerne ignoriert<br />
wird: Es ist für einen Menschen nicht so<br />
schlimm, 5 Prozent Inflation zu haben,<br />
wenn er oder sie 10 Prozent mehr Lohn<br />
bekommt. Das ist aber das zentrale<br />
Problem im Augenblick: Wir haben
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
7 bis 8 Prozent Inflation, aber die Löhne<br />
steigen in diesem Jahr im Schnitt nur<br />
zwischen 4 und 5 Prozent. Das heißt:<br />
Die allermeisten Menschen haben am<br />
Ende des Jahres weniger Kaufkraft,<br />
können sich weniger leisten.<br />
Arbeitgeberverbände warnen davor,<br />
dass steigende Löhne die Inflation<br />
beschleunigen.<br />
Eine solche Lohn-Preis-Spirale würde<br />
entstehen, wenn die Gewerkschaften<br />
sagen würden, bei einer Inflation von<br />
8 Prozent wollen wir Lohnerhöhungen<br />
von 15 Prozent – und wenn sie sich damit<br />
auch durchsetzen könnten. Erstens<br />
fordern sie das aber nicht, und zweitens<br />
ist weniger als die Hälfte aller Jobs in<br />
Deutschland überhaupt über Tarifverträge<br />
abgedeckt. Gerade im Niedriglohnbereich<br />
haben die aller wenigsten<br />
die Bezahlung über einen Tarifvertrag<br />
geregelt. Insofern: Nein, ich sehe keine<br />
Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale.<br />
Ja, Löhne können zu stark steigen –<br />
aber sie können auch zu wenig steigen.<br />
Und dann haben wir auch ein Problem,<br />
weil die Leute weniger konsumieren<br />
können. Und dann haben auch das<br />
Geschäft oder die Kneipe um die Ecke<br />
ein Problem. Man braucht eine gute<br />
Balance.<br />
Wen treffen die aktuellen Preissteigerungen<br />
besonders?<br />
Wir erleben eine höchst unsoziale Inflation:<br />
Jeder braucht Energie, jeder<br />
braucht Essen, und genau in diesen Bereichen<br />
steigen die Preise. Wir haben in<br />
unseren Studien am DIW Berlin gezeigt,<br />
dass Menschen mit geringen Einkommen<br />
zum Teil 10 bis 15 Prozent ihres<br />
Einkommens zusätzlich für Lebensmittel<br />
und Energie ausgeben. Menschen mit<br />
hohem Einkommen geben nur 2 Prozent<br />
mehr aus. Das ist unsozial.<br />
Der Staat reagiert mit einem ganzen<br />
Schwung an Maßnahmen: 300 Euro<br />
Energiegeld, Tankrabatt, 9-Euro-Ticket<br />
und Einmalzuschüsse für Hilfeemp fänger:innen.<br />
Ist das sinnvoll?<br />
Grundsätzlich sind die Entlastungspakete<br />
gut gemeint, aber nicht gut genug<br />
gemacht – und vor allem nicht ausreichend.<br />
300 Euro Energiepauschale:<br />
Das ist gut. Denn da bekommen die<br />
Menschen, die sie bekommen, 300 Euro<br />
bar in die Hand. Das ist ökonomisch<br />
sinnvoll. Weil nicht der Staat entscheidet,<br />
was die Menschen mit den 300 Euro<br />
machen, sondern sie selbst entscheiden.<br />
Und den Menschen zu vertrauen und<br />
zu sagen: Ihr wisst schon am besten,<br />
was ihr mit dem Geld macht, das ist das<br />
Richtige. Die Spritpreisbremse hingegen,<br />
also 35 Cent weniger für einen<br />
Liter Benzin, ist ökonomisch völlig unsinnig,<br />
weil sie Benzin billiger macht<br />
und damit die Nachfrage erhöht.<br />
Welche sozialen Auswirkungen hat<br />
ein solcher Tankrabatt?<br />
Bei den einkommensschwächsten<br />
20 Prozent der Menschen in Deutschland<br />
hat die Mehrheit kein Auto. Die haben<br />
nichts von den drei Milliarden Euro,<br />
die jetzt größtenteils für Besserverdiener<br />
und die Mineralölkonzerne ausgegeben<br />
werden. Mein grundlegendes Problem<br />
mit dem Entlastungspaket ist, dass es<br />
einmalige Hilfen sind – Inflation ist aber<br />
kein einmaliges Problem. Inflation heißt:<br />
Der Liter Milch, das Kilo Gemüse oder<br />
die Kilowattstunde Strom sind permanent<br />
teurer. Wenn Sie jetzt einmal Geld<br />
bekommen, dann ist es in ein paar<br />
Monaten weg. Und dann haben Sie das<br />
gleiche Problem wie vorher. Dieses<br />
192,60<br />
Butter<br />
in Deutschland<br />
142,70<br />
Steigende Preise<br />
Insbesondere Güter des täglichen Bedarfs<br />
werden momentan teurer.<br />
Gemüse<br />
in Deutschland<br />
119,90<br />
111,20<br />
110,80<br />
133,10<br />
120,60<br />
132,40<br />
Weizenmehl<br />
in Deutschland<br />
Strom<br />
in Deutschland<br />
April 2020 Oktober 2020 April 2021<br />
Oktober 2021 April 2022<br />
Preisentwicklung in Prozent: April 2020 bis April 2022<br />
11<br />
Ausgehend von 100 Prozent im Jahr 2015 zeigt<br />
der Verbraucherpreisindex, wie sich die durchschnittlichen<br />
Preise verschiedener Güter entwickeln.<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />
grundlegende Problem lässt sich<br />
nur über höhere Löhne und höhere<br />
Sozialleistungen lösen. Die Menschen<br />
brauchen permanent mehr Geld in der<br />
Tasche.<br />
Die Hartz-4-Regelsätze wurden im Januar<br />
um 3 Euro angehoben. Reicht das?<br />
Familien mit wenig Einkommen brauchen<br />
aktuell schon 150 Euro mehr pro<br />
Monat, um höhere Heizkosten und<br />
Lebensmittelpreise abdecken zu können.<br />
Die Grundsicherung im Alter liegt<br />
ungefähr bei 900 Euro für Alleinstehende.<br />
Auch da müsste man über eine Größenordnung<br />
von 100 Euro mehr im<br />
Monat nachdenken.<br />
Und langfristig?<br />
Grundsätzlich sollten sich Sozialleistungen<br />
an der Steigerung der Löhne orientieren.<br />
Es muss darum gehen, dass<br />
alle Menschen eine Chance haben, Teil<br />
einer Gemeinschaft zu sein.<br />
Darum, dass Kinder ins<br />
Kino oder zu anderen Aktivitäten<br />
gehen können, die andere in ihrer<br />
Klasse auch tun. Deshalb ist es sinnvoll,<br />
die Sozialleistungen an der Entwicklung<br />
des Wohlstands der Gesellschaft zu<br />
orientieren.<br />
Kann sich der Staat eine dauerhafte<br />
Erhöhung der Sozialleistungen leisten?<br />
Der Staat hat in der Pandemie 300 Milliarden<br />
Euro ausgegeben – zum größten<br />
Teil an Unternehmen. Auch die Erhöhung<br />
der Sozialleistungen würde einige<br />
Milliarden Euro kosten, aber eben keine<br />
400 Milliarden, sondern eher 5 bis 10<br />
Milliarden Euro. Ja, auch das ist viel<br />
Geld. Aber man muss auch betonen,<br />
worum es geht. Nämlich nicht darum,<br />
Menschen besser zu stellen, sondern darum,<br />
dass Menschen, die nichts haben,<br />
zumindest nicht schlechtergestellt sind.<br />
Das muss das Mindestziel sein, und das<br />
muss möglich sein – und natürlich hat<br />
der Staat dafür das Geld.<br />
Wenn wir über solche Mindestziele<br />
hinausgehen: Wie muss der deutsche<br />
Sozialstaat umgebaut werden, um der<br />
wachsenden Vermögensungleichheit<br />
zu begegnen?<br />
Wir brauchen eine grundlegende Umgestaltung<br />
des Sozialstaats. Weg von einem<br />
passiven Sozialstaat, der erst reagiert,<br />
wenn der Schaden entstanden ist.<br />
Wenn Menschen arbeitslos geworden<br />
sind, wenn Menschen krank geworden<br />
sind, wenn Menschen obdachlos geworden<br />
sind. Hin zu einem Sozialstaat, der<br />
früh, der vorbeugend agiert. Der Menschen<br />
motiviert, der Menschen hilft, gar<br />
nicht erst in eine schwierige Lage zu<br />
kommen. Und der, wenn Menschen<br />
doch in einer schwierigen Lage sind,<br />
unterstützt, dass sie da selbst wieder<br />
Marcel Fratzscher:<br />
51, leitet seit 2013 das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung<br />
(DIW) in Berlin und ist Professor für<br />
Makroökonomie an der Berliner Humboldt-Universität.<br />
Fratzscher berät die Vereinten Nationen zu ihren<br />
nachhaltigen Entwicklungszielen und ist Mitglied<br />
im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
he rauskommen. Menschen müssen frühzeitig<br />
qualifiziert werden, sie brauchen<br />
ordentliche Einkommen und Löhne,<br />
von denen sie leben können. Und Menschen<br />
brauchen soziale Netzwerke –<br />
auch Sozialarbeit ist da extrem wichtig.<br />
Damit Menschen, die in Schwierig keiten<br />
geraten, nicht in diese Spirale nach unten<br />
kommen. Auf eine einfache Formel<br />
gebracht: Der Staat sollte mehr fördern<br />
und weniger fordern.<br />
Und wie müssten sich die Löhne<br />
in Deutschland entwickeln?<br />
Zunächst einmal ist es extrem wichtig,<br />
dass der Mindestlohn von 12 Euro in<br />
diesem Jahr noch kommt. In Deutschland<br />
leben fast 7 Millionen Menschen,<br />
die weniger als 12 Euro verdienen. Das<br />
ist etwa jeder fünfte Beschäftigte. Bei<br />
den anderen Beschäftigten denke ich<br />
schon, dass man darauf drängen sollte,<br />
zumindest die Inflation auszugleichen.<br />
Dabei muss man immer Sektor für Sektor<br />
und Unternehmen für Unternehmen<br />
anschauen. Für manche kleine Bäckerei<br />
um die Ecke sind 2 oder 3 Euro<br />
mehr Lohn ein Problem. Aber viele große<br />
Konzerne machen Rekordgewinne.<br />
Denn Inflation hat nicht nur Verlierer,<br />
sondern auch Gewinner. Inflation ist<br />
kein schwarzes Loch, in dem das Geld<br />
verschwindet. Für jeden, der einen Euro<br />
mehr zahlt, bekommt jemand anderes<br />
den einen Euro. Und es ist nicht nur<br />
Herr Putin, der da mitverdient, sondern<br />
es sind auch viele Unternehmen hierzulande.<br />
Wenn Unternehmen solche Gewinne<br />
machen, halte ich es für richtig,<br />
dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />
oder die Gewerkschaften sagen:<br />
Da wollen wir ein ordentliches Stück<br />
vom Kuchen abhaben.<br />
Welche Verantwortung tragen Unternehmen<br />
bei den Preissteigerungen?<br />
Eine Reihe von Unternehmen verdienen<br />
im Augenblick richtig gut. Mineralölkonzerne<br />
zum Beispiel. Von Ende<br />
Januar bis Ende März ist der Diesel von<br />
1,60 Euro auf 2,30 Euro gestiegen.<br />
70 Cent mehr. Davon sind 20 Cent erklärt<br />
durch höhere Energiepreise, also<br />
höhere Importpreise für Rohöl. 50 Cent<br />
sind erklärt über höhere Margen, höhere<br />
Erträge der Raffinerien und der<br />
Mineralölkonzerne. Einige der DAX-<br />
Konzerne haben vergangenes Jahr und<br />
auch Anfang dieses Jahres Rekordgewinne<br />
gemacht und verdienen richtig<br />
gut an der Unsicherheit und Angst. Sie<br />
können dadurch ihre Margen deutlich,<br />
deutlich erhöhen. Ich will nicht die<br />
Unternehmen per se verteufeln. Die<br />
machen eben das, was Unternehmen<br />
versuchen zu machen: ihren Gewinn<br />
maximieren. Aber es ist schon Aufgabe<br />
des Staates, zu sagen: „Okay, ist in Ordnung,<br />
aber wir besteuern das auch.“<br />
Wer von der Krise profitiert, muss sich<br />
auch an deren Kosten beteiligen.<br />
Ist trotz aller weltpolitischen<br />
Unwägbarkeiten absehbar, wie sich<br />
die Preise in den kommenden Monaten<br />
und Jahren entwickeln werden?<br />
Nein, das lässt sich nicht absehen. Weil<br />
es letztlich vom Krieg und von der Pandemie<br />
abhängt. In unseren Prognosen<br />
hoffen wir, dass wir im kommenden<br />
Jahr vielleicht nur noch eine Inflation<br />
von 3 bis 4 Prozent haben, im Vergleich<br />
zu 7 Prozent in diesem Jahr. Wenn der<br />
Krieg weiter eskaliert, können wir aber<br />
nicht ausschließen, dass es in diesem<br />
Jahr noch höher in Richtung von<br />
10 Prozent geht und die Zahlen im<br />
kommenden Jahr hoch bleiben. Ich<br />
glaube, dass wir über die nächsten fünf<br />
bis zehn Jahre eine komplett andere<br />
Situation haben werden als in den<br />
vergangenen zehn Jahren. In denen<br />
war die Preis entwicklung in Deutschland<br />
relativ schwach. Nicht bei den<br />
Mieten. Aber bei der Grundversorgung,<br />
bei Nahrungsmitteln, in vielen<br />
Bereichen sind Produkte eher günstiger<br />
geworden, und das wird sich ändern.<br />
Weil globale Lieferketten, also globale<br />
Wirtschaftsprozesse, neu aufgestellt<br />
werden müssen. Und weil wir bei der<br />
Energie unabhängig von Russland werden<br />
müssen. Aber: 3 oder 3,5 Prozent<br />
Inflation wären nicht schlimm – wenn<br />
die Löhne ebenfalls steigen. •<br />
Lukas Gilbert kannte Inflation<br />
bislang vor allem als abstrakte<br />
wirtschaftliche Kennzahl –<br />
das ändert sich gerade mit<br />
jedem Einkauf.<br />
lukas.gilbert@hinzundkunzt.de<br />
INNERE KRAFT<br />
BARMBEK<br />
BAHRENFELD<br />
UND ONLINE<br />
FÜR DICH & ANDERE<br />
QIGONG<br />
TAIJIQUAN<br />
MEDITATION<br />
040-88 36 90 94<br />
www.tai-chi- lebenskunst.de<br />
Jetzt<br />
spenden<br />
Hamburger Sparkasse<br />
IBAN: DE56 20050550 1280 167873<br />
BIC: HASPDEHHXXX<br />
Die<br />
Großuhrwerkstatt<br />
Bent Borwitzky<br />
Uhrmachermeister<br />
Telefon: 040/298 34 274<br />
www.grossuhrwerkstatt.de<br />
Verkauf und Reparatur<br />
von mechanischen Tisch-,<br />
Wand- und Standuhren<br />
13
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Zahl des Monats<br />
Inflationsgewinne<br />
Wie der Staat Profit<br />
abschöpfen könnte<br />
10 Milliarden Euro<br />
Mehreinnahmen erhofft sich der italienische Staat durch die sogenannte<br />
Übergewinnsteuer. Die neue Abgabe müssen Unternehmen bezahlen,<br />
die von der Inflation und ihren Folgen besonders profitieren: die Mineralölkonzerne.<br />
Dabei wird in Italien einmalig jener Teil des zwischen Oktober<br />
2021 und März 2022 erwirtschafteten Umsatzes besteuert, der den Vorjahreswert<br />
um mindestens 5 Millionen Euro oder 10 Prozent überschreitet.<br />
Auch Großbritannien, Rumänien, Bulgarien und Griechenland haben<br />
Varianten einer Übergewinnsteuer eingeführt. Möglich wird das durch eine<br />
Leitlinie der Europäischen Kommission von März, die eine befristete<br />
Besteuerung außergewöhnlich hoher Gewinne ausdrücklich erlaubt. Hierzulande<br />
zeichnet sich keine politische Mehrheit für die Einführung einer<br />
solchen Steuer ab. Verantwortlich für die Blockade innerhalb der Ampelkoalition<br />
ist die FDP. Extragewinne sind nach Ansicht der Liberalen<br />
„schwer ermittelbar“ und „rechtlich fragwürdig“, so ihr Fraktionsvorsitzender<br />
Christian Dürr. Zudem sei Deutschland schon „ein Hochsteuerland“.<br />
Um Übergewinne dennoch abschöpfen zu können, will Bundeswirtschaftsminister<br />
Robert Habeck (Grüne) nun Gesetze verschärfen. Die Mineralölkonzerne<br />
verweisen zur Rechtfertigung ihrer Preispolitik auf gestiegene<br />
Weltmarktpreise. Um das besser prüfen zu können, soll das Kartellamt<br />
künftig Zugang zu internen Zahlen der Konzerne bekommen. Zudem soll<br />
die Beweislast bei Rechtsverstößen umgekehrt werden, sagte Habeck Mitte<br />
Juni in einem Deutschlandfunk-Interview: „Wenn die Wirkungen wie Kartell<br />
sind, dann gehen wir davon aus, dass es sich um ein Kartell handelt.“<br />
Theoretisch kann der deutsche Staat schon heute Übergewinne abschöpfen.<br />
Praktisch schaut er dem Treiben der Konzerne tatenlos zu. Bereits 2012<br />
hatte das Kartellamt von „einem Oligopol der großen fünf Mineralölkonzerne“<br />
gesprochen und Verfahren eingeleitet – ohne erkennbare Folgen.<br />
Das Wirtschaftsministerium bestätigte auf Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Nachfrage: „Das<br />
Bundeskartellamt hat die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung bislang<br />
noch nie genutzt, da hier die Hürden nach aktueller Rechtslage besonders<br />
hoch sind.“ Wie genau Habeck das ändern will, konnte sein Ministerium<br />
bei Redaktionsschluss noch nicht erklären. „Wir arbeiten die Vorschläge<br />
jetzt weiter genauer aus.“ •<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />
15
Keine Angst<br />
vorm Alter<br />
Die „Freunde alter Menschen“ vermitteln Tandems zwischen<br />
Jung und Alt – davon profitieren alle (S. 18). Für Karate,<br />
Hammerwerfen oder E-Sport gibt es kein Alterslimit, wie<br />
Sport treibende in ganz Hamburg zeigen (S. 20). Obdach- und<br />
Wohnungslose wie Stella und Winfried haben es im Alter derweil<br />
besonders schwer (S. 26). Gegen die wachsende Altersarmut<br />
gibt es Rezepte. Oft fehlt aber der politische Wille (S. 30).<br />
FOTO: AFRICA STUDIO - STOCK.ADOBE.COM
Gesucht und gefunden:<br />
Karin Troitzsch (rechts)<br />
und Franziska Gellrich<br />
Alte Freundschaft<br />
Von wegen einsam und unglücklich: Der Verein „Freunde alter Menschen“<br />
vermittelt Dauerkontakte zwischen alten Menschen und jungen Freiwilligen.<br />
TEXT: JOCHEN HARBERG<br />
FOTO: IMKE LASS<br />
Zum Abschluss bittet die Fotografin<br />
noch mal um ein<br />
Bild Arm in Arm. „Dann<br />
sind wir ja wie ein Liebespaar!“,<br />
sagt Karin Troitzsch lachend<br />
und kuschelt sich auf dem Gartensofa<br />
vor ihrer Wohnung in den Arm von<br />
Franziska Gellrich. Die lächelt fröhlich<br />
zurück: „Ein bisschen sind wir das doch<br />
auch, oder?“ Beide schauen sich innig<br />
an und nicken. Ganz alte Freundinnen<br />
eben, seit Spätsommer 2020. Die eine<br />
84, die andere 32.<br />
„Viele dieser Partnerschaften halten<br />
tatsächlich bis zum Tod“, sagt uns später<br />
Simone Sukstorf. Was dramatisch klingt,<br />
ist für die Beteiligten ein pures Geschenk.<br />
Sukstorf arbeitet für den Verein<br />
18<br />
„Freunde alter Menschen“, der in fünf<br />
deutschen Städten dauerhafte Kontakte<br />
zwischen Alt und Jung vermittelt. In<br />
Hamburg existiert der Verein seit 2014,<br />
mittlerweile mit jeweils einem Standort<br />
in Eimsbüttel und Borgfelde. Das Ziel:<br />
alte Menschen ab 75, die meist noch zu<br />
Hause leben, aber häufig schon nicht<br />
mehr so mobil sind, vor drohender Iso
Schwerpunkt<br />
Alter<br />
Neu im<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Shop<br />
<strong>Kunzt</strong>-<br />
Kollektion<br />
Kulturistenhoch2<br />
Auch andere Initiativen verbinden Jung und Alt in Hamburg.<br />
Insbesondere an einkommensschwache Senior:innen richtet<br />
sich etwa das Angebot der „Kulturisten“: Dort verbinden sich<br />
Schüler:innen über kostenlose Kunst- und Kulturbesuche mit<br />
alten Menschen und verbringen gemeinsame Zeit.<br />
Infos: www.kulturisten-hoch2.de<br />
lation und Vereinsamung zu bewahren.<br />
Etwa 290 Senior:innen betreut der Verein,<br />
der stets neue Freiwillige sucht,<br />
allein in Hamburg – und der Bedarf<br />
wächst rasant. Das Angebot ist vielschichtig:<br />
So findet ein monatlicher<br />
Nachbarschaftsstammtisch statt, dieses<br />
Frühjahr gab es einen Foto-Walk durch<br />
Altona und einen Spielenachmittag, im<br />
August steht eine Stadtteilführung durch<br />
Barmbek an. Aber das Herzstück bleibt<br />
der private Kontakt zwischen Alt und<br />
Jung. Sogar eine App gibt es mittlerweile,<br />
in der man als Suchende wie Franziska<br />
sein ganz persönliches „Match“<br />
finden kann.<br />
Auch sie hatte dort gestöbert, im<br />
Sommer 2020 – ohne zunächst fündig<br />
zu werden. „Ich liebe alte Menschen“,<br />
sagt die in Osnabrück aufgewachsene<br />
Frau mit den kecken kupferroten Haaren<br />
und dem offenen Lächeln. Schon<br />
während des Studiums half sie freiwillig<br />
in einem Altenheim, heute arbeitet sie<br />
in der City Nord bei Tchibo im Personalmarketing.<br />
Nach dem Ausbruch von<br />
Corona und der ersten Einsamkeitswelle<br />
pochte ihre soziale Ader: „Ich muss<br />
jetzt was tun!“ – beim Googeln stieß sie<br />
auf die Freunde alter Menschen. Dort<br />
hinterließ sie ihr Profil, ihre Vorlieben<br />
und Wünsche, der entscheidende Kontakt<br />
wurde dann aus dem Büro des<br />
Vereins vermittelt: „Wir haben da jemanden,<br />
der ganz wunderbar zu dir<br />
passen könnte.“ Franzi erinnert sich<br />
noch genau ans erste Treffen, bei Karin<br />
zu Hause in Borgfelde. „Ich wusste ja<br />
nicht, was mich erwartet, du hättest ja<br />
auch ein kleines Häufchen Elend sein<br />
können, das ich erst mal ein bisschen<br />
aufpäppeln muss.“ Und dann das: „Du<br />
frisch frisiert, ein rosa Jäckchen über-<br />
geworfen, ein Teller mit Schnittchen,<br />
und wir haben uns sofort über Stunden<br />
verquatscht!“<br />
Denn Karin Troitzsch mag mit ihrem<br />
Rollator nicht mehr ganz so gut zu Fuß<br />
sein, aber eines ist sie ganz gewiss nicht:<br />
auf den Mund gefallen. Gelernt ist gelernt,<br />
jahrelang hat sie bei C&A in der<br />
Mönckebergstraße im Verkauf gearbeitet.<br />
Drei Kinder, drei Enkel und drei<br />
Urenkel hat sie, die auch immer wieder<br />
mal vorbeischauen, aber Karin trägt<br />
nach dem Tod ihres zweiten Mannes<br />
2014 noch mehr Sehnsucht nach Leben<br />
und Menschen in sich. Neue Kontakte<br />
zu knüpfen „liegt aber in meiner Verantwortung,<br />
ich muss mich kümmern,<br />
nicht die anderen“, sagt sie. Viele<br />
Senior:innen würden genau davor<br />
zurückschrecken.<br />
Mindestens einmal monatlich treffen<br />
sich die beiden Frauen nun – mal bei<br />
einer von beiden zu Hause, mal in der<br />
Eisdiele, mal bei einem Ausflug nach<br />
Hagenbeck. Auch Franzis Freund hat<br />
Karin schon kennengelernt, und zum<br />
nächsten Familientreffen soll sie einfach<br />
mal mit, denn: „Alle lieben Karin!“,<br />
sagt Franzi. Und irgendwann dieser<br />
warmen Tage wird sie ihn jetzt wieder<br />
tragen: jenen „cool fließenden Sommerrock“,<br />
den Karin vor Jahren für einen<br />
Hochzeitsbesuch kaufte, ihn an Franzi<br />
weiterschenkte – und der nun Beine<br />
umschmeichelt, die mehr als ein halbes<br />
Jahrhundert jünger sind als ihre. •<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Mehr Informationen über die „Freunde<br />
alter Menschen“ unter www.famev.de<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Socken<br />
Baumwolle, Öko-Tex zertifiziert,<br />
waschbar bis 60 Grad,<br />
Trockner nicht empfehlenswert.<br />
Einheitsgröße: 39–42<br />
Von Xoco Hamburg,<br />
hergestellt in Europa.<br />
Preis: 11,90 Euro<br />
Schlüsselanhänger<br />
„Große Freiheit“<br />
Der Klassiker im Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Shop!<br />
Wollfilz, Farbe blau/weiß.<br />
Die Schrift wurde im<br />
Handsiebdruckverfahren<br />
zweifach aufgebracht.<br />
Von der Designfirma dekoop aus<br />
Hamburg als Sonderedition<br />
für Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Preis: 9,90 Euro<br />
Bestellen Sie in unserem Shop unter:<br />
www.hinzundkunzt.de/shop,<br />
oder telefonisch: Tel. 040 – 32 10 83 11<br />
19
Schutz für die wertvollen<br />
Muskeln: Wolfgang Sasz, 82,<br />
dehnt sich vor dem Training.<br />
Fit ohne<br />
Ende<br />
Sie sprinten, schwimmen und kämpfen Karate:<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> hat die interessantesten Sportgruppen<br />
für Ältere beim Training besucht.<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
TEXT: ANNA-ELISA JAKOB
Bernd Fölschow (79, vorne)<br />
lief in der Ü75-Staffel schon<br />
mehrere Weltrekorde.<br />
Kraft habe er auch<br />
mit 82 noch, sagt<br />
Hammerwerfer Sasz.<br />
Nur etwas langsamer<br />
sei er geworden.<br />
Leichtathletik<br />
Klar, die Nationalstaffel der US-Leichtathleten<br />
soll schon ein bisschen sauer gewesen sein,<br />
als die Senioren der LG Alsternord ihr vergangenes<br />
Jahr den Weltrekord abliefen, 4 x 400<br />
Meter. Doch wer den 80-jährigen Leistungssportlern<br />
beim Training zusieht, kann es<br />
gar nicht anders sagen: Sie sind nun mal auch<br />
besonders ehrgeizig.<br />
Auf den roten Jacken tragen sie ihre Namen<br />
auf der Brust: Wolfgang, Karl, Peter, Bernd,<br />
Reinhard und noch einige mehr, elf Athleten<br />
sind heute hier, dazu Trainer Antoni Thoma.<br />
Manche feilen an ihrem Lauf, andere trainieren<br />
für den Zehnkampf, Diskuswerfen, Speerwurf.<br />
Wolfgang Sasz, 82 Jahre alt und Hammerwerfer,<br />
schleudert eine Kugel nach der anderen<br />
über das Feld. Vereinssport macht er, seit er<br />
zwölf Jahre alt ist, zum Krafttraining geht er mit<br />
seinen 20-jährigen Enkelsöhnen. „Das Schöne<br />
ist: Ich kann immer noch an der Technik feilen“,<br />
sagt er.<br />
Weitere Informationen unter<br />
www.lgalsternord.de
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Schwerpunkt<br />
Alter<br />
Schwimmen<br />
Mittwochabend, 20.15 Uhr,<br />
da streckt Curt Zeiss, Jahrgang<br />
1931, die Arme nach oben und<br />
setzt zum Hecht an, rein ins Wasser,<br />
so wie er das schon seit fast<br />
80 Jahren macht. So hat er allerhand<br />
Wettkämpfe gewonnen,<br />
vergangenes Jahr sogar einen<br />
Weltrekord geholt. Er habe da<br />
wohl eine Marktlücke entdeckt,<br />
sagt er lachend: Schmetterlingsschwimmen,<br />
Altersklasse 90.<br />
Seit das Hallenbad in Rahlstedt<br />
vor 40 Jahren gebaut wurde,<br />
trainiert er hier, bei den Masters<br />
des AMTV. Die Trainer sagen:<br />
„Unsere Altersklassen hier:<br />
von 25 bis Curt Zeiss.“<br />
Training: Montag und<br />
Mittwoch ab 20 Uhr.<br />
Mehr unter www.amtvftv.de<br />
oder unter Tel. 67 92 93 85.<br />
Erst mit 13 lernte Curt Zeiss<br />
das Schwimmen, nun kann<br />
er es nicht mehr lassen.<br />
Bowling an der Wii-Konsole<br />
Der „Lange Aktiv Bleiben e. V.“ wurde 1993 von älteren Menschen in Hamburg gegründet, die genau das wollten:<br />
bis ins hohe Alter aktiv bleiben. In jedem Stadtteil gibt es andere ehrenamtlich organisierte Kurse, vom Bauchtanz bis<br />
zum Tischtennis. In St. Georg trifft man sich regelmäßig zum Bowling, allerdings an der Wii-Konsole. Nun ja, sie sind hier<br />
nicht die typische Sportgruppe, zwischen den Würfen gibt es auch mal Kaffee und Pralinen, dafür wird umso mehr<br />
gelacht und gescherzt. „Das ist bei uns so gesund: Weil wir alle so viel Spaß haben“, sagt Gruppenleitung Eike Schulz.<br />
Der Wii-Treff findet montags und alle zwei Wochen mittwochs ab 14 Uhr statt.<br />
Mehr unter www.labhamburg.de oder unter Telefon 24 14 90.<br />
23<br />
Nicht auf dem Bild: die lautstarken Rufe, mit<br />
denen sich die Spieler:innen gegenseitig anfeuern.
Karate<br />
„Ichi-ni, ichi-ni-san.“ In scharfem Rhythmus bewegt sich die Gruppe von einem Ende des Raumes zum anderen, barfuß in weißen<br />
Gewändern. „Ichi-ni-san, eins, zwei, drei.“ Norbert Saul, Trainer des Kampfsportstudios Budokan, steht am Rand und beobachtet die<br />
Bewegungen seiner ältesten Karatekämpfer:innen. Die jüngste ist Mitte 50, ein Großteil aber über 70. Sie beginnen mit ein paar<br />
Dehnübungen, Ferse nach unten, Bein strecken. Die nächste Übung, der Trainer macht es vor: „Wenn ihr das schafft, ohne dabei<br />
umzufallen, dann ist das schon mal gut!“ In seinem Kampfsportstudio in Barmbek, dessen Charme im Grunde darin liegt, dass es seine<br />
schönsten Tage hinter sich hat, sagt Saul: „Ich sehe sofort, ob jemand schon mal trainiert hat, selbst wenn das Jahrzehnte zurückliegt.“<br />
Wer verwandte Sportarten gelernt hat, etwa Tanz oder Gymnastik, dem falle auch Karate leichter. Doch egal wie schwer es anfangs sein<br />
mag, er findet, das Training lohne sich: „Karate trainiert nicht nur den Körper, sondern auch den Geist.“<br />
Training: dienstags um 17 Uhr, freitags um 16.30 Uhr. Norbert Saul, Budokan Sportcenter Hamburg,<br />
Telefon 61 42 20, www.kampfsportcenter-budokan-hamburg.de<br />
24
Peeerssssönnliicheee<br />
Assssssssiissssteeennz<br />
DEEEIINN NNEEEUEEERR<br />
JOB<br />
uunnnteeer wwwwwwwww.haagg-eeegg.deee<br />
IInnnffos<br />
RRuuff uunnns aannn did}gdkld<br />
abasto<br />
ökologische Energietechnik<br />
Für mehr soziale Wärme<br />
und eine klimaschonende<br />
Strom- und Wärmeversorgung.<br />
www.abasto.de<br />
AZ_HinzKunst_HIW_93x138.pdf 1 03.05.22 16:13<br />
Hajrush Ahmedi, 72,<br />
trainiert für den braunen<br />
Gürtel, unten gemeinsam<br />
mit Ilka Tychsen, 78.<br />
C<br />
M<br />
Y<br />
CM<br />
MY<br />
CY<br />
CMY<br />
K
Stella ist 61 Jahre alt und sagt:<br />
„Das Leben auf der Straße ist sehr gefährlich.“<br />
26
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Schwerpunkt<br />
Alter<br />
(K)Ein Ort zum<br />
Altwerden<br />
Hamburg ist wenig vorbereitet auf die steigende Zahl von<br />
Obdachlosen, die alt und krank sind. Hoffnung verspricht das neue<br />
Konzept der „Lebensplätze“, das jetzt in Bergedorf startet.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER<br />
FOTOS: IMKE LASS<br />
Stella sitzt im Untergeschoss des CaFée mit Herz auf<br />
St. Pauli und sagt, sie habe erst überlegen müssen,<br />
ob sie ihre Geschichten erzählen soll. In 61 Lebensjahren<br />
hat sich eine Menge angesammelt. In ihrem<br />
Fall sehr viel Schmerzhaftes: Gewalt in der Kindheit,<br />
sexuelle Übergriffe, schwere gesundheitliche Probleme und<br />
Operationen. Schon lange arbeitet sie nicht mehr, zwar erhält<br />
sie eine kleine Erwerbsminderungsrente, doch es reicht<br />
trotzdem vorn und hinten nicht. Vor zweieinhalb Jahren<br />
landet sie schließlich auf der Straße. Heute kennt sie jede<br />
Hamburger Hilfseinrichtung für obdachlose Menschen von<br />
innen: „Ich habe alles durch“, sagt sie und lächelt beinahe<br />
entschuldigend.<br />
Seit sie Platte macht, geht es Stella gesundheitlich noch<br />
schlechter. „Meine Beine sind kaputt“, sagt sie. Schon mehrmals<br />
brach sie auf der Straße zusammen, vor zwei Jahren<br />
war es richtig knapp. Die Beine geschwollen, das Blut spritzte<br />
bei Berührung heraus. „Der Notarzt hat mir gesagt, das sei<br />
eine Sache zwischen Leben und Tod gewesen“, sagt sie.<br />
Sogar eine Amputation stand im Raum: Da bekam die<br />
resolute Frau dann doch Panik. Nur nicht die Beine verlieren!<br />
Im Krankenhaus erklärte man ihr, sie dürfe nicht so lange sitzen.<br />
Wenn sich das Blut staut, drohen Entzündungen, im<br />
schlimmsten Fall Thrombosen. Stella hat noch ein anderes<br />
Problem: „Ich kann einfach nicht mehr auf dem Boden<br />
schlafen, weil ich von da nicht mehr alleine hochkomme.“<br />
Auf die Frage, was ihr akut am meisten helfen würde,<br />
muss sie nicht lange überlegen: „Die beste Hilfe wäre,<br />
dass ich meine Beine hochlegen und mal schlafen kann. Ein<br />
sicheres Dach über dem Kopf.“ Viel Hoffnung darauf hat sie<br />
jedoch nicht. „Es gibt keinen Ort für obdachlose Frauen wie<br />
mich. Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt jemanden von<br />
unseren Politikern interessiert“, sagt sie.<br />
Maike Oberschelp, die Chefin des CaFée mit Herz, ist<br />
ebenfalls ernüchtert, wenn sie zur Situation älterer und kran-<br />
Obdachlos im Alter<br />
Eine 82 Jahre alte Frau ist die älteste registrierte Person<br />
in der Hamburger Obdachlosenstatistik (2018). Frauen<br />
stellen zwar nur 20 Prozent der Menschen, die auf der<br />
Straße leben, doch je älter sie werden, umso höher ist ihr<br />
Anteil: Rund 40 Prozent aller Obdachlosen sind zwischen<br />
50 und 59 Jahre alt. Die Hälfte von ihnen sind Frauen. Bei<br />
den Obdachlosen Ü70 sind Frauen sogar doppelt so stark<br />
vertreten (2,1 Prozent) wie Männer (1,0 Prozent). 54,3 Prozent<br />
der Obdachlosen sind nicht krankenversichert. Ihre Gesundheit<br />
beurteilen 19,1 Prozent als „schlecht“ und 23 Prozent als<br />
„weniger gut“. Nach objektiven Kriterien (Beurteilung durch<br />
medizinisches Personal) ist ihr Zustand allerdings noch<br />
schlechter, als sie selbst glauben. Obdachlose sterben im<br />
Durchschnitt mit 49 Jahren. SIM<br />
ker Obdachloser in der Stadt befragt wird. Im Mai starb in<br />
unmittelbarer Nähe der Einrichtung ein 51-jähriger obdachloser<br />
Rollstuhlfahrer, der Platte machen musste. Oberschelp<br />
kann den Anblick des Mannes, den sie flüchtig kannte, nicht<br />
vergessen: „Es gibt für diese Menschen in der Stadt keinen<br />
Ort, um alt zu werden“, sagt sie. Ihr Fazit klingt bitter:<br />
„Als Obdachloser wirst du in dieser Stadt auf der Straße verrecken,<br />
wenn nicht jemand zufällig vorbeikommt und einen<br />
Krankenwagen ruft.“<br />
Auch Eva Masoumi von der Bahnhofsmission beobachtet<br />
vor allem seit der Pandemie eine stärkere Verelendung<br />
ihrer Gäste. Die Menschen, die am Hauptbahnhof Hilfe<br />
suchen, werden zudem immer älter. Masoumi hat einen<br />
konkreten Vorschlag: „Es müsste in jedem Hamburger Stadtteil<br />
eine Krankenstube geben“, sagt sie. In der Krankenstube<br />
der Caritas auf St. Pauli werden akut oder chronisch kranke<br />
27
Winfried Kaiser (75) auf dem Hof der Unterkunft in Bergedorf: „Ich will nur in Ruhe leben.“<br />
Obdachlose versorgt. Die 20 Betten sind jedoch ständig<br />
belegt. Im Krankenstuben-Bericht von 2021 hält die Caritas<br />
in dürren Worten eine dramatische Entwicklung fest: „Auffällig<br />
ist, dass unsere Patient:innen immer älter werden und<br />
intensivere Betreuung und medizinische Pflege benötigen.“<br />
Und doch landen viele nach ihrer Entlassung wieder auf<br />
der Straße.<br />
Immerhin: Im Frühjahr/Sommer 2023 wird in den neuen<br />
Räumen der Bahnhofsmission auch eine Pflegenotfallstelle<br />
öffnen. Pflege gehört nicht zum Kerngeschäft der Bahnhofsmission.<br />
Doch man könne der zunehmenden Verelendung<br />
nicht einfach tatenlos zusehen, sagt Eva Masoumi.<br />
Rund 17 Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt, in<br />
Bergedorf, sitzt Winfried Kaiser in einem kleinen Raum mit<br />
gelb getünchten Wänden und trinkt Kaffee: „Schwarz wie<br />
die Nacht muss er sein“, sagt der 75-Jährige und lacht. Er ist<br />
in der Unterkunft von Fördern & Wohnen im Achterdwars<br />
„bekannt wie ein bunter Hund“, so hatte sich der ehemalige<br />
Versicherungsangestellte vorgestellt. Sein Weg hierher: Wohnungsverlust<br />
nach einer massiven Mieterhöhung, Altenstift,<br />
Winternotprogramm, dann vor sechs Jahren Umzug hierher.<br />
Herr Kaiser hat jetzt das, was den meisten älteren Obdachlose<br />
fehlt. Er hat einen Platz, um die Beine hochzulegen und<br />
zur Ruhe zu kommen, genauer: einen sogenannten Lebensplatz.<br />
Der 75-Jährige ist einer der ersten Bewohner, der nach<br />
einem neuen Konzept der Hamburger Wohnungslosenhilfe<br />
wohnt. Er kann hierbleiben bis zu seinem Lebensende.<br />
Er wird nicht nur mit Essen, sondern auch medizinisch<br />
und pflegerisch versorgt, wenn es einmal nötig wird. Noch<br />
kommt er jedoch gut alleine klar, bis auf den nervigen Meniskus<br />
im linken Knie. Wenn er möchte, begleitet ihn jemand<br />
zur Bank oder zur Ärztin. Die hat hier wöchentlich Sprechstunde<br />
in der angegliederten Schwerpunktpraxis, ein Psychologe<br />
ist alle 14 Tage vor Ort. Es gibt auch einen Fußpfleger<br />
und seit Neuestem auch eine Hauswirtschaftshilfe, die zusätzlich<br />
zur Sozialstation der Diakonie für die Bewohner – alles<br />
28
Schwerpunkt<br />
Alter<br />
Unser Rat<br />
zählt.<br />
Fan werden<br />
Neues Konzept: Lebensplätze<br />
Lebensplätze sehen vor, dass alleinstehende, zumeist ältere<br />
Wohnungslose mit „multiplen Problemlagen“ wie Suchterkrankungen<br />
und psychischen Problemen dauerhaft<br />
in einer Unterkunft leben können. Als „bedarfsgerecht“<br />
gelten barrierefreie Einzelzimmer und eine Versorgung<br />
der Bewohner:innen durch ein professionelles Netzwerk<br />
aus Ärzt:innen, Pflegedienst und Sozialarbeit. SIM<br />
879 79-0<br />
Beim Strohhause 20<br />
Mieterverein zu Hamburg<br />
im Deutschen Mieterbund<br />
20097 Hamburg<br />
trostwerk.de<br />
andere bestattungen<br />
040 43 27 44 11<br />
mieterverein-hamburg.de<br />
ehemals obdach- und wohnungslose Männer mit Suchtgeschichte<br />
und/oder psychischen Beeinträchtigungen –<br />
kocht und sich kümmert.<br />
Jörg Konow leitet die Unterkunft seit Jahresbeginn.<br />
Er ist ein ruhiger Mann mit einem freundlichen Gesicht,<br />
aber wenn er über die Aufgaben spricht, die vor ihm<br />
liegen, wird er ernst: „Die alternde Bevölkerung ist ein<br />
großes Thema, und deshalb wird es auch Zeit, dass dem<br />
Rechnung getragen wird. Es geht nicht nur um Bettenplätze,<br />
es geht um Menschen, die dahinterstehen.“ Was ist<br />
ihm am wichtigsten bei den Lebensplätzen? „Das Herzstück<br />
ist die Gewissheit, dass man zur Ruhe kommen<br />
kann. Es ist ganz wichtig, dass man weiß, wo man hingehört.“<br />
Idealerweise in ein barrierefreies Einzelzimmer – so<br />
sieht es das Konzept vor. Doch noch stockt es beim Umbau:<br />
Bau materialien und Handwerker:innen sind derzeit<br />
nur schwer zu bekommen. Erst 2025 werden hier wohl<br />
alle Räume saniert sein. Schon heute leben aber 30 der<br />
Lebensplatz-Bewohner in Einzelzimmern.<br />
Herr Kaiser muss sich sein 16 Quadratmeter großes<br />
Zimmer noch mit einem Mitbewohner teilen. „Der sieht<br />
am liebsten Horrorfilme im Fernsehen, und ich mag das<br />
nicht“, schimpft er. Nichtsdestotrotz: Umziehen kommt<br />
für den 75-Jährigen nicht infrage: „Neee! Hier bin ich gut<br />
versorgt. Und irgendwann ... zack! Meinetwegen können<br />
sie mich hier auf dem Hof einbuddeln.“<br />
Stella hat unterdessen mithilfe einer Sozial arbeiterin<br />
des CaFée mit Herz ein Zimmer organisiert – privat<br />
und nur vorübergehend. Aber alles ist besser, als weiter<br />
draußen zu schlafen, denn: „Wenn ich so weitermache wie<br />
bisher, ist es bald vorbei.“ •<br />
Simone Deckner musste beim Gespräch<br />
mit Herrn Kaiser mehrere Worträtsel lösen,<br />
eines davon: „Wissen Sie, was Kartoffeln<br />
hochkant sind?“ Zum Glück kannte sie die<br />
richtige Antwort: Pommes.<br />
simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />
Mitarbeiter:in<br />
gesucht!<br />
Unser Vertriebs-Team<br />
sucht engagierte Verstärkung<br />
für die Betreuung rumänischer<br />
Verkäufer:innen.<br />
Wir legen Wert auf: vorurteilsfreien Umgang mit<br />
fremden Kulturen; Sprache: sehr gute Rumänischund<br />
Deutschkenntnisse; Arbeitshaltung: herzlich,<br />
zugewandt, geduldig, verständnisvoll, belastbar,<br />
organisiert, freundlich durchsetzungsfähig.<br />
Aufgabenbereich: Übersetzung und Unterstützung<br />
bei allen Vertriebsaufgaben, Aufnahmen und<br />
Beratung von Verkäufer:innen etc.<br />
Teilzeit-Tätigkeit: 3x4 Stunden pro Woche;<br />
Vergütung: nach AVR 13,12 Euro/Std.<br />
Bitte senden Sie Ihre Bewerbung an<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH, Christian Hagen,<br />
Minenstraße 9, 20099 Hamburg oder<br />
info@hinzundkunzt.de, Tel: 040/ 32 10 83 11<br />
29
Vor allem Frauen<br />
sind von Armut<br />
im Alter betroffen.<br />
Z<br />
wanzig Jahre ist Staczek<br />
(Name geändert, Red.) zur See<br />
gefahren, für eine polnische<br />
Reederei. Rund 200 Euro<br />
Rente monatlich erhält er dafür, erzählt<br />
der 80-Jährige. Hinzu kommen ein<br />
paar Euro für die sechs Jahre, die er in<br />
Hamburg Möbel geschleppt hat. Mehr<br />
Rentenansprüche hat sich der frühere<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer nicht erarbeiten<br />
können: Ein Arbeitgeber habe ihn<br />
gezwungen, schwarzzuarbeiten. Später<br />
seien Krankheiten hinzugekommen.<br />
Staczek hat das Glück, dass er bei einer<br />
guten Bekannten sehr günstig wohnen<br />
kann. Deshalb und dank der rund<br />
400 Euro Grundsicherung kommt er<br />
gerade so über die Runden. Auch wenn<br />
er sagt: „Früher konnte ich einmal im<br />
Jahr für ein bis zwei Wochen in meine<br />
Heimat fahren. Bei den Preisen heute<br />
kannst du das vergessen.“<br />
Staczek ist einer von rund 50.000<br />
über 65-Jährigen in Hamburg, die arm<br />
30<br />
im Alter und deshalb auf Hilfe vom<br />
Staat angewiesen sind. Das sind fast<br />
doppelt so viele wie vor 15 Jahren. Und<br />
die tatsächliche Zahl der Bedürftigen<br />
dürfte weit höher sein: Sechs von zehn<br />
Menschen, die Grundsicherung im Alter<br />
bekommen könnten, nehmen diesen<br />
Anspruch nicht wahr, so das Ergebnis<br />
von Studien: aus Scham, aus Unwissenheit,<br />
aus Angst vor Nachteilen oder weil<br />
die Anträge sehr kompliziert sind. „Es<br />
gibt Menschen in Hamburg, die gehen
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Schwerpunkt<br />
Alter<br />
„Eine Frage<br />
des politischen<br />
Willens“<br />
Rezepte gegen Altersarmut gibt es.<br />
Doch sie werden nicht angewandt.<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
am Ende des Monats nicht mehr auf<br />
die Straße. Weil sie die Sorge haben,<br />
dass sie jemanden treffen, der sagt:<br />
,Komm, lass uns mal ’nen Kaffee trinken!‘<br />
Und die das nicht können, weil sie<br />
nicht das Geld dafür haben“, berichtet<br />
Klaus Wicher, Vorsitzender des Sozialverbands<br />
Deutschland (SoVD) in Hamburg.<br />
Und es gebe sogar Menschen, die<br />
hungern. „Die Preiserhöhungen sind<br />
so gewaltig, dass einige am Ende des<br />
Monats einfach nichts mehr haben.“<br />
Die Grundrente, ein Vorzeigeprojekt<br />
von Bundesarbeitsminister Hubertus<br />
Heil (SPD), hilft den wenigsten. Nur<br />
rund jede:r 50. Betroffene in Hamburg<br />
profitiert bislang von ihr, so Wicher.<br />
„Und das ist ja auch keine Grundrente,<br />
sondern ein Rentenaufschlag.“ Ihn bekommt<br />
unter bestimmten Voraussetzungen,<br />
wer mindestens 33 Jahre sozialversicherungspflichtig<br />
gearbeitet hat.<br />
Wer nicht regelmäßig oder vor allem in<br />
Minijobs oder selbstständig beschäftigt<br />
war, bleibt außen vor. Vor allem Frauen<br />
müssen sich oft mit Mini-Renten durchschlagen,<br />
so die Statistiken.<br />
Der SoVD-Vorsitzende Wicher fordert<br />
deshalb grundsätzlich höhere Renten,<br />
gleiche Löhne für Frauen und die<br />
vollwertige Anerkennung von Familienund<br />
Pflegezeiten. Das sind zwar Vorschläge,<br />
die die Bundesregierung<br />
umsetzen müsste, doch auch der Hamburger<br />
Senat kann Altersarmut bekämpfen,<br />
meint Wicher. Zum Beispiel<br />
mit eigenem Geld einen 10-Prozent-<br />
Aufschlag auf die Grundsicherung auszahlen,<br />
so wie die Stadt München es<br />
vormacht. Rot-Grün lehnte diese Idee<br />
bereits 2019 ab – mit Hinweis auf<br />
fehlende Daten. Aus Sicht des SoVD-<br />
Vorsitzenden eine Ausrede: „Das ist<br />
eine Frage des politischen Willens. Und<br />
der Bereitschaft, das entsprechende<br />
Geld in die Hand zu nehmen.“<br />
Mit weiteren, schnell umsetzbaren<br />
Maßnahmen sollte der Senat das Leben<br />
aller Hilfebedürftigen in Hamburg erleichtern,<br />
fordert Wicher: etwa mit<br />
einem Null-Euro-Ticket für Busse und<br />
Bahnen, kostenlosen Sportangeboten<br />
und freiem Museumseintritt. Seit Jahren<br />
trage er diese Vorschläge der Sozialbehörde<br />
und den Regierungsfraktionen<br />
von SPD und Grünen vor – ohne<br />
Erfolg. Die Entlastungspakete der im<br />
Bund regierenden Ampel würden Menschen<br />
in Altersarmut jedenfalls wenig<br />
helfen, meint der SoVD-Vorsitzende:<br />
„Einmalzahlungen sind wenig nützlich.<br />
Es braucht deutliche Erhöhungen der<br />
monatlichen Zuwendungen.“<br />
Michael David, zuständig für Altersarmut<br />
bei der Diakonie Deutschland,<br />
hat noch einen anderen Vorschlag:<br />
Beantragt jemand Rente und<br />
die fällt gering aus, so die Idee, sollte<br />
dieser Umstand automatisch dem<br />
Grundsicherungsamt gemeldet werden.<br />
Das könnte dann weitere Ansprüche<br />
der Betroffenen prüfen – und verdeckte<br />
Altersarmut verhindern. Michael David:<br />
„So würde der Staat dafür sorgen,<br />
dass die Menschen, die Hilfe benötigen,<br />
diese auch bekommen.“ •<br />
ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />
31
„Überwältigende<br />
Landschaft, große<br />
Gastfreundschaft“<br />
Land zwischen Vergangenheit und Zukunft: Fotograf Dmitrij<br />
Leltschuk reiste durch Nordalbanien. Ein Protokoll.<br />
PROTOKOLL: FRANK KEIL
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Fotostrecke<br />
„Verwunschene Berge“<br />
nennt man die Nordalbanischen<br />
Alpen (links).<br />
Hajdar Bardhi in seinem<br />
Haus. Er ist eine Burrnesha,<br />
sein Frauenname<br />
war Fatime.<br />
V<br />
on Albanien wusste ich nichts. Ich hatte keine<br />
Vorstellungen über das Land, die Kultur, die<br />
Sprache. Und ich muss sagen: eine überwältigende<br />
Landschaft, eine große Gastfreundschaft.<br />
Wobei der Süden entlang der Adria und dem<br />
Ionischen Meer vergleichsweise touristisch ist. Aber im<br />
Länderdreieck zwischen Montenegro, dem Kosovo und<br />
Nordalbanien ist es sehr, sehr abgeschieden und anders als<br />
alles, was ich bisher kannte.<br />
Wir waren meist zu Fuß unterwegs: ein Journalist,<br />
ich als Fotograf und unsere Übersetzerin. Es gibt wenig<br />
befestigte Straßen.<br />
Was in Nordalbanien besonders ist, ist das „Kanun“ –<br />
das Gewohnheitsrecht. Ein Werte-Gesetz, das uralt ist. Nach<br />
dem leben die Leute dort, es hat sogar Vorrang vor dem<br />
zivilen Gesetz und sorgt auch dafür, dass man einen Gast<br />
nicht abweist, sondern ihm sein Haus öffnet.<br />
Oder die „Schwurjungfrauen“, albanisch: „Burrnesha“.<br />
Sie leben ausschließlich in Nordalbanien. Wir haben zufällig<br />
eine kennengelernt, die uns ihre Geschichte erzählte: Als sie<br />
15 Jahre alt war, starben ihr Vater und ihr älterer Bruder, und<br />
sie sollte als die nun Älteste die Familie versorgen. Sie schnitt<br />
sich die Haare ab, nahm einen männlichen Vornamen an<br />
und schwor, dass sie selbst nie eine Familie gründet. Von da<br />
35
Gjyl Sylshabanaj legt<br />
Hagebutten zum Trocknen<br />
aus. Ihr 96-jähriger Mann<br />
Zeqir geht gleich zur Feldarbeit.<br />
Ihre Familie kam<br />
vor 100 Jahren aus Montene<br />
gro nach Albanien.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Fotostrecke<br />
Medi Gocaj (oben) schaut<br />
nach seinen Bienen.<br />
Die Puppe auf dem Stock<br />
soll vor bösen Geistern<br />
schützen.<br />
Flora Gocaj macht Wäsche.<br />
Im Sommer betreibt ihre<br />
Familie ein kleines Hotel<br />
im Dorf Çerem.<br />
Albanien in Zahlen:<br />
Albanien ist etwa so groß wie Belgien. Es zählt gut<br />
2,8 Millionen Einwohner:innen, weitere geschätzt<br />
2 Millionen Albaner:innen leben im Ausland, viele im<br />
Kosovo. Besonders die jungen Leute zieht es in den<br />
Westen. Das Lohnniveau ist niedrig, der Mindestlohn<br />
liegt bei etwa 250 Euro im Monat. Damit ist Albanien<br />
eines der ärmsten Länder Europas.<br />
Der Tourismus wächst, konzentriert sich aber auf den<br />
Süden. Die meisten der jährlich 3 Millionen Tourist:innen<br />
kommen aus den Nachbarländern. Direktflüge von<br />
Deutschland in die Hauptstadt Tirana sind rar; Bahnverbindungen<br />
sind ob der jahrzehntelangen Selbstisolierung<br />
kaum vorhanden. So nimmt man am besten von Italien<br />
aus die Fähre.<br />
Albanien ist Mitglied der NATO und Beitrittskandidat<br />
der Europäischen Union. FK<br />
Mehr Infos unter:<br />
www.huklink.de/albanien-statistiken<br />
www.huklink.de/albanien-mindestlohn<br />
www.huklink.de/albanien-tourismus<br />
an durfte sie in die Kneipe gehen, auf der Straße rauchen,<br />
ein Gewehr tragen, einen männlichen Beruf ausüben und zu<br />
Beerdigungen gehen. Und sie sah wirklich aus wie ein Mann.<br />
In einem anderen Dorf hat uns eine sehr gastfreundliche<br />
ältere Frau angesprochen und zum Essen eingeladen. Danach<br />
musste sie los, wir durften sie begleiten: Es ging zu einem<br />
Hügel, vielleicht 100 Meter von ihrem Haus entfernt, da liegt<br />
ihr Mann beerdigt, sie wollte das Grab pflegen. Er habe im<br />
Bergbau gearbeitet, zu Zeiten des kommunistischen Diktators<br />
Enver Hoxha. Doch dann habe er während der Arbeit<br />
einen harmlosen politischen Witz gemacht, und in der<br />
nächsten Nacht, am 14. Februar 1975, sei die Polizei gekommen<br />
und habe ihn in ein Lager gesteckt. Dort musste er wieder<br />
im Bergbau arbeiten, nun ohne jede Ausrüstung.<br />
Acht Jahre habe er durchgehalten. Erst nach dem Tod des<br />
Diktators 1985 konnte sie seine Knochen abholen: Man<br />
überreichte ihr ein kleines Säckchen, es habe fast nichts<br />
gewogen – dabei sei ihr Mann zwei Meter groß gewesen.<br />
Apropos Hoxha: Das lange kommunistische Albanien,<br />
das erst mit der Sowjetunion und danach mit China gebrochen<br />
hatte, fühlte sich von Feinden umzingelt. Daher<br />
ordnete Hoxha an, dass jede Familie sich ihren eigenen<br />
Bunker bauen musste, und so ist das Land übersät mit Bunkern.<br />
Nur nicht der Norden, weil die Gegend so unzugänglich<br />
ist. Nicht mal der Diktator hatte Angst, dass hier der<br />
Feind einmarschieren könnte.<br />
Man spürt, das ganze Land strebt in die EU, es ist arm<br />
und die Regierung will auch in Nordalbanien die Infrastruktur<br />
ausbauen. Besonders Deutschland gibt Geld für<br />
Hotels, Gästehäuser und für Straßen. Diese Infrastruktur<br />
wird die traditionelle Gesellschaft verändern, könnte sie<br />
zerstören. Andererseits – wenn die Albaner:innen genug<br />
Geld verdienen, kann es auch sein, dass sie ihre Kultur neu<br />
entdecken. Dann wäre die Gesellschaft kulturell gerettet. Wir<br />
sind während unserer Reise durch den Norden keinen<br />
Tourist:innen begegnet – was nicht so bleiben wird. •<br />
Dmitrij Leltschuk<br />
weiß genau: Albanien ist ein Land, wo nichts<br />
das ist, wonach es aussieht – weder Frauen<br />
noch Alkohol noch Hotels.<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
39
40<br />
Stephan Karrenbauer<br />
vor dem Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Haus in St. Georg
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Intern<br />
„Wir sind Meinungsmacher“<br />
Schweren Herzens verabschiedet sich Hinz&<strong>Kunzt</strong> von Stephan Karrenbauer.<br />
Als Sozialarbeiter und politischer Sprecher hat er 27 Jahre lang für die<br />
Rechte von Obdachlosen gekämpft und unzähligen Hinz&Künztler:innen bei ihrem<br />
Weg in ein selbstbestimmtes Leben zur Seite gestanden.<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
FOTO S. 40: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
FOTO: FREDERIKA HOFFMANN<br />
Stephan, kaum jemand in Hamburg<br />
hat so beharrlich für die Rechte von<br />
Obdachlosen gekämpft wie du.<br />
Und du hast viel erreicht. Was freut<br />
dich im Rückblick besonders?<br />
Dass die Idee des Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Hauses<br />
umgesetzt wurde, mit Wohngemeinschaften<br />
für Menschen, die sonst keine<br />
Chance auf ein Zuhause gehabt hätten,<br />
das war ganz wichtig. Aber welcher<br />
Erfolg der größte war, kann ich nicht<br />
sagen. Fast alles, was wir an Projekten<br />
umgesetzt haben, war ein Erfolg – weil<br />
es von einer inneren Begeisterung getragen<br />
wurde.<br />
An welche Projekte denkst du da?<br />
Es gibt so vieles, ich kann das gar nicht<br />
in eine Reihenfolge bringen. Es ist für<br />
mich auch ein Erfolg, wenn ich jemanden<br />
überzeugen konnte, den Mut aufzubringen,<br />
endlich zum Zahnarzt zu<br />
gehen. Eines der ersten großen Projekte,<br />
das mir einfällt, war das Winterzelt<br />
1996 auf dem Gerhart-Hauptmann-<br />
Platz, das wir aufgebaut und betrieben<br />
haben für Menschen auf der Straße, die<br />
nicht ins Winternotprogramm gegangen<br />
sind. Da haben auch viele Obdachlose<br />
mitgearbeitet. 2008 haben wir einen<br />
Schrebergarten gemietet, in dem mehrere<br />
Leute jahrelang geschrebert haben.<br />
Der Stadtrundgang ist ein Megaerfolg,<br />
vor Corona hat unser Stadtführer Chris<br />
5000 Menschen im Jahr zu Hamburgs<br />
Nebenschauplätzen geführt. Wir haben<br />
Im Winter 1996/97 baute Hinz&<strong>Kunzt</strong> aus Protest<br />
ein Winterzelt auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz<br />
auf. Drei Menschen waren kurz vor Weihnachten<br />
erfroren. Das Zelt sollte Wärme spenden.<br />
auch erreicht, dass das Pik As nicht mehr<br />
so überfüllt ist und heute niemand mehr<br />
auf dem Flur schlafen muss. Das war ein<br />
Erfolg, genauso wie „Spende dein<br />
Pfand“ am Flughafen.<br />
41<br />
Das Pfandprojekt am Flughafen entstand<br />
2015 nach einer Petition von Hinz&<strong>Kunzt</strong>,<br />
die öffentlich machte, dass bedürftige Menschen<br />
Anzeigen wegen Hausfriedensbruch kassierten,<br />
weil sie trotz Verbots im Flughafen Pfandflaschen<br />
sammelten. Binnen drei Tagen unterzeichneten<br />
57.000 Unterstützer:innen die Petition,<br />
das Management des Flughafens bat um<br />
eine kooperative Lösung. Die wurde gefunden:<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> stellte drei „Pfandbeauftragte“<br />
fest ein, sozialversichert und fair bezahlt. Auch<br />
bei den „Brotrettern“, einem Kooperationsprojekt<br />
mit der Bäckerei Junge, oder als Stadtführer<br />
sind Hinz&Künztler:innen fest angestellt.<br />
Projektleiter ist in allen Fällen Stephan<br />
Karrenbauer. „Er hat viele Ideen und war auch<br />
immer offen für die von anderen. Sobald sich<br />
die Chance bot, hat er gute Ansätze aufgegriffen<br />
und daraus ein Projekt entwickelt, das<br />
genau zu Hinz&<strong>Kunzt</strong> und der bestehenden<br />
Situation gepasst hat. Er hat viel Verantwortung<br />
übernommen“, sagt Ex-Chefredakteurin<br />
Birgit Müller, seine langjährige Mitstreiterin.<br />
Wie fühlt es sich nun an, nach so<br />
langer Zeit Hinz&<strong>Kunzt</strong> zu verlassen?<br />
Nach fast 30 Jahren fällt es natürlich<br />
schwer. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein ganz wichtiger<br />
Teil meines Lebens. Ich lasse vieles<br />
hinter mir, das schmerzt. Trotzdem ist<br />
es die richtige Entscheidung, nun zu<br />
gehen.
Intern<br />
sie eine Gefängnisstrafe verbüßt hatten, direkt<br />
auf der Straße. Einige kamen aus Heimen<br />
der Jugendhilfe. Für sie gab es damals keine<br />
Angebote, Straßensozialarbeit fand in der<br />
City nicht statt. Dass sich das änderte, ist ein<br />
großer Verdienst von Stephan Karrenbauer<br />
und Birgit Müller, ehemals Chefredakteurin<br />
von Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Im Team mit vielen anderen<br />
bildeten sie eine Lobby für die Hilfsbedürftigen<br />
und überzeugten auch die<br />
Geschäftstreibenden in der City, Obdachlose<br />
nicht als Störenfriede, sondern als Menschen<br />
zu sehen, die zur Hamburger Gesellschaft<br />
dazugehören.<br />
Seit deinem Beginn bei Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
hat sich für Obdachlose in Hamburg<br />
vieles verbessert. Sind wir auf einem<br />
guten Weg?<br />
Ja, wir haben viel geschafft. Aber es<br />
reicht noch nicht. Jeder Hamburger,<br />
der mit offenen Augen durch die Stadt<br />
läuft, sieht, dass etwas nicht stimmen<br />
kann, wenn Menschen offensichtlich<br />
auf der Straße verelenden. Das große<br />
Ganze hat sich nicht verändert.<br />
1996: Stephan Karrenbauer und Ex-Vertriebsleiter Dieter Redenz bei der Übergabe<br />
eines ausrangierten Polizeibullis (oben) und unten mit Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Kolleg:innen<br />
Wieso?<br />
Ich habe gemerkt, dass meine Kräfte<br />
nachlassen und ich mir selber nicht<br />
mehr gerecht werde. Bei Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
habe ich alles gegeben, das musste auch<br />
so sein. Aber ich bin an den Punkt gekommen,<br />
da merke ich: Ich kann mich<br />
selber nicht mehr hören. Es ermüdet<br />
mich, immer wieder dasselbe kritisieren<br />
zu müssen, immer wieder neue Worte<br />
finden zu müssen für Missstände, die<br />
einfach nicht behoben werden. Zum<br />
Beispiel, dass immer noch nicht ganzjährig<br />
ausreichend Unterkünfte für<br />
Obdachlose geschaffen werden. Wir<br />
haben 2000 obdachlose Menschen in<br />
Hamburg. Dass man es nicht hinkriegt,<br />
denen ein Zuhause zu bieten, ist mir<br />
unbegreiflich. Ich weiß nicht, wie ich da<br />
noch weiterkommen soll.<br />
Stephan Karrenbauer gehört in Hamburg zu<br />
den ersten Sozialarbeiter:innen, die sich<br />
gezielt für Obdachlose einsetzten. Als er bei<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> anfing, war das Bild in der<br />
Innenstadt nach Ladenschluss noch ein ganz<br />
anderes als heute: In fast jedem Hauseingang<br />
schliefen Obdachlose. Es waren Menschen<br />
aus der ehemaligen DDR, die gestrauchelt<br />
waren beim Versuch, im Westen Fuß zu fassen,<br />
schwere Krisen erlitten und alkoholkrank<br />
geworden waren. Andere landeten, nachdem<br />
Hamburg hat sich wie viele andere<br />
Städte das Ziel gesetzt, Obdachlosigkeit<br />
bis 2030 abzuschaffen.<br />
Wie kommen wir voran?<br />
Obdachlosigkeit ist als Problem erkannt<br />
worden. Nun müsste ein Plan<br />
entwickelt werden, dieses Problem aus<br />
der Welt zu schaffen. Was aber passiert?<br />
Wir sehen den Missstand, wir schreien<br />
auf, und dann macht die Stadt ein bisschen<br />
was. Dieses Bisschen ist gut, aber<br />
nicht genug. Jeder Mensch braucht<br />
Hoffnung, und diese Hoffnung muss ich<br />
als Sozialarbeiter den Leuten auf der<br />
Straße vermitteln können. Es reicht<br />
nicht, zu sagen: Wenn du Glück hast,<br />
bekommst du irgendwann was.<br />
Wie kommen denn obdachlose<br />
Menschen überhaupt an einen Platz<br />
im Wohnheim – und von dort aus<br />
weiter?<br />
Wir haben in Hamburg ein System, bei<br />
dem obdach- und wohnungslose Personen<br />
in bestimmte Stufen eingeteilt werden,<br />
die sich an ihrer sogenannten<br />
Wohnfähigkeit bemessen. Bei diesem<br />
Kriterium geht es darum, ob den Leuten<br />
zugetraut wird, dass sie eine eigene<br />
FOTOS: FREDERIKA HOFFMANN (S. 42), HENDRIK DOOSE (S. 43)<br />
42
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Intern<br />
Wohnung überhaupt führen können.<br />
Wer dieses Stufensystem durchlaufen<br />
hat, bekommt in der Regel irgendwann<br />
die Chance auf eine Wohnung.<br />
Was spricht gegen so ein System?<br />
Dass es die Menschen ein Stück weit<br />
entmündigt. Wohnungslose im Wohnheim<br />
etwa bekommen zunächst keinen<br />
eigenen Mietvertrag, sondern die Einrichtung<br />
schließt diesen ab. Nach einem<br />
Jahr wird dann entschieden, ob<br />
die Person einen Mietvertrag auf ihren<br />
Namen bekommt. So eine Regelung<br />
für erwachsene Leute finde ich bedenklich.<br />
Es gibt Leute, die lehnen es<br />
ab, sich in so ein Stufensystem hineinzubegeben,<br />
weil sie sich da mies behandelt<br />
fühlen – und das kann ich gut<br />
nachvollziehen.<br />
Auch wer auf der Straße lebt, kann Verantwortung<br />
für sich selbst übernehmen – dieses<br />
Prinzip war und ist dem Sozialarbeiter<br />
wichtig. Auch er musste manchmal Geduld<br />
aufbringen, wenn Hinz&Künztler:innen<br />
lange benötigten, um Unterstützung anzufragen<br />
oder einige Anläufe brauchten, um bei<br />
Ämtern und Behörden ihre Rechte geltend zu<br />
machen. Doch ihnen diese Aufgaben voreilig<br />
abzunehmen, hält er für falsch – weil es den<br />
Menschen die Chance nimmt, selbst etwas zu<br />
erreichen. „Dass er die Leute gelassen, aber<br />
dabei immer im Blick gehabt hat, das<br />
hat s eine Arbeit besonders gemacht“, sagt<br />
Mitstreiterin Birgit Müller.<br />
Hat Hamburg heute ein Winternotprogramm,<br />
mit dem du einverstanden<br />
bist?<br />
Dass die Stadt in der Halskestraße ein<br />
Hotel angemietet hat, um Obdachlose<br />
in Einzelzimmern unterzubringen,<br />
ist ein Quantensprung. Trotzdem werden<br />
auch dort mehrere Hundert obdachlose<br />
Menschen in einem Haus<br />
untergebracht.<br />
Was ist daran problematisch?<br />
Im Winternotprogramm kommen extrem<br />
kranke Menschen zusammen, die<br />
stark alkoholisiert sind oder die sich in<br />
einem psychischen Ausnahmezustand<br />
befinden. Du willst zu so einer Gruppe<br />
von Menschen nicht dazugehören.<br />
Dieses Argument nennen obdachlose<br />
Menschen meist nicht, sie sagen eher:<br />
„Ich habe Angst, beklaut zu werden.“<br />
Das mag vorkommen. Aber ich glaube,<br />
die Konfrontation mit der eigenen Krise<br />
hindert viele daran, ins Winternotprogramm<br />
zu gehen.<br />
Seit Beginn des Jahres sind schon<br />
wieder acht wohnungslose Menschen<br />
auf der Straße gestorben, darunter<br />
auch Pluto, ein bekannter und beliebter<br />
Hinz&Künztler. Was lösen solche<br />
Todesmeldungen in dir aus?<br />
Immer noch: Trauer. Ich werde aber<br />
auch aggressiv. Wenn ich daran denke,<br />
was wir gerade für Pluto alles unternommen<br />
haben, damit man ihm hilft!<br />
Was Pluto gebraucht hätte, war ein Zuhause.<br />
Er hat sogar das Winternotprogramm<br />
immer bis zum letzten Tag<br />
in Anspruch genommen. Wenn man<br />
das alles so spürt und mitbekommt, und<br />
dann sterben die Leute auf der Straße –<br />
irgendwann fehlen einem einfach die<br />
Worte. Ich merke, dass ich darüber gar<br />
nicht mehr sachlich diskutieren kann.<br />
Das ist auch ein Grund, warum ich es<br />
für sinnvoll halte, in Frührente zu gehen.<br />
Welche Ziele hättest du gerne noch<br />
erreicht?<br />
Das oberste Ziel ist nicht erreicht worden,<br />
und zwar, dass wir gemeinsam mit<br />
der Sozialbehörde ein Konzept erarbeiten,<br />
wie alle Obdachlosen in Hamburg<br />
eine dauerhafte, menschenwürdige<br />
Unterkunft bekommen. Es kann nicht<br />
sein, dass die Sozialarbeit in Hamburg<br />
nur noch das Leben der Menschen<br />
auf der Straße erhalten soll, weil die<br />
Angebote fehlen, die eine wirkliche<br />
Integration möglich machen. Daran<br />
muss weitergearbeitet werden.<br />
Beharrlich Missstände ansprechen und<br />
zeigen, wie es besser gehen kann – damit<br />
haben Stephan Karrenbauer und seine<br />
Mitstreiter:innen bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> politisch<br />
viel für Obdachlose bewirkt. Nach einer<br />
Deutschlandreise präsentierten er und Birgit<br />
Müller der Sozialbehörde eine Sammlung<br />
Lang ist’s her: Stephan<br />
Karrenbauer im Mai 2001<br />
43<br />
von guten Projekten für Obdachlose, die in<br />
anderen Städten schon etabliert waren, und<br />
s tießen damit auch ein Umdenken in der<br />
Bürgerschaft an. Mit dem früheren Sozialsenator<br />
Detlef Scheele liefen sie nachts durch<br />
die Innenstadt, um auf die Menschen aufmerksam<br />
zu machen, die dort Platte machten.<br />
Als das Betteln in der Hamburger Innenstadt<br />
verboten werden sollte, startete Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Aktionen dagegen und wendete das Blatt.<br />
In vielen kleinen Schritten veränderten<br />
Stephan Karrenbauer und die, die mit ihm an<br />
einem Strang zogen, die politische Agenda,<br />
initiierten runde Tische und etablierten einen<br />
beständigen Dialog zwischen Stadt und<br />
ziviler Obdachlosenhilfe.<br />
Als politischer Sprecher warst du auch<br />
Lobbyist für die Rechte von Obdachlosen.<br />
Bist du zufrieden mit dem, was<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> politisch geschafft hat?<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> hat erreicht, dass das<br />
Thema Obdachlosigkeit inzwischen<br />
über Jahrzehnte fest verankert ist in den<br />
Köpfen der Politiker. Das haben wir<br />
hinbekommen: Den Hamburgern immer<br />
wieder klarzumachen, dass es keine<br />
Normalität ist, dass Menschen auf der<br />
Straße schlafen. Deshalb gibt es keinen<br />
Senat, der sich uns gegenüber verweigert<br />
hat oder nicht bereit wäre, Gespräche<br />
zu führen. Vielleicht auch, weil<br />
Politiker grundsätzlich gerne lieber mit<br />
guten Geschichten in unserem Magazin<br />
stehen. Wir sind Meinungsmacher. •<br />
redaktion@hinzundkunzt.de
Freunde<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />
Sammelten<br />
für Hinz&<strong>Kunzt</strong>:<br />
Claudia und<br />
Steffen Leicht<br />
100 Jahre Leichtigkeit<br />
Claudia und Steffen Leicht sind jedes Jahr für genau sechs<br />
Wochen gleich alt. Nun wurden sie zusammen 100.<br />
Das haben sie gefeiert – und dabei für Hinz&<strong>Kunzt</strong> gesammelt.<br />
TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />
FOTO: IMKE LASS<br />
Wann wird man schon<br />
mal 100 Jahre alt – zumindest<br />
gemeinsam?<br />
Also brachten Claudia<br />
und Steffen Leicht ihre Freund:innen<br />
und Familie zu einem großen Fest unter<br />
dem Motto „100 Jahre Leichtigkeit“<br />
zusammen. „Gemeinschaft, ein gutes<br />
Miteinander – das brauchen wir gerade<br />
44<br />
jetzt“, finden die beiden. Es wurde viel<br />
getanzt, gelacht, gefeiert – und anstelle<br />
von Geschenken Geld gesammelt. „Dafür<br />
danken wir unseren Gästen“, sagt<br />
Claudia Leicht. „Denn sie sind diejenigen,<br />
die gegeben haben.“<br />
Schon lange sind die beiden<br />
Jurist:innen Hinz&<strong>Kunzt</strong> verbunden.<br />
„Als wir in Winterhude wohnten, hatten<br />
wir einen Stammverkäufer“, erzählt<br />
Steffen Leicht. Mit Hinz&Künztler<br />
Gerrit, der mit seinem Hund Nic dort<br />
vor dem Supermarkt stand, kamen sie<br />
schnell ins Gespräch über Fußball,<br />
Bücher und Gott und die Welt. „Unsere<br />
damals noch kleine Tochter Ina hatte<br />
Angst vor Hunden“, erinnert er sich.<br />
Diese Angst verlor Ina durch Nic, „dem
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
nettesten Hund der Welt“, sagt Claudia<br />
Leicht und lacht. „Gerrit hat Ina also<br />
ein bisschen miterzogen.“<br />
Claudia Leicht ist Geschäftsführerin<br />
des Hamburgischen Anwaltvereins,<br />
der den jährlichen Juristenball veranstaltet.<br />
„Der Ball findet im Februar<br />
statt. Wir feiern also drinnen im<br />
Warmen in einer Zeit, in der viele<br />
Menschen im Winter auf der Straße leben<br />
müssen. Deshalb haben wir den<br />
Tombola-Erlös an Hinz&<strong>Kunzt</strong> gespendet“,<br />
sagt sie. „Uns selbst geht’s ja gut.“<br />
In Steffen Leichts Kanzlei werde<br />
normalerweise einmal im Jahr eine<br />
große Feier mit Gästen ausgerichtet,<br />
erzählt er. 2020 gab es eine Online-<br />
Version, 2021 entfiel die Feier coronabedingt<br />
komplett: „Einen Teil des<br />
Geldes, das ursprünglich für die Feier<br />
vor gesehen war, haben wir dann an<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> gespendet.“ Den Betriebsausflug<br />
wollte die Kanzlei nicht<br />
auch noch sausen lassen und suchte<br />
nach etwas, das man coronakonform<br />
draußen gemeinsam unternehmen<br />
könnte. Eine Mitarbeiterin der Kanzlei<br />
Freunde<br />
schlug eine Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Stadtführung<br />
vor. „Das war toll! Kein Armutstourismus,<br />
sondern ein anderer Blick auf die<br />
Stadt, die sich so noch mal neu<br />
erschließt“, sagt der Rechtsanwalt.<br />
„Die Führung war für mich auch<br />
mit ausschlaggebend für die Idee, zu<br />
unseren Geburtstagen zu spenden.“<br />
Tochter Ina, mittlerweile zwölf<br />
Jahre alt, bastelte für die 100-Jahr-Feier<br />
ihrer Eltern zwei Spendenboxen – eine<br />
für Hinz&<strong>Kunzt</strong>, die andere für ein<br />
Pfadfinderprojekt in Sachsen, das Jugendarbeit<br />
gegen Rechts macht. Die<br />
Gäste sollten nicht bevormundet werden,<br />
sondern eine Wahl haben, für wen<br />
sie spenden wollten, erklärt Claudia<br />
Leicht. „Wir hätten auch um Überweisungen<br />
bitten können, aber so hatte es<br />
eine Unmittelbarkeit, die uns wichtig<br />
war“, sagt ihr Mann und sie ergänzt:<br />
„Wir freuen uns, wenn wir unseren<br />
Freunden damit eine gute Idee geben<br />
können. Wer weiß, vielleicht engagieren<br />
sie sich ja auch.“ •<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
JA,<br />
ich werde Mitglied<br />
im Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Freundeskreis.<br />
Damit unterstütze ich die<br />
Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
Meine Jahresspende beträgt:<br />
60 Euro (Mindestbeitrag für<br />
Schüler:innen/Student:innen/<br />
Senior:innen)<br />
100 Euro<br />
Euro<br />
Datum, Unterschrift<br />
Ich möchte eine Bestätigung<br />
für meine Jahresspende erhalten.<br />
(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />
Meine Adresse:<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Nr.<br />
PLZ, Ort<br />
Telefon<br />
E-Mail<br />
Einzugsermächtigung:<br />
Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />
Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />
Dankeschön<br />
Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />
IBAN<br />
Wir danken allen, die uns im Juni 2022<br />
unterstützt haben, sowie allen Mitgliedern im<br />
Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong>! Ausdrücklich<br />
danken wir allen Spender:innen – kleine und<br />
große Beträge werden geschätzt! Auch<br />
unseren Unterstützer:innen auf Facebook:<br />
ein großes Dankeschön!<br />
DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />
• wk-it-consultants GmbH<br />
• Produktionsbüro<br />
Romey von Malottky GmbH<br />
• die Hamburger Tafel<br />
• die Obstmonster GmbH<br />
• Hanseatic Help<br />
• Axel Ruepp Rätselservice<br />
• die Hamburger Kunsthalle<br />
• die Familie, die Freund:innen und<br />
Wegbegleiter:innen von Klaus-Dieter Hahne<br />
anlässlich der Trauerfeier am 31. Mai 2022<br />
• Richard Edel und die Gäste des<br />
Bowling-Turniers sowie die US Fun-<br />
Bowlingbahn, die Croque-Company,<br />
den Schuhprinz, Frisör „Söhne und Väter“,<br />
Restaurant „Minas“<br />
NEUE FREUNDE:<br />
• Hanne Albig • Rolf Bogena<br />
• Heidi Corleis • Andreas Finsterbusch<br />
• Manuel Kayser • Claudia Leicht<br />
• Robin Müller • Kerstin Neitzel<br />
• Angelika Plep • <strong>Juli</strong>a Reißner<br />
• Torsten Seemann • Frederik Vollert<br />
• Susanne Witte von der Tischlerei Gilhaus<br />
BIC<br />
Bankinstitut<br />
Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />
der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />
Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />
Ja<br />
Nein<br />
Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />
Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />
Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />
Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />
genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />
jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />
mehr von uns bekommen möchten, können<br />
Sie jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer<br />
personenbezogenen Daten widersprechen.<br />
Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />
einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />
Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />
Minenstraße 9, 20099 Hamburg<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />
45<br />
HK <strong>353</strong>
Buh&Beifall<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />
Was unsere Leser:innen meinen<br />
„Man muss einfach hingucken“<br />
Meeresspiegel steigt weiter<br />
H&K 352, „Wasser kommt!“<br />
Durch das Schmelzen der Festlandgletscher<br />
auf Grönland und in der<br />
Antarktis kommt noch reichlich Wasser<br />
obendrauf – und das ist nicht mehr<br />
unbedingt von der Erdtemperatur abhängig.<br />
Wenn aus Grönland oder bei<br />
einigen Eisbergen in der Antarktis ein<br />
Kipppunkt überschritten wird, dann ist<br />
es egal, welche Temperatur die Erde<br />
hat. Selbst wenn die 1,5- oder 2-Grad-<br />
Grenzen eingehalten werden oder die<br />
Erdtemperatur in den folgenden Jahrhunderten<br />
vielleicht wieder auf 1850er-<br />
Niveau fällt, werden die Gletscher<br />
unaufhaltsam weiterschmelzen. Das<br />
geschmolzene Grönlandeis würde den<br />
Meeresspiegel in einigen 1000 (!) Jahren<br />
um sieben Meter ansteigen lassen.<br />
In der Antarktis gibt es zwei Gletscher,<br />
die ebenfalls kurz vor dem Kipppunkt<br />
stehen und die dann mindestens drei<br />
Meter innerhalb von 100 (!) Jahren draufsetzen<br />
würden. <br />
HANNS-J. NEUBERT<br />
Beängstigend und grandios<br />
H&K 352, Titelbild<br />
Das Titelbild von Juni 22 ist beängstigend,<br />
aber auch grandios, weil man<br />
einfach hingucken muss. ANNELORE BRATEK<br />
Eine beeindruckende Ausgabe<br />
H&K 352, allgemein<br />
Eine äußerst beeindruckende Ausgabe.<br />
Besonders der Beitrag „Ein Ort von<br />
Gewalt und Zwang“ berührt und weist<br />
auf das Thema der Erinnerungskultur<br />
in Hamburg hin.<br />
ERICH MEYER<br />
Leser:innenbriefe geben die Meinung der<br />
Verfasser:innen wieder, nicht die der Redaktion.<br />
Wir behalten uns vor, Briefe zu kürzen. Über Post<br />
an briefe@hinzundkunzt.de freuen wir uns.<br />
Wir trauern um<br />
Simon Abu Oprah<br />
12. Dezember 1968 – Februar 2022<br />
Simon kam während der Pandemie zu uns. Sein<br />
Stammplatz war vor Rewe in der Borsteler Chaussee.<br />
Die Verkäufer:innen und das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />
Wir trauern um<br />
Maik Golchert<br />
22. April 1981 – Februar 2022<br />
Maik kam 2016 zu uns. Er hatte seinen<br />
Stammplatz vor Rewe in Bargteheide.<br />
Die Verkäufer:innen und das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />
Wir trauern um<br />
Heinrich Bismor<br />
24. Dezember 1952 – 15. März 2022<br />
Heinrich war seit 1999 bei uns. Nach einer schweren<br />
Krankheit ist er in seiner Wohnung verstorben.<br />
Die Verkäufer:innen und das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />
HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />
Der etwas andere<br />
Stadtrundgang<br />
<br />
<br />
Wollen Sie<br />
Hamburgs City<br />
einmal mit<br />
anderen Augen<br />
sehen? Abseits<br />
der glänzenden<br />
Fassaden zeigen wir<br />
Orte, die in keinem<br />
Reiseführer stehen:<br />
Bahnhofsmission<br />
statt Rathaus und<br />
Tagesaufenthaltsstätte<br />
statt Alster.<br />
Sie können mit<br />
unserem Stadtführer<br />
Chris zu Fuß auf<br />
Tour gehen, einzeln<br />
oder als Gruppe mit<br />
bis zu 25 Personen.<br />
Auch ein digitaler<br />
Rundgang ist<br />
möglich. Das ist fast<br />
genauso spannend.<br />
Offener Rundgang am Sonntag, 10.7. und 24.7.22, jeweils 15 Uhr.<br />
Reguläre Rundgänge bequem selbst buchen unter:<br />
www.hinzundkunzt.de/stadtrundgang<br />
Digitale Rundgänge bei friederike.steiffert@hinzundkunzt.de oder<br />
Telefon: 040/32 10 84 04<br />
Kostenbeitrag: 5 Euro/10 Euro<br />
pro Person
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Damals: Der Film „Wir waren das dunkle Herz der Stadt“ erzählt vom Gängeviertel (S. 48).<br />
Damals: Der Film „Wir waren das dunkle Herz der Stadt“ erzählt vom Gängeviertel (S. 48).<br />
Heute: Autorin Claudia Schumacher berichtet von ihrem Debütroman „Liebe ist gewaltig“ (S. 56).<br />
Morgen: Hinz&Künztler Alexandru träumt von einem richtigen Job (S. 58).<br />
Alle, die auf elektronische Musik<br />
stehen, haben zwei gigantische<br />
Tage in Hamburg-Wilhelmsburg<br />
vor sich: Das Habitat-Festival mit<br />
Techno, Elektro, Goa und Drum<br />
and Bass läuft am 16. und 17. <strong>Juli</strong><br />
am Reiherstieg-Hauptdeich.<br />
Weitere Infos unter<br />
www.habitat-festival.de<br />
FOTO: ANDREAS HORNOFF
Rubrik<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />
I<br />
st das Möwengekreisch nicht zu<br />
laut, zu plakativ? Die Zuschauer:innen<br />
sehen doch, dass es aus<br />
der Enge des Gängeviertels hinüber<br />
in den weitläufigen Hamburger<br />
Hafen geht, wenn auf der Leinwand<br />
vor ihnen plötzlich ein Segelschiff mit<br />
Rahen und Masten hoch aufragt. Toningenieur<br />
Enrico Wachtel nickt und<br />
dämpft das unterlegte Möwengeschrei.<br />
Er schiebt Regler hin und her, schaut<br />
auf die farbigen Linien, in die sich die<br />
48<br />
Töne und Geräusche verwandelt haben,<br />
in seinem Studio in einem ehemaligen<br />
Gewerbehof. Ihm zur Seite<br />
sitzt Andreas Karmers, der abwechselnd<br />
auf die Leinwand und die davor<br />
aufgestellten großen Monitore blickt.<br />
Was wohl Walter Wedstedt zu dieser<br />
Szenerie gesagt hätte?<br />
Andreas Karmers hat ihn nie persönlich<br />
kennengelernt: den Walter,<br />
seinen Großvater mütterlicherseits;<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts im Hamburger<br />
Gängeviertel geboren und dort<br />
vaterlos aufgewachsen. Er hat sich von<br />
seinen Angehörigen erzählen lassen,<br />
was diese über den Großvater und das<br />
Leben im Gängeviertel aus eigener Erfahrung<br />
wie aus Erzähltem noch wussten:<br />
„Meine ganze Sippe kommt ja von<br />
da her.“ Walters Mutter, also Karmers<br />
Urgroßmutter, betrieb in der Neustädter<br />
Straße einen Zeitungsladen. Das<br />
reichte nicht als Einkommen, deshalb<br />
musste sie die Küche der ohnehin
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rubrik<br />
„Mein Film ist keine<br />
Heimatmelodie“<br />
Mehr als zehn Jahre hat Andreas Karmers an<br />
seinem Film gearbeitet, der von der Geschichte des<br />
Gängeviertels erzählt – und von viel mehr.<br />
TEXT: FRANK KEIL<br />
FOTO: ANDREAS HORNOFF<br />
Im Tonstudio: Filmemacher<br />
Andreas Karmers (rechts) und<br />
Toningenieur Enrico Wachtel<br />
engen Dachwohnung nachts an sogenannte<br />
Schlafburschen vermieten: an<br />
Tagelöhner, die froh waren, wenn sie<br />
mal ein paar Pfennige übrig hatten, um<br />
nicht auf der Straße übernachten zu<br />
müssen. Von diesem Leben lässt Karmers<br />
seinen Großvater in seinem wuchtigen<br />
Film mit dem Titel „Wir waren<br />
das dunkle Herz der Stadt“ erzählen:<br />
wie es war in beengten Wohnungen ohne<br />
fließendes Wasser und ohne Kanalisation;<br />
wie die Polizei sich nie einzeln in<br />
die verwinkelten Gänge traute und<br />
auch, wie immer wieder die Tuberkulose<br />
zuschlug. Wie die ersten Gebäude abgerissen<br />
wurden und wie auch Walter<br />
Wedstedt am Ende das Gängeviertel<br />
verließ und zur See fuhr.<br />
Es ist eine filmische Reise, die<br />
100 Jahre umspannt: von 1880 bis 1980.<br />
Karmers hat dafür zusätzlich immer<br />
wieder im Hamburger Staatsarchiv geforscht,<br />
hat Literatur zum Thema gelesen:<br />
Bücher, historische Zeitungsartikel<br />
49<br />
und damalige amtliche Verlaut ba rungen,<br />
dazu Baupläne und Bau zeich nungen<br />
studiert. Er hat in Archiven nach<br />
Fotos gesucht, auf Flohmärkten und bei<br />
privaten Sammlern. Jahr um Jahr.<br />
Denn als er sich vor gut zehn Jahren<br />
an diesen Stoff machte, merkte er bald,<br />
dass der mehr hergibt als die üblichen<br />
90 Fernsehminuten. Auch dass er mehr<br />
bieten kann als die leichtgängige Erzählung:<br />
Nach der Cholera von 1892<br />
habe die Stadt gegen die unhaltbaren
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Historische Gängeviertelimpressionen: Blick in den Brauerknechtgraben (links und Mitte unten),<br />
auf die Hohe Brücke am Nikolaifleet (Mitte oben) und auf den schlafenden Walter Wedstedt<br />
hygienischen Zustände im Gängeviertel<br />
vorgehen müssen und dank des Abrisses<br />
eine moderne Innenstadt geschaffen.<br />
Er fragt stattdessen nach den Interessen<br />
dahinter – und erinnert an den<br />
zuvor erfolgten Abriss des Wohnquartiers<br />
auf dem Großen Grasbrook, damit<br />
dort die Speicherstadt erbaut werden<br />
konnte. Deshalb mussten deren gut<br />
24.000 Bewohner:innen im schon überfüllten<br />
Gängeviertel unterkommen.<br />
Er fragt, wer sich damals durchsetzte<br />
und wer nicht. „Es gab die Idee,<br />
dass man im Gängeviertel zwar Gebäude<br />
abreißt, aber an derselben Stelle<br />
kleine Wohnungen baut, doch de facto<br />
ist das wenig passiert“, sagt er. Nur<br />
in der Neustadt-Süd entstanden neue<br />
Wohnungen, wenn auch nicht erschwinglich<br />
für die ehemaligen Gängeviertel-Bewohner:innen.<br />
Das heutige<br />
Portugiesenviertel ist ein Überbleibsel<br />
davon. Sonst erwuchs nach und nach<br />
die uns heute vertraute Hamburger<br />
Innenstadt mit ihren Bürokontoren<br />
und Einkaufsstraßen rund um das Rathaus,<br />
der Börse und dem Hauptbahnhof,<br />
wo bald die wohlhabende Kaufmannschaft<br />
flanierte, während die<br />
ehemaligen Bewohner:innen schauen<br />
mussten, wo sie blieben. „Mein Film ist<br />
keine Hei matmelodie“, sagt Karmers.<br />
Flankierend kommen auch Ingenieure<br />
und Stadtplaner zu Wort, die<br />
etwa ausführlich aus der „Deutsche<br />
Bauzeitung“ von 1920 vorlesen und von<br />
der Ästhetik der neuen Stadt schwärmen,<br />
die das Alte beherzt hinter sich<br />
lasse: „Das ist fast für ein Fachpublikum,<br />
weil ich die Texte nicht kürze,<br />
aber da müssen die Zuschauer durch“,<br />
sagt Karmers lässig.<br />
Erzählt wird aber auch die politische<br />
Geschichte des Viertels und die<br />
seines Protagonisten. Denn sein Großvater<br />
Walter ist als Jugendlicher und<br />
dann auch als junger Mann lange auf<br />
Seiten der Kommunist:innen unterwegs,<br />
durchaus handfest, um die politischen<br />
Gegner zu verprügeln – und<br />
wechselt dann zu Hitlers SA. Vielleicht<br />
gibt es so etwas wie eine grundsätzliche<br />
Aufruhrbereitschaft, „dass man sich<br />
nur in der Opposition wohlfühlt“,<br />
überlegt er. Es müsse mit dem Wunsch,<br />
einer Gruppe anzugehören, zu tun<br />
haben; dass man jemanden brauche,<br />
bei dem man sich links und rechts unterhaken<br />
könne. Karmers sagt: „Ich<br />
selbst stelle mich politisch gesehen gerne<br />
in die Mitte, weil von den Rändern<br />
her jeweils der Abgrund nicht weit ist.“<br />
Das alles zu erzählen braucht Zeit.<br />
Also zählt Karmers Film flotte sechs<br />
Stunden, überwiegend in Schwarz-<br />
Weiß. Aufgeteilt in sieben Kapitel, die<br />
jeweils thematisch in sich geschlossen<br />
sind, während zugleich einzelne Erzählstränge<br />
immer wieder neu aufgegriffen<br />
FOTOS: STAATSARCHIV HAMBURG (ALLE STADTANSICHTEN), PRIVAT<br />
50
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Filmpremiere mit Teil eins<br />
und zwei im Rahmen des<br />
Schleswig-Holstein Musik<br />
Festivals: So, 17. <strong>Juli</strong>, 19 Uhr;<br />
Ort: Fabrique im Gängeviertel,<br />
Valentinskamp 34A; Eintritt:<br />
12 Euro. Alle sechs Teile laufen<br />
vom 18. bis zum 20.7., jeweils ab<br />
16 Uhr, ebenfalls in der Fabrique,<br />
der Eintritt ist frei.<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
51<br />
werden. Er grinst und sagt: „Es ist fast<br />
eine Traumgeschichte, weg von den<br />
einzelnen Dokumenten hin zu einer<br />
größeren Erzählung, also im Prinzip<br />
literarisch.“<br />
Karmers stellt auch die Frage nach<br />
der Aussagekraft der Quellen. Denn wer<br />
hat überhaupt Dokumentarmaterial wie<br />
Berichte, Tagebucheinträge oder Fotos<br />
hinterlassen? Die Prostituierten, die in<br />
den Twieten und Gassen standen? Die<br />
schon erwähnten Schlafburschen, vor<br />
denen dem Erzähler so graute?<br />
Eine spannende Gestalt ist für<br />
An dreas Karmers daher Wilhelm Mehlhop,<br />
den er zwischendurch sprechen<br />
lässt: „Er war ein Anhänger des Kaisers,<br />
ein knarziger Monarchist, der sich bis<br />
zum Oberbaurat hochgearbeitet hatte<br />
und der im Nachhinein zwei dicke<br />
Bücher über die Sanierung des Gängeviertels<br />
geschrieben hat, aus denen ich<br />
sprechen lasse“, erzählt er. „In verrufenen<br />
Kellerräumlichkeiten hausten dort<br />
das Laster, der Stumpfsinn und die Verzweiflung,<br />
das Elend und der Abschaum<br />
des großstädtischen Lebens. Es waren<br />
Gestrandete, die ein abenteuerliches Leben<br />
einem geregelten Beruf vorzogen“,<br />
ist so ein Zitat von Mehlhop, der mit für<br />
den Abriss des Gängeviertels verantwortlich,<br />
weil zuständig war. „Gleichzeitig<br />
hat Mehlhop jeden Gang und jede<br />
Twiete persönlich aufgesucht, hat sich<br />
dort umgeschaut. Das hätte er nicht machen<br />
müssen; er hätte auch am Schreibtisch<br />
sitzen bleiben können“, sagt Karmers.<br />
„Er kam von seiner Position nicht<br />
he runter, aber er wunderte sich schon,<br />
dass die Leute, die im Viertel lebten,<br />
sich dort durchaus wohlfühlten und es<br />
sehr bedauerten, dass alles abgerissen<br />
wird und sie gehen müssen.“<br />
Zugleich möchte Kramers das Leben<br />
in den Gängen nicht nachträglich<br />
romantisieren. „Wenn amtlicherseits immer<br />
wieder von ‚Gesindel‘ die Rede ist,<br />
ist das ja nicht ganz verkehrt, denn es<br />
gab neben der Armut durchaus Ecken,<br />
in die man gelockt wurde, um ausgeraubt<br />
zu werden“, sagt er. Die Zwischentöne<br />
sind es, die ihn interessieren.<br />
Und – wie wird die Reaktion des<br />
Publikums sein? Andreas Karmers steckt<br />
sich eine Selbstgedrehte an. „Es geht<br />
um Stadtplanung, um Hamburger Geschichte,<br />
das wird eher niemand schauen,<br />
der Tom Cruise mag“, sagt er und<br />
lacht. Er hat einen Verdacht: „Es gibt<br />
Filme, die sich erst allmählich durchsetzen,<br />
die später Klassiker werden. Ich<br />
glaube, mein Film ist so ein Kandidat.“<br />
Und er selbst? Er will wieder an die<br />
Staffelei! Denn eigentlich sei er Maler.<br />
„Ich habe bis auf ein paar Zeichnungen<br />
zwischendurch nichts gemacht; parallel<br />
geistig switchen, das wäre nicht gegangen“,<br />
sagt er. Also jetzt kommt erst mal<br />
die Premiere, dann das nächste erste<br />
Bild. Der 56-Jährige sagt erkennbar<br />
zufrieden: „Wir haben doch so viel<br />
Lebenszeit, da kommt es auf ein paar<br />
Jahre nicht an.“ •<br />
Frank Keil hat Andreas Karmers<br />
Filmprojekt eineinhalb<br />
Jahre lang begleitet und ist<br />
beeindruckt, dass er seinen<br />
Ideen konsequent gefolgt ist.<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
STADTPARK<br />
OPEN AIR<br />
2022<br />
DIGGING FOR NUTS<br />
SINCE 1975<br />
01.07. THE WAR ON DRUGS<br />
02.07. MELISSA ETHERIDGE<br />
09.07. DANGER DAN<br />
14.07. JESSIE J<br />
21.07. JOE JACKSON<br />
22.07. THE GIPSY KINGS<br />
23.07. MAX MUTZKE<br />
27.07. TOTO<br />
02.08.<br />
03.08. OMD<br />
04.08. FAT FREDDY‘S DROP<br />
06.08.<br />
07.08.<br />
13.08. BEST OF POETRY SLAM<br />
15.08. JOSS STONE<br />
18.08. WINCENT WEISS<br />
25.+ 26.08. HELGE SCHNEIDER<br />
31.08. RUSS<br />
01.09. HUBERT VON GOISERN<br />
02.09.<br />
08.09.<br />
11.09. STEFAN GWILDIS<br />
TICKETS: (0 40) 4 13 22 60 \ KJ.DE \ TICKETS@KJ.DE<br />
STADTPARKOPENAIR.DE<br />
#stadtparkopenair<br />
VERANSTALTER<br />
KARSTEN<br />
JAHNKE<br />
KONZERTDIREKTION<br />
GMBH<br />
GEFÖRDERT VON<br />
spec. guest:<br />
ZOE WEES<br />
HERBIE HANCOCK<br />
& BAND<br />
spec. guest:<br />
NILS WÜLKER<br />
Eine Veranstaltung von FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH<br />
BEST OF<br />
STAND UP SLAM<br />
DIE GROSSE<br />
COMEDY-GALA<br />
10 JAHRE –<br />
DEINE FREUNDE<br />
GROSSSTADT-<br />
GEFLÜSTER<br />
03. + 04.09.<br />
AUSVERKAUFT<br />
MEDIENPARTNER
Kult<br />
Tipps für den<br />
Monat <strong>Juli</strong>:<br />
bunt, sommerlich und<br />
einladend<br />
Bildende Kunst<br />
Kommentar aus Khartum<br />
Die visuelle Künstlerin Amna Elhassan<br />
hat in ihrer sudanesischen Heimat<br />
Khartum und in Rom studiert. Derzeit<br />
lehrt sie als Gastlektorin an Hamburgs<br />
Hochschule für bildende Künste, und<br />
zwar bei der Art School Alliance, einem<br />
internationalen Austauschprogramm<br />
für Studierende. In ihren meist farbstarken<br />
Bildern thematisiert sie auf<br />
spannende Weise den Status von Frauen<br />
und die Wahrnehmung ihrer Körper<br />
in privaten oder öffentlichen Communities.<br />
Parallel zu ihrer Ausstellung im<br />
HFBK-Atelierhaus mit Malerei und<br />
52<br />
Die „Tea Lady“ hat Amna Elhassan 2020 in Öl auf Leinwand gemalt.<br />
Druckgrafiken öffnen vom 8. bis<br />
10. <strong>Juli</strong> alle Türen des Hauses<br />
zur jährlichen „Graduate Show“<br />
der Absolvent:innen. •<br />
HFBK Hochschule für bildende Künste,<br />
Lerchenfeld 2, täglich außer Mo, 8.–17.7.,<br />
14–18 Uhr, Eintritt frei, www.hfbk-hamburg.de
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Lasst uns<br />
nur machen!<br />
Bei der<br />
Kinderstadt<br />
halten sich die<br />
Erwachsenen<br />
mal raus.<br />
Sound- und Videoinstallation<br />
Imagine the City<br />
Die Künstlerin Annika Kahrs hat im<br />
letzten unsanierten Speichergebäude<br />
im früheren Freihafen eine Soundund<br />
Filminstallation kreiert: auf 7000<br />
Quadratmetern! Zwischen Sonnenuntergang<br />
und -aufgang wird auf die<br />
Außenwand eine 17-Meter-Videoinstallation<br />
projiziert. •<br />
Schuppen 29, Baakenhöft, immer Do bis<br />
So, noch bis 4.9., Eintritt frei, Öffnungszeiten:<br />
www.imaginethecity.de<br />
FOTOS: AMNA ELHASSAN (S. 52), SARAH TOLPEIT (OBEN), JENNY BEWER<br />
Mitspielen<br />
Galaktische Kinderstadt<br />
Was Kinder und Jugendliche brauchen für ein gutes Leben in der Stadt, das<br />
wissen sie wohl selbst am besten. Bei der Kinderstadt im Lohsepark können<br />
7- bis 15-Jährige die Stadt ihrer Träume gemeinsam gestalten – mit Kleber und<br />
Schere, Hammer und Säge, tollen Ideen und fairen Entscheidungen. Auch ein<br />
Theater und eine Stadtzeitung gibt es in der Kinderstadt, natürlich alles selbst<br />
gemacht, damit auch was Spannendes dabei rauskommt. Das Motto ist: Es wird<br />
galaktisch! Mitmachen können alle, kostenlos, spontan und ohne Anmeldung,<br />
warmes Mittagessen inklusive. Nur eine Einverständniserklärung der Eltern ist<br />
nötig (gibt es online zum Ausdrucken). •<br />
Kinderstadt, Lohsepark, Stockmeyerstraße 25, Mo–Fr, 11.–22.7. (außer Sa, 16.7.),<br />
täglich 10–16 Uhr, Eintritt frei, Infos unter www.kinderstadt.hamburg<br />
Draußen<br />
Anruf aus der Einsamkeit<br />
Mitten in der Schanze klingelt das<br />
Handy. Alma ist dran. Die 87-Jährige<br />
hat viel zu erzählen – nur hört<br />
ihr meistens niemand so richtig zu.<br />
Wer beim Telefonwalk „O Solitude!“<br />
von „Flocker & Lockig“ mitmacht,<br />
leiht ihr eine Stunde lang<br />
ein Ohr. Alma führt durch die<br />
Straßen und hinein in ihre immer<br />
kleiner gewordene Welt. Alma gibt<br />
es nicht, aber ihre Erzählungen<br />
sind echt, entliehen aus Interviews<br />
mit vielen alten Menschen, die<br />
einsam in Hamburg leben. Am Ende<br />
entsteht eine geteilte Erfahrung,<br />
die Spuren hinterlässt – auch im<br />
Leben der Jungen. •<br />
ReBBZ Altona, Bernstorffstraße 147,<br />
So, 3.7., Fr–So, 8.–10.7., jeweils<br />
15 +18 Uhr, Eintritt 8–24 Euro,<br />
www.lichthof-theater.de<br />
Der Sessel als Lebensmittelpunkt: Von hier aus<br />
telefoniert Kunstfigur Alma mit der Welt draußen.<br />
Kinder<br />
Filme drehen für alle<br />
Diversität hat doch heute jede:r auf<br />
dem Schirm – oder? Bei der Projektwoche<br />
„Let it be diversity“ spüren<br />
Kinder Diskriminierung und<br />
Klischees im Film auf und drehen<br />
Videos, die niemanden ausgrenzen. •<br />
Altonaer Museum, Museumstraße 23,<br />
Mo–Fr, 11.–15.7., 11–15 Uhr,<br />
ab 11 Jahren, Eintritt frei,<br />
Anmeldung: hallo@bettermakers.de<br />
Vortrag<br />
Fördern, stiften, pleitegehen<br />
Wie verschleudert man ein Vermögen?<br />
Am besten so wie Adolph Theobald<br />
(1836–1882): Man heirate eine<br />
reiche Hamburgerin, dann fördere<br />
man ohne Rücksicht auf Verluste die<br />
Wissenschaft, bis alles weg ist. 140<br />
Jahre später erinnert ein Vortrag an<br />
den verdienstvollen Bankrotteur. •<br />
Museum für Hamburgische Geschichte,<br />
Holstenwall 24, Mi, 20.7., 18 Uhr, Eintritt<br />
frei, www.shmh.de<br />
Lesung<br />
Gabriele Tergit<br />
Der Name sagt ihnen nichts, oder<br />
nichts mehr? Die Schriftstellerin<br />
und Journalistin schrieb Anfang des<br />
20. Jahrhunderts, wirkt aber heute<br />
wieder besonders modern. Gerade<br />
wird sie wiederentdeckt. Bestseller:<br />
„Käsebier“. •<br />
Jüdischer Salon im Café Leonar,<br />
Grindelhof 59, Do, 21.7., 19.30 Uhr, Eintritt<br />
10/5 Euro, www.salonamgrindel.de<br />
53
Tanz-Collage<br />
Die Unsichtbaren<br />
Beim Ballett tanzte Deutschland vor<br />
100 Jahren kulturell vorweg, Choreograf:innen<br />
und Tänzer:innen gaben international<br />
den Ton an. Die Nationalsozialisten<br />
setzten der kurzen Blüte ein<br />
grausames Ende. Namen wie Mary<br />
Wigman oder Jean Weidt gerieten in<br />
Vergessenheit. Mit „Die Unsichtbaren“<br />
setzt John Neumeier ihnen ein Denkmal.<br />
Das Bundesjugendballett tanzt seine<br />
neueste Choreografie auf der Bühne<br />
des Ernst Deutsch Theaters. Neumeier<br />
feiert damit die Moderne, die er später<br />
selbst weiterentwickelte und entscheidend<br />
mitprägte. Emotional berühren<br />
einen die gesprochenen Briefe von<br />
Vertriebenen. Leuchtend frisch vorgetragen<br />
von den jungen Tänzer:innen:<br />
Momente des vom Damals ins Heute<br />
weisenden Ausdruckstanzes. Neumeiers<br />
Inspiration: Wandbild „Orpheus mit den Tieren“ der jüdischen<br />
Künstlerin Anita Rée im Fokine-Studio der Ballettschule<br />
Zusammenarbeit mit dem Bundes <br />
jugendballett ist eine bewusste Entscheidung,<br />
er möchte erinnern und<br />
gerade auch mit jungen Menschen weiterdiskutieren.<br />
Bei der Premiere riss es<br />
die Zuschauer:innen von den Sitzen! •<br />
Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-<br />
Platz 1, im <strong>Juli</strong> täglich außer Mo, bis zur<br />
Derniere am Mo, 18.7., 19.30 Uhr, Eintritt<br />
9–44 Euro, www.ernst-deutsch-theater.de<br />
54
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Kinofilm des Monats<br />
Festspiel für<br />
ein Genie<br />
FOTOS: KIRAN WEST (S. 54), G2 BARANIAK (OBEN), PRIVAT<br />
Theater<br />
Fazit eines Lebens<br />
Ausstellung<br />
Rohstoffe für die Fotokunst<br />
Die Ära des Silbergelatineabzugs ist<br />
vorbei und damit auch der massenhafte<br />
Abbau des Edelmetalls zugunsten<br />
der Fotoproduktion. Doch auch die<br />
Generation Insta knipst nicht ohne<br />
Materialaufwand: Coltan, Kobalt und<br />
seltene Erden werden oft unter problematischen<br />
Bedingungen in China<br />
oder im Kongo gefördert und verarbeitet,<br />
bevor sie im Smartphone zum<br />
Einsatz kommen. Die Ausstellung<br />
„Mining Photography“ rückt Rohstoffe<br />
der Bildproduktion in den Fokus<br />
und verdeutlicht, welchen ökologischen<br />
Fußabdruck das Medium im<br />
Lauf der Geschichte hinterlässt. Gezeigt<br />
werden historische und aktuelle<br />
Bilder, Fachleute aus Geologie, Kunst<br />
und Klimaforschung sind zu hören. •<br />
Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz,<br />
ab Fr, 15.7., Di–So 10–18 Uhr,<br />
Do bis 21 Uhr, Eintritt 12/8 Euro, unter<br />
18 Jahren frei, www.mkg-hamburg.de<br />
Eine Biografie, drei Perspektiven:<br />
Martha, ihre Tochter und ihre<br />
Mutter sind sich nicht einig.<br />
Irgendwo lief die Sache aus dem Ruder – soweit ist Marthas Lebensbilanz klar.<br />
Geschieden, knapp bei Kasse, das Verhältnis zur Tochter brüchig, das hätte alles<br />
besser ausgehen können. Wo hat Martha falsch entschieden? Oder steckt der<br />
Fehler im System? „Goldes Wert“ ist ein Bühnenstück über feministische Grundfragen.<br />
Bitte Handys mitbringen! Die Inszenierung wird virtuell ergänzt. •<br />
Sprechwerk, Klaus-Groth-Str. 23, ab Fr, 29.7., Eintritt 20,50/13,90 Euro (VVK),<br />
22/15 Euro (AK), https://sprechwerk.hamburg<br />
Jazz live<br />
Alex Petratos Quartett<br />
Jeden Montag Live-Jazz, bei gutem<br />
Wetter draußen, mit phänomenalem<br />
Blick auf Hafen und Elbe: der Hafenbahnhof<br />
ist einer der urigsten Clubs<br />
in Hamburg. Wenn Drummer Alex<br />
Petratos – er ist noch Student an der<br />
HfMT – mit seinem „Strings and<br />
Lutes“-Quartett (plus Niklas Werk,<br />
Lucas Etcheverria und Melanie<br />
Streitmatter) eigene Kompositionen<br />
spielt, können die Gäste sicher sein,<br />
etwas Brandneues zu entdecken –<br />
Summer-Vibes schwingen mit! •<br />
Jazzraum im Hafenbahnhof, Große<br />
Elb straße 276, Mo, 25.7., 19.30 Uhr,<br />
Eintritt 9 Euro, www.jazzraum.de<br />
Über Tipps für August<br />
freut sich Annabel Trautwein.<br />
Bitte bis zum 10.7. schicken an:<br />
kult@hinzundkunzt.de<br />
So in etwa muss sich ein<br />
Trüffelschwein fühlen: Seit<br />
ich von den „Heino Jaeger<br />
Festspielen“ las, habe ich das<br />
seltene Empfinden, einen<br />
Schatz gehoben zu haben.<br />
Heino Jaeger, ein Hamburger<br />
Sprachkünstler, Zeichner,<br />
Maler und Satiriker, der posthum<br />
von Olli Dittrich, Heinz<br />
Strunk und Rocko Schamoni<br />
„der Meister“ genannt wird.<br />
„Wie konnte es geschehen,<br />
dass Heino Jaeger 25 Jahre<br />
ein Geheimtipp blieb? Wir<br />
haben ihn wohl nicht verdient“,<br />
schlussfolgerte Loriot.<br />
Wie das Genie in der<br />
Versenkung verschwinden<br />
konnte, ergründet der als<br />
„Festspiele“ getarnte Ausstellungsauftakt<br />
am 7.7. im Archäologischen<br />
Museum in<br />
Harburg. Da gibt es auch einen<br />
Film zu sehen: die Dokumentation<br />
„Heino Jaeger –<br />
look before you kuck“. Sie<br />
zeigt ein liebevolles, bisweilen<br />
verstörendes Porträt. Interviews<br />
mit Weggefährt:innen,<br />
Zeichnungen, Fotos und<br />
Tonaufnahmen ergänzen das<br />
Bild eines unmöglich zu kontrollierenden<br />
Außenseiters,<br />
der seine letzten Jahre mal<br />
freiwillig, mal unfreiwillig in<br />
psychiatrischer Behandlung<br />
verbrachte.<br />
Fazit: Jaeger erfand ein<br />
humoristisches Gegenmodell<br />
zur traumatisierten Nachkriegsgesellschaft,<br />
das den<br />
Schenkelklopfern seiner Zeit<br />
Jahre voraus war. Die Ausstellung<br />
„Heino Jaeger: Man<br />
glaubt es nicht“ gastiert weitere<br />
Wochen im Museum. •<br />
André Schmidt<br />
geht seit<br />
Jahren für<br />
uns ins Kino.<br />
Er arbeitet in der<br />
PR-Branche.<br />
55
Leselounge<br />
#7<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Auf ein Getränk mit …<br />
Claudia Schumacher<br />
Unsere Kolumnistin Nefeli Kavouras spricht mit der<br />
Autorin über ihren Debütroman „Liebe ist gewaltig“.<br />
I<br />
ch treffe Claudia Schumacher nicht<br />
nur auf ein Getränk. Dieses Mal<br />
geht es auch um das dazugehörige<br />
Essen. Wir sitzen in der „Kleinen<br />
Pause“, wo wir über „Liebe ist gewaltig“,<br />
ihren ersten Roman (dtv) reden.<br />
Wir trinken Bier und essen Pommes –<br />
eine würdige Kombination, und Claudia<br />
Schumacher erzählt mir von den<br />
vielen Erstes-Mal-Momenten, die ihr<br />
als Debütantin passieren.<br />
Die Autorin ist Fahrrad gefahren,<br />
als sie zum ersten Mal die Stimme ihrer<br />
Protagonistin <strong>Juli</strong> im Kopf hatte. „Plötzlich<br />
war da diese Rotzgöre mit ihrem<br />
Galgenhumor und ihrer Lebenswut,<br />
und dann bin ich schnell nach Hause<br />
geradelt und habe die ersten Seiten geschrieben,<br />
die auch bis heute weitgehend<br />
so geblieben sind.“ Irgendwann<br />
FOTOS: IMKE LASS<br />
Pause mit Pommes: Claudia<br />
Schumacher (links) und<br />
Nefeli Kavouras<br />
schickte sie einen Teil ihres Manuskripts<br />
an ihren Literaturagenten, der den Text<br />
verschiedenen Verlagen anbot. „Es war<br />
das erste Mal, dass ich das, was ich so<br />
intim im stillen Kämmerlein hergestellt<br />
hatte, mit einer kleinen Öffentlichkeit<br />
teilte. Da war ich schon etwas angespannt.“<br />
Zum ersten Mal liegt also das<br />
erste Buch von Claudia Schumacher in<br />
den Buchläden und sie bekommt erste<br />
Leser:innenreaktionen von unbekannten<br />
Menschen. Zum ersten Mal also<br />
berührt die Protagonistin <strong>Juli</strong> auch andere<br />
Personen.<br />
In „Liebe ist gewaltig“ folgen wir<br />
<strong>Juli</strong> drei Jahrzehnte lang, begleiten sie<br />
als Leser:innen durch ihre Jugend, in<br />
der ihr leistungsorientierter Vater Gewalt<br />
ausübt, erleben das duldende<br />
Schweigen der Mutter mit und <strong>Juli</strong>s<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />
Versuche, sich später als Erwachsene<br />
die Deutungshoheit über ihr eigenes<br />
Leben zurückzuerobern.<br />
Die Pommes sind fast aufgegessen,<br />
die Finger vom Fett leicht runzlig, aber<br />
die Flasche Bier noch halbvoll, also erzählt<br />
mir die Autorin noch von ihren<br />
ersten Erfahrungen auf Lesungen: „Ich<br />
fand es sehr schön, wie unterschiedlich<br />
die Leute waren, die danach auf mich<br />
zukamen und meinten: ‚Deine <strong>Juli</strong>, das<br />
bin ich.‘ Eine Frau hatte weiße Haare,<br />
war also nicht mehr so jung wie <strong>Juli</strong>.<br />
Es hat mich berührt zu sehen, dass<br />
meine Romanheldin Menschen ganz<br />
verschiedener Herkunft und Altersgruppen<br />
nahegeht.“<br />
Zum Thema häusliche Gewalt hat<br />
Claudia Schumacher viel recherchiert.<br />
Auffällig war für sie, dass der gesellschaftliche<br />
Fokus auf prekären Familiensituationen<br />
lag. Bei „Liebe ist gewaltig“<br />
hingegen gehört die Familie dem<br />
Bildungsbürgertum an. „Eine Klassenkritik?“,<br />
frage ich die Autorin. „Ich<br />
wollte das Thema einfach wegbringen<br />
von Schlagwörtern wie ‚Alkoholikervater‘<br />
oder ‚Ehrenmord‘, denn statistisch<br />
gesehen durchzieht häusliche Gewalt<br />
sämtliche Milieus“, antwortet Claudia<br />
Schumacher.<br />
Das Bier ist ausgetrunken und sie<br />
gesteht mir: „Der toxische Romanstoff<br />
tat mir beim Schreiben manchmal selber<br />
weh. Aber ich hatte die Hoffnung,<br />
dass ich durch meine Einfühlung aufrichtige<br />
Gefühle ins Buch stecken kann,<br />
die dann bei den Leser:innen wieder<br />
rauskommen, wie in einem magischen<br />
Akt. Wenn ich jetzt sehe, dass es aufgeht,<br />
ist das für mich das Größte.“ •<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Lesetipp:<br />
Andrej Kurkow<br />
erzählt in „Graue<br />
Bienen“ (2018) von<br />
einem etwas kuriosen<br />
Bienenzüchter, der<br />
während des Krieges<br />
in der Ostukraine lebt und zwischen<br />
die Fronten gerät. Ein unglaublich<br />
warm herziger und immer wieder auch<br />
komischer Roman.<br />
56
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rätsel<br />
festliche<br />
Veranstaltung<br />
mithin,<br />
folglich<br />
jemand,<br />
der Süßigkeiten<br />
liebt<br />
häufiger<br />
Flussname<br />
aus<br />
diesem<br />
Grund<br />
englischamerik.<br />
Längenmaß<br />
baltisches<br />
Volk<br />
umgangssprachlich:<br />
nein<br />
Nadelbaum<br />
Frauenfigur<br />
in<br />
der „Fle-<br />
Fluss zum<br />
Mittelmeer<br />
(Frankr.)<br />
2<br />
6<br />
4<br />
5<br />
1<br />
nach<br />
Abzug der<br />
Steuern<br />
4<br />
8<br />
2<br />
2<br />
4<br />
10<br />
9<br />
5<br />
4<br />
Spielkarte<br />
mit Narrenbild<br />
Donau-<br />
Zufluss<br />
in Bayern<br />
3<br />
7<br />
2<br />
3<br />
oberste<br />
Stelle<br />
des<br />
Kopfes<br />
dermaus“<br />
westl.<br />
Verteidigungspakt<br />
(Abk.)<br />
starkes<br />
Streben<br />
nach<br />
Erfolg<br />
Tätigkeitsdrang<br />
Fußstoß<br />
8<br />
1<br />
9<br />
6<br />
4<br />
5<br />
griechische<br />
Göttin d.<br />
Weisheit<br />
strafbare<br />
Handlung,<br />
Straftat<br />
2<br />
3<br />
Flugnavigator<br />
spanischer<br />
Name<br />
Spaniens<br />
5<br />
9<br />
6<br />
3<br />
seitlich<br />
ausgedehnt<br />
sehr<br />
leichte<br />
Holzart<br />
german.<br />
Göttin<br />
der Unterwelt<br />
linksrheinisches<br />
Bergland<br />
englisch:<br />
und<br />
Koch-,<br />
Backanweisung<br />
Schmeichelei,<br />
Lobrede<br />
männliches<br />
„Borstentier“<br />
AR0909-1219_5sudoku<br />
englisch:<br />
Auge<br />
vorher,<br />
früher<br />
Stadt in<br />
Böhmen<br />
(Cheb)<br />
Fischöl,<br />
Fischfett<br />
Kurzwort<br />
für den<br />
US-Amerikaner<br />
geckenhafter<br />
junger<br />
Mann<br />
fertig<br />
gebraten,<br />
gekocht,<br />
gebacken<br />
franz.<br />
Schriftsteller<br />
† 1857<br />
Schiffsmann<br />
olympisches<br />
Gremium<br />
(Abk.)<br />
schöne<br />
Frau der<br />
griech.<br />
Sage<br />
mit Bäumen<br />
eingefasste<br />
Straße<br />
Teil<br />
eines<br />
Zimmers<br />
Ägirs<br />
Gattin<br />
Füllen Sie das Gitter<br />
so aus, dass die Zahlen<br />
von 1 bis 9 nur je einmal<br />
in jeder Reihe, in jeder<br />
Spalte und in jedem<br />
Neun-Kästchen-Block<br />
vorkommen.<br />
Als Lösung schicken<br />
Sie uns bitte die farbig<br />
gerahmte, unterste<br />
Zahlenreihe.<br />
Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Minenstraße 9, 20099 Hamburg,<br />
per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />
Einsendeschluss: 29. <strong>Juli</strong> 2022. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet, kann<br />
zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle gewinnen oder eines von<br />
zwei Büchern „Essbare Pflanzen und ihre Geschichte(n)“ von Iban<br />
Eduardo Muñoz (Verlag Jacoby & Stuart).<br />
Das Lösungswort des Juni-Kreuzwort rätsels war: Nudelsuppe.<br />
Die Sudoku-Zahlenreihe lautete: 618 975 342.<br />
7<br />
6<br />
1<br />
2<br />
1<br />
5<br />
4<br />
9<br />
7<br />
8<br />
7<br />
6<br />
9<br />
1<br />
9<br />
10<br />
8<br />
2<br />
12195 – raetselservice.de<br />
Impressum<br />
Redaktion und Verlag<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />
Minenstraße 9, 20099 Hamburg<br />
Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />
Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />
E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />
Herausgeber<br />
Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />
Externer Beirat<br />
Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW Hamburg),<br />
Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Korten Rechtsanwälte AG),<br />
Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />
Karin Schmalriede (ehemals Lawaetz-Stiftung, i.R.),<br />
Dr. Bernd-Georg Spies (Spies PPP),<br />
Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />
Geschäftsführung Jörn Sturm<br />
Redaktion Annette Woywode (abi, CvD, V.i.S.d.P. für den Titel, Gut&Schön,<br />
die Fotostrecke, Intern, Freunde, Buh&Beifall, <strong>Kunzt</strong>&Kult),<br />
Jonas Füllner (jof, V.i.S.d.P. für das Editorial, die Momentaufnahme),<br />
Lukas Gilbert (lg; V.i.S.d.P. für das Stadtgespräch),<br />
Ulrich Jonas (ujo, V.i.S.d.P. für die Zahlen des Monats, den Schwerpunkt),<br />
Benjamin Laufer (bela), Simone Deckner (sim), Jochen Harberg (joc),<br />
Anna-Elisa Jacob (aej), Frank Keil (fk), Misha Leuschen (leu),<br />
Simone Rickert (sr), Annabel Trautwein (atw)<br />
Online-Redaktion Benjamin Laufer (CvD), Jonas Füllner, Lukas Gilbert<br />
Korrektorat Christine Mildner, Kerstin Weber<br />
Redaktionsassistenz Cedric Horbach, Sonja Conrad, Anja Steinfurth<br />
Artdirektion grafikdeerns.de<br />
Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />
Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />
Anzeigenvertretung Gerald Müller,<br />
Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, g.mueller@wahring.de<br />
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 27 vom 1. Januar 2022<br />
Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Gabor Domokos, Meike Lehmann,<br />
Sergej Machov, Frank Nawatzki, Sigi Pachan, Reiner Rümke, Marcel Stein,<br />
Cornelia Tanase, Silvia Zahn, Janina Marach<br />
Spendenmarketing Gabriele Koch<br />
Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />
Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Jonas Gengnagel,<br />
Isabel Kohler, Irina Mortoiu<br />
Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Chris Schlapp<br />
Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Stefan Calin, Fred Houschka, Mandy Schulz<br />
Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />
Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Klaus Peterstorfer,<br />
Herbert Kosecki<br />
Litho PX2 Hamburg GmbH & Co. KG<br />
Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
Druck und Verarbeitung A. Beig Druckerei und Verlag,<br />
Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />
QR Code ist ein eingetragenes Warenzeichen von Denso Wave Incorporated<br />
Leichte Sprache capito Hamburg, www.capito-hamburg.de<br />
Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />
BIC: HASPDEHHXXX<br />
Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />
Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />
des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797,<br />
vom 15.3.2021 für das Jahr 2019 nach § 5 Abs.1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes<br />
von der Körperschaftssteuer und nach § 3 Nr. 6<br />
des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />
Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />
Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />
Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
einsetzen. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte<br />
weitergegeben. Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf<br />
www.hinzundkunzt.de. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das<br />
obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />
Das Magazin wird von Journalist:innen geschrieben, Wohnungslose und<br />
ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter:innen<br />
unterstützen die Verkäufer:innen.<br />
Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />
Gesellschafter<br />
Durchschnittliche monatliche<br />
Druckauflage 2. Quartal 2022:<br />
55.000 Exemplare<br />
57
Momentaufnahme<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />
Der Traum<br />
vom richtigen Job<br />
Alexandru, 35, verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> vor Aldi Küsterkamp<br />
und Rewe Marktstraße in Barmstedt.<br />
TEXT: JONAS FÜLLNER<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Am liebsten würde Alexandru nicht<br />
mehr Hinz&<strong>Kunzt</strong> verkaufen. „Ich<br />
möchte eine Ausbildung zum Installateur<br />
machen und richtig arbeiten“, sagt<br />
der gebürtige Rumäne. Seit sechs Jahren<br />
verkauft der 35-Jährige das Straßenmagazin<br />
– „meine Arbeit“, wie er<br />
nicht ohne Stolz sagt. Für ihn der beste<br />
Job, den er je hatte. In Hamburg hielt<br />
sich Alexandru zuvor als Straßenmusiker<br />
über Wasser. Das funktionierte<br />
mehr schlecht als recht. Warum er sich<br />
das alles antut? Alexandru antwortet<br />
ohne Zögern: „Für die Kinder ist es<br />
hier besser. Rumänien ist Katastrophe.“<br />
In Hamburg seien sie zwar arm. „Aber<br />
in der Heimat hatten wir nix. Außer<br />
Tomaten und Gurken, die im Garten<br />
wuchsen. Hier kann ich mit wenig Geld<br />
gebrauchtes Spielzeug oder auch Kleidung<br />
kaufen.“<br />
Alexandru stammt aus der Region<br />
Moldau im Nordosten Rumäniens.<br />
Dorthin, wo das Land an Moldawien<br />
und die Ukraine grenzt, verirre sich<br />
niemand freiwillig. „Es gibt keine berühmten<br />
Sehenswürdigkeiten und wenig<br />
zu erleben“, sagt Alexandru, der<br />
fließend Deutsch spricht. In den Städten<br />
würden immer mehr Fabriken<br />
schließen. Auf dem Land lebten die<br />
meisten Menschen als Selbstversorger:innen<br />
von dem, was auf dem<br />
fruchtbaren Boden wächst.<br />
Früher hätten die Menschen in seiner<br />
Heimat nicht einmal Strom gehabt,<br />
sagt Alexandru. Er selbst wuchs in der<br />
Stadt Bac u auf. Den Schritt vom Land<br />
in das einstige Textil- und Industriezentrum<br />
hatte sein Vater in den 1980ern<br />
gewagt, nachdem er Arbeit in einer<br />
Schuhfabrik fand. Die Fabrik existiert<br />
schon lange nicht mehr. Auch Alexandru<br />
fand keine Anstellung nach seiner<br />
Ausbildung zum Koch. Dort wo früher<br />
produziert wurde, stehen nur noch Ruinen,<br />
sagt er. Daten des Statistischen<br />
Amtes der Europäischen Union zeigen,<br />
dass im Nordosten Rumäniens inzwischen<br />
nicht einmal mehr ein Fünftel des<br />
Hamburger Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet<br />
wird. Bei der Lebenserwartung<br />
liegt die von Armut gebeutelte<br />
Region auf Rang 325 von europaweit<br />
326 Regionen. Zahlen, die den Exodus<br />
der Bevölkerung in den vergangenen<br />
Jahrzehnten verständlich machen. Heute<br />
lebt nach staatlichen Schätzungen<br />
etwa jeder fünfte Rumäne im Ausland.<br />
So wie Alexandru und seine Familie.<br />
Sie suchten vor etwa sieben Jahren ihr<br />
Glück in Hamburg. Inzwischen verkauft<br />
auch seine Frau Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Alexandru<br />
hat in der Volkshochschule erfolgreich<br />
einen Sprachkurs abgeschlossen.<br />
Seine Sprachkenntnisse sind so gut, dass<br />
er oft für Landsleute übersetzen kann.<br />
Als Nächstes will er einen Deutschkurs für<br />
Fortgeschrittene absolvieren, der als<br />
Grundvoraussetzung für Bewerbungen<br />
gilt. Das alles kostet Geduld und Geld.<br />
Aber Alexandru ist zuversichtlich, dass<br />
er diese Hürde meistert. Sein Wunsch:<br />
Eines Tages statt des Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Magazins einen Arbeitsvertrag in den<br />
Händen zu halten. Für eine bessere<br />
Zukunft – vor allem für seine Kinder. •<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Alexandru und alle anderen<br />
Hinz&Künztler:innen erkennt man<br />
am Verkaufsausweis.<br />
58
Was Obdachlose<br />
wirklich brauchen,<br />
wissen Obdachlose<br />
am besten!<br />
Das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Insiderwissen<br />
Spezial 2022: ab sofort bei den<br />
Hinz&Künztler:innen Ihres Vertrauens.<br />
Neu!
Jetzt<br />
beraten lassen!<br />
Besuchen Sie uns unter<br />
www.hansewerk.com/<br />
klimaschutz<br />
und finden Sie Ihren<br />
Ansprechpartner.<br />
Ihr Partner für LED-Beleuchtung<br />
Ihre Partnerin für Wasserstoff<br />
Partner<br />
für Klimaschutz<br />
Ihr Partner für CO 2<br />
-Bilanzen<br />
Partner fürs Klima gesucht?<br />
Sie wollen etwas fürs Klima tun und dabei möglichst Ihre Kosten senken?<br />
Unsere Spezialisten haben die richtigen Lösungen für Ihr Unternehmen<br />
oder Ihre Kommune. Übrigens: Wir nutzen die Lösungen auch bei uns<br />
selbst, weil wir als Unternehmensgruppe bis 2030 klimaneutral werden<br />
wollen.<br />
Ihr Partner für Fernwärme<br />
Mehr Energie. Weniger CO 2<br />
Ihr Partner für Fernwärme<br />
Ihre Partnerin für BHKW<br />
Ihr Partner für E-Ladesäulen