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Perspectives
Anthroposophic
3 · 2022
in Inclusive Social Development
Inhalt deutsch
Beiträge und Berichte
Rezensionen
Inklusion und Waldorfpädagogik . . . . . . . . . . . . . . . 4
von Klaus-Peter Freitag
Die Farbigkeit des Kreuzes . . . . . . . . . . . . . . . . .16
von Christine Gruwez
Zur Erinnerung an Karl König. . . . . . . . . . . . . . . .26
Eine biografische Skizze anlässlich seines
120. Geburtstages
von Doris Unger
Professionelle Familienhilfe im Ausland . . . . . . .40
Ein Bericht
von Angelines Martinez Cuenca
Jasmin Peschke (Hg.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48
Vom Acker auf den Teller
von Sonja Zausch
Christopher Reubke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50
Die Rhythmische Massage für Menschen mit Epilepsie
von Eva Marie Batschko und Volker Fintelmann
Ferdinand Klein
Waldorfpädagogik in Krippe und Kita. . . . . . . . . . . .52
Einblick in eine ganzheitliche Praxis, die jedem Kind
seinen individuellen Lebensweg ermöglicht
von Götz Kaschubowski
Editorial
Jan Göschel
Inklusion ist ein breites soziales und kulturelles Thema und
eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit: Wie
können wir immer mehr dazu beitragen, Gemeinschaften
und Gesellschaften aufzubauen, die für alle «funktionieren»?
Die Frage der inklusiven Bildung als gemeinsamer
Raum und Prozess, in dem Kinder mit unterschiedlichen
Fähigkeiten zusammen lernen und wachsen können, ist
nur ein Aspekt dieser umfassenderen Frage. Eine Gruppe
von Waldorfpädagoginnen und -pädagogen gibt einen
Überblick über konkrete Schritte und Entwicklungen, die
im Laufe der letzten Jahrzehnte in der deutschen Waldorfbewegung
unternommen wurden.
Im Anschluss an die letzte Ausgabe präsentieren wir einen
weiteren Beitrag von Christine Gruwez. Hier stellt sie eine
manichäische Spiritualität vor – nicht als historisches Kuriosum,
sondern als innere Geste, die eng mit den Herausforderungen
unserer Zeit verbunden ist. Dies kann
als Ergänzung zu ihrem vorherigen Artikel über die zeitgenössische
Erfahrung der Ohnmacht gelesen werden.
Zu Ehren des 120. Geburtstags des Gründers der Camphill-Bewegung
bietet Doris Unger eine einfühlsame
und wertschätzende Nacherzählung der Biografie von
Karl König, die seinen Prozess des Ringens mit den Katastrophen
und Möglichkeiten seiner Zeit und seiner
eigenen Stärke und Verletzlichkeit angesichts dieser
sichtbar macht. Und schließlich berichtet Angelines
Martinez Cuenca über ihre Arbeit in der familiären Betreuung
von Jugendlichen, die eine tiefe Krise durchmachen,
als therapeutische Alternative zur Inhaftierung im
Jugendstrafsystem.
Content english
Articles and Reports
Reviews
Inclusion and Waldorf Education. . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
by Klaus-Peter Freitag
The Colorfulness of the Cross . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
by Christine Gruwez
In Memory of Karl König. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26
A biographical study on the occasion of his
120th birthday
by Doris Unger
Professional Foster Care Abroad. . . . . . . . . . . . . . . . .40
A report
by Angelines Martinez Cuenca
Jasmin Peschke (Hg.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
From Field to Table
by Sonja Zausch
Christopher Reubke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Rhythmic Massage for People with Epilepsy
by Eva Marie Batschko and Dr. Volker Fintelmann
Ferdinand Klein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Waldorf Pedagogy in Early Childhood
Insights into holistic practice that allows every child to
follow their individual life’s path
by Götz Kaschubowski
Editorial
Jan Göschel
Inclusion is a broad social
and cultural theme and one
of the key challenges of our
time: How can we move more
and more towards building
communities and societies
that «work» for everyone?
The question of inclusive education
as a shared space and
process where children with a
range of different abilities can
learn and grow together is just
one aspect of this broader question. A group of Waldorf
educators shares a summary of concrete steps and developments
that have been taken over the course of the last
decades in the German Waldorf movement.
Following on from the last issue, we also present another
contribution by Christine Gruwez. Here, she introduces a
Manichean spirituality – not as a historical curiosity, but
as an inner gesture that is intimately related to the challenges
of our time. This can be read as a complement to
her previous article on the contemporary experience of
powerlessness.
In honor of the 120 th birthday of the founder of the Camphill
Movement, Doris Unger offers a sensitive and appreciative
re-telling of Karl König’s biography, which makes visible his
process of wrestling with the disasters and possibilities of
his time and his own strength and vulnerability in the face
of these. And finally, Angelines Martinez Cuenca gives an
account of her work in providing foster care to adolescents
going through deep crisis breakdown, as a therapeutic alternative
to detention in the juvenile justice system.
Inklusion und
Waldorfpädagogik
von Klaus-Peter Freitag
Inclusion and
Waldorf Education
by Klaus-Peter Freitag
Die folgenden Ausführungen sind Resultat einer Zusammenarbeit
des Autors mit Nele Auschra, Prof. Dr. Ulrike
Barth, Bärbel Blaeser, Maud Beckers, Thomas Felmy, Kirsten
Heberer, Prof. Dr. Thomas Maschke und Sabine Wellner.
Das komplexe Thema der Inklusion an Waldorfschulen ist
thematisch gegliedert, um es übersichtlicher darlegen zu
können.
The following considerations are the result of a collaboration
of the author with Nele Auschra, Prof. Dr. Ulrike Barth,
Bärbel Blaeser, Maud Beckers, Thomas Felmy, Kirsten Heberer,
Prof. Dr. Thomas Maschke and Sabine Wellner. For
increased clarity, this article approaches the complex topic
of inclusion in Waldorf schools from different thematic
perspectives.
Hintergründe und Geschichte
Als 1919 in Stuttgart die erste Waldorfschule durch den
Unternehmer Emil Molt gegründet wurde, war diese Schule
insbesondere für die Kinder der Arbeitskräfte der Waldorf-
Astoria Zigarettenfabrik gedacht, stand aber allen Kindern
offen, unabhängig von einer weltanschaulichen oder religiösen
Überzeugung oder dem sozialen Stand der Eltern.
Inauguriert wurde diese Pädagogik durch Rudolf Steiner,
die Basis waren eine spezifische Anthropologie, eine eigene
Methodik und Didaktik sowie die kontinuierlichen Konferenzen
der Lehrkräfte zur Evaluation der Praxiserfahrungen.
Für Steiner stand fest, dass diese Pädagogik für alle
Kinder galt. So wurden auch alle Kinder aufgenommen, die
an der Schule angemeldet wurden. Für die Kinder, die es
mit dem Lernen schwerer hatten, wurde später dann eine
eigene Klasse – im damaligen Vokabular Hilfsklasse genannt
– in der Schule eingerichtet. In der weiteren Entwicklung
nach dem 2. Weltkrieg ging es zuerst darum zu zeigen,
dass die Waldorfschule keine Schule für die, wie es zu dieser
Zeit diskriminierend hiess, «doofen Kinder» war und man
auch an den Waldorfschulen durchaus das Abitur erlangen
konnte und kann. Parallel wurden dann aber auch Schulen
für Kinder mit Beeinträchtigungen, liebevoll auch «Heilpädagogische
Schule für Seelenpflegebedürftige» genannt,
gegründet. Viel zu lang verliefen die Entwicklungen der
sog. «Regelwaldorfschulen» und der «Heilpädagogischen
Schulen» parallel und unabhängig voneinander. Erst in den
1990er Jahren entstanden die ersten integrativ arbeitenden
Background and history
When the entrepreneur Emil Molt founded the first Waldorf
School in Stuttgart in 1919, it was intended especially
for the children of the workers at the Waldorf-Astoria cigarette
factory, but was open to all children, regardless of
ideological or religious convictions or the social status of
their parents. The school’s pedagogy was inaugurated by
Rudolf Steiner, and was based on a specific anthropology,
its own methodology and didactics, and the regular conferences
of the teachers to evaluate practical experiences.
For Steiner it was clear that this pedagogy was intended
for all children. Thus, all children who applied to the
school were also accepted. For those children who had a
harder time learning, a separate class – called an auxiliary
class in the vocabulary of the time – was later established
at the school.
After the Second World War, it was first a matter of showing
that the Waldorf School was not a school for the, as it was
discriminatingly called at that time, «backward children»
and that it was also possible to obtain the German university
entrance qualification at the Waldorf schools. At the
same time, however, schools for children with disabilities,
affectionately called «curative educational schools for
those in need of special care», were founded. For far too
long the developments of the so-called «mainstream» Waldorf
schools and the «curative educational» schools ran
parallel and independent of each other. It was not until the
4
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Klaus-Peter Freitag, geboren 1958. Studium der Mathematik,
Philosophie und Erziehungswissenschaften.
1986-2004 Oberstufenlehrer an der Rudolf Steiner
Schule Siegen. 1998-2009 Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft
der Waldorfschulen in NRW und 2004-
2007 Projektleiter eines Forschungsprojektes zur
Entwicklung neuer Bewertungs- und Prüfungsformen.
2004-2009 Dozent am Institut für Waldorfpädagogik
Witten/Annen. Seit 2019 Geschäftsführer des Bundes
der Freien Waldorfschulen.
Klaus-Peter Freitag, born 1958, studied mathematics, philosophy
and education. 1986-2004 teacher at the Rudolf Steiner
School Siegen. 1998-2009 speaker of the working group of Waldorf
schools in the State of NRW. 2004-2007 project leader of
a research project on the development of new forms of assessment
and examination. 2004-2009 lecturer at the Institute for
Waldorf Education Witten/Annen. Since 2019 executive director
of the Federation of Independent Waldorf Schools in Germany.
Schulen, wie man damals noch sagte. In der Folge kam es
dann zu produktiven Begegnungen zwischen den Lehrenden
der unterschiedlichen Schulformen und zu einer sich
intensivierenden produktiven Zusammenarbeit.
Darüber hinaus wurden immer mehr Schulen gegründet,
die dezidiert inklusive arbeiten wollten und sich auch so
nannten, ferner gab es viele Schulen, die in diesem Sinn
zu arbeiten beschlossen. Diese trafen sich jährlich, um
sich gegenseitig in ihren Entwicklungen zu beraten und zu
unterstützen. Auch in den sog. Regelwaldorfschulen wurde
durch die UN-Behindertenrechtskonvention ab 2006 eine
Diskussion angeregt, sich wiederum auf die Grundlagen
der Waldorfpädagogik zu besinnen, eine Schule wirklich für
alle Kinder sein zu wollen. Im Selbstverständnis der meisten
Kolleginnen und Kollegen stand und steht auch immer das
ernst gemeinte Bemühen, sich allen Kindern in den Klassen
jeweils angemessen zu widmen.
Um diese Entwicklungen auch im Geist der Behindertenrechtskonvention
zu unterstützen, richteten der Anthropoi
Bundesverband, die Vereinigung der Waldorfkindergärten
und der Bund der Freien Waldorfschulen 2010 gemeinsam
den Arbeitskreis Inklusion ein, der seitdem regelmässig
arbeitet. Dieser AK und die Verbände initiierten zwei aufeinanderfolgende
Projekte: 2016-19 das Projekt «Entwicklungsimpulse
durch inklusive Pädagogik» und 2019-22 das
Projekt «Verbreiterung inklusiver Praxis». Ziel war und ist,
eine Transformation hin zu einer Gesellschaft zu erreichen,
in der Vielfalt und Verschiedenheit ihren Platz haben und jeder
Mensch in seiner unverwechselbaren Individualität sich
in Gemeinschaften entwickeln und leben kann.
Um die Entwicklung hin zu einer inklusiven Gesellschaft
in den Schulen zu unterstützen, wurden verschiedene Bemühungen
unternommen, die hier kurz dargestellt werden
sollen.
1990s that the first integrative schools emerged, as they
were called at the time. Subsequently, productive encounters
between the teachers of the different types of schools
and an intensifying constructive collaboration took place.
In addition, more and more schools were founded that
wanted to work in a decidedly inclusive way and called
themselves so, and there were many schools that decided
to work in this sense. These met annually to advise and
support each other in their developments.
In the so-called mainstream Waldorf schools, too, the UN
Convention on the Rights of Persons with Disabilities stimulated
a discussion, starting in 2006, about returning to
the fundamentals of Waldorf education, about wanting to
be a school that is truly for all children. A serious effort to
devote appropriate attention to all children in each class
has always been and still is an integral part of the professional
self-image of most colleagues.
To support these developments, also in the spirit of the
UN Convention, the Anthropoi Bundesverband (German
association for curative education and social therapy), the
Association of Waldorf Kindergartens and the Association
of Independent Waldorf Schools jointly established
the Working Group on Inclusion in 2010, which has been
working regularly since then. This working group and the
associations initiated two successive projects: in 2016-19
the project «Stimulating Development Through Inclusive
Pedagogy» and in 2019-22 the project «Broadening Inclusive
Practice». The goal was and is to achieve a transformation
toward a society in which diversity and difference
have their place and each person can develop and live in
community, with their distinct way of being as an individual.
To support the development towards an inclusive society
in schools, various efforts have been made, which will be
briefly described here.
5
Schriftenreihe BlickWechsel
Um die Ergebnisse und auch die guten Beispiele der Bemühungen
in der Öffentlichkeit, aber insbesondere in der
Waldorfschulbewegung zu kommunizieren, wurde die Zeitschrift
BlickWechsel mit zehn Bänden herausgegeben.
BlickWechsel series of publications
The journal BlickWechsel was published in ten volumes, to
communicate the results and examples of good practice
in inclusive efforts to the public, but especially to the Waldorf
school movement.
Online Plattform «Vielfalt –
Inklusive Praxis in Waldorfschulen»
Die interaktive Plattform «Vielfalt - Inklusive Praxis in Waldorfschulen»
entstand im Rahmen des zweiten Projektes
des Arbeitskreises für Inklusion. Sie wurde mit dem Ziel erstellt,
die Zukunftsfähigkeit der inklusiven Waldorfpraxis zu
stärken, Austausch und Wissensmanagement zu fördern,
um in der Praxis zukunftsgewandt handeln zu können.
Die Plattform richtet sich an Studierende in der Waldorflehrerausbildung,
berufstätige pädagogische Fachkräfte
in Waldorf- und Heilpädagogischen Schulen sowie an Dozentinnen
und Dozenten an Seminaren und Hochschulen.
Die Ergebnisse der Forschungsprojekte und laufenden Projektarbeiten
werden veröffentlicht. Über Veranstaltungen,
Kolloquien und Fachforen wird ebenso detailliert informiert
und berichtet wie über Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten
zur Inklusion an den verschiedenen Instituten. Die Redaktion
hat ihren Sitz am Lehrerseminar in Hamburg.
Online platform «Diversity – Inclusive
Practice in Waldorf Schools»
The interactive platform «Diversity – Inclusive Practice in
Waldorf Schools» was created as part of the second project
of the Working Group for Inclusion. It was created with
the aim of strengthening the future viability of inclusive
Waldorf practice, of promoting exchange and knowledge
management, and of supporting the development of future-oriented
practices. The platform is aimed at students
in Waldorf teacher training, working educators in Waldorf
and curative schools, as well as lecturers at teacher training
centers and universities. The results of research projects
and ongoing project work are published. Detailed information
and reports are provided on events, colloquia,
and professional forums, as well as on training and further
education opportunities for inclusion at the various
institutes. The editorial office is located at the Waldorf
teacher training center in Hamburg.
Werkstatt Inklusion
Als ein Aus- und Fortbildungsangebot wurde die «Werkstatt
Inklusion» eingerichtet. Sie verbindet drei Elemente miteinander:
Studierende und tätige Lehrkräfte erleben zunächst
einige Tage den inklusiven pädagogischen Alltag der Windrather
Talschule, eine seit 1995 integrativ, dann inklusiv
arbeitenden Waldorfschule. Sie üben, erzählen, singen und
arbeiten mit den Kindern und Jugendlichen zusammen und
führen Gespräche mit den Lehrkräften über ihre Intentionen,
Erfahrungen und Ideen.
An den Nachmittagen und Abenden führen Vorträge in zentrale
Motive der Waldorfpädagogik ein. Aus beidem heraus
ergeben sich schliesslich künstlerische Übungsaufgaben,
die die einzelnen Teilnehmende befähigen, ihre eigene
Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit zu steigern, gerade
in herausfordernden pädagogischen Momenten. Insbesondere
das vertiefte Hören wird geschult (Audiopädie),
sowie die Fähigkeit, die Unterrichtsinhalte fantasievoll und
Inclusion workshop
The «Workshop Inclusion» was established as a training
and continuing education program. It combines three elements:
students and active teachers first spend a few days
experiencing the inclusive pedagogical everyday life at
the Windrather Talschule, a Waldorf school that has been
working inclusively since 1995. They practice, tell stories,
sing, and work with the children and young people and
talk with the teachers about their intentions, experiences
and ideas. In the afternoons and evenings, lectures introduce
central motifs of Waldorf education.
From both, artistic exercises arise, which enable the individual
participants to increase their own ability to perceive
and act, especially in challenging pedagogical moments.
And emphasis is on the practice of in-depth listening, as
well as the development of the ability to prepare teaching
content in an imaginative and individualized way. For the
active teachers, the Workshop Inclusion offers a two-year
6
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
individualisierend aufzubereiten. Für die tätigen Lehrerenden
bietet die Werkstatt Inklusion einen zweijährigen Fortbildungsgang
durch zentrale Fragen inklusiver Waldorfpädagogik
an – von einem vertieften Verständnis des Lernens
als Entwicklungsprozess über eine Aufbereitung der Unterrichtsinhalte
für eine heterogene Schülerschaft bis zur Vorbereitung
auf herausfordernde pädagogische Situationen
im Schulleben.
Inklusion in der waldorfeigenen
Lehrekräfteaus- und -weiterbildung
In der waldorfeigenen Lehreraus- und Lehrerweiterbildung
wird das Thema Inklusion behandelt. Neben den unten
etwas näher beschriebenen Ansätzen in Hamburg und
Mannheim gibt es auch Zusammenarbeiten mit der Freien
Hochschule Stuttgart und dem Lehrerseminar in Berlin. Hier
besuchen die Studierenden, wie auch die aus dem Lehrerseminar
Hamburg, regelmässig die Windrather Talschule,
um über einen längeren Zeitraum die Praxis in einer inklusiv
arbeitenden Schule zu erleben.
Inklusion in der Lehrerinnen- und
Lehrerbildung in Hamburg
Im Winter 2017 begann das Kollegium des Seminars für Waldorfpädagogik
in Hamburg, sich mit dem Thema Inklusion
intensiv auseinanderzusetzen. Es liess sich von Pädagogen
beraten, die seit mehreren Jahren in der inklusiven waldorfpädagogischen
Praxis forschend tätig waren. Mit dem Ziel,
eine inklusive (Waldorf-) Pädagogik in ihrer Ganzheit in die
Ausbildung integrieren zu wollen, wurden aus dem Kreis
der Inklusionserfahrenen eine Kollegin eingestellt und Gastdozierende
engagiert. So konnte das Studienjahr 2018 im
Tageskurs mit einem inklusiven Ansatz beginnen. Die dafür
angelegte Struktur des Kurses ermöglicht eine Kooperation
zwischen Studierenden und schon berufstätigen pädagogischen
Fachkräften und kann zu einer Zusatzqualifizierung
zum Berufsbild «Inklusionspädagogin und Inklusionspädagoge»
führen. Die Zusatzqualifizierung richtet sich sowohl
an berufstätige Pädagoginnen und Pädagogen an Waldorf-
und Heilpädagogischen Schulen, als auch an Studierende.
Die Qualifikation zur Inklusionspädagogin/zum Inklusionspädagogen
kann als Haupttätigkeit oder als Ergänzung zu
einer Klassen- bzw. Fachlehrertätigkeit erworben werden.
Die Schwerpunkte sind:
training course following central questions of inclusive
Waldorf education – from a deeper understanding of learning
as a developmental process to the preparation of
lesson content for a heterogeneous group of students and
a personal preparation for challenging pedagogical situations
in school life.
Inclusion in Waldorf teacher training
and teacher development programs
Waldorf teacher training and continuing education programs
address the topic of inclusion. In addition to the
approaches in Hamburg and Mannheim, which are described
in more detail below, there is also cooperation with
the Freie Hochschule Stuttgart and the teacher training
seminar in Berlin. Here, the students, as well as those from
the teacher training seminar in Hamburg, regularly visit
the Windrather Talschule to experience the practice in an
inclusive school over a longer period of time.
Inclusion in teacher education
in Hamburg
In the Winter of 2017, the faculty members of the Seminar
for Waldorf Education in Hamburg began to intensively
explore the topic of inclusion. They sought advice
from educators who had been researching inclusive Waldorf
pedagogical practice for several years. To support
the goal of integrating inclusive (Waldorf) pedagogy as a
central focus throughout the training, a colleague from
the circle of «inclusion experts» was hired and guest lecturers
were engaged. Thus, the 2018 academic year was
able to begin with an inclusive approach in the full-time
course. The structure of the course enables cooperation
between students and practicing educators and can lead
to an additional professional qualification as an «inclusion
educator». The additional qualification is aimed at practicing
educators at Waldorf and curative schools, as well as
students. The qualification as an inclusion educator can be
obtained as a main professional qualification or as a supplement
to a class teacher or subject teacher qualification.
Its focus areas are:
7
• Eine Dynamische Diagnostik – so, wie wir diese in dem
Heilpädagogischen Kurs von Rudolf Steiner vorfinden
– wird als Vertiefung der allgemeinen Waldorfpädagogik
verstanden und bietet die Grundlage für die pädagogische
Umsetzung einer inklusiven Lebens- und
Lernkultur. Die Studierenden werden vor allem in der
Fähigkeit geschult, den Menschen und sein Verhalten
nicht normativ zu begutachten, sondern ihn phänomenologisch
als werdender Mensch zu diagnostizieren.
• Dynamic diagnostics – as we find it in Rudolf Steiner’s
Curative Education Course – is understood as
a deepening of general Waldorf education and offers
the basis for the pedagogical implementation
of an inclusive culture of living and learning. The
students are trained above all in the ability not to
assess the person and their behavior normatively,
but to practice a phenomenological diagnostic
of the human being in the process of development.
• Den Paradigmenwechsel in der Frage Integration versus
Inklusion und in der Haltung der Lehrkräfte zu initiieren.
• Eine Methodenschulung umzusetzen, die inklusive
Lernprozesse auf der Grundlage der Waldorfpädagogik
ermöglicht und dazu befähigt, neue Lernprozesse
zuzulassen. Diese Schulung ist stark praxisorientiert
und profitiert von der Kooperation zwischen Studierenden
und extern tätigen pädagogischen Kräften im
gemeinsamen Lehrgang. Dadurch wird es möglich,
die Theorie in den Praxisphasen im Team zu erproben
und die Praxiserfahrungen im Studium durch die Reflexionsprozesse
zu vertiefen. Die Methodenschulung
beinhaltet auch die Auseinandersetzung mit pädagogischen
Modellen, Konzepte und Theorien aus der
Erziehungswissenschaft ausserhalb des waldorfpädagogischen
Kontextes und regt im Rahmen des Masterstudiums
zur Forschung an.
• To initiate the paradigm shift in the question of integration
versus inclusion and in the attitude of the
teaching staff.
• To implement a training in methods that enables
inclusive learning processes based on Waldorf pedagogy
and allows the development of new learning
processes. This training is strongly practice-oriented
and benefits from the cooperation between students
and practicing educators in a joint learning process.
This makes it possible to test theory in practice as a
team and to deepen the practical experiences during
study through the reflection processes. The training
in methods also includes the examination of pedagogical
models, concepts and theories from educational
science outside the Waldorf pedagogical context
and encourages research within the framework of the
master’s degree program.
Das Lehr- und Lernforum:
• Die hier abgebildeten Lern- und Lehrprozesse zur Inklusion
im Seminar Hamburg entwickeln sich fortwährend
in dynamischer Weise auf zwei Ebenen:
Einerseits werden die Lernenden zu elementaren
Verwandlungsprozessen eigener Denk- und Verhaltensstrukturen
angeregt; andererseits gestalten
sich auch die Lehrinhalte, -methoden und -prozesse
selbst in fortwährender, dynamischer Entwicklung.
• Die Dynamik geht von den Akteuren aus: den Studierenden
am Seminar, der an Schulen tätigen Lehrer-, Dozenten-
und Mentorenschaft. Alle Beteiligten sind Akteure
in diesem Prozess. Die Inhalte sind ebenso Ausdruck
dieser dynamischen Prozesse. Sie bilden sich durch die
kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Grundlagen
und den verwendeten Grundbegriffen, durch eine
intensive Verbindung der Ausbildung mit der Praxis
The Teaching and Learning Forum:
• The learning and teaching processes for inclusion in
the Hamburg Seminar described here develop continuously
in a dynamic manner on two levels: On the one
hand, the learners are stimulated to transform their
own thinking and habitual ways of acting; on the other
hand, the teaching contents, methods, and processes
are themselves in continuous, dynamic development.
• The dynamic comes from the actors: the students
at the seminar, the teachers, lecturers, and mentors
working at the schools; all participants are actors in
this process. The contents are also an expression of
these dynamic processes. They are formed through
the continuous examination of the fundamentals and
the basic concepts used, through an intensive con-
8
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
und eine durch die Praxis impulsierte Methodenschulung.
Die Methoden selbst entwickeln sich in der Ausbildung
fortwährend neu durch wechselnde Akteure.
Die Teilnehmenden des Lehr- und Lernforums sind aufgerufen,
aktiv mitzudenken und mitzuarbeiten. Sie können
bereitgestellte Lernmaterialien verwenden, Erfahrungen dokumentieren,
Arbeitsräume nutzen, sich digital vernetzen,
in Projekten zusammenarbeiten oder/und ein Mentoring in
Anspruch nehmen, um inklusive Methoden zu erarbeiten
und anzuwenden, die ermöglichen, dass jede Schülerin und
jeder Schüler sich mit dem altersspezifischen Inhalt verbinden
und sich daran entwickeln kann.
Inklusion in der Lehrerinnen- und
Lehrerbildung in Mannheim
Die am Mannheimer Institut für Waldorfpädagogik, Inklusion
und Interkulturalität (IWII, Studienzentrum der
Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft) angebotenen
BA- und MA-Studiengänge im Bereich der Waldorfpädagogik
erfuhren im Jahr 2013 eine entscheidende
Erweiterung bzw. einen inhaltlichen Richtungswechsel.
Dem Master-Studiengang Waldorfpädagogik, welcher für
eine Tätigkeit als Klassenlehrerin oder Klassenlehrer mit
einem zusätzlich zu wählenden Fach an Waldorfschulen
qualifiziert, wurde ein zweiter Studienschwerpunkt durch
Akkreditierung hinzugefügt: Klassenlehrerin oder -lehrer
an Waldorfschulen mit Inklusiver Pädagogik. Studierende
(konsekutiv oder nicht-konsekutiv) konnten von nun
ab entscheiden, ob sie neben den obligatorischen Inhalten
des Klassenlehrerinnen-Klassenlehrer-Studiums (erziehungswissenschaftliche,
entwicklungspsychologische
sowie didaktische Grundlagen und künstlerisches Üben)
die Fachdidaktik und -methodik eines Wahlfaches, oder
diejenigen des «inklusiven Schwerpunkts» studieren wollten,
welche sich in folgender modularer Struktur abbildet:
nection of the training with practice, and through a
methodological training that takes its impulses from
practice. The methods themselves are continuously developed
anew during the training by changing actors.
The participants of the teaching and learning forum are
called upon to actively think and work together. They can
use learning materials provided, document experiences,
use workspaces, network digitally, collaborate on projects,
and/or take advantage of mentoring to develop and apply
inclusive methods that allow each student to connect and
grow through engagement with age-appropriate content.
Inclusion in teacher training
in Mannheim
The BA and MA programs in Waldorf Education offered at
the Mannheim Institute for Waldorf Education, Inclusion
and Interculturality (Study Center of the Alanus University
of Arts and Social Sciences) underwent a decisive expansion
and change of direction in 2013. The Master’s program
in Waldorf Education, which qualifies students to work as
class teachers with an additional subject teacher qualification
at Waldorf schools, was accredited with a second major:
Class Teacher at Waldorf Schools with Inclusive Education.
Students (consecutive or non-consecutive) could from
now on choose whether they wanted to study the subject
didactics and methodology of a subject in addition to the
mandatory contents of the class teacher track (educational
science, developmental psychology, and didactic basics
and artistic practice), or whether they wanted to add the
«inclusive focus», which consists of the following modules:
• human rights, sociological, anthropological and
psychological foundations of inclusive education,
• diverse approaches and forms of diagnostics,
• menschenrechtliche, soziologische,
anthropologische und psychologische
Grundlagen Inklusiver Pädagogik,
• vielfältige Ansätze und Formen von Diagnostik,
• teaching in heterogeneous learning groups
and differentiation,
• specialization in cognitive or
social-emotional development.
• Unterricht in heterogenen Lerngruppen
und Differenzierung,
• Förderschwerpunkte geistige und
emotional-soziale Entwicklung.
9
Die hier kurz skizzierten Inhalte sollen dabei nicht als Additiv
zu den anderen Studieninhalten verstanden werden.
Sie sind so konzipiert, diese im Sinne einer zu verwirklichenden
Pädagogik für alle Schülerinnen und Schüler
grundlegend zu befragen sowie zu erweitern. Sogenannte
«Kinder mit Behinderungen» stehen damit nicht primär im
Fokus – es geht vielmehr darum, Pädagogik immer wieder
neu zu entwickeln für die Schülerschaft, die jetzt an den
Schulen ist, ohne irgendwelche Formen (auch subtiler) Diskriminierung.
Es handelt sich damit um nichts weniger als
die grundlegende Verwirklichung einer «Allgemeinen Pädagogik»
(Feuser), die individuelle Entwicklung in Gemeinschaftlichkeit
ermöglicht. In den bisherigen Jahrgängen der
Studierenden wählten ein Viertel bis ein Drittel den Inklusiven
Schwerpunkt und bildeten damit innerhalb der Studierendenschaft
die grössten Kohorten.
Online Kurs «Inklusion leben
und verstehen»
In diesem Kurs wird versucht, ein tiefgründiges Lernen im
digitalen Raum, Electronic Learning, kurz E-Learning, zu
ermöglichen. Hier gibt es sehr unterschiedliche Zugänge:
in Präsenz – auch via Videochat – oder ohne. Der Vorteil
ist, dass die Inhalte des Kurses im eigenen Tempo durchgeführt
werden können.
Elewa: e-learning Waldorf ist eine Initiative, die inspiriert
durch die online-Kurse von und mit C. Otto Scharmer auf
Basis seiner Theorie U entstand. Die Teilnehmenden können
sich mit den Themen des Kurses auseinandersetzen
und sich mit anderen Teilnehmenden austauschen. Diese
Art des Lernens will Menschen zusammenbringen, die sich
gegenseitig empowern und gemeinsam versuchen, durch
diese Herangehensweise Perspektiven und Motivationen zu
entwickeln, um etwas Neues in die Welt zu bringen und neu
denken zu lernen.
«Inklusion leben und verstehen» sind Kurse auf der Plattform
elewa zum Thema Inklusion: Bislang sind zwei Kurse
u.a. mit Kapiteln Grundlagen (auch rechtliche), Diagnostik,
Methodik, Didaktik, Schulentwicklung und Ausbildungsfragen
in deutscher und einer in englischer Sprache entstanden.
Die einzelnen Themen werden mit Texten, Videos
und vor allem kreativen Aufgaben bearbeitet. Es geht zwar
auch um Wissensaneignung, aber vor allem um die eigene
Auseinandersetzung und die Verknüpfung mit der eigenen
pädagogischen Haltung und dem eigenen Handeln. Am
Ende gibt es keine formellen Prüfungen – ein Teilnahmenachweis
kann u.U. erstellt werden –, letztlich jedoch geht
The contents briefly outlined here should not be understood
as additive to the other study contents. They are
designed to fundamentally question and expand them
in the sense of a pedagogy to be realized for all children.
So-called «children with disabilities» are not the primary
focus; the task is rather to develop a new pedagogy again
and again, based on the needs of the students who are at
the schools at any given time, without any forms of (even
subtle) discrimination. It is thus nothing less than the
fundamental realization of a «general pedagogy» (Feuser)
that allows for individual development in community. In
previous cohorts of students, 1/4 to 1/3 chose the inclusive
track, forming the largest cohorts within the student
body.
Online course «Living and
Understanding Inclusion»
This course attempts to enable in-depth learning in the
digital space, electronic learning, or e-learning for short.
There are very different approaches here: in person – also
via video chat – or without an in person component. The
advantage is that the contents of the course can be worked
through at one’s own pace.
Elewa: e-learning Waldorf is an initiative inspired by the
online courses by and with C. Otto Scharmer, based on his
Theory U. The participants can discuss the topics of the
course and exchange ideas with other participants. This
kind of learning wants to bring people together who empower
each other and together try to develop perspectives
and motivation to bring something new into the world and
learn to think in a new way.
«Living and Understanding Inclusion» are courses on
the elewa platform on the topic of inclusion: So far, two
courses have been created in German and one in English,
with chapters including basics (also legal foundations),
diagnostics, methodology, didactics, school development
and training issues. The individual topics are developed
in texts, videos and above all creative tasks. Although the
course is also about acquiring knowledge, it is primarily
about the participants’ own examination of the subject
and the link to their own pedagogical attitude and practice.
There are no formal exams at the end – a certificate
of participation may be issued – but ultimately it is about
each individual acquiring knowledge and sharing it with
the other participants. Those responsible are always impressed
by the positive feedback. They are optimistic
about continuing the innovation process.
10
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
es um jede Einzelne bzw. jeden Einzelnen, Wissen zu erwerben
und dieses mit den anderen Teilnehmenden zu teilen.
Die Verantwortlichen sind immer wieder von den positiven
Rückmeldungen beeindruckt. Sie stimmen optimistisch,
den Innovationsprozess fortzuführen.
Gerade auch das Pandemiegeschehen der vergangenen Jahre
zeigt, welche Notwendigkeit besteht, dass sich Lehre und
Lernen den neuen Barrieren anpasst: Lehrveranstaltungen
im digitalen Raum können durch die elewa Kurse bereichert
werden.
Wissenschaftliche Kolloquien
Der Austausch in Forschungsfragen ist existentiell für ein innovatives
Hochschulleben, welches sich in der Folge auch in
der Lehre abbildet. So wurden ab 2016 jährlich Forschungssymposien
unter dem thematischen Fokus «Waldorfpädagogik
und Inklusive Pädagogik im Dialog» an der Alanus
Hochschule in Mannheim durchgeführt. Eingeladen wurden
gezielt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die den
Brückenschlag wagen, Gewohntes zu erweitern. Zunächst
waren potenzielle Beiträge aus der «Reformpädagogik« für
die im Sinne von Inklusion notwendige Bildungsinnovation
gefragt, später wurden «inklusive Räume» beleuchtet, um
dann den Blick in Richtung einer inklusiven Didaktik zu
lenken. Partnerinnen und Partner aus folgenden Universitäten
waren beteiligt: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,
Humboldt-Universität zu Berlin, Goethe-Universität Frankfurt,
Universität Bremen, Universität Passau, Hochschule
Mannheim u.a.m. Darüber hinaus konnten Vertretende aus
inklusiven Schulen sowie aus der zweiten Phase der Lehrerinnen-
und Lehrerbildung gewonnen werden. Diverse
Beiträge und Gesprächsanregungen mündeten in gemeinschaftliche
Publikationen (s.u.) und Forschungsvorhaben
sowie -anträge.
Eine besondere Qualität bekamen die Symposien dadurch,
dass Studierende aus verschiedenen Hochschulen teilnehmen
und unterschiedliche Ansätze kennenlernen konnten.
Inklusionsfachberatungen in den Bundesländern
und rechtliche Voraussetzungen
für inklusive Beschulung und Refinanzierung
am Beispiel Schleswig-Holsteins
Bevor für die schleswig-holsteinischen Waldorfschulen eine
Fachberatung überhaupt entstehen und die inklusive Beschulung
in diesen Einrichtungen möglich werden konnte,
The pandemic events of the past few years in particular
show the need for teaching and learning to adapt to new
barriers: Courses in the digital space can be enriched by
elewa courses.
Research colloquia
The exchange on research questions is existential for an
innovative university life, which finds its reflection in
teaching. Thus, starting in 2016, research symposia were
held annually under the heading of «Waldorf Education
and Inclusive Education in Dialogue» at the Alanus University
in Mannheim. Researchers were specifically invited
who dare to break new ground and go beyond familiar
boundaries. First, potential contributions from «reform
pedagogy» for the necessary educational innovation in
the sense of inclusion were asked for, later «inclusive
spaces» were illuminated, to then direct the view towards
inclusive didactics. Partners from the following universities
were involved: Heinrich-Heine-University Düsseldorf,
Humboldt-University Berlin, Goethe-University Frankfurt,
University of Bremen, University of Passau, Mannheim
University of Applied Sciences, and others. Furthermore,
representatives joined from inclusive schools as well as
from the advanced phase of teacher education. Various
contributions and discussions led to joint publications
(see below) and research projects and proposals.
The symposia were given a special quality by the fact that
students from different universities could participate and
get to know different approaches.
Inclusion expert consultations in the
federal states and legal requirements
for inclusive schooling and refinancing
using the example of Schleswig-Holstein
Before the Waldorf schools in Schleswig-Holstein were
able to receive professional advice and before inclusive education
could become possible in these institutions, there
were long years of numerous discussions between the
state government and the ministry on the one hand, and
the Working Group on Inclusion of the state association of
independent Waldorf schools in Schleswig-Holstein (LAG)
on the other.
While the state-municipal schools in the state had already
been on the way to an inclusive approach since 1990, the
LAG began in 2011, for the second time, to work towards
11
lagen lange Jahre mit zahlreichen Gesprächen zwischen
Landesregierung und Ministerium auf der einen, dem Arbeitskreis
Inklusion der Landesarbeitsgemeinschaft der
Freien Waldorfschulen in Schleswig-Holstein (LAG) auf der
anderen Seite.
Während die staatlich-kommunalen Schulen im Land bereits
seit 1990 auf dem Weg zu einer inklusiven Schule waren,
erarbeitete sich die LAG erneut den Weg für den gemeinsamen
Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und
ohne sonderpädagogischem Förderbedarf ab 2011, nachdem
ein in den 90er Jahre parallel zu den Veränderungen
im staatlichen Schulwesen formulierter Antrag der Freien
Waldorfschule (FWS) Neumünster auf inklusive Beschulung
ein gutes Jahrzehnt später - nach langjährigem Rechtsstreit
über mehrere Instanzen - in einer Ablehnung endete. Nach
drei Jahren erneut sehr intensiver Arbeit mit dem Ministerium
gelang parallel zu einer Neuordnung der Ersatzschulfinanzierung
durch das Haushaltsbegleitgesetz 2014 der
Durchbruch – inklusive Beschulung wurde auch an Waldorfschulen
schul- und schulgenehmigungsrechtlich endlich
möglich. Erstmals wurde auch die Erstattung von Aufwendungen
für diese Beschulung bei der Bezuschussung durch
die Gewährung von Inklusionszuschlägen finanzrechtlich
verankert.
Doch wie gestaltet sich Inklusion dann in der Praxis? Eine
Frage, auf die der regionale AK Inklusion in enger Abstimmung
mit dem Ministerium und dem AK Inklusion des Bundes
der Freien Waldorfschulen Antworten zu formulieren
suchte. Parallel dazu arbeitete die mittlerweile genehmigte
FWS Neumünster eng mit der noch jungen FWS Wöhrden
zusammen, in der in einem Modellversuch Inklusion in der
Praxis mit Unterstützung dem bereits in Neumünster erfahrenen
Kollegium an einer weiteren Schule erprobt wurde.
Damit wurde das «Konzept zur inklusiven Beschulung an
schleswig-holsteinischen Waldorfschulen» nach und nach
zu einer unabdingbar notwendigen «Verwaltungsvereinbarung»
mit dem Land Schleswig-Holstein, zu einer Handreichung,
in der die strukturellen Voraussetzungen bis ins
Detail formuliert wurden.
Inzwischen arbeiten mit Wöhrden und Neumünster insgesamt
acht der zwölf schleswig-holsteinischen Waldorfschulen
inklusiv. So konnten die Schleswig-Holsteiner eine intensive
kollegiale Arbeit an den einzelnen Schulen in Gang
setzen, auch deshalb, weil zwei Lehrkräfte vor Ort für diese
Arbeit teilfreigestellt werden konnten. Neben der kontinuierlichen
Weiterbearbeitung der strukturellen Fragen (Verthe
joint teaching of students with and without special educational
needs, after a proposal for inclusive education
formulated in the 1990s by the Freie Waldorfschule (FWS)
Neumünster, parallel to the changes in the state school
system, was rejected by the government a good decade
later – after many years of litigation through several stages
of appeal. After three years of very intensive work with
the ministry, a reorganization of the government subsidies
for independent schools finally led to a breakthrough
through in the 2014 Supplementary Budget Act and inclusive
education was finally possible (and funded) at Waldorf
schools under state education law. For the first time,
the reimbursement of expenses for this type of schooling
was anchored in law through the granting of supplementary
funding for inclusion.
But how does inclusion work in practice? This is a question
to which the regional working group on inclusion, in close
cooperation with the Ministry and the Working Group
on Inclusion of the Association of Independent Waldorf
Schools, sought to formulate answers. In parallel, the
now approved Independent Waldorf School Neumünster
worked closely with the still young Independent Waldorf
School Wöhrden, where inclusion was tested in practice
at a second school, in a pilot project with the support of
colleagues who brought experience gained in Neumünster.
The «Concept for Inclusive Education at Waldorf
Schools in Schleswig-Holstein» thus gradually became an
indispensable «administrative agreement» with the state
of Schleswig-Holstein, a guideline document in which the
structural requirements were formulated in detail.
Currently, with Wöhrden and Neumünster, a total of eight
of the twelve Waldorf schools in Schleswig-Holstein are
working inclusively. Thus, the Schleswig-Holsteiners were
able to initiate an intensive collegial work at the individual
schools, also because two colleagues in the region were
seconded part-time to support this work. In addition to
the ongoing work on structural issues (local processes,
support for conceptual work at the schools, clarification
of questions regarding teaching permits, organization of
training and continuing education), the work within the
schools has increasingly developed into a discourse on the
«question of inner attitude». And the most recent trend
is: Even the schools with separate learning support classes
are more and more moving towards offering inclusive
education.
12
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
fahrenswege vor Ort, Begleitung der konzeptionellen Arbeit
an den Schulen, Klärung der Fragen nach Unterrichtsgenehmigungen,
Organisation von Aus-, Fort- und Weiterbildungen)
hat sich die Arbeit innerschulisch auch mehr und mehr
zu einem Diskurs über die «Frage der inneren Haltung» entwickelt.
Und als neuester Trend lässt sich festmachen: Auch
an den Schulen mit Teilförderzentren, also den Schulen mit
sogenannten kleinen Klassen, wird immer mehr inklusiv beschult.
Für die praktische Arbeit an den Schulen und die Landesfachberatung
hat sich die LAG zusätzlich auch für eine
«mobile Förderlehrerin bzw. -lehrer» entschieden, um vor
Ort fehlende Fachkompetenz zu ersetzen. Diese Tätigkeit
beschränkt sich nicht nur auf das Begutachten der
Schülerschaft mit und ohne sogenannten sonderpädagogischen
Förderbedarf, sondern auch auf die gemeinsame
Arbeit in der Klassen- und der Pädagogischen Konferenz,
auf Elterngespräche sowie Kontakte mit dem Schulamt und
staatlichen Förderzentren. Gleichzeitig unterstützen und
ergänzen sich Kollegien verschiedener Schulen mit den
Kenntnissen aus ihren jeweiligen Fachgebieten.
Auch das ist eine Frage der Haltung: Im Jahr 2016 ist es der
LAG gelungen, mit der damaligen Bildungsministerin Britta
Ernst eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit mit den staatlichen
Förderzentren bezüglich der Förderschwerpunkte
`Sehen‘, ‘Hören‘ sowie ‘körperliche und motorische Entwicklung‘
zu vereinbaren, die es Klassenlehrerinnen und
-lehrern zudem auch ermöglicht, an den Seminaren und
Fortbildungsangeboten des Landes Schleswig-Holstein teilzuhaben.
Mittlerweile wünscht sich das Ministerium auch
schon so etwas wie ein Waldorf-Landesförderzentrum.
In Hessen gibt es ebenfalls ein Fachreferat Inklusion, das
in der dortigen LAG angesiedelt ist, ein Informations- und
Beratungszentrum für die hessischen Waldorfkindergärten,
Waldorf- und Waldorfförderschulen.
Herausforderungen und Ausblick
Nach mehr als 100 Jahren sehr erfolgreicher Entwicklung
der Waldorfschulen steht auch diese Schulform vor gewaltigen
Herausforderungen. Das Bemühen, allen Kindern und
Jugendlichen in den Klassen der Waldorfschulen gerecht zu
werden, ist fast überall zu sehen und zu erleben. Wie aber
an allen Schulen sind die notwendigen Gelingensbedingungen
längst noch nicht gegeben. Sicherlich sind die Waldorfschulen
in einer deutlich privilegierteren Lage als andere
Schulen. Darauf dürfen sie aber nicht stolz sein, sondern
müssen es als Motivation begreifen, mutig neue Wege zu
gehen. Hier kann und sollte das durch die Waldorfpädagogik
gegebene Urbild des sich entwickelnden Menschen ein
noch längst nicht vollständig erschlossenes Orientierungsziel
sein.
For the practical work at the schools and the state advisory
service, the LAG has also decided to employ an «itinerant
special education teacher» to supply expertise that may
be lacking on site. This activity is not limited to the assessment
of students with and without so-called special
educational needs, but also includes support for the work
of classroom teams and faculties, parent meetings and
contacts with the school board and state developmental
support centers. At the same time, colleagues from different
schools support and complement each other with their
expertise in their respective subject areas.
This, too, is a question of attitude: In 2016, the LAG succeeded
in reaching an agreement with the then Minister
of Education, Britta Ernst, on cooperation with the state
support centers in the areas of ‹vision›, ‹hearing› and ‹physical
and motor development›, which also enables class
teachers to participate in the seminars and continuing
education offered by the state of Schleswig-Holstein. In the
meantime, the Ministry would also like to see something
like a Waldorf Regional Support Center. In the state of Hesse,
there is already a support center for inclusion, which
is organized by the state association of Waldorf schools
there and offers information and advisory services to the
Hessian Waldorf kindergartens, Waldorf schools and Waldorf
special needs schools.
Challenges and outlook
After more than 100 years of very successful development
of Waldorf schools, this school form is also facing enormous
challenges. The effort to do justice to all children
and young people in the classes of Waldorf schools can
be seen and experienced almost everywhere. However, as
in all schools, the necessary conditions for success are far
from being in place. Certainly, Waldorf schools are in a
much more privileged position than many other schools.
However, they should not take too much pride in this, but
should see it as motivation to courageously go new ways.
The archetype of the developing human being on which
Waldorf education is based can and should be an aspirational
goal for this that is still far from being fully developed.
It remains a compelling necessity that society in general
and especially state educational policies create the necessary
conditions so that all children and young people
can develop well in community in an increasingly difficult
time, to be able to master the enormous challenges of
the present and the future. And this is where the Waldorf
school movement can and should become even more involved
and active.
Translated from German by Jan Göschel
13
Es bleibt eine zwingende Notwendigkeit, dass die Gesellschaft
allgemein und speziell die Bildungspolitik in den Ländern
die notwendigen Voraussetzungen schafft, dass alle
Kinder und Jugendliche sich in Gemeinschaft in einer immer
schwierigeren Zeit gut entwickeln können, um die gewaltigen
Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft meistern zu
können. Und hier kann und sollte sich die Waldorfschulbewegung
stärker und aktiver engagieren.
Literatur/Literature
Auer, W.-M. & Wiehl, A. (Hg.) (2021): Bewegte Klasse an Waldorfschulen. Innovative
und inklusive Pädagogik an Waldorfschulen. Beltz Juventa, Weinheim.
(Reihe: Praxis Waldorfpädagogik) ||| Barth, U. und Maschke, T. (Hg.)
(2021a): Dimensionen pädagogischer Räume. Erleben – Begegnen – Lernen.
Residenz Verlag, Salzburg ||| Barth, U. und Maschke, T. (2021b): Inklusion
und Waldorfpädagogik: Konkretisierungen und kritische Überlegungen. In:
Zeitschrift Bildung und Erziehung, 74. Jahrgang, Heft 4. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht, S. 366-382 ||| Barth, U. (2020): Inklusion als Orientierung
– Transformation von Sozialräumen. In: menschen. Zeitschrift für gemeinsames
Leben, Lernen und Arbeiten. Ausgabe 6/2020, 43. Jahrgang, S. 82
f. ||| Barth, U. (2020): Inklusion leben. Ein Arbeits- und Forschungsbuch zu
Inklusion an Waldorfschulen. Beltz, Weinheim, Basel. (Reihe: Praxis Waldorfpädagogik)
||| Barth, U.und Maschke, T. (Hg.) (2014): Inklusion – Vielfalt gestalten.
Ein Praxisbuch. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart ||| Blaeser, B.
(Hg.) (2016-18): BlickWechsel. Heftreihe (Bd. 1 – 10). Bund der Freien Waldorfschulen
e.V. (Hg.) ||| Blaeser, B. (2020): Schule – menschlich. Das inklusive
Potential der Waldorfpädagogik. Pädagogische Forschungsstelle Stuttgart
||| Drechsler, C. (2019): Begegnungsräume. Begegnung und Beziehung in
Inklusionspartnerschaften. Erschienen in der Reihe Heilpädagogik und Sozialtherapie
aus anthroposophischen Perspektiven Verlag am Goetheanum
& Athena, Dornach/Schweiz ||| Eichholz, R. (2017): Probleme beim Thema
Inklusion – ist ein «Recht auf Exklusion» die Lösung? in Hans Wocken (Hg.),
Beim Haus der inklusiven Schule, Praktiken – Kontroversen – Statistiken,
Feldhaus, Hamburg, S. 118-143 ||| Erdin, G. (2021): Gestützte Kommunikation
mit nichtsprechenden Menschen. Eine empirische Untersuchung.
Psychosozial, Giessen ||| Matthes, E. und Benecke, J. (Hg.) (2021): Inklusion.
Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft im Gespräch, in: Bildung
und Erziehung. Heft 4/2021 ||| Maschke, T. (Hg.) (2019): Bildungsinnovation:
Impulse aus Reformpädagogik und Inklusiver Pädagogik. Residenz Verlag,
Salzburg ||| Schmelzer, A. (2021): Grundlagen inklusiver Waldorf-Schulpädagogik.
In: Zeitschrift Bildung und Erziehung, 74. Jahrgang, Heft 4. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht, S. 349-365 ||| Stoltz, T. & Wiehl, A. (eds.) (2021).
Education – Spirituality – Creativity. Reflections on Waldorf Education. Springer,
Wiesbaden ||| Wiehl, A. (Hg.) (2020): Studienbuch Waldorf-Kindheitspädagogik.
Klinkhardt UTB, Bad Heilbrunn ||| Wiehl, A. (Hg.) (2019): Studienbuch
Waldorf-Schulpädagogik. Klinkhardt UTB, Bad Heilbrunn.
14
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
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Die Farbigkeit des
Kreuzes
The Colorfulness of
the Cross
von Christine Gruwez
by Christine Gruwez
Nicht zufälligerweise kommen mir, im Kriegsjahr 1942 geboren,
manche sehr lebendige Bilder hoch. Unter vielen
anderen, auch diese eine Erinnerung: Ein Spaziergang an
der Nordmeeresküste, an der Grenze zwischen Flandern
und Nordfrankreich entlang.
Neben mir geht mein Vater. Er ist in einem regen Gespräch
mit einem mir unbekannten Mann. Zwei Freunde, die einander
wiederbegegnen nach dem Krieg. Aber das weiss
ich damals noch nicht. Einige Schritte vor uns sehe ich meine
Mutter, Arm in Arm mit der Frau des Freundes. Auf dem
Strand dürfen wir nicht laufen, es gibt Bunker und noch
nicht entschärfte Landminen im Sand. Plötzlich stolpere
ich und verletze mir dabei das Knie. Es wird nicht bemerkt.
Für einen Moment bleibe ich zurück hinter den Erwachsenen.
Knieend schaue ich mir das verletzte Knie an. Es
treten einige Tropfen Blut hervor. Ich schreie auf: «Aber
es blutet!» Keiner hört es. Weit vor mir, in dem blendenden
Hochsommerlicht, dehnt sich der Horizont aus. Die
Erwachsenen sind nur noch verschwommene Konturen.
Ein Augenblick alles ausblendender Angst. Dann beginne
ich zu rennen. Und schon bin ich wieder an der Seite des
Vaters. Gerettet.
Rettung: Eine Parole, die umgeht
Unter den vielen, manchmal einander radikal entgegengesetzten
Parolen, die in dieser Krisenzeit umgehen, gibt es
eine mit einer ganz eigenen Resonanz. Es ist die Parole der
‹Rettung›. Wie ein leuchtender Stern kann sie am Himmel erscheinen
und allein das Wort hat eine unmittelbare Wirkung
auf diejenigen, die sich in extrem bedrohlichen Lebensumständen
befinden. Und sei es nur, dass sie für einen Moment
Mut schöpfen können. Nicht selten hängt es von solch einem
Moment ab, ob sie gerettet werden können oder nicht. Auch
diejenigen, die nicht unmittelbar gefährdet sind, die nur dabeistehen
können, atmen auf, wenn sich Rettung ankündigt.
It is no coincidence that I, born in the war year 1942,
have some very vivid images come to me. Among many
others, this one memory comes forth now: a walk along
the North Sea coast, along the border between Flanders
and Northern France.
My father is walking next to me. He is in a lively conversation
with a man I do not know – two friends meeting each
other again after the war, but I don’t know that at the time.
A few steps ahead of us I see my mother, arm in arm with
the friend’s wife. We are not allowed to walk on the beach
– there are bunkers and undefused landmines in the sand.
Suddenly, I stumble and injure my knee. Nobody notices
it. For a moment, I stay back behind the adults. Kneeling, I
look at the injured knee. A few drops of blood appear. I cry
out, «But it’s bleeding!» No one hears me. Far ahead of me,
in the dazzling midsummer light, the horizon expands.
The adults are only blurry contours. A moment of fading
fear. Then I start running. And already I am again at my
father’s side. Saved.
Salvation: A slogan that goes around
Among the many slogans, sometimes with radically opposing
meanings, that go around in this time of crisis,
there is one that resonates in a particularly unique way.
It is the slogan, ‹salvation›. It can appear in the sky like a
shining star, and the word alone has an immediate effect
on those who find themselves in extremely threatening
circumstances. It does so even if it creates courage for just
a moment. Quite often, whether someone can be saved or
not depends just on such a moment. Even those who are
not directly at risk – bystanders – breathe a sigh of relief
when salvation appears. When we speak of salvation, we
are referring above all to situations of extreme danger or
distress – whether that involves people, nature, or values
that must not be lost.
16
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Christine Gruwez wurde 1942 in Belgien geboren.
Sie studierte Philosophie, Altphilologie und
Iranistik sowie Waldorfpädagogik. Sie ist Dozentin
für Waldorfpädagogik in Antwerpen. Ihre
Kernthemen sind Iran, Islam, Manichäismus. Sie
arbeitet weltweit in Seminaren und als Publizistin.
Christine Gruwez was born in 1941 in Belgium. She studied
philosophy, classic languages and Iranian studies as well as
Waldorf education. She is a lecturer on Waldorf education in
Antwerp. Her work focusses on Iran, Islam and Manichaeism.
She gives workshops and publishes internationally.
Was wir Rettung nennen, bezieht sich vor allem auf das, was
in extreme Not geraten ist – ob Menschen, ob Natur oder
Werte, die nicht verloren gehen dürfen.
Um Rettung kann ein Mensch beten und bereits während
des Betens kann ihm der erste, zarte ‹Anhauch› kommen,
tatsächlich gerettet zu werden. Durch das Gebet wird man
aus der Verzweiflung und Angst gehoben. Die Bitte, gerettet
zu werden, birgt in sich ein Versprechen, dass das Rettende
kommt: «Wo aber Gefahr ist, wächst/Das Rettende
auch.» – Kaum ein anderes Hölderlin-Zitat wurde während
der Corona-Krise so häufig gebraucht wie dieses!
Wenn es um Rettung geht, gibt es jemanden, der gerettet
werden soll, und jemanden, der rettet. Frage und Antwort,
Ruf und Hilfe. Als Zwillinge sind sie aus einer ursprünglichen
Einheit hervorgekommen. Und dieses Einheitliche ist
nicht die Rettung, aber dasjenige, was darüber hinausgeht:
die Erlösung. Erlösung enthält nicht nur Rettung, sondern
auch Heilung. Dasjenige, was aus dem Zusammenhang
herausgefallen ist, sodass Rettung notwendig wurde, soll
geheilt werden. Aber nicht als ‹Wiederherstellung› des Vergangenen,
sondern in einer neuen lebensgestaltenden
Ganzheit. Dann erst wird Erlösung möglich.
In der Rettung liegt bis heute sehr viel Urbildliches. Als
reales Bild ist Rettung noch immer wirksam. Wie verschiedenartig
der Kontext auch sein mag, die Grundelemente
sind klar: Ein Mensch befindet sich in akuter Gefahr. Dieser
ist er wehrlos ausgeliefert. Nur ein Wunder kann ihn noch
retten. «Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst bin ich verloren»! Mit diesem
Hilfeschrei eröffnet Tamino beim ersten Auftritt die
bekannte Mozart-Oper ‹Die Zauberflöte› (1991):
«Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst bin ich verloren,
Der listigen Schlange zum Opfer erkoren.
Barmherzige Götter! Schon nahet sie sich;
Ach rettet mich! Ach schützet mich!» 1
Die Rettung kommt von aussen, durch einen ‹Deus ex machina›.
Während Tamino in Ohnmacht gefallen ist, öffnet
sich die Tür des Tempels. Sein Ruf um Hilfe wird beantwortet.
Es erscheinen drei in Schleier gehüllte Damen, die
ihn auf seinem weiteren Weg begleiten werden. Aus der
unmittelbaren Gefahr ist er befreit. Er ist gerettet! Ob diese
Rettung auch zur Heilung und schliesslich zur Erlösung
führen wird, ist das zentrale Thema der ‹Zauberflöte›.
Human beings can pray for salvation, and already during
the prayer, the first, tender ‹breath› of a possibility of
being saved can sometimes be sensed. Prayer lifts one out
of despair and fear. The request to be saved contains a promise
that the salvation will come: «But where the danger
is, there also grows the saving power.» – Hardly any other
Hölderlin quote was used as often during the Covid crisis
as this one!
When it comes to salvation, there is someone to be saved
and someone who saves the other. Question and answer,
call and help. As twins, they have emerged from a primal
unity. And this unity is not salvation, but that which goes
beyond that: redemption. Redemption doesn’t only contain
salvation but also healing. That which has fallen out
of context, so that salvation became necessary, is to be
healed. But not as a ‹restoration› of the past but in a new
life-shaping wholeness. Only then redemption becomes
possible.
To this day, salvation contains much that is archetypal.
As a true image, salvation is still effective. No matter how
diverse the context may be, the basic elements are clear: a
person is in acute danger; defenselessly at its mercy. Only
a miracle can save them. «Help! Help me or I’m doomed!»
With this cry for help, Tamino opens the well-known Mozart
opera ‹The Magic Flute› (1991) in his first appearance:
«Help! Help me! or I’m doomed,
I’m about to be devoured by this ravenous serpent!
Oh my god! It’s getting closer!
Aieee, Look out! Somebody help me! Anybody? Help!»
Salvation comes from the outside, through a ‹deus ex
machina›. While Tamino faints, the door of the temple
opens. His call for help is answered. Three ladies wrapped
in veils appear, who will accompany him on his further
journey. He is freed from immediate danger. He is saved!
Whether this salvation will also lead to healing and finally
to redemption is the central theme of the ‹Magic Flute›.
17
Der gnostische Mythos von
Rettung und Erlösung
In vielen gnostischen Strömungen ist ‹Rettung› ein zentrales
Motiv, um das sich nicht nur eine Lehre, sondern
eine Praxis gebildet hat. Im Selbstverständnis der Gnosis
heisst Menschsein, den Finsternismächten ausgeliefert
zu sein. Herausgefallen aus der ursprünglichen Lichtheimat,
befindet sich jeder Mensch schon durch seine
Geburt auf Erden in einem auferlegten Exil. Hans Jonas
charakterisiert die gnostischen Strömungen als ein tiefes
Empfinden der Tragik jeder menschlichen Existenz
und als Äusserung eines nostalgischen Bedürfnisses, sogar
als ein unstillbares Heimweh nach einer Welt, in der
das vom Bösen verursachte Leiden keinen Platz hat. Ein
Schlüsselbegriff dafür ist Entfremdung, die schmerzvolle
Erfahrung, ein Fremder, ein Verbannter hier auf Erden zu
sein. Das wirkliche Leben, das wahre Zuhause ist woanders.
Dahin sehnt sich der Mensch, dahin will er gerettet
werden. Rettung heisst Befreiung aus der existenziellen
Not der Verbannung auf Erden und Wiederherstellung des
ursprünglichen Zustands im Lichtreich. In der Bildersprache
der gnostischen Lehren wird dies als Rückkehr zur
uranfänglichen Lichtheimat dargestellt. In dieser wieder
aufgenommen werden zu können, wird zum Ziel einer
übenden Praxis, wobei sowohl Erkenntnis als auch ein gewisser
Asketismus eine Rolle erfüllen. Zahlreiche gnostische
Lehren verkündigen deswegen eine Heilslehre, die
sehr oft eingebettet ist in eine ausführliche Kosmogonie.
Der Schöpfungsmythos fängt an mit einem einzigen Prinzip,
mit dem Lichtreich – eine heile, in sich selbst ruhende
Welt, in der nur Frieden herrscht. Nichts stört dieses Insich-selbst-ruhen-Können.
Durch den ‹Sündenfall› einer
Lichtwesenheit, einen Unfall, der niemals Teil der göttlichen
Intentionen war, entsteht das Reich der Finsternis.
Dem Lichtreich gegenüber repräsentiert die Finsternis
eine abgründige Welt, wo Gier, Hass und Angst herrschen.
Sie ist die Materie schlechthin, die ‹Hylè›. In der Materie
wirkt das zweite Prinzip, das aus dieser unheilvollen Tat
entstandene Reich der Finsternis, wo jetzt die Schöpfung
des Kosmos, der Erde und des Menschen auf Erden ihren
Anfang nimmt. Insoweit die Menschen in dieser finsteren
Welt erwachen und zur Erkenntnis ihrer Lage kommen,
beten sie um Hilfe und Rückkehr zum Ursprungsort. Ursprung
heißt die ‹heile Welt›. Aber das Lichtreich hat sich
seit dem Sündenfall abgegrenzt. Um sich selbst weiterhin
The Gnostic myth of salvation and
redemption
In many Gnostic paths, ‹salvation› is a central motif around
which not only a doctrine, but a practice has formed. In the
understanding of Gnosticism, being human means being
at the mercy of the dark forces. Fallen out of the original
home of light, every human being is already in an imposed
exile by his birth on Earth. Hans Jonas characterizes the
Gnostic paths as a deep sense of the tragedy of every human
existence and as an expression of a nostalgic need,
even as insatiable homesickness for a world without the
suffering caused by evil. A key term for this is alienation,
the painful experience of being a stranger, a banished person
here on Earth. Real-life, one’s real home is somewhere
else – the location of humanity’s longing, that’s the direction
in which salvation lies. Salvation means liberation
from the existential need of exile on Earth and restoration
of the original state in the kingdom of light. In the imagery
of the Gnostic teachings, this is presented as a return
to the primordial home of light. To be able to be taken
back into this home becomes the goal of their practice,
in which both knowledge and a certain asceticism play a
role. Numerous Gnostic teachings, therefore, proclaim a
doctrine of salvation that is very often embedded in a detailed
cosmogony. The creation myth begins with a single
principle, the kingdom of light – a healthy, self-contained
world in which only peace reigns. Nothing disturbs this
ability to rest within itself. Through the ‹fall into sin› of
a being of light, an accident that was never part of the divine
intentions, the kingdom of darkness arises. Contrary
to the kingdom of light, darkness represents an abysmal
world where greed, hatred, and fear reign. It is matter par
excellence, the ‹hylè›. In matter, the second principle, the
realm of darkness born of this calamitous act, is at work,
where the creation of the cosmos, the Earth, and humanity
on Earth now begins. To the extent that human beings
awaken in this dark world and come to the realization of
their situation, they pray for help and for the return to
their place of origin. Origin is the ‹perfect world›. But the
kingdom of light has created boundaries around itself
since the fall into sin. In order to continue to protect themselves
from the forces of darkness, the beings of light have
blocked access. Only very few, under the strictest conditions,
can find their way back. For the others, there is no
salvation. The Gods have withdrawn from creation. Those
who are left behind are left to their own devices.
18
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
gegenüber den Mächten der Finsternis zu schützen, haben
die Lichtwesenheiten den Zugang gesperrt. Nur die Allerwenigsten
und unter den strengsten Bedingungen finden
den Weg zurück. Für die anderen gibt es keine Rettung. Die
Götter haben sich aus der Schöpfung zurückgezogen. Wer
zurückgeblieben ist, wird sich selbst überlassen.
In seiner grundlegenden Schrift weist Hans Jonas auf eine
merkwürdige Übereinstimmung zwischen der gnostischen
Lehre und Lebenserfahrung und gewissen philosophischen
Strömungen des 20. Jahrhunderts hin. Seitdem
Friedrich Nietzsche den Tod Gottes proklamierte, habe
Gott sich aus der Welt zurückgezogen, so Jonas. Es gibt
keine sichtbaren Zeichen mehr von einem ‹Anderswo›,
vom Transzendenten, und der Mensch ist sich selbst überlassen,
«zur Freiheit verurteilt», wie es später Jean Paul
Sartre formulierte. Jonas erkennt in Heideggers Begriff
‹Geworfenheit› ein Echo der bekannten Formulierung aus
der Schule der Gnosis von Valentinus, in der das Wort ‹geworfen
sein› bereits angewendet wurde.
«Was uns Menschen frei macht, ist die Einsicht darin, wer
wir waren, wer wir geworden sind, wo wir waren und worin
wir geworfen sind, wohin wir uns eilen und wovon wir
befreit werden wollen.» (Jonas 1992, S. 334 ff.)
Wichtig ist auch, wie in dieser Formulierung Rettung und Befreiung
miteinander verknüpft werden und wie Einsicht zum
befreienden Faktor wird. Befreiung bleibt eine individuelle
Angelegenheit – sei es eine offene Möglichkeit, sie ist dem
Menschen vorbehalten, der zur Einsicht kommen kann. Wer
nicht über diese Möglichkeit verfügt, wird sich selbst überlassen
und ist von jeder Rettung ausgeschlossen.
Eine besondere Seelenfarbe
In seiner historischen Manifestation (3. bis 17. Jahrhundert)
weist die Lehre des Manichäismus in der Kosmogonie
und der Eschatologie viele Ähnlichkeiten auf mit den damaligen
gnostischen Strömungen. Auch im Manichäismus
ist die Frage nach der Erörterung des Bösen und nach der
Stellung des Menschen in einer Welt, in der die Kräfte des
Bösen wirksam sind, zentral. In den philosophisch-religiös
tief bewegten ersten drei Jahrhunderten nach Christi legt
der Manichäismus, auch in seiner späteren Entwicklung,
Zeugnis ab von einer ganz anders gefärbten Seelenstimmung.
Obwohl radikal in seiner Darstellung der beiden
Prinzipien, Licht und Finsternis, gibt es keine prinzipielle
Ablehnung der Welt als gefallenes Produkt eines Unglücks.
Die Schöpfung wird nicht zurückgewiesen. Im Gegenteil,
da wo ihre Schönheit zur Erscheinung kommt, wird sie
gepriesen und in den unterschiedlichen Kunstformen, in
Musik, Malerei und Hymnen, veranschaulicht. Gewiss, die
Materie, die Hylè, hat einen bitteren Geschmack. Aber weder
Verzweiflung noch Angst gewinnen die Oberhand. In
In his foundational text, Hans Jonas points to a strange
correspondence between the Gnostic doctrine and life
experience and certain philosophical paths of the 20th
century. Since Nietzsche proclaimed the death of God,
God has withdrawn from the world, according to Jonas.
There are no longer any visible signs of an ‹elsewhere›,
of the transcendent, and humanity is left to its own devices,
«condemned to freedom», as Jean-Paul Sartre later
put it. Jonas recognizes in Heidegger’s term ‹thrownness›
an echo of the well-known formulation from the Gnostic
school of Valentinus, in which the term ‹being thrown› was
already being used.
«What makes us human beings free is the insight into
who we have been, who we have become, where we have
been and where we have been thrown, where we are
rushing, and from what we want to be liberated.» (Jonas
1992, p. 334 ff.)
It is also noteworthy how salvation and liberation are
linked in this formulation, and how insight becomes a liberating
factor. Liberation remains an individual matter –
an open possibility reserved for the person who can come
to insight. Those who do not have this possibility are left to
their own devices and are excluded from salvation.
A special soul color
In its historical manifestation (3rd to 17th centuries), the
doctrine of Manichaeism in cosmogony and eschatology
has many similarities with the Gnostic paths of the time.
In Manichaeism, too, the question of evil and the position
of humanity in a world in which the forces of evil are at
work is central. In the deeply philosophically and religiously
involved first three centuries after Christ, Manichaeism
bears witness to a very differently colored mood of
the soul, which is also present in its later development. Although
radical in its depiction of the two principles, light
and darkness, there is no principled rejection of the world
as a fallen product of misfortune. Creation is not rejected.
On the contrary, where its beauty comes to fruition, it is
praised and illustrated in the different art forms, in music,
paintings, and hymns. Certainly, matter, the hylè, has
a bitter taste. But neither despair nor fear prevails. In the
Manichaean miniature fragments, for example, from the
culture of Central Asian Manichaeism (8th to 13th centuries),
one finds a reflection of beauty in the vivid expression
of colors and the balanced application of calligraphy.
19
den manichäischen Miniaturfragmenten zum Beispiel, aus
der Kultur des zentralasiatischen Manichäismus (8. bis 13.
Jahrhundert), findet man in dem lebendigen Ausdruck der
Farben und der ausgeglichenen Anwendung der Kalligrafie
einen Nachglanz dieser Schönheit. Woher rührt diese
Stimmung? Eine Stimmung, die einem entgegenkommt
wie eine Ahnung, wie ein erster Frühlingstag, und die darauf
hindeutet, dass im Manichäismus noch anderes wirksam
ist.
Noch bevor da von Schöpfung gesprochen wird, erscheint
nicht die Einheit, sondern die Zweiheit. Licht und Finsternis
sind vor aller Ewigkeit da, einander in jeder Hinsicht
ebenbürtig. Diese Perspektive der Zweiheit in der manichäischen
Kosmogonie bedeutet unter anderem, dass
nicht ohne Weiteres von einer Rückkehr zu einem ursprünglichen
‹Einheitlichen› gesprochen werden kann.
Die beiden Urprinzipien, das Licht wie auch die Finsternis,
durchlaufen eine gemeinsame Entwicklung, wobei ein
Prozess der Verdichtung, des Sich-Gestaltens in der Materie,
von einem Prozess des Sich-wieder-Auflösens gefolgt
wird. Der Blick geht in die Zukunft, nicht nur rückwärts.
Es geht um die Intention einer Umwandlung, nicht um ein
Wiederherstellen des früheren Zustandes.
Der Mensch als Träger dieser Intention ist dazu berufen,
an ihrer Verwirklichung teilzunehmen. Erst dann können
Licht und Finsternis ihre moralische Dimension erlangen.
Diese kann sich erst zeigen in dem Augenblick,
wenn der Mensch sich bewusst wird, dass die beiden
‹Naturen› – Licht und Finsternis – als Grundtendenzen in
seiner Natur anwesend sind. Rudolf Steiner hat ganz besonders
auf diese Intention zur Zukunft im Manichäismus
hingedeutet. Die Intention ist wie ein Samen, der darauf
wartet, zu keimen. Aber ist nicht gerade diese Potenz zu
keimen das, was sich schon im Vorfeld erahnen lässt? Ist
sie es, die uns als eine ganz eigenartige Seelenstimmung
entgegentritt?
«Ein Kernpunkt der manichäischen Lehre ist der Satz vom
Guten und vom Bösen. Für die landläufige Anschauung
bilden das Gute und das Böse zwei absolute, miteinander
unvereinbare Gegensätze, von denen das eine das andere
ausschliesst. Dagegen ist das Böse nach der Ansicht der
Manichäer ein integrierender Bestandteil des Kosmos, es
arbeitet an dessen Evolution mit und muss zuletzt durch
das Gute absorbiert, verwandelt werden.» (Steiner Dornach
2001, S. 23)
Where does this mood come from? A mood that comes to
you like a presentiment, like the first day of spring, and
that suggests that there are yet other things at work in
Manichaeism.
Even before there is talk of Creation, it is not unity that
appears, but duality. Light and darkness are there before
eternity, equal to each other in every respect. This
perspective of duality in Manichaean cosmogony means,
among other things, that it is not easy to speak of a return
to an original ‹unity›. The two primordial principles, light
as well as darkness, undergo a joint development, whereby
a process of condensation, of shaping oneself in matter,
is followed by a process of dissolution. This perspective
points into the future, not just backward. It is about
the intention of a transformation, not about restoring the
earlier state.
The human being, as a bearer of this intention, is called
upon to participate in its realization. Only then can light
and darkness reach their moral dimension. This can only
become apparent at the moment when one becomes aware
that the two ‹natures› – light and darkness – are present as
basic tendencies in one’s own being. Rudolf Steiner pointed
to this future-oriented intention of Manichaeism as particularly
important. The intention is like a seed waiting to
germinate. But isn’t it precisely this potency to germinate
that can be sensed in advance? Is it this, which confronts
us as a very particular mood of the soul?
«A core point of the Manichaean doctrine is the theorem
of good and evil. For the common view, good and evil
form two absolute, incompatible opposites, one of
which excludes the other. On the other hand, according
to the Manichaeans, evil is an integral part of the cosmos,
it participates in its evolution and must ultimately be
absorbed and transformed by good.» (Steiner Dornach 2001,
p. 23.)
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Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Konflikt versus Schöpfung:
die gekreuzigte Lichtseele
Das Herzstück des Manichäismus ist die Vermischung des
Lichtes und der Finsternis. Diese Vermischung, ‹Gumezishn›,
ein wichtiges Motiv im iranischen Manichäismus,
kommt dadurch zustande, dass, nachdem der Urmensch
den Finsternismächten entgegengegangen war, seine
Lichtseele sich der Finsternis ausliefert und von ihr zerstückelt
wird. Die Lichtseele wird in unzählige Lichtpartikel
auseinandergerissen. Die Finsterniswesen bemächtigen
sich dieser und verschlingen sie. Es entsteht eine dritte
Substanz: die Mischung von Licht und Finsternis.
Licht und Finsternis sind im Manichäismus nicht, so wie
in mancher gnostischen Lehre, dadurch entstanden, dass
sich im Lichtreich ein ‹Unfall› ereignet hat, der eine Hinabentwicklung
des Lichtes ‹von oben nach unten› erzeugt
hat. Wobei aus dem Abnehmen der Lichtsubstanz als eine
Art Verfinsterung das Reich der Finsternis sich gestaltet
und in diesem die Schöpfung ihren Anfang nehmen konnte.
Hans Jonas spricht von einem ‹vertikalen› Dualismus.
Dagegen sind im Manichäismus Licht und Finsternis als uranfängliche
Prinzipen schon ‹vor aller Ewigkeit› gegeben,
noch ehe von Schöpfung die Rede ist. Sie sind ihrer Natur
nach einander entgegengesetzt, aber ihrer Wesenssubstanz
nach einander in jeder Hinsicht ebenbürtig. Deswegen
nennt Hans Jonas den manichäischen Dualismus ‹horizontal›.
Es gibt also keinen Sündenfall als primären Anlass
zur Entstehung der beiden Reiche und keine Verfinsterung
des herabfallenden Lichtes.
In der manichäischen Kosmogonie entsteht die Schöpfung
aus dem Konflikt zwischen Licht und Finsternis. Die Schöpfung
entsteht nicht trotz des Konfliktes, sondern wegen
des Konfliktes. Der Konflikt geht der Schöpfung voraus
und nicht umgekehrt. Es geht nicht um einen Kampf innerhalb
der Schöpfung. Der Konflikt, mit seinem ganzen Streit
und Verlust an Sicherheiten, die daraus entstehen, dauert
während der ganzen Zeit des Schöpfungsvorgangs an. Es
gibt also nicht erst eine Schöpfung, worin dann auf einmal
ein Konflikt auflodert. Erst ist der Konflikt da, ein Streit, der
zwischen zwei radikal gegenübergestellten Prinzipien entflammt,
und aus diesem immer weiter wütenden Streit entsteht
die Schöpfung. Weil die Schöpfung ihren Ursprung
im Konflikt findet, könnte das Schöpfungsgeschehen negativ
gedeutet werden. (Was sich aus einem Konflikt entwickelt,
kann nicht im Zeichen des Guten stehen!) Aber die
Schöpfung ist die Antwort auf den Konflikt. Erst aus dem
Konflikt wurde sie ermöglicht.
In der Anschauung des Manichäismus ist die Schöpfung
vielmehr ein Instrument, durch das die Transfiguration des
Kosmos am Ende des dritten grossen Zeitalters möglich
wird. Die Schöpfung ist ein Mittel zur Heilung und Erlö-
Conflict versus creation:
The crucified soul of light
At the heart of Manichaeism is the mixing of light and
darkness. This mixing, ‹gumezishn›, an important motif
in Iranian Manichaeism, is caused by the fact that after the
primordial human being moved towards the dark forces,
his soul of light surrendered to darkness and was dismembered
by it. The soul of light is torn apart into countless
light particles. The beings of darkness seize them and devour
them. A third substance is created: the mixture of
light and darkness.
Light and darkness did not arise in Manichaeism, as in
some Gnostic teachings, because an ‹accident› occurred
in the kingdom of light that created a downward development
of the light ‹from top to bottom›, whereby the realm
of darkness is formed from the diminishing of the light,
as a kind of eclipse, and the Creation takes its beginning.
Hans Jonas speaks of a ‹vertical› dualism.
In Manichaeism, on the other hand, light and darkness are
given as primordial principles ‹before all eternity›, even
before Creation is mentioned. They are opposite in nature
to each other but equal in their essence in every respect.
That is why Hans Jonas calls Manichaean dualism ‹horizontal›.
So there is no fall into sin as the primary reason for
the emergence of the two kingdoms and no diminishing of
the falling light.
In the Manichaean cosmogony, Creation arises from the
conflict between light and darkness. Creation does not
arise in spite of the conflict, but because of the conflict.
Conflict precedes Creation, not the other way around. It is
not about a struggle within Creation. The conflict, with all
its strife and loss of certainty that arises from it, continues
throughout the entire process of Creation. So there is
not first a Creation in which a conflict suddenly flares up.
First, there is the conflict, a dispute that ignites between
two radically opposed principles, and from this ever-raging
dispute arises the Creation. Because Creation finds
its origin in conflict, the event of Creation could be interpreted
negatively. (What develops from a conflict cannot
be good!) But Creation is the answer to the conflict. It was
only through the conflict that it was made possible.
In the view of Manichaeism, Creation is an instrument
through which the transfiguration of the cosmos becomes
possible at the end of the third great age. Creation is a
means of healing and redemption. Even the sacrifice of the
21
sung. Auch das Opfer der lebendigen Lichtseele, Urbild
des noch zu erschaffenden, ersten Menschen auf Erden,
ist nicht ein tragisches Unglück, das hätte verhindert werden
müssen. Die Lichtseele wird nicht gerettet. Anders als
für das Geistprinzip, den Licht-Nous, gibt es für sie keine
Rückkehr zur Lichtheimat. Notwendigerweise wird dieses
Opfer von unsäglichem Leid der Lichtseele begleitet, sie
leidet in den Lichtteilen, die in die unschuldigen Geschöpfe
der Natur hineingemischt worden sind. In zahllosen
Hymnen lässt sie ihre drängende Not erklingen und bittet
darum, befreit zu werden.
Gerade wegen dieses Opfers fängt jedoch die Vermischung
von Licht und Finsternis an und dank dieser eröffnet
sich die Möglichkeit einer zukünftigen Heilung und
Erlösung. Durch die verschiedenen grossen Schöpfungsphasen
hindurch wird diese Substanz der Vermischung
sich verdichten, bis zu dem Punkt, an dem Materie entsteht.
Dies bedeutet, dass auch in der Materie noch Elemente
der Lichtseele anwesend sind.
Materie ist also nicht ein zu Ende gekommenes Ergebnis,
das aus der Wirksamkeit der Finsternis entstanden ist,
sondern sie ist hervorgegangen aus dem Vermischungsprozess,
an dem sowohl Licht als auch Finsternis beteiligt
waren. Die zerstreuten Teile der Lichtseele bilden ein
Lichtkreuz, an dem die Seele gekreuzigt erscheint und das
die ganze erschaffene Welt umspannt.
Im westlichen Manichäismus wurde dieses Lichtkreuz als
‹Jesus patibilis›, die Summe des in der Welt gefesselten
Lichtes, angerufen. Zu den zentralen Aufgaben in einer
manichäischen Gemeinschaft gehörte es, diese zerstreuten
Lichtelemente aus ihrem Gefesseltsein während des
kultischen Abendmahls der Electi zu befreien, damit sie
wieder ‹eingesammelt› werden könnten. Auf diese Weise
wurden sie in einen heilenden, neuen Zusammenhang, in
die sogenannte ‹Säule der Herrlichkeit›, aufgenommen,
als Vorbote und Zeichen einer zukünftigen Schöpfung.
Eine nie endende Tat
Das Kreuz, das auf Golgatha aufgerichtet wurde, ist eine
Tat. Am Kreuzholz, das heißt an der Hylè, an der Materie,
wurde Derjenige gehängt, der diese Tat vollzieht. Weder
wurde Er gerettet noch konnte Er sich selbst retten. Die
sieben Worte, die am Kreuz gesprochen wurden, sind Worte
eines Gekreuzigten im Vollziehen dieser Tat. Nirgendwo
sonst als am Kreuz konnten sie gesprochen werden.
Das Kreuz ist Zeichen und Bild in einem.
living soul of light, the archetypal image of the first human
on Earth which had yet to be created, is not a tragic misfortune
that should have been prevented. The soul of light
is not being saved. Unlike the spiritual principle, the light
nous, there is no return to the home of light for it. Necessarily,
this sacrifice is accompanied by the unspeakable
suffering of the soul of light. It suffers in the fragments
of light that have been mixed into the innocent creatures
of nature. In countless hymns, it lets its pain resound and
asks to be liberated.
It is precisely because of this sacrifice, however, that the
mixing of light and darkness begins, and thanks to this
the possibility of future healing and redemption opens up.
Through the various major stages of Creation, this mixed
substance will condense to the point where matter is formed.
This means that elements of the soul of light are still
present in matter.
Matter, then, is not a finished end-product that arose
through the workings of darkness but emerged from the
mixing process in which both light and darkness were involved.
The scattered parts of the soul of light form a cross
of light on which the soul appears crucified and which
spans the entire created world.
In Western Manichaeism, this cross of light was invoked as
‹Jesus patibilis›, the sum of the light bound in the world.
One of the central tasks in a Manichaean community was
to free these scattered light elements from their bondage
during the cultic lord’s supper of the Electi so that they
could be ‹gathered together› again. In this way, they were
integrated into a new healing wholeness, in the so-called
‹pillar of glory›, as a harbinger and sign of future Creation.
A never-ending deed
The cross erected on Calvary is a deed. On the wooden
cross, that is, on the Hylè, on matter, the one who performs
this deed was hanged. He was neither saved nor
could He save Himself. The seven words spoken on the
cross are the words of a Crucified One in carrying out this
deed. Nowhere else but on the cross could they be spoken.
The cross is a sign and an image all in one.
The cross as a sign allows the effectiveness of the deed on
Calvary to spring anew every time. The cross as an image
reveals the reality of the being, in the incessant execution
of this deed. Every spiritual efficacy leaves its trace. A sign
is a means by which this trace can remain permanently in
22
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Das Kreuz als Zeichen lässt die Wirksamkeit der Tat auf
Golgatha jedes Mal neu entspringen. Das Kreuz als Bild
offenbart die Wirklichkeit des Wesens, im unaufhörlichen
Vollziehen dieser Tat. Jede geistige Wirksamkeit zieht
ihre Spur. Ein Zeichen ist ein Mittel, wodurch diese Spur
in der Welt des Sichtbaren bleibend verweilen kann. Und
wirksam werden. Als Zeichen be-zeichnet das Kreuz die
ununterbrochene Wirkung der Tat, die auf Golgatha vollzogen
wurde. Ein Zeichen verweist nicht, sondern vollzieht.
Im Zeichen des Kreuzes wird die Tat auf Golgatha in ihrer
Wirkung neu vollzogen. Jedes Mal. Eine geistige Wirksamkeit
kann in ihrer Wahrheit unmittelbar erfahren werden.
Die unmittelbare Erfahrung der geistigen Wirklichkeit des
Kreuzes ist unerschöpflich. Das Bild vermittelt dieses Unerschöpfliche.
Es lebt. Es lebt überall da, wo das Vertikale
und das Horizontale einander kreuzen. In jeder menschlichen
Gestalt, so wie in jedem Baum, kommt es uns entgegen.
Kreuzen ist weder berühren noch aneinander vorbeigehen.
Kreuzen bedeutet: durchdringen. Und in diesem Durchdringen
die Möglichkeit einer Umwandlung zu eröffnen.
Im kreuzend Sich-Durchdringen wirkt eine Potenz, die jedes
Erfassungsvermögen übersteigt. Eine Potenz, die aber
in dem Kreuz als Zeichen und als Bild anerkannt werden
kann. Es geht um die Kraft, die imstande ist, alles Lebendige
zu umspannen und zusammenzuhalten.
Auf eine solche Weise zu umspannen, dass keiner verloren
geht. Das ist die horizontale Dimension des Kreuzes. Und
diese Dimension wird unaufhörlich von dem durchzogen,
was aus den Höhen zu den Tiefen herabsteigt. Und das
nach dem Kreuzen mit der Dimension des Horizontalen
aus den Tiefen wieder aufsteigen kann: die vertikale Dimension.
Da, wo beide sich kreuzen, begegnen sich sowohl das Bedürfnis,
gerettet zu werden, als auch die Notwendigkeit
einer Heilung, die alle Geschöpfe betrifft. Erst da wirkt die
Kraft des Erlösers. Und werden wir gerettet und geheilt.
the world of the visible. And become effective. As a sign,
the cross marks the uninterrupted effect of the deed carried
out on Calvary. A sign does not refer but enacts. Under
the sign of the cross, the deed on Calvary is carried out
anew in its effect. Every time. A spiritual efficacy can be
experienced directly in its truth. The direct experience of
the spiritual reality of the cross is inexhaustible. The image
conveys this inexhaustible reality. It lives. It lives everywhere
where the vertical and the horizontal intersect. In every
human form, as in every tree, it comes to meet us.
Crossing is neither touching nor passing each other. Crossing
means: penetrating. And in this penetration, the
possibility of a transformation opens up. In intersecting,
penetration acts with a potency that exceeds any comprehension
– a potency that can be recognized in the cross as
a sign and as an image. It is a power that is able to encompass
and hold together all living things.
To encompass in such a way that no one is lost – this is
the horizontal dimension of the cross. This dimension is
constantly permeated by that which descends from the
heights to the depths. And which, after intersecting with
the dimension of the horizontal, can rise again from the
depths: the vertical dimension.
Where the two intersect, both the need to be saved and the
need for healing that affects all creatures meet. Only there
does the power of the Savior work. And we will be saved
and healed.
Dieser Beitrag erscheint mit freundlicher Genehmigung der Autorin und
der Zeitschrift Das Goetheanum: www.dasgoetheanum.com
This article appears with kind permission of the author and the journal
Das Das Goetheanum: www.dasgoetheanum.com/en/
Christine Gruwez wird an der kommenden internationalen Tagung einen
Vortrag halten.
Christine Gruwez will give a presentation at the upcoming international
conference.
Literatur/Literature
Jonas, H. (1992): The Gnostic Religion. The message of the Alien God and
the beginnings of Christianity, Religion. Beacon Press, London ||| Mozart,
W. A. (1991): Die Zauberflöte, Reclam, Ditzingen ||| Steiner, R. (2001): Kosmogonie.
Zweiter Vortrag, 26. Mai 1906, in: ders. Kosmogonie (GA 94),
Rudolf Steiner Verlag, Dornach.
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Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
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Zur Erinnerung an
Karl König
Eine biografische Skizze anlässlich
seines 120. Geburtstages
In Memory of
Karl König
A biographical study on the occasion
of his 120th birthday
von Doris Unger
by Doris Unger
Wer war dieser Wiener Arzt des letzten Jahrhunderts, der
so viel Lebenserfahrung, Vorträge, Bücher, Beispiele für
inklusives Zusammenleben und so viel Wahrheit in seinen
Worten hinterlassen hat?
Ich möchte hier seine umfangreiche Biografie zusammenfassen,
indem ich betrachte, was wir heute noch von seiner
heilpädagogischen Bewegung und von ihm lernen können.
Who was this Viennese physician from the last century,
who left behind so many lectures, books, and examples of
inclusive living, and so much life experience and truth in
his own words?
I would like to briefly summarize his rich biography from
the perspective of what we can still learn from him and
from his curative education movement today.
Karl König mit seiner Mutter
und als Schüler
Kindheit und Jugend in Wien
Karl König wurde am 25.9.1902 in Wien, Österreich/Ungarn
geboren. Sein Vater war ein ernsthafter und gläubiger
Jude, der Grossvater war Talmud-Gelehrter. Seine Mutter,
ebenfalls Jüdin, hatte sich von religiösen Bindungen befreit
und besuchte die Synagoge nur noch zu den hohen Feiertagen.
Karl war das erste und einzige Kind. Seine Eltern
besassen ein Schuhgeschäft und gehörten zu einer wohl-
Childhood and adolescence in Vienna
Karl König was born in Vienna, Austria/Hungary on September
25 th , 1902. His father was an earnest and devout
Jew; his grandfather was a Talmud scholar. His mother,
also Jewish, had freed herself of religious ties and only attended
synagogue on high holidays. His parents owned a
shoe store, and they were one of the wealthier Jewish families
in Vienna. Karl was their first and only child. He was
26
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Doris Unger ist Diplom-Erziehungswissenschaften, Heilpädagogin,
Sozialtherapeutin sowie Biografieberaterin. Sie ist
seit 20 Jahren tätig in der Waldorfschule Clara de Asís, Buenos
Aires, Mitgründerin des Heilpädagogischen Seminars
Cruz del Sur in Argentinien und Mentorin im Heilpädagogischen
Seminar Gita in Mexico. Sie unterrichtet zu pädagogischen,
heilpädagogischen und biografischen Themen in
Lateinamerika.
Doris Unger has a degree in education and is a curative
educator, social therapist and biographical counselor. She
has been working for 20 years in the Waldorf School Clara
de Asís, Buenos Aires, is a co-founder of the Curative
Education Seminar Cruz del Sur in Argentina and mentor
in the Curative Education Seminar Gita in Mexico. She teaches
on educational, curative and biographical topics in
Latin America.
habenderen jüdischen Familie in Wien. Er war ein kleiner
Junge mit einem grossen Kopf, nur seine vielen Locken liessen
ihn etwas grösser erscheinen. Karl König sprach kaum
über seine Kindheit, schrieb aber einiges in seinem Tagebuch
auf, woraus wir entnehmen können, dass sie einsam
war, da er von klein auf anders dachte und fühlte, als die
meisten seiner Altersgenossen.
Im Alter von fünf Jahren, am Ostertag 1908, besuchte Karl
mit seinem Kindermädchen eine katholische Messe. In der
Mitte der Kirche stand ein Sarg und er wollte hineinschauen,
um herauszufinden, was sich darin befand. Doch es
wurde ihm verboten mit der Begründung, dies dürften nur
Geistliche tun und es erwuchs in dem Jungen der Wunsch,
Priester zu werden. Im Elternhaus wurde er davon überzeugt,
dass das Priesteramt nicht mit seinen jüdischen
Wurzeln vereinbar sei und so entschied der kleine Karl,
Rabbiner zu werden. Was der Junge mit seinen Augen sehen
wollte, sollte später zur lebenslangen Suche nach der
Erkenntnis des Geheimnisses von Tod und Auferstehung
werden.
Karl König war ein stilles, einsames Kind, und sein Zuhause
entsprach nicht seinen geistigen und spirituellen Bedürfnissen.
Er entwickelte eine grosse Fähigkeit zum Mitgefühl
und spürte den Schmerz der Welt. Karl machte seiner
Mutter Vorwürfe, weil sie so gut kochte, während es Kinder
gab, die nichts zu essen hatten. Er verschenkte seine
Kleider an die Armen auf der Strasse, denn es herrschte
viel Elend um ihn herum, was sich infolge des Ersten Weltkriegs
noch verschärfte.
Die Schule erfüllte ihn nicht, seine Eltern stellten ihm deshalb
einen Privatlehrer zur Seite, der mit ihm spazieren
ging und sich mit ihm unterhielt. Eines Tages eröffnete der
Lehrer Karls Mutter, das Kind solle besser seinen Lohn erhalten,
da es mehr wisse als er selbst und damit wurde der
Unterricht eingestellt.
Die in der jüdischen Tradition stehende Feier der Bar-Mizwa
im Alter von 13 Jahren bereitete dem jugendlichen Karl
erhebliche Probleme, da er bereits eine tiefe Verbundenheit
mit dem Christentum verspürte. Zwei Jahre später entdeckte
er Gott in der Natur, er gewahrte das Gefühl für die
small for his age with a large head, though his many curls
made him look a bit taller. Karl König rarely spoke of his
childhood, though he did write some in his journal, from
which we can gather that he was lonely because he thought
and felt differently from his peers from a young age.
On Easter Sunday, 1908, five-year-old Karl attended a
Catholic mass with his nanny. In the center of the church
was a coffin, and he wanted to look inside to see what was
in it. He was told that only priests were allowed and was
forbidden to do it, upon which he decided to become a
priest. At home, however, he was convinced that priesthood
was not compatible with his Jewish heritage, so little
Karl decided to become a rabbi. This boy’s wish to see the
contents of the coffin with his own eyes would later become
a lifelong search for insight into the secrets of death
and resurrection.
Karl König was a quiet, lonely child and his home life did
not fulfill his intellectual and spiritual needs. He developed
a great capacity for compassion, and felt the pain of
the world. He reproached his mother for cooking so well
when there were so many children without anything to
eat. He gave his clothes away to poor people in the street;
there was a great deal of poverty around him, which only
increased following WWI.
School did not meet his needs, so his parents provided him
with a private tutor who took him for walks and conversed
with him. One day the tutor informed Karl’s mother that
the child should be getting his salary, since he knew more
than his tutor, and that was the end of the lessons.
The traditional Jewish celebration of his bar mitzvah at
age thirteen was very problematic for young Karl, as he
already felt a deep connection to Christianity. Two years
later he discovered God in nature, becoming aware of a
sense for the beauty of creation and the deep lawfulness of
27
Schönheit der Schöpfung und damit die Tiefe der Gesetze
der Welt. In diesem Alter entstand auch der Wunsch, Arzt
zu werden, um ein wahres und gutes Leben in Gott zu führen.
Neben den Schriften von Johann Wolfgang von Goethe,
Friedrich Schiller, Ernst Haeckel und Sigmund Freud fand
er vor allem im Evangelium das, wonach er schon lange
gesucht hatte und von dem er spürte, dass es sein Leben
von nun an bestimmen würde. All diese eroberte Welt war
schmerzhaft und schwierig, er schrieb Gedichte, spielte
Klavier, aber wo er merkte, dass die schöpferische Kraft
nicht gerecht oder perfekt war, hatte er Gefühle der Verzweiflung.
Im Alter von 19 Jahren stiess König erstmals auf den
Namen Rudolf Steiner und fand in dessen Schriften eine
grosse Verbundenheit zu seinen eigenen Gedanken. Er
versäumte jedoch die Gelegenheit zur Teilnahme an einem
Ost-West Kongress in Wien und damit die Möglichkeit
einer Begegnung mit Steiner, was ihn im Nachhinein beschämte
und aber umso mehr überzeugte, dass er sich für
die Anthroposophie einsetzen müsse. Er blieb Zeit Lebens
tief mit Rudolf Steiner verbunden.
König studierte Medizin und war fasziniert von Anatomie,
Physiologie und Embryologie. Er interessierte sich für den
Keim des Lebens und den dahinter verborgenen Geistursprung.
Er forschte insbesondere in Fragen der Embryologie
und suchte auf diesem Weg nach einer Verbindung von
Natur- und Geisteswissenschaft. Bereits an der Universität
lernte er die Heilpädagogik kennen, deren Institut später
von Hans Asperger geleitet wurde.
Er schloss sich sozialen Gruppen an und vertrat die Ansicht,
dass es eine Metamorphose im sozialen Leben geben und
dass diese auf der Verwandlung des einzelnen Menschen
beruhen müsse. Eine geistige Arbeit bleibe unfruchtbar, so
die weiteren Überlegungen, wenn sie nicht mit der Teilnahme
am Leben und Schicksal eines anderen verbunden sei
und dass die Ehrfurcht vor der göttlichen Welt identisch
mit der Ehrfurcht vor dem anderen Menschen werde. Schon
hier ist die Basis für die zukünftigen Ideale der Camphill-
Gemeinschaft zu erkennen.
Auch er musste diesen langen und schwierigen Weg gehen:
sich im Mitgefühl üben, sich an den Akt der Liebe erinnern
und an den Christus, der sich für die ganze Menschheit
aufopfert.
the world. Also at this age, a desire to become a physician
in order to lead a true and good life in God arose in him.
In the Gospels especially, as well as in the writings of Johann
Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Ernst Haeckel
and Sigmund Freud, König found something he had
long sought and that he sensed would determine his life
going forward. All of this conquered world was painful
and difficult for him; he wrote poems and played piano,
but when he noticed that his creativity wasn’t just or perfect,
he experienced feelings of despair.
König first came across the name of Rudolf Steiner at the
age of nineteen, and found in his writings a strong affinity
to his own thoughts. However, he missed the opportunity
to attend an East-West conference in Vienna and to meet
Steiner, which he felt ashamed about in retrospect and
which convinced him all the more that he needed to commit
to anthroposophy. He remained deeply connected to
Rudolf Steiner for the rest of his life.
He studied medicine and was fascinated with anatomy,
physiology and embryology. He was interested in the
spark of life and the origin of the spirit hidden behind it.
His research focused particularly on embryology and he
sought a path to a connection between the natural and social
sciences through it. While at university, he discovered
curative education through the institute later headed by
Hans Asperger.
König joined social groups and expressed the view that
there needed to be a metamorphosis in social life based
on transformation within individual human beings. He believed
that spiritual work would remain fruitless if it were
not related to sharing in the life and destiny of another,
and that reverence for the divine world is identical to reverence
for another human being. We can already recognize
the seeds of the future ideals of Camphill communities in
these convictions.
He, too, had to walk this long and difficult path: practicing
compassion, remembering the act of love and the Christ,
who sacrifices himself for all of humanity.
28
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Anthroposophische Heilpädagogik
in Arlesheim und Pilgramshein
Nach einer Begegnung mit Ita Wegman am Wiener Hauptbahnhof
nahm Karl König deren Einladung zum Praktikum
am Klinisch-Therapeutischen Institut in Arlesheim gerne
an, doch er wusste noch nicht, welche tiefgreifende Bedeutung
dieses Treffen für sein Leben haben sollte.
Bei seiner Ankunft in Arlesheim hatte er keinen Vertrag
und alles war sehr informell. Ita Wegman vertraute ihm die
Betreuung der seelenpflegebedürftigen Kinder im Sonnenhof
an. Diese Kinder mit riesigen oder sehr kleinen Köpfen,
mit Lähmungen oder epileptischen Anfällen berührten ihn
zutiefst, und obwohl er nicht darauf vorbereitet war, dachte
er, dass diese Tätigkeit es ihm ermöglichen würde, die
polaren Tendenzen der Menschheit zu studieren. Er hatte
gelernt, sie zu wickeln, zu baden und ihnen das Essen zu
reichen. Nachmittags arbeitete er im Labor und gab Kurse
für Krankenschwestern und Heileurythmistinnen.
Bereits zur ersten Weihnachtstagung nach dem Tod Rudolf
Steiners hielt Karl König 1927 auf Wunsch Ita Wegmans
einen Vortrag über sein Fachgebiet Embryologie vor 1000
Menschen in der Schreinerei, die nach dem Brand des ersten
Goetheanums als Saal diente. Im Folgenden wurde Ita
Wegman seine Beraterin für Themen, Vorträge und Heilpädagogik.
Sie war zur Leiterin der medizinischen Sektion
ernannt worden, die sich auch mit der Betreuung von Kindern
und Erwachsenen mit besonderen Bedürfnissen befasste,
sie half beim Aufbau zahlreicher Einrichtungen in
Europa und beriet die verschiedenen Impulsgeber, zudem
leitete sie weiterhin das Klinisch-Therapeutische-Institut in
Arlesheim. Ita Wegman und Karl König standen zeitlebens
in freundlicher Verbundenheit.
In diesem Jahr lernte König seine zukünftige Frau Tilla
Maasberg kennen, die am selben Tag wie er in Arlesheim
angekommen war. Tilla war Krankenschwester, sie gehörte
zu einer Familie der Herrnhuter Brüdergemeinde und
empfand grosse Zuneigung gegenüber Karl. Er folgte ihrer
Einladung in ihre schlesische Heimat und begann mit Albrecht
Strohschein in einem alten Schloss den Aufbau einer
heilpädagogischen Gemeinschaft. Hier sollte König eine
vorübergehende Heimat finden. Er übernahm die medizinische
Betreuung der Kinder des Heims und wirkte zudem als
Allgemeinarzt in der Region. Er vertiefte sein Wissen über
Entwicklungsstörungen, hielt viele Vorträge, organisierte
Fortbildungen, betreute Familien und erfreute sich einer
vielbesuchten hausärztlichen Praxis.
Karl und Tilla heirateten am 5. Mai 1929, als er 26 Jahre alt
war und in den folgenden Jahren wurden die drei Kinder
Renate, Christof und Andreas geboren. Das vierte Kind,
Veronika, wurde 1937 in Wien geboren. Viele der Reisen
nach Prag, die er mit den befreundeten Priestern Emil Bock
Anthroposophic curative education
in Arlesheim and Pilgramshain
After meeting Ita Wegman at the Vienna central train station,
Karl König gladly accepted her invitation to intern at
the Clinical and Therapeutic Institute in Arlesheim, without
knowing what a profound significance this meeting
would have in his life.
When he arrived in Arlesheim, he had no contract and everything
was very informal. Ita Wegman entrusted him with
caring for the children in need of special care at Sonnenhof.
These children, with abnormally large or small heads,
with paralysis or epileptic seizures, moved him deeply,
and although he was not prepared for it, he believed that
this work would allow him to study the polar tendencies in
human beings. He learned to diaper, bathe and feed them.
In the afternoons, he worked in the lab and gave courses
for nurses and eurythmy therapists.
At the first Christmas conference after Rudolf Steiner’s
death, in 1927, Karl König accepted Ita Wegman’s invitation
to give a lecture on his field of embryology to a
thousand audience members in the carpentry workshop
[Schreinerei], which served as an auditorium after the first
Goetheanum had burned down. Thereafter, Ita Wegman
became his advisor on issues, lectures and curative education.
She was appointed head of the Medical Section, which
also dealt with the care of children and adults with special
needs. She also helped to establish numerous centers in
Europe and advised the various founders, and she continued
to direct the Clinical and Therapeutic Institute in
Arlesheim. Ita Wegman and Karl König remained friends
throughout their lives.
He also met his future wife, Tilla Maasberg, during this
year in Arlesheim – she had arrived there the same day
as he. Tilla was a nurse from a family of Moravians, and
developed a great affection for Karl. He accepted her invitation
to her home in Silesia and began to build a curative
education community in the old castle Pilgramshain
with Albrecht Strohschein. He took on the medical care
of the children and also worked as a general practitioner
in the area. He deepened his knowledge of developmental
disorders, gave many lectures, organized continuing
education courses, cared for families, and enjoyed a busy
family practice.
Karl and Tilla married on May 5 th , 1929 when he was 26
years old, and their first three children, Renate, Chris-
29
und Rudolf Meyer aus der Gemeinde unternahm, dienten
dem Austausch von pastoral-medizinischen Themen mit
Schwerpunkt auf sozialen Fragen, einem Hauptinteresse
Königs.
Zurück in Wien und Emigration
nach Schottland
Im Alter von 33 Jahren kehrte Karl König nach konfligierenden
Entwicklungen in Pilgramshain 1936 zurück nach
Wien, wo er eine eine grosse Praxis mit einer Arzthelferin,
einem Fahrer und vielen, vielen Patientinnen und Patienten,
die täglich zu ihm kamen, eröffnete. Es war eine der
intensivsten Perioden seiner Arbeit. Jetzt war es seine Aufgabe,
für sich selbst zu sorgen, es gab keine Institution
mehr, die ihn aufnahm, die Institution waren er selbst und
seine Mitarbeitenden.
Inzwischen hatte der Nationalsozialismus in Deutschland
starke Ausbreitung gefunden und das gesellschaftliche
Klima änderte sich auch in Österreich, sodass Karl König
angesichts seiner jüdischen Herkunft Anfeindungen ausgesetzt
war und sich mit seiner Vortragstätigkeit in der
Öffentlichkeit nicht mehr sicher fühlte.
Er wurde von einer Gruppe junger Menschen angesprochen,
von denen die meisten ebenfalls jüdisch waren und
die sich nach Spiritualität sehnten. Mit ihnen studierte er
anthroposophische Literatur und entwarf Pläne für eine
zukünftige Gemeinschaft für seelenpflegebedürftige
Kinder. Neben dieser Lektüre probten sie die Oberuferer
Weihnachtsspiele ohne zu ahnen, dass sie eines Tages die
Gründer der Camphill-Bewegung sein würden.
Am 11. März 1938 wurde Österreich dem nationalsozialistischen
Deutschen Reich angeschlossen und im August
1938 gelang König im Auto einer Patientin die Flucht nach
Italien, während seine Familie zunächst in Wien blieb. Bereits
in Wien hatte er eine Einladung nach England erhalten
und er griff Ita Wegmans Anregung auf, in Schottland ein
heilpädagogisches Zentrum aufzubauen.
Kurze Zeit darauf trafen die Familie und die Mitglieder der
Jugendgruppe ein und alle zusammen konnten im März
1939 in Kirkton House in Insch mit der heilpädagogischen
Arbeit beginnen. Das Leben musste hier neu erfunden
werden. Alle lebten zusammen, arbeiteten zusammen, sie
lernten und feierten zusammen. Sie mussten es lernen,
die Talente und Gewohnheiten der anderen wahrzunehmen
und zu akzeptieren und halfen sich gegenseitig, damit
umzugehen.
tof and Andreas, were born in the following years. Their
fourth child, Veronica, was born in Vienna in 1937.
Many of his trips to Prague, which he took with priest
friends Emil Bock and Rudolf Meyer from his congregation,
were for the purpose of exchange on pastoral medical
questions with an emphasis on social issues, one of
König’s main interests.
Return to Vienna and Emigration
to Scotland
In 1936, at the age of 33, Karl König returned to Vienna
after conflicts arose in Pilgramshain. In Vienna, he opened
a large daily practice with a medical assistant, a driver, and
a great many patients. It was one of the busiest periods
of his career. For the first time, he was completely on his
own, professionally, and not a part of any institution.
By this time, National Socialism had become widespread in
Germany and the social climate was changing in Austria,
as well. Karl König was exposed to hostility because of his
Jewish origins and no longer felt safe lecturing in public.
He was approached by a group of young people, most of
whom were also Jewish, who yearned for spirituality. He
studied anthroposophic literature with them and they
drew up plans for a future community for children in need
of special care. In addition to this reading, they also rehearsed
the Oberufer Christmas plays, without suspecting
that they would one day be the founders of the Camphill
movement.
On March 11 th , 1938, Austria was incorporated into the National
Socialist German Reich, and in August of 1938, König
was able to flee to Italy in a patient’s automobile, while
his family remained in Vienna. He had already received an
invitation to England, and he took up Ita Wegman’s suggestion
to create a curative education center in Scotland.
Soon after, his family and the members of the youth group
arrived, and they were all able to begin their curative education
work in March, 1939 at Kirkton House in Insch,
Scotland. Here, they had to invent a new life. Everyone
lived together, worked together, learned together and celebrated
together. They had to learn to recognize and accept
each other’s talents and habits and help each other live with
them.
30
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Inhaftierung
Im Sommer 1940 zog die Gemeinschaft in das westlich von
Aberdeen gelegene Camphill House um, das der zukünftigen
Organisation den Namen geben sollte. Doch wenige
Wochen vor der Übersiedlung wurde Karl König zusammen
mit den anderen Männern in die Internierung auf die Isle of
Man gebracht. Die Frauen blieben mit den Kindern allein.
Die Gefangenschaft erlebte König als eine reiche Zeit des
Studiums und der Meditation. Mit einer kleinen Schachtel
Buntstifte, die Tilla ihm geschickt hatte, zeichnete er Woche
für Woche die Bilder des Seelenkalenders, nachdem er
sich intensiv mit ihnen beschäftigt hatte, erschlossen sie
sich ihm als Einweihungsweg. Es entstanden Imaginationen
vor seinem inneren Auge, die er in einfachen Bildern
festhielt.
Während der Inhaftierung studierten die Männer Vorträge
von Rudolf Steiner und die Frauen in Camphill lasen, nachdem
sie all ihre Arbeiten um Haus und Hof, die Betreuung
der Kinder, die Gartenarbeit usw. erledigt hatten, die gleichen
Texte, ohne voneinander zu wissen. König nannte sie
später in seinen Texten die «tapferen Frauen».
In diese Zeit fällt auch das tiefgreifende spirituelle Erlebnis,
das König den Impuls zum Entwurf eines Bibelabends
gab, der seither in den Camphill-Gemeinschaften weltweit
gepflegt und tradiert wird.
Aufbau der Camphill-Bewegung
Die weiteren Jahre waren eine bewegte Zeit der Opferbereitschaft
und Disziplin. Die Aufbauarbeit war sehr intensiv
und König empfand sie als eine Zeit der Prüfung. Tagsüber
wurde gearbeitet, gepflegt, gelehrt und abends wurden
Texte studiert oder Kinder besprochen. Er kämpfte angesichts
seiner hohen Ansprüche mit den Voraussetzungen
vor Ort und mit den Menschen. Doch in diesen Phasen
leuchtete auch das Ideal wieder auf und inspirierten ihn in
seinen Publikationen.
Der Tod seiner verehrten und bewunderten Freundin Ita
Wegman am 4. März 1943 traf Karl König zutiefst:
«Mir ist es, als wäre ein Lebensnerv in meinem Innern
durchschnitten. Dass ich sie hier auf Erden nicht mehr
sehen werde kann ich nicht glauben. Wie leer ist es
plötzlich um mich herum.» (König 2012, S. 101)
Indes wuchs die Gemeinschaft und entwickelte sich weiter.
Das soziale Miteinander stellte Herausforderungen an alle,
das Interesse füreinander ging von Zeit zu Zeit verloren
und es mangelte aus Sicht Königs an sozialmoralischen
Techniken. Er knüpfte an die Intentionen Rudolf Steiners
im Sinne der Weihnachtstagung 1923 an und näherte sich
vorsichtig dem Gedanken der Dreigliederung des sozialen
Organismus. In diesem Zusammenhang verfasste er
Imprisonment
In the summer of 1940, the community moved west of
Aberdeen to Camphill House, namesake of the future organization.
However, only a few weeks before the move,
Karl König and all of the other men were taken to the Isle
of Man and interned there. The women were left alone with
the children.
König experienced his imprisonment as a period of rich
study and meditation. Each week, with a small box of colored
pencils Tilla had sent him, he drew pictures for the
Soul Calendar, which he had studied intensively and discovered
as a path of initiation. Imaginations arose before
his inner eye, and he recorded them in simple pictures.
During their imprisonment, the men studied lectures by
Rudolf Steiner. Without any of them knowing it, the women
were reading the same lectures after finishing all of
their house and farm work, caring for the children, gardening,
etc. In his later writings, König called them the «valiant
women».
During this time König also had the profound spiritual experience
that inspired him to design a Bible evening, which
has remained a tradition in Camphill communities around
the world.
Building the Camphill movement
The following years were an eventful time of sacrifice and
discipline. The work of establishing Camphill was very intense
and König experienced it as a time of testing. During
the day there was work, caregiving, and teaching, and in
the evening, texts were studied or children discussed. Because
of his high expectations, König struggled with the
local conditions and with other people. But the ideal continued
to shine and inspire him in his publications.
The death of his revered and admired friend, Ita Wegman,
on March 4, 1943, affected Karl König deeply:
«It is as if a vital nerve within me has been severed. I can’t
believe that I will never see her again here on Earth, and
how empty everything around me has become.» (König 2012)
Meanwhile, the community grew and developed. The social
togetherness posed challenges to all; interest in each
other was lost from time to time and, in König’s view,
there was a lack of social/moral technique. He took up
Rudolf Steiner’s intentions in the spirit of the 1923 Christmas
Conference and cautiously approached the idea of
31
das erste Memorandum mit Richtlinien für alle, die in den
Camphill-Schulen arbeiten wollten, was für ihn auch bedeutete,
die Anthroposophie zu leben und den eigenen
Egoismus allmählich zu überwinden, wie beispielsweise
keinen Anspruch auf eine Vergütung im herkömmlichen
Sinne erwarten zu dürfen, sondern:
the threefolding of the social organism. In this context he
wrote the First Memorandum with guidelines for all those
who wanted to work in the Camphill schools, which for
him also meant living anthroposophy and gradually overcoming
one’s own egotism. This included not expecting
any entitlement to remuneration in the conventional sense,
but rather:
Die aus Liebe zu den Kindern,
den Kranken,
den Leidenden,
aus Liebe zu dem Boden,
den Gärten, Feldern, Wäldern
und allem, was im Bereich
der Gemeinschaft liegt;
ihre Arbeit verrichten;
Die aus Demut zu Christus,
der im Ätherreich der Erde
wieder erschienen ist,
für den wahren Fortschritt der Menschheit
ihrer Hände Werk tun
und damit ihren eigenen Willen
dem Geistwillen opfern wollen.
Die ihr Leben gestalten
im Streben zum Geiste
Those who do their work
out of love for the children
the sick
the suffering;
out of love of the earth,
the gardens, fields, woods,
and everything that lies within
the bounds of the community;
Those who, out of humility before Christ –
who has appeared again
in the Earth’s etheric realm –
work with their hands
toward true progess for humanity
and in so doing, sacrifice their own will
to the will of the spirit;
Those who shape their lives
by striving toward the spirit
32
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Fotos auf den Seiten 32-35 | Photos on pages 33-35:
Camphill-Hall
Camphill House
Die ersten Jahre | the first years
Karl König als Heilpädagoge, Vortragsredner und Kollege | Karl König as a curative educator, lecturer and colleague
unseres Zeitalters,
wie er durch Rudolf Steiner
gezeigt wurde
und sich ausdrückt
sowohl in den Sakramenten
der Christengemeinschaft
als auch in der inneren Kommunion
der einzelnen Menschenseele,
die um ihre Entwicklung
und um wahre Menschenkenntnis
als Grundlage für gemeinsame
Verantwortung ringt;
Alle, die bereit sind,
aus solchem Geiste heraus zu arbeiten,
mögen sich Mitglieder
der Camphill-Gemeinschaft nennen.
(König 1945, zitiert nach Müller-Wiedemann 2016, S. 268.)
of our time,
as it has been shown
by Rudolf Steiner
and expressed
both in the sacraments
of the Christian Community
and in the inner communion
of individual human souls
who struggle for their own development
and for true understanding of humanity
as the basis for shared responsibility;
All who are prepared
to work in this spirit
may call themselves members
of the Camphill Community.
(König, quoted from Müller-Weidemann 2016, p. 268,
translated by T. Babitch)
33
1949, Karl König war 47 Jahre alt, begann das erste heilpädagogische
Seminar in Camphill, «The Training Course»,
und er begann zu begreifen, dass in der interdisziplinären
Arbeit die heilpädagogische Fachkraft im Zentrum und im
Umfeld der verschiedenen Berufe stehen sollte.
In 1949, Karl König was 47 years old and began the first
curative education seminar in Camphill, «The Training
Course», and he began to understand that in this interdisciplinary
work, curative education professionals would
need to be at the center, surrounded by the various other
professions.
Vortragsreisen, Gründungen,
Erkrankung
Das Jahr 1953 war ein entscheidendes Jahr in seiner Biografie,
denn nach 14 Jahren begann Karl König seine Leitungsaufgaben
abzugeben. Zuvor war es notwendig, für
die Gemeinschaft zu sorgen, denn es war seine geistige
Idee, die er auf die Erde brachte.
Bis zu seinem 52. Lebensjahr war König in alle Geschäfte
der Camphill-Gemeinschaft involviert, er war der Superintendent
und trug Sorge um sämtliche Belange der Bewegung,
er erledigte die gesamte Verwaltungsarbeit, er
eröffnete Schulen und Zentren, er kümmerte sich um die
Aufnahme neuer Kinder und um die Finanzen, er bereiste
ganz Europa mit seiner Sekretetärin Alix Roth, seiner rechten
Hand, und hielt Vorträge.
Lecture tours, new initiatives,
and illness
1953 was an important year in Karl König’s biography, as
he began to hand over his leadership duties to others after
fourteen years. Up till then it had been necessary for him
to take care of the community, as it was his spiritual idea
that he had brought to earth.
Until the age of 52, König was involved in all the business
of the Camphill community: He was the supervisor and
took care of all the movement’s affairs, he did all the administrative
work, he opened schools and centers, he oversaw
the finances and admission of new children, and he
traveled and lectured all over Europe with his secretary,
Alix Roth, his right hand.
At the age of 52, Karl König fell ill with angina pectoris. For
a long time, it was not clear whether this would lead to his
34
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Im Alter von 52 Jahren erkrankte Karl König an Angina Pectoris.
Lange Zeit war nicht klar, ob die Krankheit zu seinem Tod
führen sollte oder ob ihm noch einmal das Leben geschenkt
würde. Die grossen Herausforderungen, die er in den letzten
zwei Jahren bewältigt hatte, manifestierte sich nun in Form
einer Krankheit. Alix Roth und einer der Ärzte kümmerten
sich vier Monate lang hingebungsvoll um ihn. In dieser Zeit
death or whether he would be given the gift of more life.
The transformation that he had been dealing with in the
previous two years now manifested in the form of illness.
Alix Roth and one of the doctors cared for him devotedly
for four months. During this period he spoke little, but he
humbly shone with the fullness of the heart-to-heart human
encounter, that most precious gift of the human self
sprach er wenig, aber er strahlte auf demütige Weise die Fülle
der menschlichen Begegnung aus, von Herz zu Herz, dieses
kostbarste Geschenk des menschlichen Selbst, das keiner
Worte bedarf. Es brauchte ein Jahr der Rekonvaleszenz,
bis Karl König wieder bei Kräften war und umso mehr seiner
Vortrags- und Reisetätigkeit nachgehen konnte.
Er unternahm ausgedehnte Reisen innerhalb Europas,
nach Südafrika und Nordamerika. Überall hatten sich Initiativen
gebildet, die nach der Idee Camphills leben und
arbeiten wollten. Sein Wissen und Rat waren sehr gefragt.
Königs besonderes Interesse galt nun vor allem den Menschen
innerhalb einer sozialen Ordnung,
«... dann kann der Impuls des sozialen Experiments
Dorfgemeinschaft, dieser kleine Keim der sozialen
Dreigliederung, allmählich wachsen und heilende Kräfte in
die Krankheit unserer Zeit ausstrahlen ...» (König 2016, S.268)
Vermehrt zogen ihn seine Reisen nun auch wieder nach
Deutschland. Er sprach vor gefüllten Sälen in Berlin und
Stuttgart über heilpädagogische Forschung oder über
Heilpädagogik als gesellschaftliche Herausforderung und
Menschlichkeit an der Schwelle. Auch an seinen Vorträgen
über heilpädagogische Diagnostik herrschte ein grosses
Interesse.
that needs no words. It took a year of convalescing before
König regained his strength and was able to take up his
lecturing and traveling again with renewed purpose.
He traveled extensively within Europe, to South Africa and
North America. Everywhere, initiatives had formed that
wanted to live and work according to the ideas of Camphill.
His knowledge and advice were much sought after.
König’s particular interest was now focused on people within
a social order,
«… so that the impulse toward this social experiment
and community of life, this small seed of social threefolding,
can gradually grow and radiate healing forces into
the illness of our time …» (König 2016, p. 268)
Increasingly, his travels now took him back to Germany.
He spoke to packed auditoriums in Berlin and Stuttgart
about curative education research or about curative education
as a social responsibility and about humanity on the
threshold. His lectures on curative education diagnostics
were also met with great interest.
35
Als er mit Alix Roth in einen kleinen Bungalow nach Brachenreuthe
am Bodensee zog, bedeutete dies keineswegs
eine Einschränkung seiner Reisetätigkeit. Er reiste so viel
zwischen Deutschland, Schottland und ganz Europa hin
und her, dass sich eine gewisse Heimatlosigkeit einstellte.
In diesem Jahr wurde er mit der Medaille des Tutzinger
Stern am goldenen Band für sein humanitäres Engagement
in der Welt ausgezeichnet. Albert Schweizer hatte
diese Auszeichnung ebenfalls erhalten.
When he moved into a small bungalow in Brachenreuthe
on Lake Constance with Alix Roth, this in no way represented
a restriction of his travel activities. He traveled back
and forth between Germany, Scotland and all of Europe so
much that a certain sense of homelessness set in.
That year, he was awarded the Medal of the Tutzing Star
on a golden ribbon for his humanitarian commitment in
the world. Albert Schweizer was also a recipient of this
award.
Die letzten Jahre
Als Karl König im Alter von 62 Jahren mit Alix nach Brachenreuthe
umzog, übertrug er die Leitung der Schulen in
Schottland an Thomas Weihs. Seine Frau Tilla lebte in Botton
Village und später mit der Tochter Renate in Südafrika.
Sie liebten sich, doch sie kamen nicht gut miteinander aus.
Er widmet ihr weiterhin Gedichte, aber sie hatten vor vielen
Jahren beschlossen, getrennt zu leben, er widmete sich
seiner Lebensaufgabe, sie ihren Kindern und Enkelkindern.
In dieser Zeit am Bodensee sprach er über soziale Dreigliederung,
den Menschen als soziales Wesen und die
Aufgabe des Gewissens. Diese Gedanken richtete er auch
in Form eines Briefs an die Eröffnungsveranstaltung der
Camphill-Gemeinschaft Föhrenbühl, an der er aus Krankheitsgründen
nicht teilnehmen konnte:
«Nur wenn wir uns wieder in Gemeinschaften zusammenfinden,
die nicht durch die Bande des Blutes, sondern
durch die des Geistes entstehen, wo wir füreinander
arbeiten und zusammen streben, wo Erwachsene
und Kinder, wichtige und weniger wichtige Menschen,
fähige und nicht fähige, in gegenseitiger Anerkennung
der Würde des Einzelnen zusammenkommen und eine
neue Form von Gemeinschaft bilden, nur dann wird etwas
zustande kommen, wodurch den Kindern und den
jungen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, dass
sie ihr wahres Wesen, ihre spirituelle Existenz zum Ausdruck
bringen und ihren Beitrag geben können.»
(Müller-Wiedemann 2016, S. 560)
33 Jahre waren vergangen, seit Hitler 1933 begonnen hatte,
die Welt zu zerstören und zur Jahreswende 1965/1966 blickt
Karl König in seiner Neujahrsansprache darauf zurück:
«Was 1933 begonnen hat, war der Anfang eines Chaos,
in dem wir jetzt leben und in dem wir in den kommenden
Jahren leben müssen. Was sich damals ereignet hat, war
wie ein Schleier, um zu verdecken, zu zerstören etwas an-
The final years
When Karl König moved to Brachenreuthe with Alix at the
age of 62, he handed over direction of the schools in Scotland
to Thomas Weihs. His wife, Tilla, lived in Botton Village
and later in South Africa with their daughter Renate.
Tilla and Karl loved each other, but did not get along well.
He continued to dedicate poems to her, but they had decided
years earlier to live separately. He dedicated himself
to his life’s work; she dedicated herself to their children
and grandchildren.
During this period on Lake Constance, he gave talks on
social threefolding, on the human being as a social being,
and on the task of the conscience. He also addressed these
thoughts in the form of a letter to the opening celebration
of Camphill Community Föhrenbühl, which he was unable
to attend due to illness:
«Only when we come together in communities created not
by blood ties but by the spirit, where we work and strive
for each other, where adults and children, important and
less important people, abled and disabled, in mutual recognition
of dignity — only when things come together
to build a new kind of community, will something emerge
that gives children and young people the opportunity
to express their true nature, their spiritual existence, and
their contribution.» (Müller-Wiedemann 2016, p. 560)
In 1966, 33 years had passed since Hitler began to destroy
the world in 1933, and Karl König looked back on this time
in his New Year’s address:
«What began in 1933 was the beginning of a state of chaos
in which we now live and in which we will have to live
in the years ahead. What came about at that time was like
a fog whose purpose was to obscure and destroy something
else that was happening at the same time…. Christ
began to appear in the whole sphere of the world…. He
began to walk near every individual human being or to ap-
36
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
deres, was sich zur selben Zeit ereignet hat … Der Christus
begann in der ganzen Sphäre der Welt zu erscheinen
… Er begann in der Nähe jedes einzelnen Menschen zu
wandeln oder erschien Gruppen von Menschen, wenn sie
gelitten haben, wenn sie in Verzweiflung waren, wenn
sie ihren Glauben verloren hatten. In solchen Zeiten begann
er zu erscheinen, mit den Menschen zu sein als
Heiler und als Tröster. Obwohl nur wenige dies damals
zunächst erfahren haben, waren es immer mehr, die dieses
Christusereignis wahrnahmen. Es hat stattgefunden
im Laufe dieser 33 Jahre, in derselben Zeit, in der Chaos,
Untergang und Vernichtung sich immer weiter ausbreiteten.
Es hat stattgefunden als ein kleines, stilles Licht,
aber es ist das Licht von Hoffnung, Glaube und Liebe.»
(König 1966, zitiert nach Müller-Wiedemann 2016, S. 589)
Karl König unternahm noch zwei lange Reisen mit Alix
durch Deutschland, aber sein Herz war müde, so vertraute
er es seinem Tagebuch an. Seine Publikation Heilpädagogische
Diagnostik wurde veröffentlicht, aber er träumte davon,
ein grundlegendes heilpädagogisches Handbuch zu
schreiben, das er jedoch nur in einem Entwurf festhalten
konnte, wenngleich er das Gefühl hatte, dass die Dinge
ihm wie reife Früchte zufallen. In Verbindung mit der Forschung
an der Universität Heidelberg wurden Konferenzen
zu Fragen der Epilepsie- und Hysterie, auch Aphasie durchgeführt.
Er untersuchte das Feld des Lichts und des Klangs,
ebenso die Beziehung zwischen Sprache und Bewegung.
Doch seine grösste Verbundenheit galt vor allem den Menschen
mit Downsyndrom.
Zunehmend befasste er sich auch allgemein mit Gedanken
über die Geschichte sowie im Besonderen über sein eigenes
Schicksal und hielt im neuen Jahr mehrere Vorträge
über das jüdische Volk und dessen Mission.
In den ersten beiden Monaten des Jahres 1966 reiste er
nach Schottland und hielt dort elf Vorträge über Karma
und Reinkarnation. Danach unternahm er eine ausgedehnte
Reise durch Deutschland, sprach in Karlsruhe, der Heimat
von Kaspar Hauser, die ihm sehr am Herzen lag, über
«Euthanasie und soziale Frage» und hielt seinen letzten
Vortrag in Brachenreuthe mit dem Titel: «Die drei Geburten
des Menschen». Diesen Vortrag hielt Karl König zehn Tage
vor seinem Tod.
Er besuchte Dornach zum letzten Mal. In diesen letzten
Jahren kam ihm Rudolf Steiner immer näher, er durchdrang
sich mit seinem Lehrer, besonders mit den Vorträgen über
karmische Beziehungen.
Am 23.3. 1966 erlitt er einen Herzinfarkt und musste fortan
das Bett hüten. In den folgenden Tagen war er einem
weiteren Herzinfarkt ausgesetzt und wurde in das Krankenhaus
in Überlingen eingeliefert. Er starb am Sonntag,
dem 27. März 1966, um 12 Uhr mittags.
pear to groups of people when they were suffering, when
they were in despair, when they had lost faith. In such
times he began to appear, to be with people as a healer
and a comforter. Although only a few experienced this
at first, more and more began to experience this Christ
event. This has happened throughout these 33 years, in
the same period in which chaos, destruction and annihilation
have continued to spread. It took place in the form
of a small, quiet light, but it is the light of hope, faith and
love.» (König 1966, quoted in Müller-Weidemann 2016, p. 589)
Karl König took two more long journeys through Germany
with Alix, but he confessed in his journal that his heart was
tired. His publication, Heilpädagogische Diagnostik [Curative
Education Diagnostics], was published, but he dreamed
of writing a basic curative education manual. He only
managed to take down a draft, despite feeling like these
things were falling in his lap. In connection with research
at the University of Heidelberg, conferences were held on
epilepsy and hysteria, as well as aphasia. He investigated
the fields of optics and acoustics, as well as the relationship
between language and movement. But his strongest
connection was above all to people with Down syndrome.
He increasingly concerned himself with thoughts about
history in general and his destiny in particular, and in the
new year he gave several lectures on the Jewish people and
their mission.
In the first two months of 1966, he traveled to Scotland
to give eleven lectures on karma and reincarnation. This
was followed by an extended trip through Germany, where
he spoke on «Euthanasia and Social Issues» in Karlsruhe,
the home of Kaspar Hauser, who was near and dear to his
heart, and gave his final lecture in Brachenreuthe, entitled
«The Three Births of the Human Being» [Die drei Geburten
des Menschen]. Karl König gave this last lecture ten days
before his death.
He visited Dornach for the last time. In these last few years
he became closer to Rudolf Steiner: He permeated himself
with his teachings, especially the lectures on karmic relationships.
On March 23rd, 1966, König suffered a heart attack and
became bedridden. A few days later he suffered another
heart attack and was admitted to the hospital in Überlingen.
He died on Sunday, March 27th, 1966 at 12 noon.
37
Abschliessende Überlegung
Die Camphill-Gemeinschaften sind heute, trotz ihrer aktuellen
Veränderungen, Lebensräume für viele Menschen mit
und ohne Behinderungen, die gemeinsam versuchen, Freiheit,
Gleichheit und soziale Gerechtigkeit zu praktizieren.
Es wird gearbeitet, vor allem auf dem Land, aber auch in den
Städten, es werden künstlerische Aktivitäten praktiziert
und es bestehen Räume für Reflexion und Andacht, wie beispielsweise
die Bibelabende. Die Menschen unterstützen
sich gegenseitig, eine physische, seelische und geistige Gemeinschaft
verbindet sie und die Mitglieder werden durch
die Begegnung miteinander verändert. Karl König sagte:
Man lebt nicht für Menschen mit spezifischen Bedürfnissen,
sondern mit ihnen, wir alle sind Teil dieses grossen
Netzwerks. Zu verschiedenen Zeiten liegt es an jedem von
uns, Begleitende zu sein oder selbst begleitet zu werden.
Karl König setzte diesen Impuls während des Zweiten Weltkrieges
als Saatgut in den Boden in einer Zeit der Zwietracht
in einem Land, das nicht sein eigenes war und in dem er sich
anfangs kaum verständigen konnte. Aber die erforderliche
Sprache ist eine andere. Ihm kamen grosse poetische und
biografische Inspirationen, die er in seinen Theaterstücken
zum Ausdruck brachte. In ihnen spielten sich biblische Ereignisse
in Form von Geschichten und dramaturgischen
Werken ab. In sehr kleinen Notizbüchern, die auch noch
heute erhalten sind, hielt er seine Forschungsfragen und
-ergebnisse, aber auch seine Sorgen und Nöte fest.
Karl König war ein grossartiger Arzt, Schriftsteller und
Mensch, der aus dem Herzen lebte.
Aber er hat uns verlassen, damit wir gemeinsam diese therapeutisch-sozialen
Impulse auf der Erde weiter entwickeln
können. Diese Samen haben uns noch viel zu geben, und
sie werden zu blühenden Bäumen heranwachsen, wenn wir
uns unserer Aufgabe bewusst werden. Es ist nun unser Auftrag,
neue Schritte in diese Richtung zu unternehmen und
gemeinsam für alle Menschen zu tätig sein.
«Was wir jetzt als Menschheit erleben,
Es ist das Erdbeben und die Naturerschütterung,
die zur Zeit des Mysteriums von Golgatha geschah.
Damals geschah es mit der Erde.
Jetzt geschieht es mit der Menschheit.
Damals wurde der Christus der Geist der Erde.
Jetzt wird der Christus zum Geist der Menschheit ...»
Closing thoughts
Today, in spite of many current changes, Camphill communities
are home to many people with and without disabilities,
who strive together to practice freedom, equality
and social justice. Community members work together
(communities are mostly in rural areas but some are also
in urban settings), participate in artistic activities, and
have space for reflection and meditation, such as in the
weekly Bible evenings. Mutual support and a physical, soul
and spiritual community unites them, and living and working
together invites change and growth in everyone. Karl
König said: We are not living for people with special needs,
we are living with them. We are all a part of this larger network.
It falls to each of us at different times to support
others or to be supported by them.
Karl König planted this impulse as a seed in the soil during
WWII, in a time of discord and in a country that was not
his own, in which he could hardly make himself understood
at first. But this was not the kind of language that
was required. He received great poetic and biographical
inspirations, which he expressed in his plays. In them, biblical
events took place in the form of stories and dramatic
works. He recorded his research questions and notes, as
well as his worries and troubles, in very small notebooks
that are still preserved today.
Karl König was a great physician, playwright, and human
being who lived from the heart.
But he left us so that we could further develop these socialtherapeutic
impulses together on Earth. These seeds still
have much to give us, and they will grow into blossoming
trees if we are conscious of our task. We are now charged
with taking new steps in this direction and working together
for all human beings.
«What humanity is now experiencing
is the earthquake and agitation of Nature
that took place at the time of the Mystery of Golgotha.
At that time, it happened to the Earth.
Now it is happening to humanity.
At that time, Christ became the Spirit of the Earth.
Now, Christ is becoming the Spirit of Humanity …»
(König, on the night of August 29th-30th, 1940,
quoted by Müller-Wiedemann 2016, p. 612)
(König, in der Nacht vom 29. auf den 30. August 1940,
zitiert nach Müller-Wiedemann 2016, S. 612)
Literatur /Literature
Vom Michaelsfest im Jahre 1940. Für die tapferen Frauen aus Camphill in
Liebe und Dankbarkeit ||| Der Impuls der sozialtherapeutischen Gemeinschaft,
Stuttgart 2016, S.268 ||| Tagebuch (Karl König und Kaspar Hauser,
Stuttgart 2012)
38
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
39
Professionelle
Familienhilfe im
Ausland
Ein Bericht
Professional
Foster Care Abroad
A report
By Angelines Martinez Cuenca
von Angelines Martinez Cuenca
Einleitung
Was ist eine professionalisierte Pflegefamilie? Wie wird mit
den jungen Menschen gearbeitet, die von einer Familie im
Ausland betreut werden?
Seit 2011 nimmt unsere Familie Kinder und minderjährige
Jugendliche mit schweren Familien- und Verhaltensherausforderungen
auf. Die Jugendlichen werden über das
deutsche Sozialamt vermittelt und es wird eine dauerhafte
Beziehung zwischen den jungen Menschen, der Pflegefamilie,
dem Sozialamt und der Familie des Jugendlichen
angestrebt.
Warum Pflegefamilie im Ausland?
Wenn ein deutsches Jugendamt zu dem Schluss kommt,
dass ein junger Mensch das Land für eine professionelle
Pflegefamilie verlassen soll, hat dieser Mensch in seinem
Herkunftsland bereits einen langen Weg hinter sich. Alle
Reintegrations- und Unterstützungsmassnahmen sind gescheitert,
entweder aufgrund persönlicher Probleme oder
der familiären Situation.
In die Pflegefamilie kommen junge Menschen aus Extremsituationen,
die zuvor allesamt erfolglos waren, beispielsweise
eine Pflegefamilie im Herkunftsland, ein Pflegeheim
oder auch psychiatrisches Zentrum usw. Eine solche Entscheidung
trifft das zuständige Jugendamt – natürlich mit
dem Einverständnis der Familie – damit das Kind sich aus
seinem Umfeld lösen kann und somit eine zweite Chance
erhält: Aber warum soll es zu einer Familie im Ausland gebracht
werden?
Das Hauptkriterium für eine solche Entscheidung ist, dass
dort eine gute und neue Annäherung auf der Beziehungsebene
möglich ist, die es in seinem Herkunftsland bereits
nicht mehr gibt. Es sollte eine Gelegenheit sein, zu lernen
und von einer Situation wegzukommen, die nicht förder-
Introduction
What is a professional foster family? How do families work
with and care for young people from another country?
Since 2011, our family has taken in children and adolescents
with severe family and behavioral challenges. These
young people are placed with us by the German social welfare
office, with the goal of creating a lasting relationship
between the young people, the foster family, the social
welfare office and the young people’s families.
Why foster care abroad?
By the time a German youth welfare office comes to the
conclusion that a young person should leave the country
to stay with a professional foster family, the young person
already has a long road behind them in their home country.
All reintegration and support measures have failed,
due to either personal problems or the family situation.
The young people who arrive in a foster family come from
extreme situations where all previous measures were unsuccessful,
such as a foster family in their home country,
a residential facility, a psychiatric facility, etc. The youth
welfare office responsible makes the decision – with the
family’s consent, of course – to remove the child from
their environment and give them a second chance. But
why is the child sent to a family abroad?
The main reason for such a decision is to provide the opportunity
for a new and better approach to relationships
that is no longer possible in the young person’s home
country. It is seen as an opportunity to learn and to get
away from a situation that is not only not beneficial, but
is actually harmful and has, in most cases, already led to
problems with the law. Moving away helps to change precarious
family relationships and makes it more difficult
to fall back into old patterns. The new environment offers
40
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Angelines Martinez Cuenca, Heilpädagogin
(Perceval Center, Schweiz) und Sozialpädagogin
ist interkulturelle Mediatorin und
Expertin für Trauerarbeit. Ihr Mann Uwe ist
Waldorflehrer mit Hauptfach Kunst (Wittener
Annen-Institut, Deutschland) und hat
umfangreiche Erfahrungen in der Arbeit mit
Menschen mit Behinderungen. Die Tochter
Sarah war zum Beginn der Pflegefamilien-
Arbeit 13 Jahre alt.
Angelines Martinez Cuenca, curative educator (Perceval
Center, Switzerland) and social educator, is an intercultural
mediator and an expert in grief work. Her husband,
Uwe, is a Waldorf teacher and art teacher (Wittener
Annen-Institut, Germany) with extensive experience
in working with people with disabilities. Their daughter,
Sarah, was 13 years old when they began their foster
care work.
lich, sondern im Gegenteil, schädlich ist und in den meisten
Fällen bereits zu Problemen mit dem Gesetz geführt
hat. Der Umzug trägt dazu bei, prekäre Familienbeziehungen
zu verändern und erschwert die Rückkehr in alte Muster.
Die neue Umgebung eröffnet dem jungen Menschen
neue und positive Erfahrungen, die er sich nicht einmal
mehr vorstellen konnte.
Wenn die Jugendlichen in der neuen Gastfamilie ankommen,
ist das für sie zunächst ein Schock, denn sie bewegen
sich weder in ihrer gewohnten Umgebung noch in ihrer
eigenen Kultur oder kennen die Sprache. Sie können sich
anfangs nur mit der Gastfamilie verständigen und sind von
ihr abhängig. Auf diese Weise versucht man, eine Bindung
aufzubauen und das bedeutet, ganz von vorne anzufangen.
Rahmenbedingungen und
Hintergrund
Junge Menschen, die eine professionelle Pflegefamilie benötigen,
müssen klare und verbindliche Strukturen vorfinden,
sie sollten ihre Vergangenheit hinter sich lassen
und sich von den bisherigen Beziehungen lösen können.
Die grosse Entfernung zum Herkunftsland begünstigt die
notwendigen Interventionen und schafft gleichzeitig eine
Distanz zum bisherigen Lebensumfeld.
Die «Fremdheit» der neuen Umgebung, die Kultur, die
Sprache, die unbekannten Werte des Aufnahmelandes und
der Familie verlangen von den Jugendlichen, eine Beziehung
zu den neuen Ansprechpersonen aufzubauen und
sich selbst in dieser ungewohnten Situation neu kennen
zu lernen. All die Neuerungen, die der junge Mensch in
dem Land und in der aufnehmenden Familie vorfindet, verhindern
eine Rückkehr zu alten Mustern und drängen sie,
neue Wege des Handelns und des Lebens in der Welt zu
erlernen. Die Distanz bedeutet in den meisten Fällen eine
Erleichterung in Bezug auf frühere kritische oder auch akut
problematische Situationen, die sie im Herkunftsland erlebt
hatten. Diese Distanz kann auch eine Unterbrechung
von Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen sein, denn die
Möglichkeit, an einem entfernten Ort zu leben, kann den
nötigen Schutz bieten, den der junge Mensch braucht. Der
Abstand zum vertrauten Umfeld kann dazu führen, dass
the young person new and positive experiences that they
could never have imagined.
When the young people arrive in their new foster family,
it is initially a shock, as they are suddenly in an unfamiliar
environment and culture where they don’t speak the language.
In the beginning, they are only able to communicate
with their foster family and are dependent on them. This
is the chance to form a bond, which means starting from
the beginning.
Parameters and context
Young people who need a professional foster family require
clear and reliable structure; they need to leave their
past behind them and detach themselves from previous
relationships. The great distance from their home country
facilitates the necessary interventions and simultaneously
gives them distance from their previous living
environment.
The «strangeness» of their new environment, culture, and
language, and the unfamiliar values of their host country
and family require the young people to build a relationship
to their new contact persons and to get to know themselves
in a new situation. All of the newness of the country
and the host family prevent a return to old patterns and
push the young people to learn new ways of behaving and
living in the world. In most cases, the distance is a relief
from previous critical or acutely problematic situations
they had experienced in their home country. This distance
can also interrupt experiences of violence or abuse, as the
opportunity to live in a distant location can offer the protection
that a young person needs. Distance from their familiar
environment can make certain behaviors (drug or
alcohol use, crime, skipping school, aggression, etc.) unnecessary,
or impossible to continue because of the new
environment.
41
estimmte Verhaltensweisen (Drogenkonsum, Alkohol,
Kriminalität, Schulverweigerung, Aggressivität usw.) überflüssig
werden oder aufgrund der neuen Situation vorerst
nicht ausgeübt werden können.
Das Kind kann sich von den ungünstigen Lebensumständen
lösen, neue Werte und Regeln entdecken und mit Zeit und
Geduld ein Vertrauensverhältnis zur Gastfamilie aufbauen
(was in seinem Herkunftsland bereits zerbrochen und mit
grossen und tiefen Enttäuschungen verbunden war).
Die Reaktion der jungen Menschen auf diese Erfahrung
des verpflichtenden Auslandsaufenthalts ist höchst individuell
und zeigt bei jedem andere Facetten. Manche ziehen
sich zunächst zurück, verweigern sich eine Zeit lang, andere
entwickeln eine Neugier auf das Fremde und nutzen
das Wissen der Familie, um sich mit der neuen Umgebung
vertraut zu machen und so von der neuen Kultur zu profitieren.
Vor allem die Sprache stellt eine wesentliche Barriere dar
und hindert die Jugendlichen daran, die neue Umgebung
selbstständig zu erkunden. Einige von ihnen nehmen die
Herausforderung an und beginnen, die Sprache mit Hilfe
der Gastfamilie zu erlernen. Für manche ist dies tatsächlich
der erste Schritt nach jahrelanger Abwesenheit von
der Schule zu einer erfolgreichen Lernerfahrung.
Durch das Eintauchen in die fremde Sprache und Kultur
sind sie auf die Gastfamilie angewiesen und müssen die
Beziehungen akzeptieren sowie die Krisensituationen aushalten,
die nicht vermeidbar sind. Sie können ihren Problemen
nicht mehr ausweichen und müssen sich mithilfe der
Gastfamilie damit auseinandersetzen.
Ziele der Massnahme
Diese Situation bietet ein gutes soziales Feld, um mit jungen
Menschen mit seinen individuellen Voraussetzungen
arbeiten zu können: Das fremde Umfeld wird somit zur
Chance für neue Orientierungen.
Die Bildungsziele werden spezifisch für jedes Kind je nach
seinen Bedürfnissen und Schwierigkeiten individuell festgelegt.
Sie werden in einem Plan vereinbart, der zwischen
der vermittelnden Organisation in Deutschland, den deutschen
Sozialdiensten und der Gastfamilie erstellt wird. Es
ist sehr wichtig, dass alle am Prozess Beteiligten die verabredeten
Ziele regelmässig überprüfen, akzeptieren und
respektieren.
The children can move away from unfavorable living situations
and discover new values and rules. With time and
patience, they can build a trusting relationship with their
host family (usually, their trust in family has already been
destroyed in their home country and is associated with
great and deep disappointments.)
The young people’s reactions to the experience of this
obligatory stay abroad are highly individual and manifest
differently in each child. Some initially withdraw and
reject the experience for a time, others develop curiosity
about their strange new world and make use of the family’s
knowledge to become familiar with their new environment
and benefit from the new culture.
Language, in particular, is a major barrier and prevents
the young people from exploring the new environment on
their own. Some of them accept the challenge and begin to
learn the new language with the help of their host family.
For some, this is the first step toward a successful learning
experience after years of absence from school.
Immersion in a foreign language and culture means they
are dependent on their host family, and have to accept
these relationships and weather the crisis situations that
are unavoidable. They can no longer avoid their problems;
they now have to face them with the help of their host
family.
Goals
This situation offers a good social arena for working with
young people and their individual needs: The new environment
becomes an opportunity for a new orientation
toward life.
Educational goals are set on an individual basis depending
on the needs and dificulties of each child. They are
agreed upon by the intermediary organization in Germany,
German social services, and the host family. It is very
important that all parties involved in the process regularly
review, accept and respect the agreed-upon goals.
Because the children are minors, they cannot decide
whether they want this change or not. Often, they do not
want to leave their country, their life (which, at the time of
the decision, is not the best life for them), and their friends
(who are not the best companions for them). They do not
want to start something new and unfamiliar, with strangers
and in a country whose language they do not speak. At
first, everything seems wrong to the children, but these
decisions are made with their age and wellbeing in mind.
42
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Da das Kind minderjährig ist, kann es nicht entscheiden,
ob ihm die Massnahme gefällt oder nicht. Oftmals ist es
nicht damit einverstanden, sein Land, sein Leben (das zum
Zeitpunkt der Entscheidung nicht die beste Art zu leben
ist) und seine Freunde (die nicht die besten sind, um es auf
seinem Weg zu begleiten) zu verlassen. Es mag es überhaupt
nicht, etwas Neues zu beginnen, das es nicht kennt,
weder mit ihm fremden Menschen noch in einem Land,
dessen Sprache ihm unbekannt ist.
Im ersten Moment erscheint dem Kind alles falsch, aber es
werden Entscheidungen getroffen, die seinem Alter und
seinem Wohlbefinden entsprechen.
Voraussetzungen der Massnahme
Eine der Voraussetzungen für die Aufnahme dieser jungen
Menschen in eine Familie ist, dass die Unterbringung
in einer ländlichen Umgebung mit einer schwachen Infrastruktur
erfolgt, so dass der junge Mensch die Pflegestelle
nicht ohne Weiteres verlassen kann. Damit eine Familie
Gastjugendliche mit diesen Merkmalen aufnehmen kann,
muss sie eine Reihe von Kontrollen durchlaufen. So muss
neben der Beantragung eines Führungszeugnisses eine
akademische Vorbereitung sowie ausreichende Erfahrung
nachgewiesen werden. Bevor die pädagogische Arbeit begonnen
wird, besucht eine verantwortliche Person der Vermittlungsstelle
die Familie, um das Haus und die Umgebung
kennenzulernen. Wenn die Gastfamilie behördliche
Zustimmung gefunden hat, wird alles Weitere in die Wege
geleitet und ein Vertrag sowie eine Vertraulichkeitserklärung
zwischen beiden Parteien unterzeichnet.
Was bieten wir als Gastfamilie?
• Bewusstes Begleiten der individuellen Entwicklung.
• Stärkung des Selbstbewusstseins, der Verantwortung
und des Verantwortungsbewusstseins.
• Hilfen zur Problembewältigung.
• Vertrauensbildung durch einen geschützten Rahmen,
in dem sich die Einzelnen entwickeln können.
• Physische und psychologische Betreuung, die für
eine ausgewogene Entwicklung notwendig ist.
• Anregung der Motivation für das Leben im Allgemeinen.
Zum Beispiel, Lernen und Arbeiten,
um ein soziales Leben führen zu können.
• Angebot einer rhythmischen und strukturierten
Lebensweise, die der Person Stabilität und
Sicherheit gibt.
• Individuelle biografische und persönliche Begleitung.
Requirements
One of the requirements for placing these young people
with a family is that the placement be in a rural setting
with a weak infrastructure, so that the young person cannot
easily leave the foster home. In order for a family to
host young people with these characteristics, they must
go through a series of screening processes. For example,
in addition to applying for a background check and certificate
of good conduct, academic preparation and sufficient
experience must be demonstrated. Before the educational
work begins, a representative from the placement agency
visits the family to familiarize themselves with the home
and surrounding area. Once the host family has received
official approval, everything else is set in motion and a
contract and a confidentiality agreement are signed by
both parties.
What do we, as a host family, offer?
• Conscientious support of the individual’s
development
• Strengthening their self-awareness, responsibility,
and sense of responsibility
• Help in overcoming difficulties
• Building trust through a safe space in which
the individual can develop
• Physical and psychological support necessary
for balanced development
• Stimulating motivation for life in general, i.e.
learning and working in order to have a social life
• A rhythmic and structured lifestyle that provides
stability and security
• Individual biographical and personal guidance
The process
The young person is usually taken from an extreme situation
in their country of origin, and is often picked up by the
police or another authority. The placement agency then
takes over responsibility and a designated representative
takes them abroad to the foster family. This moment is
usually very difficult for the young person, because it is
the beginning of a new path that they neither wanted nor
chose. From this moment on, they will be separated from
their family and social environment. Others have made the
43
Der Verlauf
Normalerweise wird der junge Mensch in seinem Herkunftsland
in einer extremen Situation aufgegriffen und
oft von der Polizei oder einer anderen Behörde abgeholt.
Anschliessend übernimmt die Vermittlungsstelle die Verantwortung
und eine dafür zuständige Person bringt ihn
ins Ausland zur Pflegefamilie. Dieser Moment ist in der
Regel sehr schwierig für den jungen Menschen, denn hier
beginnt für ihn ein neuer Weg, den er weder gewollt noch
selbst gewählt hat. Von diesem Moment an wird er von
seiner Familie und seinem sozialen Umfeld getrennt sein.
Andere haben die Entscheidung getroffen und zu diesem
Zeitpunkt kann er es noch nicht verstehen, dass das Leben
ihm damit eine neue Chance bietet. Dies ist zunächst ein
entscheidender und einschränkender Moment.
Das Kind kommt ängstlich und wütend in der Pflegestelle
an, was für jeden Menschen in einer ähnlichen Situation
verständlich ist. Die begleitende Person der Vermittlungsorganisation
bleibt einen Tag zur Eingewöhnung und Einführung.
Anfangs verhalten sich die meisten Kinder angepasst, sie
sind aufmerksam und freundlich – doch dies variiert von
einem zum anderen. Wenn es wirklich merkt, dass es für
einen längeren Aufenthalt hergebracht wurde und längere
Zeit bleiben soll, kommt sein wahres Ich zum Vorschein
und sein ganzes Unbehagen, sein Ärger und oft auch seine
Aggressionen angesichts der Situation. Es beginnt, seine
Unzufriedenheit und seine Ohnmacht zum Ausdruck zu
bringen. Es will nicht bleiben und es kommt dazu, dass es
alles tut, um aus der Gastfamilie vertrieben zu werden. In
dieser Zeit ist es sehr wichtig, ruhig zu bleiben und Klarheit
über die Geschehnisse zu haben, denn sonst würde
es bald den von ihm gewünschten Rauswurf aus der aufnehmenden
Familie erreichen.
Tagesstruktur und klare Regeln
Für die Unterbringung ist es hilfreich, vom ersten Tag an
eine regelmässige Tagesstruktur und einen festen Zeitplan
zu haben. Arbeits- und Aktivitätspläne, Ruhe- und
Freizeitzeiten, eine Zeit zum Aufstehen und eine Zeit zum
Schlafengehen. Diese jungen Menschen kommen oft ohne
jeden Rhythmus an. Sie sind es gewohnt, zu tun, was sie
wollen und wann sie es wollen. Sie neigen dazu, am Tag zu
schlafen und in der Nacht zu leben. Schon lange hat ihnen
decision, and at this point the young person cannot yet understand
that life is offering them a fresh start. This first
moment is critical and limiting.
The child arrives at the foster home frightened and angry,
which would be understandable for any person in a similar
situation. The placement organization’s representative
stays for a day to help with acclimatization and introductions.
At first, most children behave in an accommodating manner
and are attentive and friendly, though this varies from
child to child. But when they realize that they have really
been brought here for a longer stay, their true nature
comes out, with all of their uneasiness, anger and often
aggression in response to their situation. They begin to express
their discontent and their helplessness. They don’t
want to stay, and they may try to do everything in their
power to make their host family send them back. During
this period, it is very important to remain calm and to be
clear about what is happening – otherwise, they would
soon get their wish and be thrown out of the foster family.
Daily routine and clear rules
It is helpful to have a regular daily routine and schedule
from day one: Work and activity schedules, rest and recreational
periods, a time to get up and a time to go to bed.
These young people often arrive with no rhythm at all.
They are used to doing what they want, when they want.
They tend to sleep during the day and live at night. No one
has set limits for them for a long time, and their parents
have lost their authority.
Learning a healthy daily routine requires many months
and a great deal of patience: Basic habits like falling asleep
and waking up are difficult and complicated and, after
many years without supervision, need to be practiced. A
mealtime culture is not a given either, as these are young
people who may never have eaten at a table before, only
eating when they were hungry and felt like it or when they
could. Also, gathering around a table to eat as a family can
be painful and almost unbearable for them (since most of
them have not experienced this), and they often do their
best to interrupt and destroy these moments.
Everything that relates to them requires a great deal of
reliability from the family, and the creation of very clear
and consistent structures. Clear rules are established and
compliance with them is insisted upon. Gradually, the
44
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
niemand mehr Grenzen gesetzt und die Eltern haben ihre
Autorität verloren.
Das Einüben einer gesunden Tagesstruktur ist etwas, das
viele Monate an Geduld erfordert: Elementare Praktiken
wie das Einschlafen und Aufwachen sind schwierig und
kompliziert und müssen nach vielen Jahren ohne Kontrolle
wieder geübt werden. Auch eine Esskultur ist nicht selbstverständlich,
denn es handelt sich um junge Menschen, die
mitunter noch nie an einem Tisch gegessen haben, sondern
dann, wenn sie hungrig waren und wenn sie wollten
oder konnten. Auch ist die Tatsache, dass sich eine Familie
zum Essen um einen Tisch versammelt, mitunter schmerzhaft
und fast unerträglich für sie (da die meisten von ihnen
dies nicht erlebt haben), und sie tun oftmals ihr Bestes, um
diese Momente zu unterbrechen und zu zerstören.
Alles, was mit ihnen zu tun hat, erfordert von der Familie
viel Sicherheit und die Schaffung sehr klarer und kohärenter
Strukturen. Es werden eindeutige Regeln aufgestellt
und deren Einhaltung eingefordert. Nach und nach verstehen
und akzeptieren die Kinder das, und wenn elementare
Dinge angenommen wurden und eine solide Basis besteht,
kann man auch etwas flexibler sein oder etwas Aussergewöhnliches
machen.
Im weiteren Verlauf werden weitere Aktivitäten eingeführt,
wie beispielsweise ein morgendlicher Spaziergang in der
Natur, Hilfe beim Kochen oder Backen eines Kuchens oder
von etwas, das sie sehr mögen. Jeden Tag werden kleine
Aufgaben aufgetragen oder Freizeitbeschäftigungen angeregt,
etwa Eier von den Hühnern holen und sie füttern,
einmal in der Woche ihr Zimmer und ihr Bad putzen, nach
dem Mittagessen eine Weile fernsehen, nachmittags einen
Spaziergang ins Dorf machen.
Bildung
In der Regel handelt es sich um junge Menschen, die die
Schule abgebrochen haben und ohne Abschluss hier ankommen.
Deshalb wird ihnen täglich von Montag bis Freitag
Zeit zur Verfügung gestellt, um zu lernen und sich
ein Minimum an Grundkenntnissen aneignen zu können.
Dies geschieht zunächst auf Deutsch mit einer Fernunterrichtsorganisation
in Deutschland. Dort können sie dann
schliesslich ihre Prüfungen auf eigene Faust ablegen oder,
bei einem längeren Aufenthalt, versuchen wir, sie in die
Schule hier in Spanien zu integrieren.
children understand and accept this, and when the fundamentals
have been assimilated and there is a solid foundation,
we can become a bit more flexible or make occasional
exceptions.
With time, new activities can be introduced, such as a
morning walk in nature, helping to cook a meal or bake a
cake or something they are very fond of. Each day they are
assigned small tasks or encouraged to take part in recreational
activities such as feeding the hens and collecting
eggs, cleaning their bedroom and bathroom once a week,
watching television after lunch, or taking a walk to the village
in the afternoon.
Education
Most of these young people have dropped out of school
and arrive without any qualifications. Therefore, they are
given time to study each weekday in order to acquire a
minimum of basic knowledge. At first, this takes place in
German through a German distance learning organization.
There they can eventually take their exams on their own,
or, if they are staying longer, we try to integrate them into
school here in Spain.
Documentation and networking
Everything relating to the young person’s stay is written
into a report at regular intervals – first daily, then weekly,
bi-weekly, and finally monthly. In addition, someone from
the intermediary organization visits every two months, or
sometimes more often if the situation calls for it. In some
cases, social services visits regularly throughout the year.
Cooperation with the parents is also especially important,
as they are the foundation and will always be a point of
reference and connection for the children. Because the
whole family structure has to change, it is crucial that they
understand the process of change their children are going
through. This work with the parents is carried out by the
intermediary organization and German social services.
Regular parental contact with the child is encouraged
throughout their stay, but each situation is reviewed individually
and a schedule is set – generally weekly. This
communication takes place in the presence of a member of
the foster family. An occasional parental visit is also possible,
accompanied by a representative of the intermediary
organization.
45
Dokumentation und Netzwerkarbeit
In regelmässigen Abständen, zunächst täglich, wöchentlich,
vierzehntägig und nach einiger Zeit monatlich, muss
ein Bericht über alles, was mit den Jugendlichen geschieht,
geschrieben werden.
Darüber hinaus kommt eine verantwortliche Person der
zwischengeschalteten Organisation alle zwei Monate oder
auch früher, wenn es die Situation erfordert, zu uns. In
manchen Fällen finden regelmässige Besuche des Sozialdienstes
das ganze Jahr über statt.
Neben diesen Kontakten ist die Zusammenarbeit mit den
Eltern von besonderer Bedeutung, denn sie sind die Basis
und werden immer ein Bezugspunkt und eine Verbindung
zu den Kindern sein. Da sich die gesamte Familienstruktur
ändern muss ist es notwendig, dass sie den Veränderungsprozess
mitvollziehen, den ihre Kinder durchlaufen.
Durchgeführt wird diese Arbeit mit den Eltern von der zwischengeschalteten
Organisation und den Sozialdiensten
in Deutschland.
Während des Aufenthalts ist der regelmässige elterliche
Kontakt mit dem Kind erwünscht, doch jede einzelne Situation
wird geprüft und ein Zeitplan festgelegt, normalerweise
einmal pro Woche. Diese Kommunikation findet im
Beisein eines Mitglieds der Pflegefamilie statt. Gelegentlich
besteht auch die Möglichkeit eines Besuchs in Begleitung
einer verantwortlichen Person der Vermittlungsorganisation.
Abschluss
Kurzum, was wir in dieser Arbeit tun, ist «lernen, das Leben
zu teilen». So ausgedrückt, scheint es einfach zu sein
und es klingt wie ein schöner Satz, aber dafür müssen wir
gemeinsam einen langen und nicht immer einfachen Weg
gehen.
Diese jungen Menschen sind Kinder, die eine der wichtigsten
Phasen ihres Lebens übersprungen haben, die Phase
des Kindseins, die Phase, in der es keine Sorgen gibt und
in der das Spielen die Hauptsache sein sollte. Es ist eine
der wichtigsten Phasen des Lebens, da sie uns als Menschen
prägt und in hohem Masse unsere zukünftige Entwicklung
bestimmt. Irgendwie mussten sie von klein auf
Erwachsene sein, um in schwierigen Lebenssituationen zu
überleben.
Conclusion
In short, those of us who do this work are «learning to
share our life». Expressed in that way, it sounds simple
and like a pretty catchphrase, but it is a long road and not
always an easy one.
These young people are children who have skipped one
of the most important phases of their life – the phase of
childhood, where there are no worries and where play
should be the most important thing. It is one of the most
important life phases because it shapes us as human beings
and determines our future development to a great
extent. These children were forced to be adults from an
early age, in order to survive difficult life circumstances.
They feel lost in the world; they don’t know themselves,
which makes them feel uncertain. The lack of a primary
caregiver means that no one has taught them to regulate
their emotions; they have very low self-esteem and exhibit
depressive disorders or personality disorders and many
developmental deficits.
We can see that being born in one country or another affects
the opportunities offered to a person. I believe it is
crucial for a country to invest in programs like this: They
have proven very effective in helping young people succeed
in making progress and learning to live their lives in
a way that they would not have been able to without an
opportunity like this. When programs like this are put in
place, we are investing in the future of these human beings
so that they can reintegrate into society. With successful
rehabilitation, the young people can complete their education,
become independent, and avoid becoming a burden
to society.
It is apparent that non-criminal justice tools like these outreach
programs are more effective than traditional juvenile
detention because they get to the root of the problem
and help to truly re-socialize values and behaviors.
Translation from German by Tascha Babitch
46
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
Diese jungen Menschen fühlen sich in der Welt verloren,
sie kennen sich selbst nicht und das macht sie unsicher.
In Ermangelung einer primären Bezugsperson hat ihnen
niemand beigebracht, ihre Emotionen zu regulieren, sie
haben ein sehr geringes Selbstwertgefühl und weisen bestimmte
depressive Störungen oder Persönlichkeitsstörungen
und viele Entwicklungsdefizite auf.
Wir können sehen, dass die Geburt in dem einen oder anderen
Land unterschiedliche Möglichkeiten für die Person
bietet. Ich denke, dass es für ein Land von grundlegender
Bedeutung ist, in solche Programme zu investieren, denn
es hat sich gezeigt, dass sie sehr effektiv sind und dass
es den jungen Menschen wirklich gelingt, Fortschritte zu
machen und ihr Leben in einer Weise zu führen, zu der sie
ohne eine solche Chance nicht in der Lage gewesen wären.
Wenn also Programme dieser Art aufgelegt werden, investieren
wir in die Zukunft der Menschen, damit sie sich wieder
eingliedern und Teil der Gesellschaft werden können.
Durch eine erfolgreiche Rehabilitation können die jungen
Menschen eine Ausbildung absolvieren, unabhängig werden
und somit der Gesellschaft nicht zur Last fallen.
Es zeigt sich einmal mehr, dass nicht-strafrechtliche Instrumente
wie diese Hilfsprogramme effektiver sind als der
herkömmliche Jugendarrest, da sie das Problem an der
Wurzel packen und helfen, Werte und Verhaltensweisen
wirklich zu resozialisieren.
47
Jasmin Peschke (Hg.)
Vom Acker auf den
Teller
AT Verlag 2021
Jasmin Peschke (Ed.)
From Field to
Table
Title only available in German
Rezension von Sonja Zausch
Review by Sonja Zausch
Das vorliegende Buch lässt sich als ein Plädoyer für einen
bewussten Umgang mit der Erzeugung und dem Konsum
von «lebendigen» Lebensmitteln zusammenfassen.
Die Gemeinschaft der über 20 Autorinnen und Autoren
beleuchtet auf sehr nachvollziehbare und naturwissenschaftliche
Weise unzählige Aspekte rund um Boden,
Saatgut, Pflanzenwachstum, Tierhaltung, Käseherstellung
und Milch, Getreide und Brot bis hin zu den psychologischen
Faktoren der Verdauung.
Jedes Produkt, das wir konsumieren, hat seinen Geburtsort,
seinen Transportweg und seinen Zielort, an dem es
gewünscht und hoffentlich mit Bewusstsein verzehrt
wird – also seine individuelle Biografie und Vitalität. Zu
dieser gehören vorausgehende Prozesse, die den Boden,
die Tiere, die Pflanzen wesens- und artgerecht an den
Lebensorten begleiten, zum Wachstum ermuntern und
unterstützen. Auch die wichtige Frage des heutigen Gesundheitsverständnisses
und die damit einhergehende
Auseinandersetzung werden in einigen Beiträgen explizit
herausgearbeitet: Gesundheit und somit auch Ernährung
haben immer eine starke individuelle und intuitive
Prägung, denn der «Körper weiss, was er braucht», (S.
189) und das kann er auch lernen.
Die Produzentinnen und Produzenten, Händlerinnen
und Händler, die Investorinnen und Investoren sowie die
Verbraucherinnen und Verbraucher sind alle Verantwortungstragende
für eine lebendige Lebensmittelkette.
Und diese Verantwortung mit ihren weitreichenden Zusammenhängen
wird in diesem umfänglichen Buch an
vielen guten Beispielen sehr anschaulich dargestellt.
Im hinteren Teil des Buches lenkt die Köchin Sarah Wiener
den Blick zum ganz praktischen Teil des Kochens: Je
früher im Leben mit dem Kochen begonnen wird, desto
tiefer reicht das Sensorium für das Zubereiten und
Geniessen von Lebensmitteln. Die frühe praktische Er-
This book could be summarized as a plea for a conscious
approach to the production and consumption of «living»
food. Essays by over twenty authors illuminate myriad
topics relating to the soil, seeds, plant growth, animal
husbandry, cheesemaking and dairy, grain and bread,
and even the psychological aspects of digestion.
Every product that we consume has a place of origin, a
path of transport, and a destination where it is requested
and hopefully consciously consumed—its own individual
biography and life cycle. This includes processes
to care for the soil, the animals and the plants according
to their nature and species at their place of origin and encouraging
and supporting their growth. The important
question of today’s understanding of health and some
related discussions are also explicitly elaborated in several
of the essays: Health, and thus also nutrition, are
always highly individualized and intuitive, because the
“body knows what it needs” (p. 189) and is also capable
of learning.
Producers, suppliers, investors and consumers all bear
responsibility for a living food chain. And this responsibility,
with its far-reaching interrelationships, is very
clearly illustrated, with many good examples, in this
comprehensive book.
Toward the end of the book, chef Sarah Wiener directs
our attention to the practical skill of cooking: The earlier
in life we begin cooking, the more deeply we develop our
sense for preparing and enjoying food. Practical kitchen
experience early in life sparks an interest in food that
makes us more attentive and responsible regarding the
supply chains in our globalized economy.
Cooking also establishes a relationship to time, love,
work, heritage, imagination, aesthetics, and much more,
which can empower us to become «agents of enjoyment»
(p. 201, as part of the «I can cook» initiative).
48
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
fahrung in der Küche lässt Interesse am Essen entstehen,
das aufmerksam und verantwortungsvoll auf die
Wertschöpfungsketten unserer globalisierten Wirtschaft
macht.
Daher stellt das Kochen auch eine Beziehung zu Zeit, Liebe,
Arbeit, Herkunft, Fantasie, Ästhetik und vieles mehr
her, wodurch Menschen zu «Genussbevollmächtigten»
(S. 201 im Rahmen der Initiative «Ich kann kochen») ausgebildet
werden können.
Als roter Faden werden feine Übergänge von Thema zu
Thema durch Jasmin Peschke formuliert, und die Lektüre
kann als ein Panoramablick unter folgender These erlebt
werden: «…, dass wir nur vital und resilient sein können,
wenn das, was wir essen, vital und resilient ist, und wir es
geniessen können» (Jasmin Peschke, S. 52).
Daher sehe ich persönlich in diesem Buch einen deutlichen
Zusammenhang zu unserem sozialen Arbeitsfeld:
Die Haltung, die Handlung, das Kochen und die Kommunikation
über und zum Lebensmittel kann als Vergleich
zur Beziehungsqualität in der pädagogischen und sozialtherapeutischen
Arbeit gesehen werden.
Jasmin Peschke wird bei der kommenden internationalen
Tagung eine Arbeitsgruppe leiten und in dem «Gespräch
auf der Bühne» beteiligt sein.
Jasmin Peschke writes lovely transitions from topic to
topic to maintain a common thread, and the book can be
experienced as a panoramic look at the idea «… that we
can only be vital and resilient if what we eat is vital and
resilient and we are able to enjoy it» (Jasmin Peschke, p. 52).
I personally see in this book a clear connection to our social
field of work: the attitude, the activity, cooking and
communication about and with food can be seen as an
analogy for the quality of relationships in pedagogical
and social-therapeutic work.
Jasmin Peschke will be leading a workshop at the upcoming
international conference and will take part in the
«Conversation on stage».
Translation from German by Tascha Babitch
49
Christopher Reubke
Die Rhythmische Massage
für Menschen mit Epilepsie
Karl König Institut 2022
Christopher Reubke
Rhythmic Massage for
People with Epilepsy
Title only available in German
Rezension: Eva Marie Batschko und Volker Fintelmann
Review: Eva Marie Batschko and Volker Fintelmann
Zu beziehen direkt im Institut:
https://www.karlkoeniginstitute.org/de/andere-publikationen.asp
Available directly through the Institute:
https://www.karlkoeniginstitute.org/en/other-publications.asp
Eine originäre Therapieform der Anthroposophischen
Medizin ist die von den Ärztinnen Ita Wegman und Margarethe
Hauschka entwickelte Rhythmische Massage.
Von 2005 bis 2017 wurde diese in der Carl-Gustav-Carus-
Akademie Hamburg in jeweils dreijährigen Kursen unterrichtet
und mit einem Zertifikat der Medizinischen Sektion
am Goetheanum in Dornach/Schweiz abgeschlossen.
Jede teilnehmende Person beendete diese Ausbildung
mit einer eigenständigen schriftlichen Studienarbeit.
Christopher Reubke, Teilnehmer des letzten Kurses von
2014 bis 2017, wählte als Thema die Möglichkeiten der
Therapie für Menschen mit Epilepsie mit Rhythmischer
Massage. Er hat seine Studienarbeit nun im Verlag des
Karl König Instituts allen an diesem Thema Interessierten
zugänglich gemacht. Sechs jeweils komprimierte Kapitel
beschreiben sein Anliegen und die von ihm gewählte
Erkenntnismethode sowie ausführlicher die menschenkundlich-medizinischen
Gesichtspunkte zum Verständnis
des komplexen Krankheitsbildes Epilepsie. Reubke
beschreibt Aspekte zur Frage der Konstitution anhand
der Temperamente und macht in einem Schlussteil das
Dargestellte an zwei Krankheitsverläufen von Menschen
anschaubar, die er mit Anwendungen der Rhythmischen
Massage therapeutisch begleitet hat. Ein kurzer Anhang
zur Lesart der Studienarbeit und der von ihm gewählten
Literatur rundet seine Darstellungen dann ab. Gestützt
auf die Ausführungen Rudolf Steiners im Heilpädagogischen
Kurs und den darauf bezogenen Ausarbeitungen
von Rudolf Treichler und Nick Blitz stellt Reubke die
unterschiedliche Form und Symptomatik der vier Hauptausgestaltungen
von Lungen-, Leber-, Nieren- und Herzepilepsie
dar und verbindet sie mit den Elementen Erde,
Wasser, Luft und Wärme (Feuer). Dabei gliedert er jede
Rhythmic Massage, one of the original forms of therapy
in anthroposophic medicine, was developed by Drs. Ita
Wegman and Margarethe Hauschka. Between 2005 and
2017, it was taught in three-year courses at the Carl-Gustav-Carus-Akademie
in Hamburg, Germany, with final
certification from the Medical Section at the Goetheanum
in Dornach, Switzerland. All students completed
their training with an independent, written thesis paper.
Christopher Reubke, who attended the last course from
2014-2017, chose the topic of Possible Rhythmic Massage
Treatments for People with Epilepsy. He has now made
his thesis paper available to anyone interested by publishing
it through the Karl König Institute. Six condensed
chapters describe his goal and his chosen methodology,
and also provide more comprehensive anthroposophic
medical perspectives on the complex condition of epilepsy.
Reubke looks at the question of constitution in regard
to the temperaments and concludes, by way of illustration,
by offering two case studies of people he treated
with Rhythmic Massage. His paper is rounded out by a
short appendix and reading list with his chosen literature.
Based on Rudolf Steiner’s observations in the Curative
Education Course and the relevant elaborations on them
by Rudolf Treichler and Nick Blitz, Reubke presents the
various forms and symptomatologies of pulmonary
(lung), hepatic (liver), renal (kidney) and cardiac (heart)
epilepsy and connects them with the elements of earth,
water, air and warmth/fire. In doing so, he classifies each
of the four forms based on the affected organ, the associated
soul characteristics, and the constitution, in order
to briefly describe the unique characteristics of epilepsy
connected with these organs. His two case studies focus
on one patient with pulmonary epilepsy and one with
50
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
der vier Formen in Aspekte des betroffenen Organs, des
ihm eingegliederten Seelischen und der Konstitution, um
dann thesenartig die Besonderheit dieser organischen
Epilepsie zu beschreiben. In zwei Fallbeispielen werden
Menschen mit einer Lungen- und einer Nierenepilepsie
und deren Behandlung mit dem fokussierten Blick auf
die Rhythmische Massage dargestellt. Die von ihm verwendete
Gliederung und Anschauungsweise verifiziert
das zuvor allgemein anthropologisch Dargestellte und
ist der eigentliche Kernpunkt seiner Studienarbeit.
Die von Christopher Reubke gewählten Fallbeispiele führen
zunächst in eine gut gegliederte und umfassende
Vertiefung des Krankheitsgeschehens ein. Die aus der
Menschenkunde Rudolf Steiners differenzierte Darstellung
ermöglicht eine gründliche Diagnostik der Wesensglieder
und analysiert die individuelle Wesensgliedersituation
der beiden Personen. Die gewählte Therapie
zeigt einen fundierten künstlerischen Ansatz, der jede
Konzeption aus der Technik in einen kreativen, schöpferischen
Prozess verwandelt und deshalb als Anregung
zur lebendigen Anleitung von Rhythmischen Massage
auch anderer Krankheitsbilder dienen kann.
Im Ganzen begegnen Lesende Inhalten, die für sie zu einem
höchst anregenden Studium werden können, vor allem
wenn sie am Krankheitsbild der Epilepsie interessiert
sind. Es ist wahrlich kein einfaches Lesebuch, sondern
eine gewissenhafte Arbeitsanleitung des Verständnisses
eines Krankheitsbildes und spezifischer Therapie.
renal epilepsy and their treatment with Rhythmic Massage.
His outline and approach verify what he previously
presented in general anthroposophic terms and are the
true crux of his paper.
The case studies Christopher Reubke chose provide a
well-structured and comprehensive examination of
the disease process. Through Rudolf Steiner’s nuanced
study of the human being, they allow for detailed diagnosis
of the constitutional elements and an analysis of
the individual constitutional situation of each of the two
patients. The treatments chosen show a well-grounded
artistic approach that transforms each technical concept
into a creative process. This paper can therefore
also serve as an inspiration for teaching Rhythmic Massage
in a living way as it relates to other illnesses.
On the whole, readers will encounter content that can
lead to highly interesting studies, especially if they are
interested in epilepsy as a condition. It is certainly not a
simple read, but rather a conscientious working guide to
understanding an illness and a specific treatment.
Translation from German by Tascha Babitch
51
Ferdinand Klein
Waldorfpädagogik
in Krippe und Kita
Einblick in eine ganzheitliche Praxis, die jedem Kind
seinen individuellen Lebensweg ermöglicht
Ferdinand Klein
Waldorf Pedagogy
in Early Childhood
Insights into holistic practice that allows every child to follow
their individual life’s path
BurckhardtHaus/Oberstebrink 2022
Title only available in German
Rezension: Götz Kaschubowski
Review: Götz Kaschubowski
Der international bekannte Heil- und Sonderpädagoge Ferdinand
Klein macht uns darauf aufmerksam, dass jedes
Kind seine Impulse bereits mit auf die Welt bringt. Wir müssen
ihm den Lebens-, Erziehungs- und Bildungsraum zur
Verfügung stellen, damit es diese Impulse verwirklichen
kann. Dabei interessiert es nicht, ob die Lebenssituation
des kleinen Kindes eine fröhlich-lachende, eine eher melancholisch-zurückhaltende
oder eine von leiblich-seelischen
Problemen gekennzeichnete ist. Klein fordert unsere Offenheit
für das Kindsein an sich, eine reflektierende Selbstbejahung
und eine in sich stimmige innere Selbstachtung.
Gerade für das Kindergartenalter will Klein kein Konzept
unterstützen, das ein Kind als Objekt pädagogischen Handelns
sieht. Für die elementarpädagogische Praxis heisst
dies, dass sich Erzieherinnen und Erzieher nicht von Förderprogrammen,
sondern vom Tun der Kinder leiten lassen.
Diese Leitlinie beginnt schon beim Philanthropen Gotthilf
Christian Salzmann, führt uns über Rudolf Steiner zu Maria
Montessori und findet den Höhepunkt bei Janusz Korczak,
der die Perspektive des Kindes hinzugenommen hat.
Als Korczak-Pädagoge zeichnet Ferdinand Klein historische
Entwicklungen nach, beschreibt Besonderheiten der
pädagogischen Arbeit, wie etwa die eurythmische Bewegungskunst
und ganzmachende (heilende) Erziehungskunst.
Er stellt beispielhaft eine Kita-Einrichtung vor, die
schon inklusiv arbeitete, als es im deutschen Sprachraum
den Begriff Inklusion noch gar nicht gab.
Es ist Klein zu danken, dass er auch komplexe Zusammenhänge
in einer Sprache formuliert, die alle mitnimmt, ohne
dass der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit verloren geht.
Dabei ist es spannend, dass er manchen Gedanken – wie die
Selbsterziehung der erziehenden Person – mehrfach wiederholt
und unter neuen Gesichtspunkten mit einem anre-
Internationally renowned curative and special educator
Ferdinand Klein draws our attention to the fact that
every child brings their own impulses with them into the
world. It is up to us to give them the living environment,
upbringing and educational space they need in order to
realize these impulses. It does not matter whether the
young child’s life situation is characterized by happiness
and laughter, melancholy and reserve, or physical or psychological
problems. Klein calls for openness to the state
of being a child in and of itself, reflective self-affirmation
and coherent internal self-respect.
Especially for kindergarteners, Klein does not support any
approach that sees children as the object of educational
action. For elementary pedagogical practice, this means
that teachers should be guided not by funding programs,
but by the children’s behavior.
This line begins with the philanthropist Gotthilf Christian
Salzmann, leads us to Maria Montessori via Rudolf Steiner
and culminates in Janusz Korczak, who added the child’s
perspective.
As a Korczak educator, Ferdinand Klein traces historical
developments and describes unique features in educational
work, such as eurythmy and healing education. He
presents an example of a daycare center that was already
working inclusively before the concept of inclusion even
existed in the German-speaking world.
Ferdinand Klein is to be commended for formulating complex
contexts in language that anyone can understand,
while while maintaining sound scholarship. He also repeats
concepts, such as self development for teachers and
caregivers, multiple times from different perspectives and
in an inspiring writing style. This allows readers to read on
with interest and without having to constantly page back
through previously-read chapters.
52
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development | 3-2022
This book is especially useful for learning about fundamental
aspects of Waldorf nursery school and kindergarten.
It offers practical ideas as well as food for thoughts
for students. I hope that this instructive and inspiring
book, with its many illustrations, will find a wide audience
among teachers as well as students of education.
Translation from German by Tascha Babitch
genden Schreibstil erörtert. So kann man das Werk mit Interesse
lesen, ohne immer wieder zurückblättern zu müssen.
Dieses Buch ist besonders geeignet, um sich über grundlegende
Aspekte der Waldorferziehung in Krippe und Kindergarten
zu informieren. Es gibt Handlungsimpulse für die Praxis und
darüber hinaus Denkanstösse für Studierende. Ich wünsche
dem lehrreichen und mit zahlreichen Bildern anregenden
Werk eine weite Verbreitung in Praxis und Ausbildung.
53
Impressum
Verlag | Publisher. . . . . . . . .Anthroposophic Council for Inclusive Social Development
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Fonds für Heilpädagogik und Sozialtherapie Dornach
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ruchti-Weg 9, CH-4143 Dornach, +41 61 701 84 85
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .perspectives@inclusivesocial.org
Website . . . . . . . . . . . . . . . .inclusivesocial.org/perspectives
Redaktion | Editorial Team . .Jan C. Göschel • Elizabeth Sanders
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Bernhard Schmalenbach • Gabriele Scholtes
Administration. . . . . . . . . . .Karin Gaiser: info@inclusivesocial.org
Layout . . . . . . . . . . . . . . . . .Sophie Alex
Satz | Typeset . . . . . . . . . . .Gabriele Scholtes
Druck | Printing . . . . . . . . . .medialis Offsetdruck GmbH
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Heidelberger Straße 65, DE-12435 Berlin
Versand | Distribution . . . . .OML Direktmarketing und Logistik GmbH & Co. KG,
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Holzhauser Straße 140i, DE-13509 Berlin
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Standard subscription . . . CHF 42 per year (print und digital)
Richtlinien für Autoren. . . Siehe inclusivesocial.org
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .oder nehmen Sie per Email-Kontakt auf
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Guidelines for authors . . . See inclusivesocial.org
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . or contact us by email
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . perspectives@inclusivesocial.org
ISSN (print) 2673-2211
ISSN (online) 2673-222X
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development ist die vierteljährliche
internationale Fachzeitschrift für anthroposophische Heilpädagogik,
Sozialtherapie und verwandte Arbeitsfelder.
Anthroposophic Perspectives in Inclusive Social Development is the quarterly
international professional journal for anthroposophic curative
education, social therapy and related fields.
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