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Hinz&Kunzt_353_Juli

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Das Hamburger<br />

Straßenmagazin<br />

Seit 1993<br />

N O <strong>353</strong><br />

<strong>Juli</strong>.22<br />

2,20 Euro<br />

Davon 1,10 Euro für<br />

unsere Verkäufer:innen<br />

Keine Angst<br />

vorm Alter


Editorial<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />

Peter Suppa ist<br />

82 Jahre alt und<br />

topfit! Redak teurin<br />

Anna-Elisa Jakob<br />

hat ihn beim Leichtathletiktraining<br />

der Senioren des<br />

LG Alsternord<br />

getroffen.<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

Deutschland altert. Schon jetzt ist jede zweite Person älter als 45 Jahre.<br />

Wissen Sie, dass auch auf der Straße immer mehr alte Menschen leben?<br />

Eine Erhebung der Sozialbehörde von 2018 zeigt, dass die Zahl derer,<br />

die mit über 60 obdachlos sind, in Hamburg innerhalb von zehn Jahren<br />

um knapp 40 Prozent gestiegen ist. Mehr als 150 Menschen gaben an,<br />

dass die Straße seit mehr als zehn Jahren ihr Zuhause ist. Welche Folgen<br />

das hat, welche Perspektiven es für alte Menschen auf der<br />

Straße gibt und was arm sein im Alter bedeutet, damit beschäftigen<br />

wir uns im Schwerpunkt dieser Ausgabe.<br />

Dass Altern nicht nur Last ist, sondern auch Lust macht, zeigen<br />

Ihnen die Sportbegeisterten, die wir besucht haben. Etwa<br />

die Mitglieder der Leichtathletikgemeinschaft Alsternord. Ob Stephan<br />

Karrenbauer dort bald anheuert? Zeit dürfte unser scheidender<br />

Sozialarbeiter als Rentner ja haben. Und die Puste dürfte auch<br />

noch reichen. Schließlich hat er sich nicht nur jahrzehntelang für<br />

Obdach lose eingesetzt, sondern auch als Marathoni Kilometer abgespult.<br />

Wie er auf fast 30 Jahre bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> zurückblickt und was<br />

er sich für Hamburgs Obdachlose wünscht, lesen Sie in unserem<br />

Abschiedsinterview.<br />

Doch nicht nur Stephan verabschiedet sich von Ihnen. Auch ich sage<br />

„Tschö“, zum Glück nur vorübergehend. Bis Ende des Jahres befinde<br />

ich mich in Elternzeit. Meine Kolleg:innen tüfteln derweil am Magazin<br />

und am digitalen Wandel weiter. Seit einem Jahr gestalten wir das<br />

Magazin jetzt als Gleichberechtigte in einem Team. Eine große<br />

Aufgabe, die Spaß macht – vor allem dank der zahlreichen positiven<br />

Rück meldungen. Deshalb freue ich mich schon jetzt auf meine Rückkehr.<br />

Denn auch für Hinz&<strong>Kunzt</strong> gilt: Wir werden zwar immer älter,<br />

aber wir bleiben in Bewegung!<br />

Ihr Jonas Füllner<br />

Redaktion<br />

Schreiben Sie uns an: briefe@hinzundkunzt.de<br />

FOTOS SEITE 2: MIGUEL FERRAZ (UNTEN), DMITRIJ LELTSCHUK (OBEN)<br />

TITELFOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

2


Inhalt <strong>Juli</strong> 2022<br />

40<br />

Abschiedsinterview mit<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozial ar bei ter<br />

Stephan Karrenbauer<br />

Stadtgespräch<br />

06 In der Falle<br />

Eine 16-Jährige kämpft um einen Pass und ein normales Leben.<br />

10 Die sozialen Folgen der Inflation<br />

Ökonom Marcel Fratzscher im Interview<br />

14 Wie der Staat Profit abschöpfen könnte<br />

Zahl des Monats: Inflationsgewinne<br />

32<br />

Überwältigende<br />

Bilder aus Albanien<br />

26<br />

Stella ist 61<br />

Jahre alt und<br />

odachlos.<br />

Alter<br />

18 Alte Freundschaft<br />

Win-win-Situation: Ein Verein bringt Jung und Alt zusammen.<br />

20 Fit ohne Ende<br />

Trainingsbesuche bei Sportgruppen für Ältere<br />

26 (K)Ein Ort zum Altwerden<br />

Immer mehr Obdachlose in Hamburg sind alt und krank.<br />

30 „Eine Frage des politischen Willens“<br />

Es gibt Rezepte gegen Altersarmut.<br />

Fotostrecke<br />

32 Land zwischen Vergangenheit und Zukunft<br />

Albanien: überwältigende Landschaft, große Gastfreundschaft<br />

Freunde & Internes<br />

40 „Wir sind Meinungsmacher“<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer geht in Rente.<br />

44 100 Jahre Leichtigkeit<br />

Geburtstagsspende von Claudia und Steffen Leicht<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

48 „Keine Heimatmelodie“<br />

Andreas Karmers Film über das Hamburger Gängeviertel<br />

52 Tipps für den <strong>Juli</strong><br />

56 Literaturkolumne: Claudia Schumacher<br />

58 Momentaufnahme: Hinz&Künztler Alexandru<br />

48<br />

Endlich fertig:<br />

Mammutfilm über<br />

das Gängeviertel<br />

Rubriken<br />

04 Gut&Schön<br />

09 Meldungen<br />

46 Buh&Beifall<br />

57 Rätsel, Impressum<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk


Raus aus dem Hörsaal, rein in die Stadt<br />

Vorlesungen im Museumshafen Övelgönne, in Planten un<br />

Blomen oder der Hanseatischen Materialverwaltung (Foto)<br />

statt im muffigen Hörsaal – das bietet die Uni Hamburg bei der<br />

„Vorlesung für alle“. Interessierte können die Veran stal tungen<br />

in den kommenden Monaten an ungewöhnlichen Orten<br />

in Hamburg erleben. Thematisch sind kaum Grenzen gesetzt:<br />

Mal geht es ums menschliche Gehirn, mal um Kolo nialismus<br />

oder die Kommunikation von Pflanzen. LG<br />

LG<br />

•<br />

Weitere Infos und Anmeldung: www.huklink.de/Vorlesungenfueralle


FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE


Rahma ist in Hamburg<br />

aufgewachsen, sie hat<br />

nie woanders gewohnt.<br />

Ein normales Leben<br />

kann sie dennoch<br />

nicht führen – aufgrund<br />

fehlender Papiere.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

In der Falle<br />

Wie eine 16-jährige Hamburgerin um einen Pass kämpft –<br />

und damit um das Recht auf ein normales Leben.<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

FOTOS: MIGUEL FERRAZ<br />

Rahma ist eine Heranwachsende,<br />

wie sie sich viele Eltern wünschen:<br />

freundlich, ziel strebig,<br />

klug. Hat nie die Schule geschwänzt,<br />

nimmt keine Drogen, besucht die höhere<br />

Handelsschule und denkt darüber<br />

nach, wo sie eine Ausbildung machen<br />

könnte. Immobilienmaklerin möchte sie<br />

mal werden. „Ich brauche Abwechslung,<br />

und Verkaufen macht mir Spaß!“,<br />

sagt sie mit einem kleinen Lächeln.<br />

Doch sie steht vor einem Problem, das<br />

ihr Leben zunehmend überschattet:<br />

Rahma hat in den 16 Jahren und zehn<br />

Monaten seit ihrer Geburt in Hamburg<br />

nie ein Ausweispapier besessen. Alle<br />

drei bis sechs Monate muss die Tochter<br />

zweier Geflüchteter deshalb bei der<br />

Ausländerbehörde vorsprechen, um sich<br />

eine sogenannte Duldung ausstellen<br />

zu lassen. Formal droht der jungen<br />

Hamburgerin jederzeit die Abschiebung.<br />

Vor allem aber fehlt ihr jeder<br />

Raum für Perspektiven: Wer stellt eine<br />

Auszubildende ein, die drei Monate<br />

später vielleicht nicht mehr da ist?<br />

„Das ist eine Last, die ich tragen<br />

muss“, sagt die junge Frau mit ernstem<br />

Gesicht. „Obwohl ich eine saubere Akte<br />

habe und nie etwas Schlimmes gemacht<br />

habe.“ Und diese Last wiegt von Tag<br />

zu Tag schwerer: Ein Bankkonto eröffnen?<br />

Ohne Ausweispapiere undenkbar.<br />

Mit der Familie in den Auslandsurlaub<br />

fahren? Nicht möglich. Sie erzähle ihre<br />

Geschichte nicht jeder und jedem, sagt<br />

Rahma. Aber wenn Freundinnen sie<br />

fragen würden, ob sie gemeinsam den<br />

Führerschein machen oder verreisen,<br />

„muss ich mit Nein antworten.“ Und<br />

dann muss sie entweder lügen oder<br />

beginnen, eine lange, komplizierte<br />

Geschichte zu erzählen.<br />

Auf die Welt kommt sie 2005 in<br />

Volksdorf. Ihre Mutter war mit Rahmas<br />

älteren Halbgeschwistern vor dem<br />

Krieg in der Kaukasus-Republik Inguschetien<br />

geflohen, ihr erster Ehemann<br />

verlor dort sein Leben. Rahmas Vater<br />

stammt aus dem Irak. In einer Geflüchteten-Unterkunft<br />

lernten er und die<br />

„Ich habe nie<br />

etwas Schlimmes<br />

gemacht.“<br />

RAHMA<br />

Mutter sich kennen und lieben. Doch<br />

als Rahma fünf Jahre alt ist, trennen<br />

sich ihre Eltern. Die Kinder bleiben bei<br />

der Mutter. 16 Jahre dauert es, bis diese<br />

nach einer heiklen Reise in ihre Heimat<br />

und mithilfe der Ausländerbehörde<br />

einen russischen Pass ausgestellt bekommt<br />

– Voraussetzung für ein sichereres<br />

Aufenthaltsrecht in Deutschland.<br />

Auch Rahmas Halbgeschwister haben<br />

entsprechende Papiere. Nur Rahma<br />

selbst – obwohl sie nie woanders als in<br />

Hamburg gelebt hat – bekommt keinen<br />

Aufenthaltstitel. Weil sie keinen Pass<br />

hat. Keinen deutschen. Keinen russischen.<br />

Und auch keinen irakischen.<br />

7<br />

Wären ihre Eltern vor 20 Jahren nach<br />

Großbritannien geflohen, hätte Rahma<br />

heute einen britischen Pass und vermutlich<br />

einige Probleme weniger: Außerhalb<br />

Deutschlands wird die Staatsangehörigkeit<br />

meist nicht über die Herkunft<br />

der Vorfahren definiert, sondern darüber,<br />

wo Menschen geboren werden und<br />

leben. Doch die junge Frau wohnt in<br />

Hamburg, und das bedeutet: Ein dauerhaftes<br />

Bleiberecht wird sie so schnell<br />

nicht bekommen und einen deutschen<br />

Pass schon gar nicht. Da hilft es nicht,<br />

dass sie in der Unterkunft, in der sie mit<br />

Mutter und Oma lebt, nach der Schule<br />

zwei Kindergruppen leitet. Dass Halbschwester<br />

und Halbbruder studieren<br />

und nebenbei jobben, um sich ihr Leben<br />

zu finanzieren. Und es hilft Rahma auch<br />

nicht, dass die Mutter, nachdem sie<br />

ihren Job als Hotelreinigungskraft wegen<br />

Corona verloren hat, sich zur Betreuerin<br />

von alten Menschen hat umschulen<br />

lassen, um finanziell möglichst bald<br />

wieder auf eigenen Beinen zu stehen.<br />

Die Ausländerbehörde sieht keinen<br />

Ermessensspielraum und verweist auf<br />

den fehlenden Pass. Doch wo soll der<br />

herkommen? Über die Mutter? Das Generalkonsulat<br />

der Russischen Förderation<br />

schreibt, um Rahma wie ihre Mutter<br />

und die Halbgeschwister als russische<br />

Staatsbürgerin anzuerkennen, müsse sie<br />

zwecks Feststellung ihrer Identität „einen<br />

Personalausweis oder einen ausländischen<br />

Reisepass“ vorlegen. Doch alles,<br />

was Rahma hat, ist eine deutsche Geburtsurkunde.<br />

Und ihre Geschichte als<br />

Tochter einer Russin und eines Irakers,


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />

Das Problem der<br />

„Kettenduldungen“<br />

Rund 3500 Menschen in Hamburg leben<br />

seit fünf Jahren oder länger in völlig<br />

ungesicherten Verhältnissen, weil ihre<br />

Abschiebung lediglich ausgesetzt worden<br />

ist. Bundesweit sind es knapp 105.000.<br />

Sie bekommen regelmäßig – alle ein bis<br />

sechs Monate – eine sogenannte Duldung<br />

ausgestellt. Oft sind fehlende Ausweispapiere<br />

das Problem. Besonders tragisch<br />

sind die Fälle von Kindern und Jugendlichen,<br />

die den unsicheren Aufenthaltsstatus<br />

ihrer Eltern quasi „erben“. Besserung<br />

schaffen könnten Pläne der Ampelkoalition,<br />

die gut integrierten Geduldeten die<br />

Chance auf ein Bleiberecht eröffnen<br />

sollen. Wie viele Menschen davon profitieren<br />

werden, hängt von der Ausgestaltung<br />

des Gesetzes ab, das derzeit<br />

erarbeitet wird. Dass Integration unbürokratisch<br />

gelingen kann, wenn sie gewollt<br />

ist, zeigt der Umgang mit Geflüchteten<br />

aus der Ukraine. Sie werden rechtlich mit<br />

anerkannten Asyl bewerber:innen gleichgestellt,<br />

dürfen ohne Einschränkungen<br />

arbeiten und haben Zugang zu Sozialleistungen<br />

wie Hartz IV. UJO<br />

Sozialberater<br />

Norbert Boock<br />

kennt Rahma seit<br />

vielen Jahren.<br />

die vor 20 Jahren vor zwei Kriegen nach<br />

Deutschland geflohen sind.<br />

Bleibt der Weg über den Vater:<br />

Der könnte mit seiner Tochter zur irakischen<br />

Botschaft gehen und dort einen<br />

Pass seines Geburtslandes für sie beantragen.<br />

Doch der Vater mache das<br />

nicht, erzählen Rahma, ihre Mutter<br />

und ihre ältere Halbschwester. Seine<br />

Motive wurden auch bei einem Telefonat<br />

mit Hinz&<strong>Kunzt</strong> nicht deutlich.<br />

Inzwischen sei das Verhältnis zerrüttet,<br />

so die Frauen. Rahma sehe ihren Vater<br />

vielleicht einmal im Jahr, mehr Kontakt<br />

gebe es nicht. „Eine Zeit lang wollte ich<br />

das anders. Aber es funktioniert nicht.“<br />

Rahmas ältere Schwester ist im Juni<br />

zur Öffentlichen Rechtsauskunft gegangen,<br />

einer Beratungsstelle der Stadt für<br />

Menschen, die sich teure Anwälte nicht<br />

leisten können. Sie sollen es, so der Rat,<br />

nun auf mehreren Wegen gleichzeitig<br />

versuchen. Also hat Rahma eine Aufenthaltserlaubnis<br />

beantragt mit dem<br />

Hinweis, dass sie den dafür erforderlichen<br />

Reisepass „nicht auf zumutbare<br />

Weise erlangen kann“. In einem weiteren<br />

Antrag bittet sie um einen deutschen<br />

Reisepass für Ausländer:innen.<br />

Und dann wollen sie noch das Familiengericht<br />

anschreiben: Würde das dem<br />

Vater das gemeinsame Sorgerecht<br />

zumindest für diese Angelegenheit entziehen,<br />

könnte vielleicht die Mutter mit<br />

Rahma zur irakischen Botschaft gehen<br />

und dort den so dringend benötigten<br />

Pass beantragen.<br />

Und wenn das alles nichts hilft?<br />

Rahma könnte noch vor Gericht ziehen.<br />

Doch das alles kann dauern, sagt<br />

Norbert Boock vom Jugendmigrationsdienst<br />

Wandsbek I, der die Familie seit<br />

vielen Jahren begleitet. Allein bis die<br />

Ausländerbehörde auf ein Schreiben<br />

antwortet, erzählt er, vergehen derzeit<br />

mehrere Monate. Bleibt die Hoffnung,<br />

dass die Bundesregierung Menschen<br />

wie Rahma aus dieser Falle befreit: mit<br />

einem Aufenthaltsrecht, das ihnen eine<br />

Zukunft ermöglicht. „Es muss Schluss<br />

8<br />

sein mit dieser vererbten Chancenlosigkeit“,<br />

sagt Berater Boock. „Der<br />

Staat müsste sagen: ,Du bist 10, 15 oder<br />

20 Jahre in Deutschland, wir stellen dir<br />

jetzt Papiere aus – damit du hier ganz<br />

normal leben kannst.‘“ •<br />

ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />

Leichte Sprache:<br />

Es gibt den Text<br />

auch in Leichter<br />

Sprache. Scannen<br />

Sie den QR-Code<br />

mit dem Handy.<br />

Dann klicken Sie auf<br />

den Link. Der Text in Leichter Sprache<br />

öffnet sich. Oder Sie gehen auf unsere<br />

Webseite www.hinzundkunzt.de und<br />

suchen dort nach „Leichte Sprache“.<br />

www.huklink.de/<strong>353</strong>-leichte-sprache


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Meldungen<br />

Menschen in Wohnungsnot<br />

Diakonie fordert Neustart<br />

Mindestens 13.000 Haushalte in Not warten in Hamburg auf eine passende<br />

Wohnung – Tendenz steigend. Darauf hat das Hamburger Bündnis für eine<br />

soziale Wohnungspolitik hingewiesen. „Die Lage für Wohnungsnotfälle ist und<br />

bleibt dramatisch“, sagt Landespastor und Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Herausgeber Dirk Ahrens<br />

stellvertretend für das Bündnis. Zu den Betroffenen gehören Wohnungslose,<br />

alleinerziehende Frauen, Menschen mit Mietschulden oder mit Assistenzbedarf.<br />

Sie sind nicht nur arm, sondern können die Wohnungssuche nicht alleine meistern.<br />

Deshalb erhalten sie einen Dringlichkeitsschein, damit ihnen die Ämter eine<br />

Wohnung vermitteln. Ein Grund dafür, dass viele von ihnen bislang vergeblich<br />

warten: Zum wiederholten Mal hat der Senat vergangenes Jahr sein selbst<br />

gestecktes Ziel von 300 neuen Wohnungen für diese Personengruppe verpasst.<br />

Fertiggestellt wurden nur 101 Sozialwohnungen mit entsprechender Bindung.<br />

Angesichts dessen fordert Ahrens, dass jede zweite neue Sozialwohnung für<br />

Menschen mit Dringlichkeitsschein bereitgestellt wird. Außerdem solle der Anteil<br />

der Sozialwohnungen bei Neubauprojekten von einem Drittel auf 50 Prozent<br />

angehoben werden. Ahrens: „Wir brauchen jetzt einen echten Neustart.“ JOF<br />

•<br />

Notschlafstellen für junge Obdachlose<br />

Keine Schlafplätze in Sicht<br />

Ab Oktober sollen junge Obdachlose Zuflucht in zwei Hamburger Notschlafstellen<br />

finden. Doch ob das klappt, ist unklar: Auf die europaweite Ausschreibung<br />

der Sozialbehörde hat sich kein Träger beworben, bestätigte Behördensprecher<br />

Martin Helfrich gegenüber Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Das Konzept sieht vor, dass junge Erwachsene<br />

zwischen 18 und 27 Jahren in den Einrichtungen beraten und innerhalb<br />

von sechs bis acht Wochen an weiterführende Hilfen vermittelt werden. In einer<br />

Stellungnahme des Sozialarbeiter:innen-Bündnisses „Arbeitskreis Wohnraum<br />

für junge Menschen“ wird als größte Schwierigkeit die Suche nach geeigneten<br />

Räumen bis Oktober genannt. Auch das Finanzierungsmodell sei nicht umsetzbar.<br />

Die Behörde hält an ihrem Vorhaben fest und will nun in Absprache mit den potenziellen<br />

Trägern eine angepasste Ausschreibung auf den Weg bringen. BELA<br />

•<br />

Steigende Lebensmittelpreise<br />

Überlastete Tafeln<br />

Angesichts einer stark gestiegenen Nachfrage sind die Hamburger Tafeln am<br />

Limit. „Wir erleben einen sprunghaften Anstieg von bedürftigen Menschen“, sagt<br />

Geschäftsführer Jan Henrik Hellwege. Als Grund für den hohen Andrang nennt<br />

er vor allem die gestiegenen Lebensmittelpreise: „Bei vielen Familien, die bislang<br />

gerade so ausgekommen sind, reicht es jetzt nicht mehr.“ Laut Hellwege mussten<br />

19 von 31 Hamburger Ausgabestellen mittlerweile einen Aufnahmestopp verhängen<br />

(Stand: 20.6.). Die restlichen Stellen würden mit Wartelisten arbeiten.<br />

Immerhin: Das Spendenaufkommen an Lebensmitteln stabilisiere sich mittlerweile,<br />

außerdem hätten sich zuletzt viele Helfer:innen gemeldet. Dennoch ist die<br />

Hilfsorganisation immer auf der Suche nach Freiwilligen, insbesondere nach<br />

Fahrer:innen und Beifahrer:innen zum Abholen von Lebensmitteln. LG<br />

•<br />

Hartz IV<br />

Sanktionen auf Eis gelegt<br />

Der Bundesrat hat ein einjähriges<br />

Sanktionsmoratorium beschlossen,<br />

das ab 1. <strong>Juli</strong> in Kraft treten soll. Die<br />

Ampelkoalition hatte sich in ihrem<br />

Koalitionsvertrag auf die Maßnahme<br />

geeinigt. Bereits im Mai hatte der<br />

Bundestag dafür gestimmt. Das<br />

Moratorium soll ein erster Schritt in<br />

Richtung eines Bürgergeldes sein.<br />

Wie dieses konkret aussehen soll, ist<br />

allerdings weiterhin unklar. Der Paritätische<br />

Wohlfahrtsverband kritisiert das<br />

beschlossene Moratorium als unzureichend<br />

– weil Sanktionen bei mehrmaligen<br />

Terminversäumnissen auch<br />

weiterhin möglich sind. Die bayerische<br />

Gesundheitsministerin Ulrike<br />

Scharf (CSU) hingegen sorgt sich angesichts<br />

wegfallender Sanktionen vor<br />

einer Abkehr vom Sozialstaatsprinzip<br />

des Forderns. Nach Angaben der<br />

Bundesagentur für Arbeit sind bislang<br />

jährlich rund 3 Prozent der Leistungsempfäng<br />

er:innen von Sanktionen<br />

betroffen. LG<br />

•<br />

Armut<br />

Kostenlose Ausweise<br />

Rund 1500 kostenlose Ausweispapiere<br />

hat das Bezirksamt Mitte zwischen<br />

Mai 2021 und April 2022 für<br />

Obdachlose und andere bedürftige<br />

Menschen ausgestellt. Als erstes<br />

Bezirksamt in Hamburg übernimmt<br />

die Verwaltung in Mitte seit Mai 2021<br />

die Gebühren für die Beantragung<br />

eines Personalausweises für mittellose<br />

Menschen ohne festen Wohnsitz. Ein<br />

Personalausweis ist zum Beispiel zum<br />

Erhalt von Sozialleistungen wichtig.<br />

Aus Sicht des Bezirksamtes ist das<br />

Projekt eine Erfolgsgeschichte, die<br />

man gerne fortschreiben möchte.<br />

Am 23. Juni (nach Redaktionsschluss)<br />

stimmte die Bezirksversammlung<br />

über eine Fortführung ab. Mit einer<br />

Zustimmung ist zu rechnen. JOF<br />

•<br />

9


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />

„Wer von<br />

der Krise<br />

profitiert,<br />

muss sich auch<br />

an den<br />

Kosten<br />

beteiligen“<br />

Lebensmittel- und Energiepreise explodieren momentan regelrecht.<br />

Im Interview spricht der Ökonom Marcel Fratzscher über die<br />

sozialen Folgen der Inflation – und darüber, welche Maßnahmen jetzt helfen.<br />

INTERVIEW: LUKAS GILBERT<br />

FOTO: DIW BERLIN/B. DIETL; GRAFIK: GRAFIKDEERNS.DE<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Im Januar haben Sie<br />

vor einer Inflationspanik gewarnt.<br />

Heute herrscht Krieg in Europa, und<br />

viele Menschen haben zunehmend<br />

Angst vor der nächsten Nebenkostenabrechnung.<br />

Wie viel Panik<br />

ist mittlerweile angebracht?<br />

Marcel Fratzscher: Panik ist nie angebracht,<br />

aber die Sorge ist völlig berechtigt<br />

und die aktuelle Inflation ein großes<br />

Problem. Wir sprechen von einer<br />

Preisstabilität, wenn die Preise im<br />

Durchschnitt um 2 Prozent im Jahr<br />

steigen. 3 oder 4 Prozent sind gesamtwirtschaftlich<br />

auch okay. Problematisch<br />

wird es, wenn die Preissteigerungen<br />

über eine längere Zeit 8, 9 oder<br />

10 Prozent betragen. Also Zahlen, wie<br />

wir sie jetzt haben. Wenn das über<br />

zwei, drei Jahre geht, führt es dazu,<br />

dass Unternehmen weniger investieren,<br />

weil sie nicht mehr gut planen<br />

können. Dann gibt es weniger Jobs und<br />

geringere Einkommen.<br />

10<br />

Ab wann wird Inflation zum Problem<br />

für den Einzelnen, gerade für Menschen<br />

mit geringem Einkommen?<br />

Aus der individuellen Perspektive kann<br />

Inflation immer ein Problem sein. Das<br />

hängt vom Einkommen ab. Was in der<br />

aktuellen Diskussion gerne ignoriert<br />

wird: Es ist für einen Menschen nicht so<br />

schlimm, 5 Prozent Inflation zu haben,<br />

wenn er oder sie 10 Prozent mehr Lohn<br />

bekommt. Das ist aber das zentrale<br />

Problem im Augenblick: Wir haben


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

7 bis 8 Prozent Inflation, aber die Löhne<br />

steigen in diesem Jahr im Schnitt nur<br />

zwischen 4 und 5 Prozent. Das heißt:<br />

Die allermeisten Menschen haben am<br />

Ende des Jahres weniger Kaufkraft,<br />

können sich weniger leisten.<br />

Arbeitgeberverbände warnen davor,<br />

dass steigende Löhne die Inflation<br />

beschleunigen.<br />

Eine solche Lohn-Preis-Spirale würde<br />

entstehen, wenn die Gewerkschaften<br />

sagen würden, bei einer Inflation von<br />

8 Prozent wollen wir Lohnerhöhungen<br />

von 15 Prozent – und wenn sie sich damit<br />

auch durchsetzen könnten. Erstens<br />

fordern sie das aber nicht, und zweitens<br />

ist weniger als die Hälfte aller Jobs in<br />

Deutschland überhaupt über Tarifverträge<br />

abgedeckt. Gerade im Niedriglohnbereich<br />

haben die aller wenigsten<br />

die Bezahlung über einen Tarifvertrag<br />

geregelt. Insofern: Nein, ich sehe keine<br />

Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale.<br />

Ja, Löhne können zu stark steigen –<br />

aber sie können auch zu wenig steigen.<br />

Und dann haben wir auch ein Problem,<br />

weil die Leute weniger konsumieren<br />

können. Und dann haben auch das<br />

Geschäft oder die Kneipe um die Ecke<br />

ein Problem. Man braucht eine gute<br />

Balance.<br />

Wen treffen die aktuellen Preissteigerungen<br />

besonders?<br />

Wir erleben eine höchst unsoziale Inflation:<br />

Jeder braucht Energie, jeder<br />

braucht Essen, und genau in diesen Bereichen<br />

steigen die Preise. Wir haben in<br />

unseren Studien am DIW Berlin gezeigt,<br />

dass Menschen mit geringen Einkommen<br />

zum Teil 10 bis 15 Prozent ihres<br />

Einkommens zusätzlich für Lebensmittel<br />

und Energie ausgeben. Menschen mit<br />

hohem Einkommen geben nur 2 Prozent<br />

mehr aus. Das ist unsozial.<br />

Der Staat reagiert mit einem ganzen<br />

Schwung an Maßnahmen: 300 Euro<br />

Energiegeld, Tankrabatt, 9-Euro-Ticket<br />

und Einmalzuschüsse für Hilfeemp fänger:innen.<br />

Ist das sinnvoll?<br />

Grundsätzlich sind die Entlastungspakete<br />

gut gemeint, aber nicht gut genug<br />

gemacht – und vor allem nicht ausreichend.<br />

300 Euro Energiepauschale:<br />

Das ist gut. Denn da bekommen die<br />

Menschen, die sie bekommen, 300 Euro<br />

bar in die Hand. Das ist ökonomisch<br />

sinnvoll. Weil nicht der Staat entscheidet,<br />

was die Menschen mit den 300 Euro<br />

machen, sondern sie selbst entscheiden.<br />

Und den Menschen zu vertrauen und<br />

zu sagen: Ihr wisst schon am besten,<br />

was ihr mit dem Geld macht, das ist das<br />

Richtige. Die Spritpreisbremse hingegen,<br />

also 35 Cent weniger für einen<br />

Liter Benzin, ist ökonomisch völlig unsinnig,<br />

weil sie Benzin billiger macht<br />

und damit die Nachfrage erhöht.<br />

Welche sozialen Auswirkungen hat<br />

ein solcher Tankrabatt?<br />

Bei den einkommensschwächsten<br />

20 Prozent der Menschen in Deutschland<br />

hat die Mehrheit kein Auto. Die haben<br />

nichts von den drei Milliarden Euro,<br />

die jetzt größtenteils für Besserverdiener<br />

und die Mineralölkonzerne ausgegeben<br />

werden. Mein grundlegendes Problem<br />

mit dem Entlastungspaket ist, dass es<br />

einmalige Hilfen sind – Inflation ist aber<br />

kein einmaliges Problem. Inflation heißt:<br />

Der Liter Milch, das Kilo Gemüse oder<br />

die Kilowattstunde Strom sind permanent<br />

teurer. Wenn Sie jetzt einmal Geld<br />

bekommen, dann ist es in ein paar<br />

Monaten weg. Und dann haben Sie das<br />

gleiche Problem wie vorher. Dieses<br />

192,60<br />

Butter<br />

in Deutschland<br />

142,70<br />

Steigende Preise<br />

Insbesondere Güter des täglichen Bedarfs<br />

werden momentan teurer.<br />

Gemüse<br />

in Deutschland<br />

119,90<br />

111,20<br />

110,80<br />

133,10<br />

120,60<br />

132,40<br />

Weizenmehl<br />

in Deutschland<br />

Strom<br />

in Deutschland<br />

April 2020 Oktober 2020 April 2021<br />

Oktober 2021 April 2022<br />

Preisentwicklung in Prozent: April 2020 bis April 2022<br />

11<br />

Ausgehend von 100 Prozent im Jahr 2015 zeigt<br />

der Verbraucherpreisindex, wie sich die durchschnittlichen<br />

Preise verschiedener Güter entwickeln.<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />

grundlegende Problem lässt sich<br />

nur über höhere Löhne und höhere<br />

Sozialleistungen lösen. Die Menschen<br />

brauchen permanent mehr Geld in der<br />

Tasche.<br />

Die Hartz-4-Regelsätze wurden im Januar<br />

um 3 Euro angehoben. Reicht das?<br />

Familien mit wenig Einkommen brauchen<br />

aktuell schon 150 Euro mehr pro<br />

Monat, um höhere Heizkosten und<br />

Lebensmittelpreise abdecken zu können.<br />

Die Grundsicherung im Alter liegt<br />

ungefähr bei 900 Euro für Alleinstehende.<br />

Auch da müsste man über eine Größenordnung<br />

von 100 Euro mehr im<br />

Monat nachdenken.<br />

Und langfristig?<br />

Grundsätzlich sollten sich Sozialleistungen<br />

an der Steigerung der Löhne orientieren.<br />

Es muss darum gehen, dass<br />

alle Menschen eine Chance haben, Teil<br />

einer Gemeinschaft zu sein.<br />

Darum, dass Kinder ins<br />

Kino oder zu anderen Aktivitäten<br />

gehen können, die andere in ihrer<br />

Klasse auch tun. Deshalb ist es sinnvoll,<br />

die Sozialleistungen an der Entwicklung<br />

des Wohlstands der Gesellschaft zu<br />

orientieren.<br />

Kann sich der Staat eine dauerhafte<br />

Erhöhung der Sozialleistungen leisten?<br />

Der Staat hat in der Pandemie 300 Milliarden<br />

Euro ausgegeben – zum größten<br />

Teil an Unternehmen. Auch die Erhöhung<br />

der Sozialleistungen würde einige<br />

Milliarden Euro kosten, aber eben keine<br />

400 Milliarden, sondern eher 5 bis 10<br />

Milliarden Euro. Ja, auch das ist viel<br />

Geld. Aber man muss auch betonen,<br />

worum es geht. Nämlich nicht darum,<br />

Menschen besser zu stellen, sondern darum,<br />

dass Menschen, die nichts haben,<br />

zumindest nicht schlechtergestellt sind.<br />

Das muss das Mindestziel sein, und das<br />

muss möglich sein – und natürlich hat<br />

der Staat dafür das Geld.<br />

Wenn wir über solche Mindestziele<br />

hinausgehen: Wie muss der deutsche<br />

Sozialstaat umgebaut werden, um der<br />

wachsenden Vermögensungleichheit<br />

zu begegnen?<br />

Wir brauchen eine grundlegende Umgestaltung<br />

des Sozialstaats. Weg von einem<br />

passiven Sozialstaat, der erst reagiert,<br />

wenn der Schaden entstanden ist.<br />

Wenn Menschen arbeitslos geworden<br />

sind, wenn Menschen krank geworden<br />

sind, wenn Menschen obdachlos geworden<br />

sind. Hin zu einem Sozialstaat, der<br />

früh, der vorbeugend agiert. Der Menschen<br />

motiviert, der Menschen hilft, gar<br />

nicht erst in eine schwierige Lage zu<br />

kommen. Und der, wenn Menschen<br />

doch in einer schwierigen Lage sind,<br />

unterstützt, dass sie da selbst wieder<br />

Marcel Fratzscher:<br />

51, leitet seit 2013 das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung<br />

(DIW) in Berlin und ist Professor für<br />

Makroökonomie an der Berliner Humboldt-Universität.<br />

Fratzscher berät die Vereinten Nationen zu ihren<br />

nachhaltigen Entwicklungszielen und ist Mitglied<br />

im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

he rauskommen. Menschen müssen frühzeitig<br />

qualifiziert werden, sie brauchen<br />

ordentliche Einkommen und Löhne,<br />

von denen sie leben können. Und Menschen<br />

brauchen soziale Netzwerke –<br />

auch Sozialarbeit ist da extrem wichtig.<br />

Damit Menschen, die in Schwierig keiten<br />

geraten, nicht in diese Spirale nach unten<br />

kommen. Auf eine einfache Formel<br />

gebracht: Der Staat sollte mehr fördern<br />

und weniger fordern.<br />

Und wie müssten sich die Löhne<br />

in Deutschland entwickeln?<br />

Zunächst einmal ist es extrem wichtig,<br />

dass der Mindestlohn von 12 Euro in<br />

diesem Jahr noch kommt. In Deutschland<br />

leben fast 7 Millionen Menschen,<br />

die weniger als 12 Euro verdienen. Das<br />

ist etwa jeder fünfte Beschäftigte. Bei<br />

den anderen Beschäftigten denke ich<br />

schon, dass man darauf drängen sollte,<br />

zumindest die Inflation auszugleichen.<br />

Dabei muss man immer Sektor für Sektor<br />

und Unternehmen für Unternehmen<br />

anschauen. Für manche kleine Bäckerei<br />

um die Ecke sind 2 oder 3 Euro<br />

mehr Lohn ein Problem. Aber viele große<br />

Konzerne machen Rekordgewinne.<br />

Denn Inflation hat nicht nur Verlierer,<br />

sondern auch Gewinner. Inflation ist<br />

kein schwarzes Loch, in dem das Geld<br />

verschwindet. Für jeden, der einen Euro<br />

mehr zahlt, bekommt jemand anderes<br />

den einen Euro. Und es ist nicht nur<br />

Herr Putin, der da mitverdient, sondern<br />

es sind auch viele Unternehmen hierzulande.<br />

Wenn Unternehmen solche Gewinne<br />

machen, halte ich es für richtig,<br />

dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />

oder die Gewerkschaften sagen:<br />

Da wollen wir ein ordentliches Stück<br />

vom Kuchen abhaben.<br />

Welche Verantwortung tragen Unternehmen<br />

bei den Preissteigerungen?<br />

Eine Reihe von Unternehmen verdienen<br />

im Augenblick richtig gut. Mineralölkonzerne<br />

zum Beispiel. Von Ende<br />

Januar bis Ende März ist der Diesel von<br />

1,60 Euro auf 2,30 Euro gestiegen.<br />

70 Cent mehr. Davon sind 20 Cent erklärt<br />

durch höhere Energiepreise, also<br />

höhere Importpreise für Rohöl. 50 Cent<br />

sind erklärt über höhere Margen, höhere<br />

Erträge der Raffinerien und der<br />

Mineralölkonzerne. Einige der DAX-<br />

Konzerne haben vergangenes Jahr und<br />

auch Anfang dieses Jahres Rekordgewinne<br />

gemacht und verdienen richtig<br />

gut an der Unsicherheit und Angst. Sie<br />

können dadurch ihre Margen deutlich,<br />

deutlich erhöhen. Ich will nicht die<br />

Unternehmen per se verteufeln. Die<br />

machen eben das, was Unternehmen<br />

versuchen zu machen: ihren Gewinn<br />

maximieren. Aber es ist schon Aufgabe<br />

des Staates, zu sagen: „Okay, ist in Ordnung,<br />

aber wir besteuern das auch.“<br />

Wer von der Krise profitiert, muss sich<br />

auch an deren Kosten beteiligen.<br />

Ist trotz aller weltpolitischen<br />

Unwägbarkeiten absehbar, wie sich<br />

die Preise in den kommenden Monaten<br />

und Jahren entwickeln werden?<br />

Nein, das lässt sich nicht absehen. Weil<br />

es letztlich vom Krieg und von der Pandemie<br />

abhängt. In unseren Prognosen<br />

hoffen wir, dass wir im kommenden<br />

Jahr vielleicht nur noch eine Inflation<br />

von 3 bis 4 Prozent haben, im Vergleich<br />

zu 7 Prozent in diesem Jahr. Wenn der<br />

Krieg weiter eskaliert, können wir aber<br />

nicht ausschließen, dass es in diesem<br />

Jahr noch höher in Richtung von<br />

10 Prozent geht und die Zahlen im<br />

kommenden Jahr hoch bleiben. Ich<br />

glaube, dass wir über die nächsten fünf<br />

bis zehn Jahre eine komplett andere<br />

Situation haben werden als in den<br />

vergangenen zehn Jahren. In denen<br />

war die Preis entwicklung in Deutschland<br />

relativ schwach. Nicht bei den<br />

Mieten. Aber bei der Grundversorgung,<br />

bei Nahrungsmitteln, in vielen<br />

Bereichen sind Produkte eher günstiger<br />

geworden, und das wird sich ändern.<br />

Weil globale Lieferketten, also globale<br />

Wirtschaftsprozesse, neu aufgestellt<br />

werden müssen. Und weil wir bei der<br />

Energie unabhängig von Russland werden<br />

müssen. Aber: 3 oder 3,5 Prozent<br />

Inflation wären nicht schlimm – wenn<br />

die Löhne ebenfalls steigen. •<br />

Lukas Gilbert kannte Inflation<br />

bislang vor allem als abstrakte<br />

wirtschaftliche Kennzahl –<br />

das ändert sich gerade mit<br />

jedem Einkauf.<br />

lukas.gilbert@hinzundkunzt.de<br />

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13


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Zahl des Monats<br />

Inflationsgewinne<br />

Wie der Staat Profit<br />

abschöpfen könnte<br />

10 Milliarden Euro<br />

Mehreinnahmen erhofft sich der italienische Staat durch die sogenannte<br />

Übergewinnsteuer. Die neue Abgabe müssen Unternehmen bezahlen,<br />

die von der Inflation und ihren Folgen besonders profitieren: die Mineralölkonzerne.<br />

Dabei wird in Italien einmalig jener Teil des zwischen Oktober<br />

2021 und März 2022 erwirtschafteten Umsatzes besteuert, der den Vorjahreswert<br />

um mindestens 5 Millionen Euro oder 10 Prozent überschreitet.<br />

Auch Großbritannien, Rumänien, Bulgarien und Griechenland haben<br />

Varianten einer Übergewinnsteuer eingeführt. Möglich wird das durch eine<br />

Leitlinie der Europäischen Kommission von März, die eine befristete<br />

Besteuerung außergewöhnlich hoher Gewinne ausdrücklich erlaubt. Hierzulande<br />

zeichnet sich keine politische Mehrheit für die Einführung einer<br />

solchen Steuer ab. Verantwortlich für die Blockade innerhalb der Ampelkoalition<br />

ist die FDP. Extragewinne sind nach Ansicht der Liberalen<br />

„schwer ermittelbar“ und „rechtlich fragwürdig“, so ihr Fraktionsvorsitzender<br />

Christian Dürr. Zudem sei Deutschland schon „ein Hochsteuerland“.<br />

Um Übergewinne dennoch abschöpfen zu können, will Bundeswirtschaftsminister<br />

Robert Habeck (Grüne) nun Gesetze verschärfen. Die Mineralölkonzerne<br />

verweisen zur Rechtfertigung ihrer Preispolitik auf gestiegene<br />

Weltmarktpreise. Um das besser prüfen zu können, soll das Kartellamt<br />

künftig Zugang zu internen Zahlen der Konzerne bekommen. Zudem soll<br />

die Beweislast bei Rechtsverstößen umgekehrt werden, sagte Habeck Mitte<br />

Juni in einem Deutschlandfunk-Interview: „Wenn die Wirkungen wie Kartell<br />

sind, dann gehen wir davon aus, dass es sich um ein Kartell handelt.“<br />

Theoretisch kann der deutsche Staat schon heute Übergewinne abschöpfen.<br />

Praktisch schaut er dem Treiben der Konzerne tatenlos zu. Bereits 2012<br />

hatte das Kartellamt von „einem Oligopol der großen fünf Mineralölkonzerne“<br />

gesprochen und Verfahren eingeleitet – ohne erkennbare Folgen.<br />

Das Wirtschaftsministerium bestätigte auf Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Nachfrage: „Das<br />

Bundeskartellamt hat die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung bislang<br />

noch nie genutzt, da hier die Hürden nach aktueller Rechtslage besonders<br />

hoch sind.“ Wie genau Habeck das ändern will, konnte sein Ministerium<br />

bei Redaktionsschluss noch nicht erklären. „Wir arbeiten die Vorschläge<br />

jetzt weiter genauer aus.“ •<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />

15


Keine Angst<br />

vorm Alter<br />

Die „Freunde alter Menschen“ vermitteln Tandems zwischen<br />

Jung und Alt – davon profitieren alle (S. 18). Für Karate,<br />

Hammerwerfen oder E-Sport gibt es kein Alterslimit, wie<br />

Sport treibende in ganz Hamburg zeigen (S. 20). Obdach- und<br />

Wohnungslose wie Stella und Winfried haben es im Alter derweil<br />

besonders schwer (S. 26). Gegen die wachsende Altersarmut<br />

gibt es Rezepte. Oft fehlt aber der politische Wille (S. 30).<br />

FOTO: AFRICA STUDIO - STOCK.ADOBE.COM


Gesucht und gefunden:<br />

Karin Troitzsch (rechts)<br />

und Franziska Gellrich<br />

Alte Freundschaft<br />

Von wegen einsam und unglücklich: Der Verein „Freunde alter Menschen“<br />

vermittelt Dauerkontakte zwischen alten Menschen und jungen Freiwilligen.<br />

TEXT: JOCHEN HARBERG<br />

FOTO: IMKE LASS<br />

Zum Abschluss bittet die Fotografin<br />

noch mal um ein<br />

Bild Arm in Arm. „Dann<br />

sind wir ja wie ein Liebespaar!“,<br />

sagt Karin Troitzsch lachend<br />

und kuschelt sich auf dem Gartensofa<br />

vor ihrer Wohnung in den Arm von<br />

Franziska Gellrich. Die lächelt fröhlich<br />

zurück: „Ein bisschen sind wir das doch<br />

auch, oder?“ Beide schauen sich innig<br />

an und nicken. Ganz alte Freundinnen<br />

eben, seit Spätsommer 2020. Die eine<br />

84, die andere 32.<br />

„Viele dieser Partnerschaften halten<br />

tatsächlich bis zum Tod“, sagt uns später<br />

Simone Sukstorf. Was dramatisch klingt,<br />

ist für die Beteiligten ein pures Geschenk.<br />

Sukstorf arbeitet für den Verein<br />

18<br />

„Freunde alter Menschen“, der in fünf<br />

deutschen Städten dauerhafte Kontakte<br />

zwischen Alt und Jung vermittelt. In<br />

Hamburg existiert der Verein seit 2014,<br />

mittlerweile mit jeweils einem Standort<br />

in Eimsbüttel und Borgfelde. Das Ziel:<br />

alte Menschen ab 75, die meist noch zu<br />

Hause leben, aber häufig schon nicht<br />

mehr so mobil sind, vor drohender Iso­


Schwerpunkt<br />

Alter<br />

Neu im<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Shop<br />

<strong>Kunzt</strong>-<br />

Kollektion<br />

Kulturistenhoch2<br />

Auch andere Initiativen verbinden Jung und Alt in Hamburg.<br />

Insbesondere an einkommensschwache Senior:innen richtet<br />

sich etwa das Angebot der „Kulturisten“: Dort verbinden sich<br />

Schüler:innen über kostenlose Kunst- und Kulturbesuche mit<br />

alten Menschen und verbringen gemeinsame Zeit.<br />

Infos: www.kulturisten-hoch2.de<br />

lation und Vereinsamung zu bewahren.<br />

Etwa 290 Senior:innen betreut der Verein,<br />

der stets neue Freiwillige sucht,<br />

allein in Hamburg – und der Bedarf<br />

wächst rasant. Das Angebot ist vielschichtig:<br />

So findet ein monatlicher<br />

Nachbarschaftsstammtisch statt, dieses<br />

Frühjahr gab es einen Foto-Walk durch<br />

Altona und einen Spielenachmittag, im<br />

August steht eine Stadtteilführung durch<br />

Barmbek an. Aber das Herzstück bleibt<br />

der private Kontakt zwischen Alt und<br />

Jung. Sogar eine App gibt es mittlerweile,<br />

in der man als Suchende wie Franziska<br />

sein ganz persönliches „Match“<br />

finden kann.<br />

Auch sie hatte dort gestöbert, im<br />

Sommer 2020 – ohne zunächst fündig<br />

zu werden. „Ich liebe alte Menschen“,<br />

sagt die in Osnabrück aufgewachsene<br />

Frau mit den kecken kupferroten Haaren<br />

und dem offenen Lächeln. Schon<br />

während des Studiums half sie freiwillig<br />

in einem Altenheim, heute arbeitet sie<br />

in der City Nord bei Tchibo im Personalmarketing.<br />

Nach dem Ausbruch von<br />

Corona und der ersten Einsamkeitswelle<br />

pochte ihre soziale Ader: „Ich muss<br />

jetzt was tun!“ – beim Googeln stieß sie<br />

auf die Freunde alter Menschen. Dort<br />

hinterließ sie ihr Profil, ihre Vorlieben<br />

und Wünsche, der entscheidende Kontakt<br />

wurde dann aus dem Büro des<br />

Vereins vermittelt: „Wir haben da jemanden,<br />

der ganz wunderbar zu dir<br />

passen könnte.“ Franzi erinnert sich<br />

noch genau ans erste Treffen, bei Karin<br />

zu Hause in Borgfelde. „Ich wusste ja<br />

nicht, was mich erwartet, du hättest ja<br />

auch ein kleines Häufchen Elend sein<br />

können, das ich erst mal ein bisschen<br />

aufpäppeln muss.“ Und dann das: „Du<br />

frisch frisiert, ein rosa Jäckchen über-<br />

geworfen, ein Teller mit Schnittchen,<br />

und wir haben uns sofort über Stunden<br />

verquatscht!“<br />

Denn Karin Troitzsch mag mit ihrem<br />

Rollator nicht mehr ganz so gut zu Fuß<br />

sein, aber eines ist sie ganz gewiss nicht:<br />

auf den Mund gefallen. Gelernt ist gelernt,<br />

jahrelang hat sie bei C&A in der<br />

Mönckebergstraße im Verkauf gearbeitet.<br />

Drei Kinder, drei Enkel und drei<br />

Urenkel hat sie, die auch immer wieder<br />

mal vorbeischauen, aber Karin trägt<br />

nach dem Tod ihres zweiten Mannes<br />

2014 noch mehr Sehnsucht nach Leben<br />

und Menschen in sich. Neue Kontakte<br />

zu knüpfen „liegt aber in meiner Verantwortung,<br />

ich muss mich kümmern,<br />

nicht die anderen“, sagt sie. Viele<br />

Senior:innen würden genau davor<br />

zurückschrecken.<br />

Mindestens einmal monatlich treffen<br />

sich die beiden Frauen nun – mal bei<br />

einer von beiden zu Hause, mal in der<br />

Eisdiele, mal bei einem Ausflug nach<br />

Hagenbeck. Auch Franzis Freund hat<br />

Karin schon kennengelernt, und zum<br />

nächsten Familientreffen soll sie einfach<br />

mal mit, denn: „Alle lieben Karin!“,<br />

sagt Franzi. Und irgendwann dieser<br />

warmen Tage wird sie ihn jetzt wieder<br />

tragen: jenen „cool fließenden Sommerrock“,<br />

den Karin vor Jahren für einen<br />

Hochzeitsbesuch kaufte, ihn an Franzi<br />

weiterschenkte – und der nun Beine<br />

umschmeichelt, die mehr als ein halbes<br />

Jahrhundert jünger sind als ihre. •<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Mehr Informationen über die „Freunde<br />

alter Menschen“ unter www.famev.de<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Socken<br />

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waschbar bis 60 Grad,<br />

Trockner nicht empfehlenswert.<br />

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19


Schutz für die wertvollen<br />

Muskeln: Wolfgang Sasz, 82,<br />

dehnt sich vor dem Training.<br />

Fit ohne<br />

Ende<br />

Sie sprinten, schwimmen und kämpfen Karate:<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> hat die interessantesten Sportgruppen<br />

für Ältere beim Training besucht.<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

TEXT: ANNA-ELISA JAKOB


Bernd Fölschow (79, vorne)<br />

lief in der Ü75-Staffel schon<br />

mehrere Weltrekorde.<br />

Kraft habe er auch<br />

mit 82 noch, sagt<br />

Hammerwerfer Sasz.<br />

Nur etwas langsamer<br />

sei er geworden.<br />

Leichtathletik<br />

Klar, die Nationalstaffel der US-Leichtathleten<br />

soll schon ein bisschen sauer gewesen sein,<br />

als die Senioren der LG Alsternord ihr vergangenes<br />

Jahr den Weltrekord abliefen, 4 x 400<br />

Meter. Doch wer den 80-jährigen Leistungssportlern<br />

beim Training zusieht, kann es<br />

gar nicht anders sagen: Sie sind nun mal auch<br />

besonders ehrgeizig.<br />

Auf den roten Jacken tragen sie ihre Namen<br />

auf der Brust: Wolfgang, Karl, Peter, Bernd,<br />

Reinhard und noch einige mehr, elf Athleten<br />

sind heute hier, dazu Trainer Antoni Thoma.<br />

Manche feilen an ihrem Lauf, andere trainieren<br />

für den Zehnkampf, Diskuswerfen, Speerwurf.<br />

Wolfgang Sasz, 82 Jahre alt und Hammerwerfer,<br />

schleudert eine Kugel nach der anderen<br />

über das Feld. Vereinssport macht er, seit er<br />

zwölf Jahre alt ist, zum Krafttraining geht er mit<br />

seinen 20-jährigen Enkelsöhnen. „Das Schöne<br />

ist: Ich kann immer noch an der Technik feilen“,<br />

sagt er.<br />

Weitere Informationen unter<br />

www.lgalsternord.de


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Schwerpunkt<br />

Alter<br />

Schwimmen<br />

Mittwochabend, 20.15 Uhr,<br />

da streckt Curt Zeiss, Jahrgang<br />

1931, die Arme nach oben und<br />

setzt zum Hecht an, rein ins Wasser,<br />

so wie er das schon seit fast<br />

80 Jahren macht. So hat er allerhand<br />

Wettkämpfe gewonnen,<br />

vergangenes Jahr sogar einen<br />

Weltrekord geholt. Er habe da<br />

wohl eine Marktlücke entdeckt,<br />

sagt er lachend: Schmetterlingsschwimmen,<br />

Altersklasse 90.<br />

Seit das Hallenbad in Rahlstedt<br />

vor 40 Jahren gebaut wurde,<br />

trainiert er hier, bei den Masters<br />

des AMTV. Die Trainer sagen:<br />

„Unsere Altersklassen hier:<br />

von 25 bis Curt Zeiss.“<br />

Training: Montag und<br />

Mittwoch ab 20 Uhr.<br />

Mehr unter www.amtvftv.de<br />

oder unter Tel. 67 92 93 85.<br />

Erst mit 13 lernte Curt Zeiss<br />

das Schwimmen, nun kann<br />

er es nicht mehr lassen.<br />

Bowling an der Wii-Konsole<br />

Der „Lange Aktiv Bleiben e. V.“ wurde 1993 von älteren Menschen in Hamburg gegründet, die genau das wollten:<br />

bis ins hohe Alter aktiv bleiben. In jedem Stadtteil gibt es andere ehrenamtlich organisierte Kurse, vom Bauchtanz bis<br />

zum Tischtennis. In St. Georg trifft man sich regelmäßig zum Bowling, allerdings an der Wii-Konsole. Nun ja, sie sind hier<br />

nicht die typische Sportgruppe, zwischen den Würfen gibt es auch mal Kaffee und Pralinen, dafür wird umso mehr<br />

gelacht und gescherzt. „Das ist bei uns so gesund: Weil wir alle so viel Spaß haben“, sagt Gruppenleitung Eike Schulz.<br />

Der Wii-Treff findet montags und alle zwei Wochen mittwochs ab 14 Uhr statt.<br />

Mehr unter www.labhamburg.de oder unter Telefon 24 14 90.<br />

23<br />

Nicht auf dem Bild: die lautstarken Rufe, mit<br />

denen sich die Spieler:innen gegenseitig anfeuern.


Karate<br />

„Ichi-ni, ichi-ni-san.“ In scharfem Rhythmus bewegt sich die Gruppe von einem Ende des Raumes zum anderen, barfuß in weißen<br />

Gewändern. „Ichi-ni-san, eins, zwei, drei.“ Norbert Saul, Trainer des Kampfsportstudios Budokan, steht am Rand und beobachtet die<br />

Bewegungen seiner ältesten Karatekämpfer:innen. Die jüngste ist Mitte 50, ein Großteil aber über 70. Sie beginnen mit ein paar<br />

Dehnübungen, Ferse nach unten, Bein strecken. Die nächste Übung, der Trainer macht es vor: „Wenn ihr das schafft, ohne dabei<br />

umzufallen, dann ist das schon mal gut!“ In seinem Kampfsportstudio in Barmbek, dessen Charme im Grunde darin liegt, dass es seine<br />

schönsten Tage hinter sich hat, sagt Saul: „Ich sehe sofort, ob jemand schon mal trainiert hat, selbst wenn das Jahrzehnte zurückliegt.“<br />

Wer verwandte Sportarten gelernt hat, etwa Tanz oder Gymnastik, dem falle auch Karate leichter. Doch egal wie schwer es anfangs sein<br />

mag, er findet, das Training lohne sich: „Karate trainiert nicht nur den Körper, sondern auch den Geist.“<br />

Training: dienstags um 17 Uhr, freitags um 16.30 Uhr. Norbert Saul, Budokan Sportcenter Hamburg,<br />

Telefon 61 42 20, www.kampfsportcenter-budokan-hamburg.de<br />

24


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AZ_HinzKunst_HIW_93x138.pdf 1 03.05.22 16:13<br />

Hajrush Ahmedi, 72,<br />

trainiert für den braunen<br />

Gürtel, unten gemeinsam<br />

mit Ilka Tychsen, 78.<br />

C<br />

M<br />

Y<br />

CM<br />

MY<br />

CY<br />

CMY<br />

K


Stella ist 61 Jahre alt und sagt:<br />

„Das Leben auf der Straße ist sehr gefährlich.“<br />

26


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Schwerpunkt<br />

Alter<br />

(K)Ein Ort zum<br />

Altwerden<br />

Hamburg ist wenig vorbereitet auf die steigende Zahl von<br />

Obdachlosen, die alt und krank sind. Hoffnung verspricht das neue<br />

Konzept der „Lebensplätze“, das jetzt in Bergedorf startet.<br />

TEXT: SIMONE DECKNER<br />

FOTOS: IMKE LASS<br />

Stella sitzt im Untergeschoss des CaFée mit Herz auf<br />

St. Pauli und sagt, sie habe erst überlegen müssen,<br />

ob sie ihre Geschichten erzählen soll. In 61 Lebensjahren<br />

hat sich eine Menge angesammelt. In ihrem<br />

Fall sehr viel Schmerzhaftes: Gewalt in der Kindheit,<br />

sexuelle Übergriffe, schwere gesundheitliche Probleme und<br />

Operationen. Schon lange arbeitet sie nicht mehr, zwar erhält<br />

sie eine kleine Erwerbsminderungsrente, doch es reicht<br />

trotzdem vorn und hinten nicht. Vor zweieinhalb Jahren<br />

landet sie schließlich auf der Straße. Heute kennt sie jede<br />

Hamburger Hilfseinrichtung für obdachlose Menschen von<br />

innen: „Ich habe alles durch“, sagt sie und lächelt beinahe<br />

entschuldigend.<br />

Seit sie Platte macht, geht es Stella gesundheitlich noch<br />

schlechter. „Meine Beine sind kaputt“, sagt sie. Schon mehrmals<br />

brach sie auf der Straße zusammen, vor zwei Jahren<br />

war es richtig knapp. Die Beine geschwollen, das Blut spritzte<br />

bei Berührung heraus. „Der Notarzt hat mir gesagt, das sei<br />

eine Sache zwischen Leben und Tod gewesen“, sagt sie.<br />

Sogar eine Amputation stand im Raum: Da bekam die<br />

resolute Frau dann doch Panik. Nur nicht die Beine verlieren!<br />

Im Krankenhaus erklärte man ihr, sie dürfe nicht so lange sitzen.<br />

Wenn sich das Blut staut, drohen Entzündungen, im<br />

schlimmsten Fall Thrombosen. Stella hat noch ein anderes<br />

Problem: „Ich kann einfach nicht mehr auf dem Boden<br />

schlafen, weil ich von da nicht mehr alleine hochkomme.“<br />

Auf die Frage, was ihr akut am meisten helfen würde,<br />

muss sie nicht lange überlegen: „Die beste Hilfe wäre,<br />

dass ich meine Beine hochlegen und mal schlafen kann. Ein<br />

sicheres Dach über dem Kopf.“ Viel Hoffnung darauf hat sie<br />

jedoch nicht. „Es gibt keinen Ort für obdachlose Frauen wie<br />

mich. Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt jemanden von<br />

unseren Politikern interessiert“, sagt sie.<br />

Maike Oberschelp, die Chefin des CaFée mit Herz, ist<br />

ebenfalls ernüchtert, wenn sie zur Situation älterer und kran-<br />

Obdachlos im Alter<br />

Eine 82 Jahre alte Frau ist die älteste registrierte Person<br />

in der Hamburger Obdachlosenstatistik (2018). Frauen<br />

stellen zwar nur 20 Prozent der Menschen, die auf der<br />

Straße leben, doch je älter sie werden, umso höher ist ihr<br />

Anteil: Rund 40 Prozent aller Obdachlosen sind zwischen<br />

50 und 59 Jahre alt. Die Hälfte von ihnen sind Frauen. Bei<br />

den Obdachlosen Ü70 sind Frauen sogar doppelt so stark<br />

vertreten (2,1 Prozent) wie Männer (1,0 Prozent). 54,3 Prozent<br />

der Obdachlosen sind nicht krankenversichert. Ihre Gesundheit<br />

beurteilen 19,1 Prozent als „schlecht“ und 23 Prozent als<br />

„weniger gut“. Nach objektiven Kriterien (Beurteilung durch<br />

medizinisches Personal) ist ihr Zustand allerdings noch<br />

schlechter, als sie selbst glauben. Obdachlose sterben im<br />

Durchschnitt mit 49 Jahren. SIM<br />

ker Obdachloser in der Stadt befragt wird. Im Mai starb in<br />

unmittelbarer Nähe der Einrichtung ein 51-jähriger obdachloser<br />

Rollstuhlfahrer, der Platte machen musste. Oberschelp<br />

kann den Anblick des Mannes, den sie flüchtig kannte, nicht<br />

vergessen: „Es gibt für diese Menschen in der Stadt keinen<br />

Ort, um alt zu werden“, sagt sie. Ihr Fazit klingt bitter:<br />

„Als Obdachloser wirst du in dieser Stadt auf der Straße verrecken,<br />

wenn nicht jemand zufällig vorbeikommt und einen<br />

Krankenwagen ruft.“<br />

Auch Eva Masoumi von der Bahnhofsmission beobachtet<br />

vor allem seit der Pandemie eine stärkere Verelendung<br />

ihrer Gäste. Die Menschen, die am Hauptbahnhof Hilfe<br />

suchen, werden zudem immer älter. Masoumi hat einen<br />

konkreten Vorschlag: „Es müsste in jedem Hamburger Stadtteil<br />

eine Krankenstube geben“, sagt sie. In der Krankenstube<br />

der Caritas auf St. Pauli werden akut oder chronisch kranke<br />

27


Winfried Kaiser (75) auf dem Hof der Unterkunft in Bergedorf: „Ich will nur in Ruhe leben.“<br />

Obdachlose versorgt. Die 20 Betten sind jedoch ständig<br />

belegt. Im Krankenstuben-Bericht von 2021 hält die Caritas<br />

in dürren Worten eine dramatische Entwicklung fest: „Auffällig<br />

ist, dass unsere Patient:innen immer älter werden und<br />

intensivere Betreuung und medizinische Pflege benötigen.“<br />

Und doch landen viele nach ihrer Entlassung wieder auf<br />

der Straße.<br />

Immerhin: Im Frühjahr/Sommer 2023 wird in den neuen<br />

Räumen der Bahnhofsmission auch eine Pflegenotfallstelle<br />

öffnen. Pflege gehört nicht zum Kerngeschäft der Bahnhofsmission.<br />

Doch man könne der zunehmenden Verelendung<br />

nicht einfach tatenlos zusehen, sagt Eva Masoumi.<br />

Rund 17 Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt, in<br />

Bergedorf, sitzt Winfried Kaiser in einem kleinen Raum mit<br />

gelb getünchten Wänden und trinkt Kaffee: „Schwarz wie<br />

die Nacht muss er sein“, sagt der 75-Jährige und lacht. Er ist<br />

in der Unterkunft von Fördern & Wohnen im Achterdwars<br />

„bekannt wie ein bunter Hund“, so hatte sich der ehemalige<br />

Versicherungsangestellte vorgestellt. Sein Weg hierher: Wohnungsverlust<br />

nach einer massiven Mieterhöhung, Altenstift,<br />

Winternotprogramm, dann vor sechs Jahren Umzug hierher.<br />

Herr Kaiser hat jetzt das, was den meisten älteren Obdachlose<br />

fehlt. Er hat einen Platz, um die Beine hochzulegen und<br />

zur Ruhe zu kommen, genauer: einen sogenannten Lebensplatz.<br />

Der 75-Jährige ist einer der ersten Bewohner, der nach<br />

einem neuen Konzept der Hamburger Wohnungslosenhilfe<br />

wohnt. Er kann hierbleiben bis zu seinem Lebensende.<br />

Er wird nicht nur mit Essen, sondern auch medizinisch<br />

und pflegerisch versorgt, wenn es einmal nötig wird. Noch<br />

kommt er jedoch gut alleine klar, bis auf den nervigen Meniskus<br />

im linken Knie. Wenn er möchte, begleitet ihn jemand<br />

zur Bank oder zur Ärztin. Die hat hier wöchentlich Sprechstunde<br />

in der angegliederten Schwerpunktpraxis, ein Psychologe<br />

ist alle 14 Tage vor Ort. Es gibt auch einen Fußpfleger<br />

und seit Neuestem auch eine Hauswirtschaftshilfe, die zusätzlich<br />

zur Sozialstation der Diakonie für die Bewohner – alles<br />

28


Schwerpunkt<br />

Alter<br />

Unser Rat<br />

zählt.<br />

Fan werden<br />

Neues Konzept: Lebensplätze<br />

Lebensplätze sehen vor, dass alleinstehende, zumeist ältere<br />

Wohnungslose mit „multiplen Problemlagen“ wie Suchterkrankungen<br />

und psychischen Problemen dauerhaft<br />

in einer Unterkunft leben können. Als „bedarfsgerecht“<br />

gelten barrierefreie Einzelzimmer und eine Versorgung<br />

der Bewohner:innen durch ein professionelles Netzwerk<br />

aus Ärzt:innen, Pflegedienst und Sozialarbeit. SIM<br />

879 79-0<br />

Beim Strohhause 20<br />

Mieterverein zu Hamburg<br />

im Deutschen Mieterbund<br />

20097 Hamburg<br />

trostwerk.de<br />

andere bestattungen<br />

040 43 27 44 11<br />

mieterverein-hamburg.de<br />

ehemals obdach- und wohnungslose Männer mit Suchtgeschichte<br />

und/oder psychischen Beeinträchtigungen –<br />

kocht und sich kümmert.<br />

Jörg Konow leitet die Unterkunft seit Jahresbeginn.<br />

Er ist ein ruhiger Mann mit einem freundlichen Gesicht,<br />

aber wenn er über die Aufgaben spricht, die vor ihm<br />

liegen, wird er ernst: „Die alternde Bevölkerung ist ein<br />

großes Thema, und deshalb wird es auch Zeit, dass dem<br />

Rechnung getragen wird. Es geht nicht nur um Bettenplätze,<br />

es geht um Menschen, die dahinterstehen.“ Was ist<br />

ihm am wichtigsten bei den Lebensplätzen? „Das Herzstück<br />

ist die Gewissheit, dass man zur Ruhe kommen<br />

kann. Es ist ganz wichtig, dass man weiß, wo man hingehört.“<br />

Idealerweise in ein barrierefreies Einzelzimmer – so<br />

sieht es das Konzept vor. Doch noch stockt es beim Umbau:<br />

Bau materialien und Handwerker:innen sind derzeit<br />

nur schwer zu bekommen. Erst 2025 werden hier wohl<br />

alle Räume saniert sein. Schon heute leben aber 30 der<br />

Lebensplatz-Bewohner in Einzelzimmern.<br />

Herr Kaiser muss sich sein 16 Quadratmeter großes<br />

Zimmer noch mit einem Mitbewohner teilen. „Der sieht<br />

am liebsten Horrorfilme im Fernsehen, und ich mag das<br />

nicht“, schimpft er. Nichtsdestotrotz: Umziehen kommt<br />

für den 75-Jährigen nicht infrage: „Neee! Hier bin ich gut<br />

versorgt. Und irgendwann ... zack! Meinetwegen können<br />

sie mich hier auf dem Hof einbuddeln.“<br />

Stella hat unterdessen mithilfe einer Sozial arbeiterin<br />

des CaFée mit Herz ein Zimmer organisiert – privat<br />

und nur vorübergehend. Aber alles ist besser, als weiter<br />

draußen zu schlafen, denn: „Wenn ich so weitermache wie<br />

bisher, ist es bald vorbei.“ •<br />

Simone Deckner musste beim Gespräch<br />

mit Herrn Kaiser mehrere Worträtsel lösen,<br />

eines davon: „Wissen Sie, was Kartoffeln<br />

hochkant sind?“ Zum Glück kannte sie die<br />

richtige Antwort: Pommes.<br />

simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />

Mitarbeiter:in<br />

gesucht!<br />

Unser Vertriebs-Team<br />

sucht engagierte Verstärkung<br />

für die Betreuung rumänischer<br />

Verkäufer:innen.<br />

Wir legen Wert auf: vorurteilsfreien Umgang mit<br />

fremden Kulturen; Sprache: sehr gute Rumänischund<br />

Deutschkenntnisse; Arbeitshaltung: herzlich,<br />

zugewandt, geduldig, verständnisvoll, belastbar,<br />

organisiert, freundlich durchsetzungsfähig.<br />

Aufgabenbereich: Übersetzung und Unterstützung<br />

bei allen Vertriebsaufgaben, Aufnahmen und<br />

Beratung von Verkäufer:innen etc.<br />

Teilzeit-Tätigkeit: 3x4 Stunden pro Woche;<br />

Vergütung: nach AVR 13,12 Euro/Std.<br />

Bitte senden Sie Ihre Bewerbung an<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH, Christian Hagen,<br />

Minenstraße 9, 20099 Hamburg oder<br />

info@hinzundkunzt.de, Tel: 040/ 32 10 83 11<br />

29


Vor allem Frauen<br />

sind von Armut<br />

im Alter betroffen.<br />

Z<br />

wanzig Jahre ist Staczek<br />

(Name geändert, Red.) zur See<br />

gefahren, für eine polnische<br />

Reederei. Rund 200 Euro<br />

Rente monatlich erhält er dafür, erzählt<br />

der 80-Jährige. Hinzu kommen ein<br />

paar Euro für die sechs Jahre, die er in<br />

Hamburg Möbel geschleppt hat. Mehr<br />

Rentenansprüche hat sich der frühere<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer nicht erarbeiten<br />

können: Ein Arbeitgeber habe ihn<br />

gezwungen, schwarzzuarbeiten. Später<br />

seien Krankheiten hinzugekommen.<br />

Staczek hat das Glück, dass er bei einer<br />

guten Bekannten sehr günstig wohnen<br />

kann. Deshalb und dank der rund<br />

400 Euro Grundsicherung kommt er<br />

gerade so über die Runden. Auch wenn<br />

er sagt: „Früher konnte ich einmal im<br />

Jahr für ein bis zwei Wochen in meine<br />

Heimat fahren. Bei den Preisen heute<br />

kannst du das vergessen.“<br />

Staczek ist einer von rund 50.000<br />

über 65-Jährigen in Hamburg, die arm<br />

30<br />

im Alter und deshalb auf Hilfe vom<br />

Staat angewiesen sind. Das sind fast<br />

doppelt so viele wie vor 15 Jahren. Und<br />

die tatsächliche Zahl der Bedürftigen<br />

dürfte weit höher sein: Sechs von zehn<br />

Menschen, die Grundsicherung im Alter<br />

bekommen könnten, nehmen diesen<br />

Anspruch nicht wahr, so das Ergebnis<br />

von Studien: aus Scham, aus Unwissenheit,<br />

aus Angst vor Nachteilen oder weil<br />

die Anträge sehr kompliziert sind. „Es<br />

gibt Menschen in Hamburg, die gehen


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Schwerpunkt<br />

Alter<br />

„Eine Frage<br />

des politischen<br />

Willens“<br />

Rezepte gegen Altersarmut gibt es.<br />

Doch sie werden nicht angewandt.<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

am Ende des Monats nicht mehr auf<br />

die Straße. Weil sie die Sorge haben,<br />

dass sie jemanden treffen, der sagt:<br />

,Komm, lass uns mal ’nen Kaffee trinken!‘<br />

Und die das nicht können, weil sie<br />

nicht das Geld dafür haben“, berichtet<br />

Klaus Wicher, Vorsitzender des Sozialverbands<br />

Deutschland (SoVD) in Hamburg.<br />

Und es gebe sogar Menschen, die<br />

hungern. „Die Preiserhöhungen sind<br />

so gewaltig, dass einige am Ende des<br />

Monats einfach nichts mehr haben.“<br />

Die Grundrente, ein Vorzeigeprojekt<br />

von Bundesarbeitsminister Hubertus<br />

Heil (SPD), hilft den wenigsten. Nur<br />

rund jede:r 50. Betroffene in Hamburg<br />

profitiert bislang von ihr, so Wicher.<br />

„Und das ist ja auch keine Grundrente,<br />

sondern ein Rentenaufschlag.“ Ihn bekommt<br />

unter bestimmten Voraussetzungen,<br />

wer mindestens 33 Jahre sozialversicherungspflichtig<br />

gearbeitet hat.<br />

Wer nicht regelmäßig oder vor allem in<br />

Minijobs oder selbstständig beschäftigt<br />

war, bleibt außen vor. Vor allem Frauen<br />

müssen sich oft mit Mini-Renten durchschlagen,<br />

so die Statistiken.<br />

Der SoVD-Vorsitzende Wicher fordert<br />

deshalb grundsätzlich höhere Renten,<br />

gleiche Löhne für Frauen und die<br />

vollwertige Anerkennung von Familienund<br />

Pflegezeiten. Das sind zwar Vorschläge,<br />

die die Bundesregierung<br />

umsetzen müsste, doch auch der Hamburger<br />

Senat kann Altersarmut bekämpfen,<br />

meint Wicher. Zum Beispiel<br />

mit eigenem Geld einen 10-Prozent-<br />

Aufschlag auf die Grundsicherung auszahlen,<br />

so wie die Stadt München es<br />

vormacht. Rot-Grün lehnte diese Idee<br />

bereits 2019 ab – mit Hinweis auf<br />

fehlende Daten. Aus Sicht des SoVD-<br />

Vorsitzenden eine Ausrede: „Das ist<br />

eine Frage des politischen Willens. Und<br />

der Bereitschaft, das entsprechende<br />

Geld in die Hand zu nehmen.“<br />

Mit weiteren, schnell umsetzbaren<br />

Maßnahmen sollte der Senat das Leben<br />

aller Hilfebedürftigen in Hamburg erleichtern,<br />

fordert Wicher: etwa mit<br />

einem Null-Euro-Ticket für Busse und<br />

Bahnen, kostenlosen Sportangeboten<br />

und freiem Museumseintritt. Seit Jahren<br />

trage er diese Vorschläge der Sozialbehörde<br />

und den Regierungsfraktionen<br />

von SPD und Grünen vor – ohne<br />

Erfolg. Die Entlastungspakete der im<br />

Bund regierenden Ampel würden Menschen<br />

in Altersarmut jedenfalls wenig<br />

helfen, meint der SoVD-Vorsitzende:<br />

„Einmalzahlungen sind wenig nützlich.<br />

Es braucht deutliche Erhöhungen der<br />

monatlichen Zuwendungen.“<br />

Michael David, zuständig für Altersarmut<br />

bei der Diakonie Deutschland,<br />

hat noch einen anderen Vorschlag:<br />

Beantragt jemand Rente und<br />

die fällt gering aus, so die Idee, sollte<br />

dieser Umstand automatisch dem<br />

Grundsicherungsamt gemeldet werden.<br />

Das könnte dann weitere Ansprüche<br />

der Betroffenen prüfen – und verdeckte<br />

Altersarmut verhindern. Michael David:<br />

„So würde der Staat dafür sorgen,<br />

dass die Menschen, die Hilfe benötigen,<br />

diese auch bekommen.“ •<br />

ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />

31


„Überwältigende<br />

Landschaft, große<br />

Gastfreundschaft“<br />

Land zwischen Vergangenheit und Zukunft: Fotograf Dmitrij<br />

Leltschuk reiste durch Nordalbanien. Ein Protokoll.<br />

PROTOKOLL: FRANK KEIL


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Fotostrecke<br />

„Verwunschene Berge“<br />

nennt man die Nordalbanischen<br />

Alpen (links).<br />

Hajdar Bardhi in seinem<br />

Haus. Er ist eine Burrnesha,<br />

sein Frauenname<br />

war Fatime.<br />

V<br />

on Albanien wusste ich nichts. Ich hatte keine<br />

Vorstellungen über das Land, die Kultur, die<br />

Sprache. Und ich muss sagen: eine überwältigende<br />

Landschaft, eine große Gastfreundschaft.<br />

Wobei der Süden entlang der Adria und dem<br />

Ionischen Meer vergleichsweise touristisch ist. Aber im<br />

Länderdreieck zwischen Montenegro, dem Kosovo und<br />

Nordalbanien ist es sehr, sehr abgeschieden und anders als<br />

alles, was ich bisher kannte.<br />

Wir waren meist zu Fuß unterwegs: ein Journalist,<br />

ich als Fotograf und unsere Übersetzerin. Es gibt wenig<br />

befestigte Straßen.<br />

Was in Nordalbanien besonders ist, ist das „Kanun“ –<br />

das Gewohnheitsrecht. Ein Werte-Gesetz, das uralt ist. Nach<br />

dem leben die Leute dort, es hat sogar Vorrang vor dem<br />

zivilen Gesetz und sorgt auch dafür, dass man einen Gast<br />

nicht abweist, sondern ihm sein Haus öffnet.<br />

Oder die „Schwurjungfrauen“, albanisch: „Burrnesha“.<br />

Sie leben ausschließlich in Nordalbanien. Wir haben zufällig<br />

eine kennengelernt, die uns ihre Geschichte erzählte: Als sie<br />

15 Jahre alt war, starben ihr Vater und ihr älterer Bruder, und<br />

sie sollte als die nun Älteste die Familie versorgen. Sie schnitt<br />

sich die Haare ab, nahm einen männlichen Vornamen an<br />

und schwor, dass sie selbst nie eine Familie gründet. Von da<br />

35


Gjyl Sylshabanaj legt<br />

Hagebutten zum Trocknen<br />

aus. Ihr 96-jähriger Mann<br />

Zeqir geht gleich zur Feldarbeit.<br />

Ihre Familie kam<br />

vor 100 Jahren aus Montene<br />

gro nach Albanien.


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Fotostrecke<br />

Medi Gocaj (oben) schaut<br />

nach seinen Bienen.<br />

Die Puppe auf dem Stock<br />

soll vor bösen Geistern<br />

schützen.<br />

Flora Gocaj macht Wäsche.<br />

Im Sommer betreibt ihre<br />

Familie ein kleines Hotel<br />

im Dorf Çerem.<br />

Albanien in Zahlen:<br />

Albanien ist etwa so groß wie Belgien. Es zählt gut<br />

2,8 Millionen Einwohner:innen, weitere geschätzt<br />

2 Millionen Albaner:innen leben im Ausland, viele im<br />

Kosovo. Besonders die jungen Leute zieht es in den<br />

Westen. Das Lohnniveau ist niedrig, der Mindestlohn<br />

liegt bei etwa 250 Euro im Monat. Damit ist Albanien<br />

eines der ärmsten Länder Europas.<br />

Der Tourismus wächst, konzentriert sich aber auf den<br />

Süden. Die meisten der jährlich 3 Millionen Tourist:innen<br />

kommen aus den Nachbarländern. Direktflüge von<br />

Deutschland in die Hauptstadt Tirana sind rar; Bahnverbindungen<br />

sind ob der jahrzehntelangen Selbstisolierung<br />

kaum vorhanden. So nimmt man am besten von Italien<br />

aus die Fähre.<br />

Albanien ist Mitglied der NATO und Beitrittskandidat<br />

der Europäischen Union. FK<br />

Mehr Infos unter:<br />

www.huklink.de/albanien-statistiken<br />

www.huklink.de/albanien-mindestlohn<br />

www.huklink.de/albanien-tourismus<br />

an durfte sie in die Kneipe gehen, auf der Straße rauchen,<br />

ein Gewehr tragen, einen männlichen Beruf ausüben und zu<br />

Beerdigungen gehen. Und sie sah wirklich aus wie ein Mann.<br />

In einem anderen Dorf hat uns eine sehr gastfreundliche<br />

ältere Frau angesprochen und zum Essen eingeladen. Danach<br />

musste sie los, wir durften sie begleiten: Es ging zu einem<br />

Hügel, vielleicht 100 Meter von ihrem Haus entfernt, da liegt<br />

ihr Mann beerdigt, sie wollte das Grab pflegen. Er habe im<br />

Bergbau gearbeitet, zu Zeiten des kommunistischen Diktators<br />

Enver Hoxha. Doch dann habe er während der Arbeit<br />

einen harmlosen politischen Witz gemacht, und in der<br />

nächsten Nacht, am 14. Februar 1975, sei die Polizei gekommen<br />

und habe ihn in ein Lager gesteckt. Dort musste er wieder<br />

im Bergbau arbeiten, nun ohne jede Ausrüstung.<br />

Acht Jahre habe er durchgehalten. Erst nach dem Tod des<br />

Diktators 1985 konnte sie seine Knochen abholen: Man<br />

überreichte ihr ein kleines Säckchen, es habe fast nichts<br />

gewogen – dabei sei ihr Mann zwei Meter groß gewesen.<br />

Apropos Hoxha: Das lange kommunistische Albanien,<br />

das erst mit der Sowjetunion und danach mit China gebrochen<br />

hatte, fühlte sich von Feinden umzingelt. Daher<br />

ordnete Hoxha an, dass jede Familie sich ihren eigenen<br />

Bunker bauen musste, und so ist das Land übersät mit Bunkern.<br />

Nur nicht der Norden, weil die Gegend so unzugänglich<br />

ist. Nicht mal der Diktator hatte Angst, dass hier der<br />

Feind einmarschieren könnte.<br />

Man spürt, das ganze Land strebt in die EU, es ist arm<br />

und die Regierung will auch in Nordalbanien die Infrastruktur<br />

ausbauen. Besonders Deutschland gibt Geld für<br />

Hotels, Gästehäuser und für Straßen. Diese Infrastruktur<br />

wird die traditionelle Gesellschaft verändern, könnte sie<br />

zerstören. Andererseits – wenn die Albaner:innen genug<br />

Geld verdienen, kann es auch sein, dass sie ihre Kultur neu<br />

entdecken. Dann wäre die Gesellschaft kulturell gerettet. Wir<br />

sind während unserer Reise durch den Norden keinen<br />

Tourist:innen begegnet – was nicht so bleiben wird. •<br />

Dmitrij Leltschuk<br />

weiß genau: Albanien ist ein Land, wo nichts<br />

das ist, wonach es aussieht – weder Frauen<br />

noch Alkohol noch Hotels.<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

39


40<br />

Stephan Karrenbauer<br />

vor dem Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Haus in St. Georg


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Intern<br />

„Wir sind Meinungsmacher“<br />

Schweren Herzens verabschiedet sich Hinz&<strong>Kunzt</strong> von Stephan Karrenbauer.<br />

Als Sozialarbeiter und politischer Sprecher hat er 27 Jahre lang für die<br />

Rechte von Obdachlosen gekämpft und unzähligen Hinz&Künztler:innen bei ihrem<br />

Weg in ein selbstbestimmtes Leben zur Seite gestanden.<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />

FOTO S. 40: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

FOTO: FREDERIKA HOFFMANN<br />

Stephan, kaum jemand in Hamburg<br />

hat so beharrlich für die Rechte von<br />

Obdachlosen gekämpft wie du.<br />

Und du hast viel erreicht. Was freut<br />

dich im Rückblick besonders?<br />

Dass die Idee des Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Hauses<br />

umgesetzt wurde, mit Wohngemeinschaften<br />

für Menschen, die sonst keine<br />

Chance auf ein Zuhause gehabt hätten,<br />

das war ganz wichtig. Aber welcher<br />

Erfolg der größte war, kann ich nicht<br />

sagen. Fast alles, was wir an Projekten<br />

umgesetzt haben, war ein Erfolg – weil<br />

es von einer inneren Begeisterung getragen<br />

wurde.<br />

An welche Projekte denkst du da?<br />

Es gibt so vieles, ich kann das gar nicht<br />

in eine Reihenfolge bringen. Es ist für<br />

mich auch ein Erfolg, wenn ich jemanden<br />

überzeugen konnte, den Mut aufzubringen,<br />

endlich zum Zahnarzt zu<br />

gehen. Eines der ersten großen Projekte,<br />

das mir einfällt, war das Winterzelt<br />

1996 auf dem Gerhart-Hauptmann-<br />

Platz, das wir aufgebaut und betrieben<br />

haben für Menschen auf der Straße, die<br />

nicht ins Winternotprogramm gegangen<br />

sind. Da haben auch viele Obdachlose<br />

mitgearbeitet. 2008 haben wir einen<br />

Schrebergarten gemietet, in dem mehrere<br />

Leute jahrelang geschrebert haben.<br />

Der Stadtrundgang ist ein Megaerfolg,<br />

vor Corona hat unser Stadtführer Chris<br />

5000 Menschen im Jahr zu Hamburgs<br />

Nebenschauplätzen geführt. Wir haben<br />

Im Winter 1996/97 baute Hinz&<strong>Kunzt</strong> aus Protest<br />

ein Winterzelt auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz<br />

auf. Drei Menschen waren kurz vor Weihnachten<br />

erfroren. Das Zelt sollte Wärme spenden.<br />

auch erreicht, dass das Pik As nicht mehr<br />

so überfüllt ist und heute niemand mehr<br />

auf dem Flur schlafen muss. Das war ein<br />

Erfolg, genauso wie „Spende dein<br />

Pfand“ am Flughafen.<br />

41<br />

Das Pfandprojekt am Flughafen entstand<br />

2015 nach einer Petition von Hinz&<strong>Kunzt</strong>,<br />

die öffentlich machte, dass bedürftige Menschen<br />

Anzeigen wegen Hausfriedensbruch kassierten,<br />

weil sie trotz Verbots im Flughafen Pfandflaschen<br />

sammelten. Binnen drei Tagen unterzeichneten<br />

57.000 Unterstützer:innen die Petition,<br />

das Management des Flughafens bat um<br />

eine kooperative Lösung. Die wurde gefunden:<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> stellte drei „Pfandbeauftragte“<br />

fest ein, sozialversichert und fair bezahlt. Auch<br />

bei den „Brotrettern“, einem Kooperationsprojekt<br />

mit der Bäckerei Junge, oder als Stadtführer<br />

sind Hinz&Künztler:innen fest angestellt.<br />

Projektleiter ist in allen Fällen Stephan<br />

Karrenbauer. „Er hat viele Ideen und war auch<br />

immer offen für die von anderen. Sobald sich<br />

die Chance bot, hat er gute Ansätze aufgegriffen<br />

und daraus ein Projekt entwickelt, das<br />

genau zu Hinz&<strong>Kunzt</strong> und der bestehenden<br />

Situation gepasst hat. Er hat viel Verantwortung<br />

übernommen“, sagt Ex-Chefredakteurin<br />

Birgit Müller, seine langjährige Mitstreiterin.<br />

Wie fühlt es sich nun an, nach so<br />

langer Zeit Hinz&<strong>Kunzt</strong> zu verlassen?<br />

Nach fast 30 Jahren fällt es natürlich<br />

schwer. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein ganz wichtiger<br />

Teil meines Lebens. Ich lasse vieles<br />

hinter mir, das schmerzt. Trotzdem ist<br />

es die richtige Entscheidung, nun zu<br />

gehen.


Intern<br />

sie eine Gefängnisstrafe verbüßt hatten, direkt<br />

auf der Straße. Einige kamen aus Heimen<br />

der Jugendhilfe. Für sie gab es damals keine<br />

Angebote, Straßensozialarbeit fand in der<br />

City nicht statt. Dass sich das änderte, ist ein<br />

großer Verdienst von Stephan Karrenbauer<br />

und Birgit Müller, ehemals Chefredakteurin<br />

von Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Im Team mit vielen anderen<br />

bildeten sie eine Lobby für die Hilfsbedürftigen<br />

und überzeugten auch die<br />

Geschäftstreibenden in der City, Obdachlose<br />

nicht als Störenfriede, sondern als Menschen<br />

zu sehen, die zur Hamburger Gesellschaft<br />

dazugehören.<br />

Seit deinem Beginn bei Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

hat sich für Obdachlose in Hamburg<br />

vieles verbessert. Sind wir auf einem<br />

guten Weg?<br />

Ja, wir haben viel geschafft. Aber es<br />

reicht noch nicht. Jeder Hamburger,<br />

der mit offenen Augen durch die Stadt<br />

läuft, sieht, dass etwas nicht stimmen<br />

kann, wenn Menschen offensichtlich<br />

auf der Straße verelenden. Das große<br />

Ganze hat sich nicht verändert.<br />

1996: Stephan Karrenbauer und Ex-Vertriebsleiter Dieter Redenz bei der Übergabe<br />

eines ausrangierten Polizeibullis (oben) und unten mit Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Kolleg:innen<br />

Wieso?<br />

Ich habe gemerkt, dass meine Kräfte<br />

nachlassen und ich mir selber nicht<br />

mehr gerecht werde. Bei Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

habe ich alles gegeben, das musste auch<br />

so sein. Aber ich bin an den Punkt gekommen,<br />

da merke ich: Ich kann mich<br />

selber nicht mehr hören. Es ermüdet<br />

mich, immer wieder dasselbe kritisieren<br />

zu müssen, immer wieder neue Worte<br />

finden zu müssen für Missstände, die<br />

einfach nicht behoben werden. Zum<br />

Beispiel, dass immer noch nicht ganzjährig<br />

ausreichend Unterkünfte für<br />

Obdachlose geschaffen werden. Wir<br />

haben 2000 obdachlose Menschen in<br />

Hamburg. Dass man es nicht hinkriegt,<br />

denen ein Zuhause zu bieten, ist mir<br />

unbegreiflich. Ich weiß nicht, wie ich da<br />

noch weiterkommen soll.<br />

Stephan Karrenbauer gehört in Hamburg zu<br />

den ersten Sozialarbeiter:innen, die sich<br />

gezielt für Obdachlose einsetzten. Als er bei<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> anfing, war das Bild in der<br />

Innenstadt nach Ladenschluss noch ein ganz<br />

anderes als heute: In fast jedem Hauseingang<br />

schliefen Obdachlose. Es waren Menschen<br />

aus der ehemaligen DDR, die gestrauchelt<br />

waren beim Versuch, im Westen Fuß zu fassen,<br />

schwere Krisen erlitten und alkoholkrank<br />

geworden waren. Andere landeten, nachdem<br />

Hamburg hat sich wie viele andere<br />

Städte das Ziel gesetzt, Obdachlosigkeit<br />

bis 2030 abzuschaffen.<br />

Wie kommen wir voran?<br />

Obdachlosigkeit ist als Problem erkannt<br />

worden. Nun müsste ein Plan<br />

entwickelt werden, dieses Problem aus<br />

der Welt zu schaffen. Was aber passiert?<br />

Wir sehen den Missstand, wir schreien<br />

auf, und dann macht die Stadt ein bisschen<br />

was. Dieses Bisschen ist gut, aber<br />

nicht genug. Jeder Mensch braucht<br />

Hoffnung, und diese Hoffnung muss ich<br />

als Sozialarbeiter den Leuten auf der<br />

Straße vermitteln können. Es reicht<br />

nicht, zu sagen: Wenn du Glück hast,<br />

bekommst du irgendwann was.<br />

Wie kommen denn obdachlose<br />

Menschen überhaupt an einen Platz<br />

im Wohnheim – und von dort aus<br />

weiter?<br />

Wir haben in Hamburg ein System, bei<br />

dem obdach- und wohnungslose Personen<br />

in bestimmte Stufen eingeteilt werden,<br />

die sich an ihrer sogenannten<br />

Wohnfähigkeit bemessen. Bei diesem<br />

Kriterium geht es darum, ob den Leuten<br />

zugetraut wird, dass sie eine eigene<br />

FOTOS: FREDERIKA HOFFMANN (S. 42), HENDRIK DOOSE (S. 43)<br />

42


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Intern<br />

Wohnung überhaupt führen können.<br />

Wer dieses Stufensystem durchlaufen<br />

hat, bekommt in der Regel irgendwann<br />

die Chance auf eine Wohnung.<br />

Was spricht gegen so ein System?<br />

Dass es die Menschen ein Stück weit<br />

entmündigt. Wohnungslose im Wohnheim<br />

etwa bekommen zunächst keinen<br />

eigenen Mietvertrag, sondern die Einrichtung<br />

schließt diesen ab. Nach einem<br />

Jahr wird dann entschieden, ob<br />

die Person einen Mietvertrag auf ihren<br />

Namen bekommt. So eine Regelung<br />

für erwachsene Leute finde ich bedenklich.<br />

Es gibt Leute, die lehnen es<br />

ab, sich in so ein Stufensystem hineinzubegeben,<br />

weil sie sich da mies behandelt<br />

fühlen – und das kann ich gut<br />

nachvollziehen.<br />

Auch wer auf der Straße lebt, kann Verantwortung<br />

für sich selbst übernehmen – dieses<br />

Prinzip war und ist dem Sozialarbeiter<br />

wichtig. Auch er musste manchmal Geduld<br />

aufbringen, wenn Hinz&Künztler:innen<br />

lange benötigten, um Unterstützung anzufragen<br />

oder einige Anläufe brauchten, um bei<br />

Ämtern und Behörden ihre Rechte geltend zu<br />

machen. Doch ihnen diese Aufgaben voreilig<br />

abzunehmen, hält er für falsch – weil es den<br />

Menschen die Chance nimmt, selbst etwas zu<br />

erreichen. „Dass er die Leute gelassen, aber<br />

dabei immer im Blick gehabt hat, das<br />

hat s eine Arbeit besonders gemacht“, sagt<br />

Mitstreiterin Birgit Müller.<br />

Hat Hamburg heute ein Winternotprogramm,<br />

mit dem du einverstanden<br />

bist?<br />

Dass die Stadt in der Halskestraße ein<br />

Hotel angemietet hat, um Obdachlose<br />

in Einzelzimmern unterzubringen,<br />

ist ein Quantensprung. Trotzdem werden<br />

auch dort mehrere Hundert obdachlose<br />

Menschen in einem Haus<br />

untergebracht.<br />

Was ist daran problematisch?<br />

Im Winternotprogramm kommen extrem<br />

kranke Menschen zusammen, die<br />

stark alkoholisiert sind oder die sich in<br />

einem psychischen Ausnahmezustand<br />

befinden. Du willst zu so einer Gruppe<br />

von Menschen nicht dazugehören.<br />

Dieses Argument nennen obdachlose<br />

Menschen meist nicht, sie sagen eher:<br />

„Ich habe Angst, beklaut zu werden.“<br />

Das mag vorkommen. Aber ich glaube,<br />

die Konfrontation mit der eigenen Krise<br />

hindert viele daran, ins Winternotprogramm<br />

zu gehen.<br />

Seit Beginn des Jahres sind schon<br />

wieder acht wohnungslose Menschen<br />

auf der Straße gestorben, darunter<br />

auch Pluto, ein bekannter und beliebter<br />

Hinz&Künztler. Was lösen solche<br />

Todesmeldungen in dir aus?<br />

Immer noch: Trauer. Ich werde aber<br />

auch aggressiv. Wenn ich daran denke,<br />

was wir gerade für Pluto alles unternommen<br />

haben, damit man ihm hilft!<br />

Was Pluto gebraucht hätte, war ein Zuhause.<br />

Er hat sogar das Winternotprogramm<br />

immer bis zum letzten Tag<br />

in Anspruch genommen. Wenn man<br />

das alles so spürt und mitbekommt, und<br />

dann sterben die Leute auf der Straße –<br />

irgendwann fehlen einem einfach die<br />

Worte. Ich merke, dass ich darüber gar<br />

nicht mehr sachlich diskutieren kann.<br />

Das ist auch ein Grund, warum ich es<br />

für sinnvoll halte, in Frührente zu gehen.<br />

Welche Ziele hättest du gerne noch<br />

erreicht?<br />

Das oberste Ziel ist nicht erreicht worden,<br />

und zwar, dass wir gemeinsam mit<br />

der Sozialbehörde ein Konzept erarbeiten,<br />

wie alle Obdachlosen in Hamburg<br />

eine dauerhafte, menschenwürdige<br />

Unterkunft bekommen. Es kann nicht<br />

sein, dass die Sozialarbeit in Hamburg<br />

nur noch das Leben der Menschen<br />

auf der Straße erhalten soll, weil die<br />

Angebote fehlen, die eine wirkliche<br />

Integration möglich machen. Daran<br />

muss weitergearbeitet werden.<br />

Beharrlich Missstände ansprechen und<br />

zeigen, wie es besser gehen kann – damit<br />

haben Stephan Karrenbauer und seine<br />

Mitstreiter:innen bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> politisch<br />

viel für Obdachlose bewirkt. Nach einer<br />

Deutschlandreise präsentierten er und Birgit<br />

Müller der Sozialbehörde eine Sammlung<br />

Lang ist’s her: Stephan<br />

Karrenbauer im Mai 2001<br />

43<br />

von guten Projekten für Obdachlose, die in<br />

anderen Städten schon etabliert waren, und<br />

s tießen damit auch ein Umdenken in der<br />

Bürgerschaft an. Mit dem früheren Sozialsenator<br />

Detlef Scheele liefen sie nachts durch<br />

die Innenstadt, um auf die Menschen aufmerksam<br />

zu machen, die dort Platte machten.<br />

Als das Betteln in der Hamburger Innenstadt<br />

verboten werden sollte, startete Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Aktionen dagegen und wendete das Blatt.<br />

In vielen kleinen Schritten veränderten<br />

Stephan Karrenbauer und die, die mit ihm an<br />

einem Strang zogen, die politische Agenda,<br />

initiierten runde Tische und etablierten einen<br />

beständigen Dialog zwischen Stadt und<br />

ziviler Obdachlosenhilfe.<br />

Als politischer Sprecher warst du auch<br />

Lobbyist für die Rechte von Obdachlosen.<br />

Bist du zufrieden mit dem, was<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> politisch geschafft hat?<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> hat erreicht, dass das<br />

Thema Obdachlosigkeit inzwischen<br />

über Jahrzehnte fest verankert ist in den<br />

Köpfen der Politiker. Das haben wir<br />

hinbekommen: Den Hamburgern immer<br />

wieder klarzumachen, dass es keine<br />

Normalität ist, dass Menschen auf der<br />

Straße schlafen. Deshalb gibt es keinen<br />

Senat, der sich uns gegenüber verweigert<br />

hat oder nicht bereit wäre, Gespräche<br />

zu führen. Vielleicht auch, weil<br />

Politiker grundsätzlich gerne lieber mit<br />

guten Geschichten in unserem Magazin<br />

stehen. Wir sind Meinungsmacher. •<br />

redaktion@hinzundkunzt.de


Freunde<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />

Sammelten<br />

für Hinz&<strong>Kunzt</strong>:<br />

Claudia und<br />

Steffen Leicht<br />

100 Jahre Leichtigkeit<br />

Claudia und Steffen Leicht sind jedes Jahr für genau sechs<br />

Wochen gleich alt. Nun wurden sie zusammen 100.<br />

Das haben sie gefeiert – und dabei für Hinz&<strong>Kunzt</strong> gesammelt.<br />

TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />

FOTO: IMKE LASS<br />

Wann wird man schon<br />

mal 100 Jahre alt – zumindest<br />

gemeinsam?<br />

Also brachten Claudia<br />

und Steffen Leicht ihre Freund:innen<br />

und Familie zu einem großen Fest unter<br />

dem Motto „100 Jahre Leichtigkeit“<br />

zusammen. „Gemeinschaft, ein gutes<br />

Miteinander – das brauchen wir gerade<br />

44<br />

jetzt“, finden die beiden. Es wurde viel<br />

getanzt, gelacht, gefeiert – und anstelle<br />

von Geschenken Geld gesammelt. „Dafür<br />

danken wir unseren Gästen“, sagt<br />

Claudia Leicht. „Denn sie sind diejenigen,<br />

die gegeben haben.“<br />

Schon lange sind die beiden<br />

Jurist:innen Hinz&<strong>Kunzt</strong> verbunden.<br />

„Als wir in Winterhude wohnten, hatten<br />

wir einen Stammverkäufer“, erzählt<br />

Steffen Leicht. Mit Hinz&Künztler<br />

Gerrit, der mit seinem Hund Nic dort<br />

vor dem Supermarkt stand, kamen sie<br />

schnell ins Gespräch über Fußball,<br />

Bücher und Gott und die Welt. „Unsere<br />

damals noch kleine Tochter Ina hatte<br />

Angst vor Hunden“, erinnert er sich.<br />

Diese Angst verlor Ina durch Nic, „dem


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

nettesten Hund der Welt“, sagt Claudia<br />

Leicht und lacht. „Gerrit hat Ina also<br />

ein bisschen miterzogen.“<br />

Claudia Leicht ist Geschäftsführerin<br />

des Hamburgischen Anwaltvereins,<br />

der den jährlichen Juristenball veranstaltet.<br />

„Der Ball findet im Februar<br />

statt. Wir feiern also drinnen im<br />

Warmen in einer Zeit, in der viele<br />

Menschen im Winter auf der Straße leben<br />

müssen. Deshalb haben wir den<br />

Tombola-Erlös an Hinz&<strong>Kunzt</strong> gespendet“,<br />

sagt sie. „Uns selbst geht’s ja gut.“<br />

In Steffen Leichts Kanzlei werde<br />

normalerweise einmal im Jahr eine<br />

große Feier mit Gästen ausgerichtet,<br />

erzählt er. 2020 gab es eine Online-<br />

Version, 2021 entfiel die Feier coronabedingt<br />

komplett: „Einen Teil des<br />

Geldes, das ursprünglich für die Feier<br />

vor gesehen war, haben wir dann an<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> gespendet.“ Den Betriebsausflug<br />

wollte die Kanzlei nicht<br />

auch noch sausen lassen und suchte<br />

nach etwas, das man coronakonform<br />

draußen gemeinsam unternehmen<br />

könnte. Eine Mitarbeiterin der Kanzlei<br />

Freunde<br />

schlug eine Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Stadtführung<br />

vor. „Das war toll! Kein Armutstourismus,<br />

sondern ein anderer Blick auf die<br />

Stadt, die sich so noch mal neu<br />

erschließt“, sagt der Rechtsanwalt.<br />

„Die Führung war für mich auch<br />

mit ausschlaggebend für die Idee, zu<br />

unseren Geburtstagen zu spenden.“<br />

Tochter Ina, mittlerweile zwölf<br />

Jahre alt, bastelte für die 100-Jahr-Feier<br />

ihrer Eltern zwei Spendenboxen – eine<br />

für Hinz&<strong>Kunzt</strong>, die andere für ein<br />

Pfadfinderprojekt in Sachsen, das Jugendarbeit<br />

gegen Rechts macht. Die<br />

Gäste sollten nicht bevormundet werden,<br />

sondern eine Wahl haben, für wen<br />

sie spenden wollten, erklärt Claudia<br />

Leicht. „Wir hätten auch um Überweisungen<br />

bitten können, aber so hatte es<br />

eine Unmittelbarkeit, die uns wichtig<br />

war“, sagt ihr Mann und sie ergänzt:<br />

„Wir freuen uns, wenn wir unseren<br />

Freunden damit eine gute Idee geben<br />

können. Wer weiß, vielleicht engagieren<br />

sie sich ja auch.“ •<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

JA,<br />

ich werde Mitglied<br />

im Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Freundeskreis.<br />

Damit unterstütze ich die<br />

Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Meine Jahresspende beträgt:<br />

60 Euro (Mindestbeitrag für<br />

Schüler:innen/Student:innen/<br />

Senior:innen)<br />

100 Euro<br />

Euro<br />

Datum, Unterschrift<br />

Ich möchte eine Bestätigung<br />

für meine Jahresspende erhalten.<br />

(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />

Meine Adresse:<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Einzugsermächtigung:<br />

Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />

Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />

Dankeschön<br />

Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />

IBAN<br />

Wir danken allen, die uns im Juni 2022<br />

unterstützt haben, sowie allen Mitgliedern im<br />

Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong>! Ausdrücklich<br />

danken wir allen Spender:innen – kleine und<br />

große Beträge werden geschätzt! Auch<br />

unseren Unterstützer:innen auf Facebook:<br />

ein großes Dankeschön!<br />

DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />

• wk-it-consultants GmbH<br />

• Produktionsbüro<br />

Romey von Malottky GmbH<br />

• die Hamburger Tafel<br />

• die Obstmonster GmbH<br />

• Hanseatic Help<br />

• Axel Ruepp Rätselservice<br />

• die Hamburger Kunsthalle<br />

• die Familie, die Freund:innen und<br />

Wegbegleiter:innen von Klaus-Dieter Hahne<br />

anlässlich der Trauerfeier am 31. Mai 2022<br />

• Richard Edel und die Gäste des<br />

Bowling-Turniers sowie die US Fun-<br />

Bowlingbahn, die Croque-Company,<br />

den Schuhprinz, Frisör „Söhne und Väter“,<br />

Restaurant „Minas“<br />

NEUE FREUNDE:<br />

• Hanne Albig • Rolf Bogena<br />

• Heidi Corleis • Andreas Finsterbusch<br />

• Manuel Kayser • Claudia Leicht<br />

• Robin Müller • Kerstin Neitzel<br />

• Angelika Plep • <strong>Juli</strong>a Reißner<br />

• Torsten Seemann • Frederik Vollert<br />

• Susanne Witte von der Tischlerei Gilhaus<br />

BIC<br />

Bankinstitut<br />

Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />

der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />

Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />

Ja<br />

Nein<br />

Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />

Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />

Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />

Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />

genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />

jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />

mehr von uns bekommen möchten, können<br />

Sie jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer<br />

personenbezogenen Daten widersprechen.<br />

Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />

einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />

Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />

Minenstraße 9, 20099 Hamburg<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

45<br />

HK <strong>353</strong>


Buh&Beifall<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />

Was unsere Leser:innen meinen<br />

„Man muss einfach hingucken“<br />

Meeresspiegel steigt weiter<br />

H&K 352, „Wasser kommt!“<br />

Durch das Schmelzen der Festlandgletscher<br />

auf Grönland und in der<br />

Antarktis kommt noch reichlich Wasser<br />

obendrauf – und das ist nicht mehr<br />

unbedingt von der Erdtemperatur abhängig.<br />

Wenn aus Grönland oder bei<br />

einigen Eisbergen in der Antarktis ein<br />

Kipppunkt überschritten wird, dann ist<br />

es egal, welche Temperatur die Erde<br />

hat. Selbst wenn die 1,5- oder 2-Grad-<br />

Grenzen eingehalten werden oder die<br />

Erdtemperatur in den folgenden Jahrhunderten<br />

vielleicht wieder auf 1850er-<br />

Niveau fällt, werden die Gletscher<br />

unaufhaltsam weiterschmelzen. Das<br />

geschmolzene Grönlandeis würde den<br />

Meeresspiegel in einigen 1000 (!) Jahren<br />

um sieben Meter ansteigen lassen.<br />

In der Antarktis gibt es zwei Gletscher,<br />

die ebenfalls kurz vor dem Kipppunkt<br />

stehen und die dann mindestens drei<br />

Meter innerhalb von 100 (!) Jahren draufsetzen<br />

würden. <br />

HANNS-J. NEUBERT<br />

Beängstigend und grandios<br />

H&K 352, Titelbild<br />

Das Titelbild von Juni 22 ist beängstigend,<br />

aber auch grandios, weil man<br />

einfach hingucken muss. ANNELORE BRATEK<br />

Eine beeindruckende Ausgabe<br />

H&K 352, allgemein<br />

Eine äußerst beeindruckende Ausgabe.<br />

Besonders der Beitrag „Ein Ort von<br />

Gewalt und Zwang“ berührt und weist<br />

auf das Thema der Erinnerungskultur<br />

in Hamburg hin.<br />

ERICH MEYER<br />

Leser:innenbriefe geben die Meinung der<br />

Verfasser:innen wieder, nicht die der Redaktion.<br />

Wir behalten uns vor, Briefe zu kürzen. Über Post<br />

an briefe@hinzundkunzt.de freuen wir uns.<br />

Wir trauern um<br />

Simon Abu Oprah<br />

12. Dezember 1968 – Februar 2022<br />

Simon kam während der Pandemie zu uns. Sein<br />

Stammplatz war vor Rewe in der Borsteler Chaussee.<br />

Die Verkäufer:innen und das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />

Wir trauern um<br />

Maik Golchert<br />

22. April 1981 – Februar 2022<br />

Maik kam 2016 zu uns. Er hatte seinen<br />

Stammplatz vor Rewe in Bargteheide.<br />

Die Verkäufer:innen und das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />

Wir trauern um<br />

Heinrich Bismor<br />

24. Dezember 1952 – 15. März 2022<br />

Heinrich war seit 1999 bei uns. Nach einer schweren<br />

Krankheit ist er in seiner Wohnung verstorben.<br />

Die Verkäufer:innen und das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />

HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />

Der etwas andere<br />

Stadtrundgang<br />

<br />

<br />

Wollen Sie<br />

Hamburgs City<br />

einmal mit<br />

anderen Augen<br />

sehen? Abseits<br />

der glänzenden<br />

Fassaden zeigen wir<br />

Orte, die in keinem<br />

Reiseführer stehen:<br />

Bahnhofsmission<br />

statt Rathaus und<br />

Tagesaufenthaltsstätte<br />

statt Alster.<br />

Sie können mit<br />

unserem Stadtführer<br />

Chris zu Fuß auf<br />

Tour gehen, einzeln<br />

oder als Gruppe mit<br />

bis zu 25 Personen.<br />

Auch ein digitaler<br />

Rundgang ist<br />

möglich. Das ist fast<br />

genauso spannend.<br />

Offener Rundgang am Sonntag, 10.7. und 24.7.22, jeweils 15 Uhr.<br />

Reguläre Rundgänge bequem selbst buchen unter:<br />

www.hinzundkunzt.de/stadtrundgang<br />

Digitale Rundgänge bei friederike.steiffert@hinzundkunzt.de oder<br />

Telefon: 040/32 10 84 04<br />

Kostenbeitrag: 5 Euro/10 Euro<br />

pro Person


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Damals: Der Film „Wir waren das dunkle Herz der Stadt“ erzählt vom Gängeviertel (S. 48).<br />

Damals: Der Film „Wir waren das dunkle Herz der Stadt“ erzählt vom Gängeviertel (S. 48).<br />

Heute: Autorin Claudia Schumacher berichtet von ihrem Debütroman „Liebe ist gewaltig“ (S. 56).<br />

Morgen: Hinz&Künztler Alexandru träumt von einem richtigen Job (S. 58).<br />

Alle, die auf elektronische Musik<br />

stehen, haben zwei gigantische<br />

Tage in Hamburg-Wilhelmsburg<br />

vor sich: Das Habitat-Festival mit<br />

Techno, Elektro, Goa und Drum<br />

and Bass läuft am 16. und 17. <strong>Juli</strong><br />

am Reiherstieg-Hauptdeich.<br />

Weitere Infos unter<br />

www.habitat-festival.de<br />

FOTO: ANDREAS HORNOFF


Rubrik<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />

I<br />

st das Möwengekreisch nicht zu<br />

laut, zu plakativ? Die Zuschauer:innen<br />

sehen doch, dass es aus<br />

der Enge des Gängeviertels hinüber<br />

in den weitläufigen Hamburger<br />

Hafen geht, wenn auf der Leinwand<br />

vor ihnen plötzlich ein Segelschiff mit<br />

Rahen und Masten hoch aufragt. Toningenieur<br />

Enrico Wachtel nickt und<br />

dämpft das unterlegte Möwengeschrei.<br />

Er schiebt Regler hin und her, schaut<br />

auf die farbigen Linien, in die sich die<br />

48<br />

Töne und Geräusche verwandelt haben,<br />

in seinem Studio in einem ehemaligen<br />

Gewerbehof. Ihm zur Seite<br />

sitzt Andreas Karmers, der abwechselnd<br />

auf die Leinwand und die davor<br />

aufgestellten großen Monitore blickt.<br />

Was wohl Walter Wedstedt zu dieser<br />

Szenerie gesagt hätte?<br />

Andreas Karmers hat ihn nie persönlich<br />

kennengelernt: den Walter,<br />

seinen Großvater mütterlicherseits;<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts im Hamburger<br />

Gängeviertel geboren und dort<br />

vaterlos aufgewachsen. Er hat sich von<br />

seinen Angehörigen erzählen lassen,<br />

was diese über den Großvater und das<br />

Leben im Gängeviertel aus eigener Erfahrung<br />

wie aus Erzähltem noch wussten:<br />

„Meine ganze Sippe kommt ja von<br />

da her.“ Walters Mutter, also Karmers<br />

Urgroßmutter, betrieb in der Neustädter<br />

Straße einen Zeitungsladen. Das<br />

reichte nicht als Einkommen, deshalb<br />

musste sie die Küche der ohnehin


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rubrik<br />

„Mein Film ist keine<br />

Heimatmelodie“<br />

Mehr als zehn Jahre hat Andreas Karmers an<br />

seinem Film gearbeitet, der von der Geschichte des<br />

Gängeviertels erzählt – und von viel mehr.<br />

TEXT: FRANK KEIL<br />

FOTO: ANDREAS HORNOFF<br />

Im Tonstudio: Filmemacher<br />

Andreas Karmers (rechts) und<br />

Toningenieur Enrico Wachtel<br />

engen Dachwohnung nachts an sogenannte<br />

Schlafburschen vermieten: an<br />

Tagelöhner, die froh waren, wenn sie<br />

mal ein paar Pfennige übrig hatten, um<br />

nicht auf der Straße übernachten zu<br />

müssen. Von diesem Leben lässt Karmers<br />

seinen Großvater in seinem wuchtigen<br />

Film mit dem Titel „Wir waren<br />

das dunkle Herz der Stadt“ erzählen:<br />

wie es war in beengten Wohnungen ohne<br />

fließendes Wasser und ohne Kanalisation;<br />

wie die Polizei sich nie einzeln in<br />

die verwinkelten Gänge traute und<br />

auch, wie immer wieder die Tuberkulose<br />

zuschlug. Wie die ersten Gebäude abgerissen<br />

wurden und wie auch Walter<br />

Wedstedt am Ende das Gängeviertel<br />

verließ und zur See fuhr.<br />

Es ist eine filmische Reise, die<br />

100 Jahre umspannt: von 1880 bis 1980.<br />

Karmers hat dafür zusätzlich immer<br />

wieder im Hamburger Staatsarchiv geforscht,<br />

hat Literatur zum Thema gelesen:<br />

Bücher, historische Zeitungsartikel<br />

49<br />

und damalige amtliche Verlaut ba rungen,<br />

dazu Baupläne und Bau zeich nungen<br />

studiert. Er hat in Archiven nach<br />

Fotos gesucht, auf Flohmärkten und bei<br />

privaten Sammlern. Jahr um Jahr.<br />

Denn als er sich vor gut zehn Jahren<br />

an diesen Stoff machte, merkte er bald,<br />

dass der mehr hergibt als die üblichen<br />

90 Fernsehminuten. Auch dass er mehr<br />

bieten kann als die leichtgängige Erzählung:<br />

Nach der Cholera von 1892<br />

habe die Stadt gegen die unhaltbaren


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Historische Gängeviertelimpressionen: Blick in den Brauerknechtgraben (links und Mitte unten),<br />

auf die Hohe Brücke am Nikolaifleet (Mitte oben) und auf den schlafenden Walter Wedstedt<br />

hygienischen Zustände im Gängeviertel<br />

vorgehen müssen und dank des Abrisses<br />

eine moderne Innenstadt geschaffen.<br />

Er fragt stattdessen nach den Interessen<br />

dahinter – und erinnert an den<br />

zuvor erfolgten Abriss des Wohnquartiers<br />

auf dem Großen Grasbrook, damit<br />

dort die Speicherstadt erbaut werden<br />

konnte. Deshalb mussten deren gut<br />

24.000 Bewohner:innen im schon überfüllten<br />

Gängeviertel unterkommen.<br />

Er fragt, wer sich damals durchsetzte<br />

und wer nicht. „Es gab die Idee,<br />

dass man im Gängeviertel zwar Gebäude<br />

abreißt, aber an derselben Stelle<br />

kleine Wohnungen baut, doch de facto<br />

ist das wenig passiert“, sagt er. Nur<br />

in der Neustadt-Süd entstanden neue<br />

Wohnungen, wenn auch nicht erschwinglich<br />

für die ehemaligen Gängeviertel-Bewohner:innen.<br />

Das heutige<br />

Portugiesenviertel ist ein Überbleibsel<br />

davon. Sonst erwuchs nach und nach<br />

die uns heute vertraute Hamburger<br />

Innenstadt mit ihren Bürokontoren<br />

und Einkaufsstraßen rund um das Rathaus,<br />

der Börse und dem Hauptbahnhof,<br />

wo bald die wohlhabende Kaufmannschaft<br />

flanierte, während die<br />

ehemaligen Bewohner:innen schauen<br />

mussten, wo sie blieben. „Mein Film ist<br />

keine Hei matmelodie“, sagt Karmers.<br />

Flankierend kommen auch Ingenieure<br />

und Stadtplaner zu Wort, die<br />

etwa ausführlich aus der „Deutsche<br />

Bauzeitung“ von 1920 vorlesen und von<br />

der Ästhetik der neuen Stadt schwärmen,<br />

die das Alte beherzt hinter sich<br />

lasse: „Das ist fast für ein Fachpublikum,<br />

weil ich die Texte nicht kürze,<br />

aber da müssen die Zuschauer durch“,<br />

sagt Karmers lässig.<br />

Erzählt wird aber auch die politische<br />

Geschichte des Viertels und die<br />

seines Protagonisten. Denn sein Großvater<br />

Walter ist als Jugendlicher und<br />

dann auch als junger Mann lange auf<br />

Seiten der Kommunist:innen unterwegs,<br />

durchaus handfest, um die politischen<br />

Gegner zu verprügeln – und<br />

wechselt dann zu Hitlers SA. Vielleicht<br />

gibt es so etwas wie eine grundsätzliche<br />

Aufruhrbereitschaft, „dass man sich<br />

nur in der Opposition wohlfühlt“,<br />

überlegt er. Es müsse mit dem Wunsch,<br />

einer Gruppe anzugehören, zu tun<br />

haben; dass man jemanden brauche,<br />

bei dem man sich links und rechts unterhaken<br />

könne. Karmers sagt: „Ich<br />

selbst stelle mich politisch gesehen gerne<br />

in die Mitte, weil von den Rändern<br />

her jeweils der Abgrund nicht weit ist.“<br />

Das alles zu erzählen braucht Zeit.<br />

Also zählt Karmers Film flotte sechs<br />

Stunden, überwiegend in Schwarz-<br />

Weiß. Aufgeteilt in sieben Kapitel, die<br />

jeweils thematisch in sich geschlossen<br />

sind, während zugleich einzelne Erzählstränge<br />

immer wieder neu aufgegriffen<br />

FOTOS: STAATSARCHIV HAMBURG (ALLE STADTANSICHTEN), PRIVAT<br />

50


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Filmpremiere mit Teil eins<br />

und zwei im Rahmen des<br />

Schleswig-Holstein Musik<br />

Festivals: So, 17. <strong>Juli</strong>, 19 Uhr;<br />

Ort: Fabrique im Gängeviertel,<br />

Valentinskamp 34A; Eintritt:<br />

12 Euro. Alle sechs Teile laufen<br />

vom 18. bis zum 20.7., jeweils ab<br />

16 Uhr, ebenfalls in der Fabrique,<br />

der Eintritt ist frei.<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

51<br />

werden. Er grinst und sagt: „Es ist fast<br />

eine Traumgeschichte, weg von den<br />

einzelnen Dokumenten hin zu einer<br />

größeren Erzählung, also im Prinzip<br />

literarisch.“<br />

Karmers stellt auch die Frage nach<br />

der Aussagekraft der Quellen. Denn wer<br />

hat überhaupt Dokumentarmaterial wie<br />

Berichte, Tagebucheinträge oder Fotos<br />

hinterlassen? Die Prostituierten, die in<br />

den Twieten und Gassen standen? Die<br />

schon erwähnten Schlafburschen, vor<br />

denen dem Erzähler so graute?<br />

Eine spannende Gestalt ist für<br />

An dreas Karmers daher Wilhelm Mehlhop,<br />

den er zwischendurch sprechen<br />

lässt: „Er war ein Anhänger des Kaisers,<br />

ein knarziger Monarchist, der sich bis<br />

zum Oberbaurat hochgearbeitet hatte<br />

und der im Nachhinein zwei dicke<br />

Bücher über die Sanierung des Gängeviertels<br />

geschrieben hat, aus denen ich<br />

sprechen lasse“, erzählt er. „In verrufenen<br />

Kellerräumlichkeiten hausten dort<br />

das Laster, der Stumpfsinn und die Verzweiflung,<br />

das Elend und der Abschaum<br />

des großstädtischen Lebens. Es waren<br />

Gestrandete, die ein abenteuerliches Leben<br />

einem geregelten Beruf vorzogen“,<br />

ist so ein Zitat von Mehlhop, der mit für<br />

den Abriss des Gängeviertels verantwortlich,<br />

weil zuständig war. „Gleichzeitig<br />

hat Mehlhop jeden Gang und jede<br />

Twiete persönlich aufgesucht, hat sich<br />

dort umgeschaut. Das hätte er nicht machen<br />

müssen; er hätte auch am Schreibtisch<br />

sitzen bleiben können“, sagt Karmers.<br />

„Er kam von seiner Position nicht<br />

he runter, aber er wunderte sich schon,<br />

dass die Leute, die im Viertel lebten,<br />

sich dort durchaus wohlfühlten und es<br />

sehr bedauerten, dass alles abgerissen<br />

wird und sie gehen müssen.“<br />

Zugleich möchte Kramers das Leben<br />

in den Gängen nicht nachträglich<br />

romantisieren. „Wenn amtlicherseits immer<br />

wieder von ‚Gesindel‘ die Rede ist,<br />

ist das ja nicht ganz verkehrt, denn es<br />

gab neben der Armut durchaus Ecken,<br />

in die man gelockt wurde, um ausgeraubt<br />

zu werden“, sagt er. Die Zwischentöne<br />

sind es, die ihn interessieren.<br />

Und – wie wird die Reaktion des<br />

Publikums sein? Andreas Karmers steckt<br />

sich eine Selbstgedrehte an. „Es geht<br />

um Stadtplanung, um Hamburger Geschichte,<br />

das wird eher niemand schauen,<br />

der Tom Cruise mag“, sagt er und<br />

lacht. Er hat einen Verdacht: „Es gibt<br />

Filme, die sich erst allmählich durchsetzen,<br />

die später Klassiker werden. Ich<br />

glaube, mein Film ist so ein Kandidat.“<br />

Und er selbst? Er will wieder an die<br />

Staffelei! Denn eigentlich sei er Maler.<br />

„Ich habe bis auf ein paar Zeichnungen<br />

zwischendurch nichts gemacht; parallel<br />

geistig switchen, das wäre nicht gegangen“,<br />

sagt er. Also jetzt kommt erst mal<br />

die Premiere, dann das nächste erste<br />

Bild. Der 56-Jährige sagt erkennbar<br />

zufrieden: „Wir haben doch so viel<br />

Lebenszeit, da kommt es auf ein paar<br />

Jahre nicht an.“ •<br />

Frank Keil hat Andreas Karmers<br />

Filmprojekt eineinhalb<br />

Jahre lang begleitet und ist<br />

beeindruckt, dass er seinen<br />

Ideen konsequent gefolgt ist.<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

STADTPARK<br />

OPEN AIR<br />

2022<br />

DIGGING FOR NUTS<br />

SINCE 1975<br />

01.07. THE WAR ON DRUGS<br />

02.07. MELISSA ETHERIDGE<br />

09.07. DANGER DAN<br />

14.07. JESSIE J<br />

21.07. JOE JACKSON<br />

22.07. THE GIPSY KINGS<br />

23.07. MAX MUTZKE<br />

27.07. TOTO<br />

02.08.<br />

03.08. OMD<br />

04.08. FAT FREDDY‘S DROP<br />

06.08.<br />

07.08.<br />

13.08. BEST OF POETRY SLAM<br />

15.08. JOSS STONE<br />

18.08. WINCENT WEISS<br />

25.+ 26.08. HELGE SCHNEIDER<br />

31.08. RUSS<br />

01.09. HUBERT VON GOISERN<br />

02.09.<br />

08.09.<br />

11.09. STEFAN GWILDIS<br />

TICKETS: (0 40) 4 13 22 60 \ KJ.DE \ TICKETS@KJ.DE<br />

STADTPARKOPENAIR.DE<br />

#stadtparkopenair<br />

VERANSTALTER<br />

KARSTEN<br />

JAHNKE<br />

KONZERTDIREKTION<br />

GMBH<br />

GEFÖRDERT VON<br />

spec. guest:<br />

ZOE WEES<br />

HERBIE HANCOCK<br />

& BAND<br />

spec. guest:<br />

NILS WÜLKER<br />

Eine Veranstaltung von FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH<br />

BEST OF<br />

STAND UP SLAM<br />

DIE GROSSE<br />

COMEDY-GALA<br />

10 JAHRE –<br />

DEINE FREUNDE<br />

GROSSSTADT-<br />

GEFLÜSTER<br />

03. + 04.09.<br />

AUSVERKAUFT<br />

MEDIENPARTNER


Kult<br />

Tipps für den<br />

Monat <strong>Juli</strong>:<br />

bunt, sommerlich und<br />

einladend<br />

Bildende Kunst<br />

Kommentar aus Khartum<br />

Die visuelle Künstlerin Amna Elhassan<br />

hat in ihrer sudanesischen Heimat<br />

Khartum und in Rom studiert. Derzeit<br />

lehrt sie als Gastlektorin an Hamburgs<br />

Hochschule für bildende Künste, und<br />

zwar bei der Art School Alliance, einem<br />

internationalen Austauschprogramm<br />

für Studierende. In ihren meist farbstarken<br />

Bildern thematisiert sie auf<br />

spannende Weise den Status von Frauen<br />

und die Wahrnehmung ihrer Körper<br />

in privaten oder öffentlichen Communities.<br />

Parallel zu ihrer Ausstellung im<br />

HFBK-Atelierhaus mit Malerei und<br />

52<br />

Die „Tea Lady“ hat Amna Elhassan 2020 in Öl auf Leinwand gemalt.<br />

Druckgrafiken öffnen vom 8. bis<br />

10. <strong>Juli</strong> alle Türen des Hauses<br />

zur jährlichen „Graduate Show“<br />

der Absolvent:innen. •<br />

HFBK Hochschule für bildende Künste,<br />

Lerchenfeld 2, täglich außer Mo, 8.–17.7.,<br />

14–18 Uhr, Eintritt frei, www.hfbk-hamburg.de


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Lasst uns<br />

nur machen!<br />

Bei der<br />

Kinderstadt<br />

halten sich die<br />

Erwachsenen<br />

mal raus.<br />

Sound- und Videoinstallation<br />

Imagine the City<br />

Die Künstlerin Annika Kahrs hat im<br />

letzten unsanierten Speichergebäude<br />

im früheren Freihafen eine Soundund<br />

Filminstallation kreiert: auf 7000<br />

Quadratmetern! Zwischen Sonnenuntergang<br />

und -aufgang wird auf die<br />

Außenwand eine 17-Meter-Videoinstallation<br />

projiziert. •<br />

Schuppen 29, Baakenhöft, immer Do bis<br />

So, noch bis 4.9., Eintritt frei, Öffnungszeiten:<br />

www.imaginethecity.de<br />

FOTOS: AMNA ELHASSAN (S. 52), SARAH TOLPEIT (OBEN), JENNY BEWER<br />

Mitspielen<br />

Galaktische Kinderstadt<br />

Was Kinder und Jugendliche brauchen für ein gutes Leben in der Stadt, das<br />

wissen sie wohl selbst am besten. Bei der Kinderstadt im Lohsepark können<br />

7- bis 15-Jährige die Stadt ihrer Träume gemeinsam gestalten – mit Kleber und<br />

Schere, Hammer und Säge, tollen Ideen und fairen Entscheidungen. Auch ein<br />

Theater und eine Stadtzeitung gibt es in der Kinderstadt, natürlich alles selbst<br />

gemacht, damit auch was Spannendes dabei rauskommt. Das Motto ist: Es wird<br />

galaktisch! Mitmachen können alle, kostenlos, spontan und ohne Anmeldung,<br />

warmes Mittagessen inklusive. Nur eine Einverständniserklärung der Eltern ist<br />

nötig (gibt es online zum Ausdrucken). •<br />

Kinderstadt, Lohsepark, Stockmeyerstraße 25, Mo–Fr, 11.–22.7. (außer Sa, 16.7.),<br />

täglich 10–16 Uhr, Eintritt frei, Infos unter www.kinderstadt.hamburg<br />

Draußen<br />

Anruf aus der Einsamkeit<br />

Mitten in der Schanze klingelt das<br />

Handy. Alma ist dran. Die 87-Jährige<br />

hat viel zu erzählen – nur hört<br />

ihr meistens niemand so richtig zu.<br />

Wer beim Telefonwalk „O Solitude!“<br />

von „Flocker & Lockig“ mitmacht,<br />

leiht ihr eine Stunde lang<br />

ein Ohr. Alma führt durch die<br />

Straßen und hinein in ihre immer<br />

kleiner gewordene Welt. Alma gibt<br />

es nicht, aber ihre Erzählungen<br />

sind echt, entliehen aus Interviews<br />

mit vielen alten Menschen, die<br />

einsam in Hamburg leben. Am Ende<br />

entsteht eine geteilte Erfahrung,<br />

die Spuren hinterlässt – auch im<br />

Leben der Jungen. •<br />

ReBBZ Altona, Bernstorffstraße 147,<br />

So, 3.7., Fr–So, 8.–10.7., jeweils<br />

15 +18 Uhr, Eintritt 8–24 Euro,<br />

www.lichthof-theater.de<br />

Der Sessel als Lebensmittelpunkt: Von hier aus<br />

telefoniert Kunstfigur Alma mit der Welt draußen.<br />

Kinder<br />

Filme drehen für alle<br />

Diversität hat doch heute jede:r auf<br />

dem Schirm – oder? Bei der Projektwoche<br />

„Let it be diversity“ spüren<br />

Kinder Diskriminierung und<br />

Klischees im Film auf und drehen<br />

Videos, die niemanden ausgrenzen. •<br />

Altonaer Museum, Museumstraße 23,<br />

Mo–Fr, 11.–15.7., 11–15 Uhr,<br />

ab 11 Jahren, Eintritt frei,<br />

Anmeldung: hallo@bettermakers.de<br />

Vortrag<br />

Fördern, stiften, pleitegehen<br />

Wie verschleudert man ein Vermögen?<br />

Am besten so wie Adolph Theobald<br />

(1836–1882): Man heirate eine<br />

reiche Hamburgerin, dann fördere<br />

man ohne Rücksicht auf Verluste die<br />

Wissenschaft, bis alles weg ist. 140<br />

Jahre später erinnert ein Vortrag an<br />

den verdienstvollen Bankrotteur. •<br />

Museum für Hamburgische Geschichte,<br />

Holstenwall 24, Mi, 20.7., 18 Uhr, Eintritt<br />

frei, www.shmh.de<br />

Lesung<br />

Gabriele Tergit<br />

Der Name sagt ihnen nichts, oder<br />

nichts mehr? Die Schriftstellerin<br />

und Journalistin schrieb Anfang des<br />

20. Jahrhunderts, wirkt aber heute<br />

wieder besonders modern. Gerade<br />

wird sie wiederentdeckt. Bestseller:<br />

„Käsebier“. •<br />

Jüdischer Salon im Café Leonar,<br />

Grindelhof 59, Do, 21.7., 19.30 Uhr, Eintritt<br />

10/5 Euro, www.salonamgrindel.de<br />

53


Tanz-Collage<br />

Die Unsichtbaren<br />

Beim Ballett tanzte Deutschland vor<br />

100 Jahren kulturell vorweg, Choreograf:innen<br />

und Tänzer:innen gaben international<br />

den Ton an. Die Nationalsozialisten<br />

setzten der kurzen Blüte ein<br />

grausames Ende. Namen wie Mary<br />

Wigman oder Jean Weidt gerieten in<br />

Vergessenheit. Mit „Die Unsichtbaren“<br />

setzt John Neumeier ihnen ein Denkmal.<br />

Das Bundesjugendballett tanzt seine<br />

neueste Choreografie auf der Bühne<br />

des Ernst Deutsch Theaters. Neumeier<br />

feiert damit die Moderne, die er später<br />

selbst weiterentwickelte und entscheidend<br />

mitprägte. Emotional berühren<br />

einen die gesprochenen Briefe von<br />

Vertriebenen. Leuchtend frisch vorgetragen<br />

von den jungen Tänzer:innen:<br />

Momente des vom Damals ins Heute<br />

weisenden Ausdruckstanzes. Neumeiers<br />

Inspiration: Wandbild „Orpheus mit den Tieren“ der jüdischen<br />

Künstlerin Anita Rée im Fokine-Studio der Ballettschule<br />

Zusammenarbeit mit dem Bundes ­<br />

jugendballett ist eine bewusste Entscheidung,<br />

er möchte erinnern und<br />

gerade auch mit jungen Menschen weiterdiskutieren.<br />

Bei der Premiere riss es<br />

die Zuschauer:innen von den Sitzen! •<br />

Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-<br />

Platz 1, im <strong>Juli</strong> täglich außer Mo, bis zur<br />

Derniere am Mo, 18.7., 19.30 Uhr, Eintritt<br />

9–44 Euro, www.ernst-deutsch-theater.de<br />

54


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Kinofilm des Monats<br />

Festspiel für<br />

ein Genie<br />

FOTOS: KIRAN WEST (S. 54), G2 BARANIAK (OBEN), PRIVAT<br />

Theater<br />

Fazit eines Lebens<br />

Ausstellung<br />

Rohstoffe für die Fotokunst<br />

Die Ära des Silbergelatineabzugs ist<br />

vorbei und damit auch der massenhafte<br />

Abbau des Edelmetalls zugunsten<br />

der Fotoproduktion. Doch auch die<br />

Generation Insta knipst nicht ohne<br />

Materialaufwand: Coltan, Kobalt und<br />

seltene Erden werden oft unter problematischen<br />

Bedingungen in China<br />

oder im Kongo gefördert und verarbeitet,<br />

bevor sie im Smartphone zum<br />

Einsatz kommen. Die Ausstellung<br />

„Mining Photography“ rückt Rohstoffe<br />

der Bildproduktion in den Fokus<br />

und verdeutlicht, welchen ökologischen<br />

Fußabdruck das Medium im<br />

Lauf der Geschichte hinterlässt. Gezeigt<br />

werden historische und aktuelle<br />

Bilder, Fachleute aus Geologie, Kunst<br />

und Klimaforschung sind zu hören. •<br />

Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz,<br />

ab Fr, 15.7., Di–So 10–18 Uhr,<br />

Do bis 21 Uhr, Eintritt 12/8 Euro, unter<br />

18 Jahren frei, www.mkg-hamburg.de<br />

Eine Biografie, drei Perspektiven:<br />

Martha, ihre Tochter und ihre<br />

Mutter sind sich nicht einig.<br />

Irgendwo lief die Sache aus dem Ruder – soweit ist Marthas Lebensbilanz klar.<br />

Geschieden, knapp bei Kasse, das Verhältnis zur Tochter brüchig, das hätte alles<br />

besser ausgehen können. Wo hat Martha falsch entschieden? Oder steckt der<br />

Fehler im System? „Goldes Wert“ ist ein Bühnenstück über feministische Grundfragen.<br />

Bitte Handys mitbringen! Die Inszenierung wird virtuell ergänzt. •<br />

Sprechwerk, Klaus-Groth-Str. 23, ab Fr, 29.7., Eintritt 20,50/13,90 Euro (VVK),<br />

22/15 Euro (AK), https://sprechwerk.hamburg<br />

Jazz live<br />

Alex Petratos Quartett<br />

Jeden Montag Live-Jazz, bei gutem<br />

Wetter draußen, mit phänomenalem<br />

Blick auf Hafen und Elbe: der Hafenbahnhof<br />

ist einer der urigsten Clubs<br />

in Hamburg. Wenn Drummer Alex<br />

Petratos – er ist noch Student an der<br />

HfMT – mit seinem „Strings and<br />

Lutes“-Quartett (plus Niklas Werk,<br />

Lucas Etcheverria und Melanie<br />

Streitmatter) eigene Kompositionen<br />

spielt, können die Gäste sicher sein,<br />

etwas Brandneues zu entdecken –<br />

Summer-Vibes schwingen mit! •<br />

Jazzraum im Hafenbahnhof, Große<br />

Elb straße 276, Mo, 25.7., 19.30 Uhr,<br />

Eintritt 9 Euro, www.jazzraum.de<br />

Über Tipps für August<br />

freut sich Annabel Trautwein.<br />

Bitte bis zum 10.7. schicken an:<br />

kult@hinzundkunzt.de<br />

So in etwa muss sich ein<br />

Trüffelschwein fühlen: Seit<br />

ich von den „Heino Jaeger<br />

Festspielen“ las, habe ich das<br />

seltene Empfinden, einen<br />

Schatz gehoben zu haben.<br />

Heino Jaeger, ein Hamburger<br />

Sprachkünstler, Zeichner,<br />

Maler und Satiriker, der posthum<br />

von Olli Dittrich, Heinz<br />

Strunk und Rocko Schamoni<br />

„der Meister“ genannt wird.<br />

„Wie konnte es geschehen,<br />

dass Heino Jaeger 25 Jahre<br />

ein Geheimtipp blieb? Wir<br />

haben ihn wohl nicht verdient“,<br />

schlussfolgerte Loriot.<br />

Wie das Genie in der<br />

Versenkung verschwinden<br />

konnte, ergründet der als<br />

„Festspiele“ getarnte Ausstellungsauftakt<br />

am 7.7. im Archäologischen<br />

Museum in<br />

Harburg. Da gibt es auch einen<br />

Film zu sehen: die Dokumentation<br />

„Heino Jaeger –<br />

look before you kuck“. Sie<br />

zeigt ein liebevolles, bisweilen<br />

verstörendes Porträt. Interviews<br />

mit Weggefährt:innen,<br />

Zeichnungen, Fotos und<br />

Tonaufnahmen ergänzen das<br />

Bild eines unmöglich zu kontrollierenden<br />

Außenseiters,<br />

der seine letzten Jahre mal<br />

freiwillig, mal unfreiwillig in<br />

psychiatrischer Behandlung<br />

verbrachte.<br />

Fazit: Jaeger erfand ein<br />

humoristisches Gegenmodell<br />

zur traumatisierten Nachkriegsgesellschaft,<br />

das den<br />

Schenkelklopfern seiner Zeit<br />

Jahre voraus war. Die Ausstellung<br />

„Heino Jaeger: Man<br />

glaubt es nicht“ gastiert weitere<br />

Wochen im Museum. •<br />

André Schmidt<br />

geht seit<br />

Jahren für<br />

uns ins Kino.<br />

Er arbeitet in der<br />

PR-Branche.<br />

55


Leselounge<br />

#7<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Auf ein Getränk mit …<br />

Claudia Schumacher<br />

Unsere Kolumnistin Nefeli Kavouras spricht mit der<br />

Autorin über ihren Debütroman „Liebe ist gewaltig“.<br />

I<br />

ch treffe Claudia Schumacher nicht<br />

nur auf ein Getränk. Dieses Mal<br />

geht es auch um das dazugehörige<br />

Essen. Wir sitzen in der „Kleinen<br />

Pause“, wo wir über „Liebe ist gewaltig“,<br />

ihren ersten Roman (dtv) reden.<br />

Wir trinken Bier und essen Pommes –<br />

eine würdige Kombination, und Claudia<br />

Schumacher erzählt mir von den<br />

vielen Erstes-Mal-Momenten, die ihr<br />

als Debütantin passieren.<br />

Die Autorin ist Fahrrad gefahren,<br />

als sie zum ersten Mal die Stimme ihrer<br />

Protagonistin <strong>Juli</strong> im Kopf hatte. „Plötzlich<br />

war da diese Rotzgöre mit ihrem<br />

Galgenhumor und ihrer Lebenswut,<br />

und dann bin ich schnell nach Hause<br />

geradelt und habe die ersten Seiten geschrieben,<br />

die auch bis heute weitgehend<br />

so geblieben sind.“ Irgendwann<br />

FOTOS: IMKE LASS<br />

Pause mit Pommes: Claudia<br />

Schumacher (links) und<br />

Nefeli Kavouras<br />

schickte sie einen Teil ihres Manuskripts<br />

an ihren Literaturagenten, der den Text<br />

verschiedenen Verlagen anbot. „Es war<br />

das erste Mal, dass ich das, was ich so<br />

intim im stillen Kämmerlein hergestellt<br />

hatte, mit einer kleinen Öffentlichkeit<br />

teilte. Da war ich schon etwas angespannt.“<br />

Zum ersten Mal liegt also das<br />

erste Buch von Claudia Schumacher in<br />

den Buchläden und sie bekommt erste<br />

Leser:innenreaktionen von unbekannten<br />

Menschen. Zum ersten Mal also<br />

berührt die Protagonistin <strong>Juli</strong> auch andere<br />

Personen.<br />

In „Liebe ist gewaltig“ folgen wir<br />

<strong>Juli</strong> drei Jahrzehnte lang, begleiten sie<br />

als Leser:innen durch ihre Jugend, in<br />

der ihr leistungsorientierter Vater Gewalt<br />

ausübt, erleben das duldende<br />

Schweigen der Mutter mit und <strong>Juli</strong>s<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />

Versuche, sich später als Erwachsene<br />

die Deutungshoheit über ihr eigenes<br />

Leben zurückzuerobern.<br />

Die Pommes sind fast aufgegessen,<br />

die Finger vom Fett leicht runzlig, aber<br />

die Flasche Bier noch halbvoll, also erzählt<br />

mir die Autorin noch von ihren<br />

ersten Erfahrungen auf Lesungen: „Ich<br />

fand es sehr schön, wie unterschiedlich<br />

die Leute waren, die danach auf mich<br />

zukamen und meinten: ‚Deine <strong>Juli</strong>, das<br />

bin ich.‘ Eine Frau hatte weiße Haare,<br />

war also nicht mehr so jung wie <strong>Juli</strong>.<br />

Es hat mich berührt zu sehen, dass<br />

meine Romanheldin Menschen ganz<br />

verschiedener Herkunft und Altersgruppen<br />

nahegeht.“<br />

Zum Thema häusliche Gewalt hat<br />

Claudia Schumacher viel recherchiert.<br />

Auffällig war für sie, dass der gesellschaftliche<br />

Fokus auf prekären Familiensituationen<br />

lag. Bei „Liebe ist gewaltig“<br />

hingegen gehört die Familie dem<br />

Bildungsbürgertum an. „Eine Klassenkritik?“,<br />

frage ich die Autorin. „Ich<br />

wollte das Thema einfach wegbringen<br />

von Schlagwörtern wie ‚Alkoholikervater‘<br />

oder ‚Ehrenmord‘, denn statistisch<br />

gesehen durchzieht häusliche Gewalt<br />

sämtliche Milieus“, antwortet Claudia<br />

Schumacher.<br />

Das Bier ist ausgetrunken und sie<br />

gesteht mir: „Der toxische Romanstoff<br />

tat mir beim Schreiben manchmal selber<br />

weh. Aber ich hatte die Hoffnung,<br />

dass ich durch meine Einfühlung aufrichtige<br />

Gefühle ins Buch stecken kann,<br />

die dann bei den Leser:innen wieder<br />

rauskommen, wie in einem magischen<br />

Akt. Wenn ich jetzt sehe, dass es aufgeht,<br />

ist das für mich das Größte.“ •<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Lesetipp:<br />

Andrej Kurkow<br />

erzählt in „Graue<br />

Bienen“ (2018) von<br />

einem etwas kuriosen<br />

Bienenzüchter, der<br />

während des Krieges<br />

in der Ostukraine lebt und zwischen<br />

die Fronten gerät. Ein unglaublich<br />

warm herziger und immer wieder auch<br />

komischer Roman.<br />

56


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rätsel<br />

festliche<br />

Veranstaltung<br />

mithin,<br />

folglich<br />

jemand,<br />

der Süßigkeiten<br />

liebt<br />

häufiger<br />

Flussname<br />

aus<br />

diesem<br />

Grund<br />

englischamerik.<br />

Längenmaß<br />

baltisches<br />

Volk<br />

umgangssprachlich:<br />

nein<br />

Nadelbaum<br />

Frauenfigur<br />

in<br />

der „Fle-<br />

Fluss zum<br />

Mittelmeer<br />

(Frankr.)<br />

2<br />

6<br />

4<br />

5<br />

1<br />

nach<br />

Abzug der<br />

Steuern<br />

4<br />

8<br />

2<br />

2<br />

4<br />

10<br />

9<br />

5<br />

4<br />

Spielkarte<br />

mit Narrenbild<br />

Donau-<br />

Zufluss<br />

in Bayern<br />

3<br />

7<br />

2<br />

3<br />

oberste<br />

Stelle<br />

des<br />

Kopfes<br />

dermaus“<br />

westl.<br />

Verteidigungspakt<br />

(Abk.)<br />

starkes<br />

Streben<br />

nach<br />

Erfolg<br />

Tätigkeitsdrang<br />

Fußstoß<br />

8<br />

1<br />

9<br />

6<br />

4<br />

5<br />

griechische<br />

Göttin d.<br />

Weisheit<br />

strafbare<br />

Handlung,<br />

Straftat<br />

2<br />

3<br />

Flugnavigator<br />

spanischer<br />

Name<br />

Spaniens<br />

5<br />

9<br />

6<br />

3<br />

seitlich<br />

ausgedehnt<br />

sehr<br />

leichte<br />

Holzart<br />

german.<br />

Göttin<br />

der Unterwelt<br />

linksrheinisches<br />

Bergland<br />

englisch:<br />

und<br />

Koch-,<br />

Backanweisung<br />

Schmeichelei,<br />

Lobrede<br />

männliches<br />

„Borstentier“<br />

AR0909-1219_5sudoku<br />

englisch:<br />

Auge<br />

vorher,<br />

früher<br />

Stadt in<br />

Böhmen<br />

(Cheb)<br />

Fischöl,<br />

Fischfett<br />

Kurzwort<br />

für den<br />

US-Amerikaner<br />

geckenhafter<br />

junger<br />

Mann<br />

fertig<br />

gebraten,<br />

gekocht,<br />

gebacken<br />

franz.<br />

Schriftsteller<br />

† 1857<br />

Schiffsmann<br />

olympisches<br />

Gremium<br />

(Abk.)<br />

schöne<br />

Frau der<br />

griech.<br />

Sage<br />

mit Bäumen<br />

eingefasste<br />

Straße<br />

Teil<br />

eines<br />

Zimmers<br />

Ägirs<br />

Gattin<br />

Füllen Sie das Gitter<br />

so aus, dass die Zahlen<br />

von 1 bis 9 nur je einmal<br />

in jeder Reihe, in jeder<br />

Spalte und in jedem<br />

Neun-Kästchen-Block<br />

vorkommen.<br />

Als Lösung schicken<br />

Sie uns bitte die farbig<br />

gerahmte, unterste<br />

Zahlenreihe.<br />

Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Minenstraße 9, 20099 Hamburg,<br />

per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />

Einsendeschluss: 29. <strong>Juli</strong> 2022. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet, kann<br />

zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle gewinnen oder eines von<br />

zwei Büchern „Essbare Pflanzen und ihre Geschichte(n)“ von Iban<br />

Eduardo Muñoz (Verlag Jacoby & Stuart).<br />

Das Lösungswort des Juni-Kreuzwort rätsels war: Nudelsuppe.<br />

Die Sudoku-Zahlenreihe lautete: 618 975 342.<br />

7<br />

6<br />

1<br />

2<br />

1<br />

5<br />

4<br />

9<br />

7<br />

8<br />

7<br />

6<br />

9<br />

1<br />

9<br />

10<br />

8<br />

2<br />

12195 – raetselservice.de<br />

Impressum<br />

Redaktion und Verlag<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />

Minenstraße 9, 20099 Hamburg<br />

Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />

Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />

E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />

Herausgeber<br />

Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />

Externer Beirat<br />

Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW Hamburg),<br />

Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Korten Rechtsanwälte AG),<br />

Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />

Karin Schmalriede (ehemals Lawaetz-Stiftung, i.R.),<br />

Dr. Bernd-Georg Spies (Spies PPP),<br />

Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />

Geschäftsführung Jörn Sturm<br />

Redaktion Annette Woywode (abi, CvD, V.i.S.d.P. für den Titel, Gut&Schön,<br />

die Fotostrecke, Intern, Freunde, Buh&Beifall, <strong>Kunzt</strong>&Kult),<br />

Jonas Füllner (jof, V.i.S.d.P. für das Editorial, die Momentaufnahme),<br />

Lukas Gilbert (lg; V.i.S.d.P. für das Stadtgespräch),<br />

Ulrich Jonas (ujo, V.i.S.d.P. für die Zahlen des Monats, den Schwerpunkt),<br />

Benjamin Laufer (bela), Simone Deckner (sim), Jochen Harberg (joc),<br />

Anna-Elisa Jacob (aej), Frank Keil (fk), Misha Leuschen (leu),<br />

Simone Rickert (sr), Annabel Trautwein (atw)<br />

Online-Redaktion Benjamin Laufer (CvD), Jonas Füllner, Lukas Gilbert<br />

Korrektorat Christine Mildner, Kerstin Weber<br />

Redaktionsassistenz Cedric Horbach, Sonja Conrad, Anja Steinfurth<br />

Artdirektion grafikdeerns.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />

Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />

Anzeigenvertretung Gerald Müller,<br />

Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, g.mueller@wahring.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 27 vom 1. Januar 2022<br />

Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Gabor Domokos, Meike Lehmann,<br />

Sergej Machov, Frank Nawatzki, Sigi Pachan, Reiner Rümke, Marcel Stein,<br />

Cornelia Tanase, Silvia Zahn, Janina Marach<br />

Spendenmarketing Gabriele Koch<br />

Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />

Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Jonas Gengnagel,<br />

Isabel Kohler, Irina Mortoiu<br />

Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Chris Schlapp<br />

Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Stefan Calin, Fred Houschka, Mandy Schulz<br />

Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />

Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Klaus Peterstorfer,<br />

Herbert Kosecki<br />

Litho PX2 Hamburg GmbH & Co. KG<br />

Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

Druck und Verarbeitung A. Beig Druckerei und Verlag,<br />

Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />

QR Code ist ein eingetragenes Warenzeichen von Denso Wave Incorporated<br />

Leichte Sprache capito Hamburg, www.capito-hamburg.de<br />

Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />

Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />

des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797,<br />

vom 15.3.2021 für das Jahr 2019 nach § 5 Abs.1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes<br />

von der Körperschaftssteuer und nach § 3 Nr. 6<br />

des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />

Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />

Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />

Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

einsetzen. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte<br />

weitergegeben. Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf<br />

www.hinzundkunzt.de. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das<br />

obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />

Das Magazin wird von Journalist:innen geschrieben, Wohnungslose und<br />

ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter:innen<br />

unterstützen die Verkäufer:innen.<br />

Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />

Gesellschafter<br />

Durchschnittliche monatliche<br />

Druckauflage 2. Quartal 2022:<br />

55.000 Exemplare<br />

57


Momentaufnahme<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>353</strong>/JULI 2022<br />

Der Traum<br />

vom richtigen Job<br />

Alexandru, 35, verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> vor Aldi Küsterkamp<br />

und Rewe Marktstraße in Barmstedt.<br />

TEXT: JONAS FÜLLNER<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Am liebsten würde Alexandru nicht<br />

mehr Hinz&<strong>Kunzt</strong> verkaufen. „Ich<br />

möchte eine Ausbildung zum Installateur<br />

machen und richtig arbeiten“, sagt<br />

der gebürtige Rumäne. Seit sechs Jahren<br />

verkauft der 35-Jährige das Straßenmagazin<br />

– „meine Arbeit“, wie er<br />

nicht ohne Stolz sagt. Für ihn der beste<br />

Job, den er je hatte. In Hamburg hielt<br />

sich Alexandru zuvor als Straßenmusiker<br />

über Wasser. Das funktionierte<br />

mehr schlecht als recht. Warum er sich<br />

das alles antut? Alexandru antwortet<br />

ohne Zögern: „Für die Kinder ist es<br />

hier besser. Rumänien ist Katastrophe.“<br />

In Hamburg seien sie zwar arm. „Aber<br />

in der Heimat hatten wir nix. Außer<br />

Tomaten und Gurken, die im Garten<br />

wuchsen. Hier kann ich mit wenig Geld<br />

gebrauchtes Spielzeug oder auch Kleidung<br />

kaufen.“<br />

Alexandru stammt aus der Region<br />

Moldau im Nordosten Rumäniens.<br />

Dorthin, wo das Land an Moldawien<br />

und die Ukraine grenzt, verirre sich<br />

niemand freiwillig. „Es gibt keine berühmten<br />

Sehenswürdigkeiten und wenig<br />

zu erleben“, sagt Alexandru, der<br />

fließend Deutsch spricht. In den Städten<br />

würden immer mehr Fabriken<br />

schließen. Auf dem Land lebten die<br />

meisten Menschen als Selbstversorger:innen<br />

von dem, was auf dem<br />

fruchtbaren Boden wächst.<br />

Früher hätten die Menschen in seiner<br />

Heimat nicht einmal Strom gehabt,<br />

sagt Alexandru. Er selbst wuchs in der<br />

Stadt Bac u auf. Den Schritt vom Land<br />

in das einstige Textil- und Industriezentrum<br />

hatte sein Vater in den 1980ern<br />

gewagt, nachdem er Arbeit in einer<br />

Schuhfabrik fand. Die Fabrik existiert<br />

schon lange nicht mehr. Auch Alexandru<br />

fand keine Anstellung nach seiner<br />

Ausbildung zum Koch. Dort wo früher<br />

produziert wurde, stehen nur noch Ruinen,<br />

sagt er. Daten des Statistischen<br />

Amtes der Europäischen Union zeigen,<br />

dass im Nordosten Rumäniens inzwischen<br />

nicht einmal mehr ein Fünftel des<br />

Hamburger Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet<br />

wird. Bei der Lebenserwartung<br />

liegt die von Armut gebeutelte<br />

Region auf Rang 325 von europaweit<br />

326 Regionen. Zahlen, die den Exodus<br />

der Bevölkerung in den vergangenen<br />

Jahrzehnten verständlich machen. Heute<br />

lebt nach staatlichen Schätzungen<br />

etwa jeder fünfte Rumäne im Ausland.<br />

So wie Alexandru und seine Familie.<br />

Sie suchten vor etwa sieben Jahren ihr<br />

Glück in Hamburg. Inzwischen verkauft<br />

auch seine Frau Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Alexandru<br />

hat in der Volkshochschule erfolgreich<br />

einen Sprachkurs abgeschlossen.<br />

Seine Sprachkenntnisse sind so gut, dass<br />

er oft für Landsleute übersetzen kann.<br />

Als Nächstes will er einen Deutschkurs für<br />

Fortgeschrittene absolvieren, der als<br />

Grundvoraussetzung für Bewerbungen<br />

gilt. Das alles kostet Geduld und Geld.<br />

Aber Alexandru ist zuversichtlich, dass<br />

er diese Hürde meistert. Sein Wunsch:<br />

Eines Tages statt des Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Magazins einen Arbeitsvertrag in den<br />

Händen zu halten. Für eine bessere<br />

Zukunft – vor allem für seine Kinder. •<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Alexandru und alle anderen<br />

Hinz&Künztler:innen erkennt man<br />

am Verkaufsausweis.<br />

58


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wirklich brauchen,<br />

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