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kulturnews_01_2024

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1/<strong>2024</strong> Das Magazin für Popkultur<br />

SCREWBALL-KOMÖDIE<br />

Oliver Masucci in Bestform<br />

THE PALACE<br />

© 2023 20th Century Studios


FÜR TICKETS QR-CODE SCANNEN<br />

25.10.24 MAG DE B U RG<br />

09.11.24 ROSTOCK<br />

12.11.<br />

11<br />

24<br />

BE R LI N<br />

15.11.24<br />

LE I PZIG<br />

18.11.24 CH E MN<br />

ITZ<br />

19.11.24 E R FURT<br />

28<br />

8.11.24 FRAN<br />

ANKFURT<br />

Tickets & Infos: www.shooter.de


4 Musik<br />

4 Pop<br />

22 Jazz | Klassik<br />

28 Film<br />

28 Kino<br />

36 Streaming | DVD<br />

38 4Teens<br />

42 Buch<br />

42 Literatur<br />

46 Krimi<br />

48 Kultur<br />

48 Kabarett | Comedy<br />

50 Kunst<br />

52 Theater<br />

54 Tourneen<br />

Foto: Andreas Hornoff<br />

Inhalt<br />

13 Acid.Milch&Honig<br />

Titelfotos: © 2023 20th Century Studios (Poor Things), Weltkino (The Palace)<br />

Worte in finsteren Zeiten<br />

… so lautet der Titel einer Textsammlung, die wir Ihnen auf Seite 43 ans Herz legen.<br />

Nach den schrecklichen Ereignissen vom 7. Oktober haben die Heraus -<br />

geber:innen bei Autor:innen und Personen des öffentlichen Lebens nachgefragt,<br />

welche Texte ihnen Trost spenden und Mut machen. Sie haben sich<br />

beeilt und das Buch innerhalb einer einzigen Woche fertiggestellt, damit<br />

es schon zum Jahreswechsel seine Hilfestellungen anbieten kann.<br />

Natürlich geht einfach nur das Jahr zu Ende. Die Wunden aus 2023<br />

werden bleiben, und die Kriege gehen weiter. Dennoch sind Punkte<br />

wichtig, an denen wir neue Kraft mobilisieren und nach Impulsen suchen.<br />

Nicht umsonst ziert Giorgos Lanthimos’ Film „Poor Things“ den Titel unserer<br />

Januar-Ausgabe. „Der Film erzählt die Geschichte einer sich gegen alle<br />

Widerstände von Männern emanzipierenden Frau“, schreibt Jürgen Wittner<br />

und schwärmt von Hauptdarstellerin Emma Stone. Dazu passt, dass die Riot-Grrrl-<br />

Band Sleater-Kinney zurück ist. „Little Rope“ nennen sie ihr neues Album, weil sie<br />

per sönliche Tragödien thematisieren und nach drei Jahr zehnten im feministischen<br />

Kampf auch Müdigkeit verhandeln. Doch ihre Musik klingt energetischer als je zuvor<br />

und lässt keinen Zweifel daran, dass sie noch lange vorhaben, widerständig zu sein.<br />

Vielleicht streifen Sie aber auch lieber ohne Musik durch die Skulpturenparks, die wir<br />

Ihnen auf Seite 50 vorstellen. Wir haben in diesem Heft ganz unterschiedliche<br />

Vorschläge, wie Sie gut in <strong>2024</strong> ankommen.<br />

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Viel Vergnügen mit noch mehr Kultur!<br />

Kultur erleben<br />

.de<br />

<strong>kulturnews</strong> | 3


Musik<br />

Erst „What Love?“, dann „Gloomtown<br />

Brats“: Mit nur zwei Singles macht<br />

Dallon Weekes Lust auf <strong>2024</strong>, denn<br />

für den 23. Februar hat er mit<br />

„Gloom Division“ das neue Album<br />

seines Projekts I Dont Know How<br />

But They Found Me angekündigt.<br />

Der in Salt Lake City lebende Sänger<br />

und Songwriter greift den Sound von<br />

Bands wie Hot Hot Heat und The<br />

Killers auf, um bei einer zeitgemäßen<br />

Verschmelzung von R’n’B, Postpunk<br />

und Artpop anzukommen. Und auch<br />

die Texte lohnen bei IDKHOW: „You<br />

just perpetuate ex pensive things and<br />

an upscale life“, ätzt Weekes etwa in<br />

„Gloomtown Brats“, um den Life style<br />

und die Vettern wirt schaft der<br />

Super reichen anzuprangern. cs<br />

Foto: Manic Project


Foto: Jan Seebeck<br />

Gekauft!<br />

Szene<br />

„Don’t worry<br />

about the<br />

sadness<br />

that I carry“<br />

aus: „Already gone“<br />

Wir kennen ihn als den Mann am Klavier, doch zugleich hat Enno Bunger<br />

auch mit jedem seiner Alben musikalisches Neuland betreten. Während<br />

der Ostfriese zuletzt den Sprechgesang erkundet hat, orientiert er sich auf<br />

„Der beste Verlierer“ nun am Wavepop – und stellt plötzlich die Gitarre in<br />

den Mittelpunkt. Was bleibt, ist die starke Schulter, mit der er uns an<br />

dunklen Tagen beisteht. Was sich dringend ändern muss, formuliert er<br />

selbst in „Grasgelb“: „Ich schreib Lieder voller Zynismus/Und ich hab leider<br />

Pech, denn/Kritik am Kapitalismus/Verkauft sich sehr schlecht.“ cs<br />

Dauerzustand:<br />

Herbstgefühl<br />

Der Hamburger Singer/Songwriter und vielleicht<br />

letzte ernst zu nehmende deutsche Chansonnier<br />

befindet sich wie aktuell wohl alle in einem Zustand<br />

der ewig anhaltenden Herbstgefühle. Garniert mit<br />

Leonard-Cohen-Flair sowie Vicky-Leandros-Remi -<br />

niszenzen und umspielt von Klarinetten, Chören,<br />

Percussion und Fieldrecordings, kredenzt Henning<br />

von Hertel alias Herr D.K. nun allerdings seine<br />

„Hydra“-EP, die mit nur vier Songs alles ein bisschen<br />

erträglicher machen soll. Und es klappt tatsächlich.<br />

Gerade dann, wenn von Hertel den Schlager<br />

der 70er-Jahre umarmend herausfordert: Was ist<br />

eigentlich, wenn wir das Leben doch nicht lieben,<br />

Frau Leandros? fe<br />

Mit ihrem zweiten Album<br />

„Movies, Cars and Heartbreak"<br />

trägt die selbst ernannte Pop-<br />

Witch aus Norwegen eine tiefe<br />

Melancholie durch ihr „mystisches,<br />

von Synthesizern gesteuertes<br />

Universum“, so Moyka<br />

selbst. Ein Universum voll von<br />

düsterem Pop à la Billie Eilish,<br />

Coming-of-Age-Geschichten<br />

und Handreichungen an die<br />

LGBTQ+-Szene.<br />

Foto: Ida Fiskaa<br />

Foto: Jasmin Seidel<br />

FRÄNKISCHES PUB-UP<br />

Grüner wird’s nicht<br />

Foto: Pauline Hahn<br />

Was Santiano für das Meer sind, sind Fiddler’s Green für Irland:<br />

Die Mitglieder des Sextetts mögen nicht auf der grünen Inseln geboren<br />

sein, doch ihre Herzen pumpen im Takt des Jigs grünes Blut durch ihre<br />

Adern. Mit ihrer Mischung aus Irish Folk und deutschem Rock haben<br />

die Franken sich eine internationale Fangemeinde erspielt, die bis nach<br />

Japan reicht. Auch mit ihrem neuen Album „The green Machine“<br />

bleiben Fiddler’s Green ihrer Formel treu und nehmen die Fans mit in<br />

die „Good old Irish Bar“, bevor sie in „The Bog“ versumpfen. Am Ende<br />

gibt es mit „Mursheen Durkin“ und „The parting Glass“ wie immer auch<br />

neue Versionen traditioneller irischer Stücke. mj<br />

<strong>kulturnews</strong> | 5


Musik<br />

CHECK-BRIEF MARIKA HACKMAN<br />

ALTER 31<br />

GEBURTSORT Hampshire<br />

WOHNORT London<br />

BRUDER Ben, ein Produzent,<br />

der als Hackman<br />

Dancetracks veröffentlicht<br />

EXFREUNDIN Amber Bain alias<br />

The Japanese House<br />

FREUNDIN Polly Louise Mackey<br />

alias Art School Girlfriend<br />

KOLLABO-FREUNDE alt-J<br />

An stillen Orten<br />

Foto: Steve Gullick<br />

Warum „Big Sigh“ ihr bisher bestes und intimstes Album ist?<br />

Marika Hackman hat sich dafür auf der Toilette verbarrikadiert.<br />

Marika, Kräutertee trinken, besser keinen Spaß haben und auf die<br />

Atmung achten: Danke für „No Caffeine“, das ist ein echter Service -<br />

song, um durch diese seltsame Zeit zu kommen.<br />

Marika Hackman: (lacht) Gern geschehen. Wir haben derzeit wohl alle<br />

mit Ängsten zu kämpfen. Da ist es gut, wenn wir uns über Methoden<br />

austauschen, wie man sich beruhigt und ein bisschen<br />

runterkommt.<br />

Es ist auch gut, dass du den Songs an den Anfang<br />

deines neuen Albums „Big Sigh“ gestellt, denn so<br />

sind die Hörer:innen ein bisschen gepolstert …<br />

Hackman: Ich habe mich aus musikalischen Gründen<br />

so entschieden, aber es stimmt natürlich. Die Platte<br />

geht an ziemlich dunkle und traurige Orte, fängt<br />

angstvolle und auch depressive Zustände ein. Da ist<br />

es in der Tat ganz gut, wenn man eine Rüstung anlegt,<br />

bevor man sich darauf einlässt.<br />

Ist das auch der Grund, warum du von „Big Sigh“<br />

als deinem bisher schwierigsten Album sprichst?<br />

Hackman: Es ist eine klassische Pandemie-Platte. Ich<br />

Big Sigh<br />

erscheint am 19. Januar<br />

habe mich hingesetzt, und plötzlich sind längst vergangene Dinge an die<br />

Oberfläche gekommen, die aufgearbeitet werden wollten. Musikalisch<br />

steht der um das Klavier gebaute Schönklang für den ländlichen Schutz -<br />

raum der Kindheit, während Störer und Industrial-Elemente das Er -<br />

wachsenen dasein repräsentieren. Es ist meine mit Abstand introspektivste<br />

Platte, für die ich sehr tief gegraben habe. Während<br />

meine anderen Alben von einer an mir angelehnten<br />

Figur handeln, geht es hier ganz klar um mich. Und<br />

schwierig war auch, dass ich im Lockdown sechs<br />

Monate lang komplett mit dem Songschreiben auf -<br />

gehört hatte. Danach war es schwierig, mich daran zu<br />

erinnern, wie man das eigentlich macht.<br />

Mir gefällt es, dass du diese Blockade ausgerechnet<br />

auf einer Bartoilette überwunden hast, wo du dir deine<br />

kurz zuvor erstellten Handyaufnahmen angehört hast.<br />

Hackman: Generell empfinde ich Badezimmer als<br />

Freiraum und Ruheort, weil ich die Tür abschließen<br />

und mich sammeln kann.<br />

Der Ort steht auch dafür, dass du als Texterin nicht<br />

6 | <strong>kulturnews</strong>


Musik<br />

reservix.de<br />

dein ticketportal<br />

Bundesweit<br />

90.000<br />

Events!<br />

TOUR 11. 4. Berlin | 12. 4. Hamburg | 14. 4. Köln<br />

die im Pop üblichen Oberflächen bedienst und alles andere als<br />

geleckt über das Leben, über Liebe und Sex schreibst.<br />

Hackman: Von Anfang an war mir dieser Realismus wichtig. Wir<br />

schrecken davor zurück, weil es zunächst grotesk und vielleicht<br />

auch ekelig klingt, doch nichts veranschaulicht Menschlichkeit<br />

besser als Körperflüssigkeiten. Wir wissen alle sofort, was<br />

gemeint ist – und darin liegt für mich in gewisser Weise auch<br />

eine Sanftheit.<br />

Meine Lieblingstextzeile ist aus „Vitamins“: „Mum says I’m a<br />

waste of skin/A sack of shit and oxygen“.<br />

Hackman: Das ist ein Text, auf den ich sehr stolz bin. Ich mag<br />

auch Bilder, die etwas sehr Emotionales ausdrücken, – und die<br />

ich gleichzeitig als einen kurzen Comicstrip vor Augen habe.<br />

Wenn es in „Hanging“ etwa heißt: „I’m going home to<br />

intubate/Cause every time we talk I suffocate“. Oder „I was a<br />

beetle on my back“ in „The yellow Mile“.<br />

Nico Semsrott<br />

18.04.24 Köln<br />

20.04.24 München<br />

26.04.24 Berlin<br />

02.05.24 Leipzig<br />

03.05.24 Dresden<br />

05.05.24 Wiesbaden<br />

... und weitere Termine<br />

10.06.24 Köln<br />

30.06.24 Rostock<br />

02.07.24 Chemnitz<br />

08.07.24 München<br />

13.07.24 Nürnberg<br />

27.07.24 Oranienburg<br />

... und weitere Termine<br />

„Wir schrecken davor zurück,<br />

weil es zunächst grotesk und<br />

vielleicht auch ekelig klingt,<br />

doch nichts veranschaulicht<br />

Menschlichkeit besser als<br />

Körperflüssigkeiten.“<br />

Auf deinem letzten Album „Any human Friend“ hast du sehr<br />

explizit über queeren Sex und Masturbation getextet. Daran<br />

erinnert auf der neuen Platte nur noch der Song „Slime“.<br />

Hackman: Bei der neuen Platte liegt der Fokus eher auf den<br />

emotionalen Aspekten von Beziehungen. Andererseits hätte es<br />

sich nicht ehrlich angefühlt, wenn ein Song wie „Slime“ gefehlt<br />

hätte. Es war das letzte Stück, das ich geschrieben habe, und<br />

ich habe mich nur getraut, es aufs Album zu nehmen, weil ich<br />

wusste, wie melancholisch der Rest ist.<br />

Heißt das etwa, du bist erwachsen geworden?<br />

Hackman: Sagen wir lieber, ich bin jetzt reifer. Womöglich auch<br />

gesetzter, auf jeden Fall zehre ich von einem größeren Selbst -<br />

vertrauen. In der Vergangenheit habe ich mehr experimentiert,<br />

wollte Grenzen einreißen, provozieren und auch schockieren.<br />

Jetzt kann ich mich hinsetzen und ganz intensiv in mich rein -<br />

hören. Mit dem Alter wird sich das immer besser anfühlen.<br />

(lacht) Zumindest hoffe ich das.<br />

Interview: Carsten Schrader<br />

<strong>kulturnews</strong> | 7<br />

Alle Angaben ohne Gewähr<br />

15.04.24 Wien<br />

16.04.24 Ulm<br />

18.04.24 Wuppertal<br />

20.04.24 Leipzig<br />

21.04.24 Bremen<br />

23.04.24 Münster<br />

... und weitere Termine<br />

Christopher Köhler<br />

26.<strong>01</strong>.24 Memmingen<br />

02.02.24 Dresden<br />

<strong>01</strong>.03.24 Flensburg<br />

10.03.24 Konstanz<br />

22.03.24 Saarbrücken<br />

... und weitere Termine<br />

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Tickets unter reservix.de<br />

Hotline 0761 888499 99


Musik<br />

Iyechid da?<br />

Nee, is klar!<br />

CHECK-BRIEF<br />

WILLIAM RYDER-JONES<br />

GEBOREN 1983<br />

GRÜNDUNGSMITGLIED von The Coral<br />

SOLOKARRIERE seit 2008<br />

SOLOALBEN 5<br />

LIEBLINGSBAND Gorky’s Zygotic Mynci<br />

LIEBLINGSBUCH „Die Wespenfabrik“ von<br />

Iain Banks<br />

Foto: Marieke Macklon<br />

Keine Ahnung, was der Titel von Bill Ryder-Jones’ neuem Album bedeuten soll?<br />

Das ist Teil seines Plans …<br />

Bill, du hast gesagt, du bist auf „Iechyd da“ so stolz bist wie auf kein<br />

anderes Album seit „A bad Wind blows through my Heart“ aus dem<br />

Jahr 2<strong>01</strong>3. Was macht die neue Platte so besonders?<br />

Bill Ryder-Jones: So weit würde ich gar nicht unbedingt gehen, aber ich<br />

ziehe das Album jedenfalls den letzten beiden vor. Es ist näher an der<br />

Musik, die ich wirklich höre und liebe. Im Gegensatz dazu bin ich bei<br />

den beiden Vorgängern ein bisschen auf Nummer sicher gegangen.<br />

Dieses Mal habe ich mich wieder mehr herausgefordert. Es ist ein Album<br />

geworden, das eine Menge Informationen und Ideen beinhaltet.<br />

Hat dir dabei geholfen, dass du zuletzt auch immer mehr für andere<br />

Künstler:innen produziert hast?<br />

Ryder-Jones: Sehr direkt sogar. Ich habe jetzt mein eigenes Studio, in<br />

dem ich viel Zeit verbringe. Vor zwei Jahren habe ich ein Album für<br />

jemand anderes produziert, und während ich an den<br />

Streichern und Hörnern saß, dachte ich plötzlich:<br />

Warum zur Hölle mache ich nicht solche Musik, die<br />

mir wirklich Freude macht? Was für eine dumme<br />

Person ich doch bin! (lacht)<br />

Was verbindest du mit dem walisischen Titel, der<br />

so viel wie „gute Gesundheit“, aber auch „Prost“<br />

bedeutet?<br />

Ryder-Jones: Ich wollte einen Titel, den die meisten<br />

Leute nicht verstehen. Als Super Furry Animals<br />

2000 „Mwng“ veröffentlicht haben, ein Album ganz<br />

auf Walisisch, fand ich das spannend. So ist es auch<br />

hier: Es steht sofort eine Frage im Raum – was ist<br />

die Beziehung zum Album? Die Antwort ist: Es gibt<br />

keine. Wobei, ich schätze, der Titel fängt ein, dass<br />

Iyechid da<br />

erscheint am 12. Januar<br />

es mir um Unergründlichkeit geht. Und ich wollte etwas Optimistisches,<br />

aber englische Wörter sind mir oft zu majestätisch. Ich würde kein Album<br />

„Good Health“ oder „Hope“ nennen wollen, das klingt einfach scheiße.<br />

Du bist eigentlich gar nicht aus Wales. Hast du trotzdem eine enge<br />

Verbindung zu diesem Land?<br />

Ryder-Jones: Alle Urlaube meiner Kindheit waren entweder in Schottland<br />

oder in Wales, und ich habe so nah an Nordwales gewohnt, dass wir nur<br />

45 Minuten mit dem Auto gebraucht haben. Es sah so aus wie bei uns,<br />

aber die Sprache auf Schildern und Kennzeichen war komplett anders,<br />

wie nicht von dieser Welt. Das hat meine Fantasie beflügelt. Später habe<br />

ich herausgefunden, dass die Familie meines Vaters tatsächlich erst in<br />

den 50ern aus Wales nach England gezogen ist.<br />

Zwischen den Erinnerungen an vergangene Urlaube und dem Kinder -<br />

chor, der in mehreren Songs auftaucht, scheint<br />

Nostalgie eine große Rolle auf dem Album zu spielen.<br />

Ryder-Jones: Du kannst es Nostalgie nennen – ich<br />

würde sagen, ein großer Teil von mir ist schlicht<br />

hängengeblieben, in einer bestimmten Ära in den<br />

frühen 90ern. Es fällt mir sehr schwer, das loszulassen<br />

und ein Erwachsener zu sein. Ich bin jetzt 40,<br />

von mir wird erwartet, ein anderer zu sein, als ich<br />

wirklich bin. Wir alle haben ein inneres Kind, und<br />

meines ist sehr laut.<br />

LIVE<br />

24. 3. Hamburg | 25. 3. Berlin<br />

Interview: Matthias Jordan<br />

8 | <strong>kulturnews</strong>


Musik<br />

Spaß am<br />

Mittelmaß<br />

Ein Faible für die 90er hat die Indierockband<br />

Kapelle Petra allemal. Nur sind da eben auch<br />

die Staubsaugroboter.<br />

Foto: Marcel Strecker<br />

Guido, ihr habt das neue Album nach eurer Heimatstadt Hamm<br />

benannt, und der Opener ist eine Ode ans Mittelmaß. Zufall?<br />

Guido Scholz: Also was an Hamm total toll ist, man kommt von dort gut<br />

weg. (lacht) Ansonsten hat Hamm nicht viel zu bieten. Wir haben uns<br />

aber nicht mit dem Mittelmaß abgefunden, sondern es lieben gelernt.<br />

Auch wenn wir natürlich nicht in der Spießigkeit versumpfen wollen.<br />

Demnach hat die Spießigkeit Einzug in euer Leben gehalten?<br />

Scholz: Vor zwei Wochen hab ich mir einen Staubsaugroboter gekauft.<br />

Das ist spießig, aber auch total geil. (lacht) So was kommt mit dem Alter.<br />

Und mit dem Alter wächst auch die Nostalgie. Ich denke da an die<br />

Songs „Freibad Pommes“ oder „Auf null“.<br />

Scholz: Na ja, ich bin überhaupt kein Freund von diesem „Früher war<br />

alles besser“. Das finde ich ganz, ganz furchtbar. Aber wir werden älter<br />

und können heute einfach auf viel mehr zurückschauen als noch vor<br />

25 Jahren. Mir geht es weniger darum, die 90er-Jahre zu feiern, als<br />

darüber nachzudenken, was passiert wäre, wenn ein Funken anders<br />

geschlagen hätte. Wäre ich dann doch in Hamburg gelandet? Oder was<br />

wäre passiert, wenn ich nicht sitzengeblieben wäre? Aber klar, bei<br />

„Freibad Pommes“ macht es einfach „Kling“ im Kopf: mit dem Fahrrad<br />

zum Freibad, Chlorgeruch, ein Gedicht in Rot und Weiß.<br />

Mit „Es war nicht alles schlecht“ fangt ihr die Nostalgietendenzen<br />

dann ja auch selbst wieder ein.<br />

Scholz: Absolut. Nostalgie bedeutet oft auch einfach Sicherheit. Die<br />

90er- und 2000er-Jahre waren ja wie in Watte gepackt: Kalter Krieg vorbei,<br />

Bundeswehr weg. Und jetzt kehrt alles wieder zurück. Trotzdem:<br />

Ich würde nie wieder zurückwollen. Allein, dass Vergewaltigung in der<br />

Ehe bis in die 90er-Jahre nicht im Strafgesetzbuch stand …<br />

Auf „Keine Lieder für böse Menschen“ werdet ihr radikaler und weigert<br />

euch, dem Bösen empathisch zu begegnen.<br />

Scholz: Eigentlich ist es doch so einfach: Sei freundlich! Diese Mecker-<br />

Tendenzen sind einfach böse. Es ist gar nicht so schwer, nicht scheiße<br />

zu sein. Aber wie man dem begegnet? Das ist die Master-Frage.<br />

Ignorieren ist scheiße. Verständnis zeigen ist scheiße. Vielleicht einfach:<br />

Haltung bewahren.<br />

Interview: Felix Eisenreich<br />

Hamm erscheint am 12. Januar.<br />

LIVE 1. 2. München | 3. 2. Nürnberg | 8. 2. Stuttgart | 22. 2. Berlin<br />

23. 2. Hamburg | 24. 2. Bremen | 29. 2. Dresden | 1. 3. Leipzig<br />

2. 3. Hannover | 7. 3. Frankfurt | 8. 3. Münster | 9. 3. Köln<br />

<strong>kulturnews</strong> | 9<br />

09.04.24 Köln<br />

LANXESS arena<br />

13.04.24 Münster<br />

Messe und<br />

Congress<br />

Centrum<br />

Halle<br />

Münsterland<br />

15.04.24 Leipzig<br />

QUARTERBACK<br />

Immobilien ARENA<br />

18.04.24 Berlin<br />

Mercedes-Benz<br />

Arena


Musik<br />

›<br />

Aus Trauer<br />

wird Power<br />

Nach einer persönlichen Tragödie<br />

waren Sleater-Kinney am Abgrund.<br />

Doch Aufgeben ist für die Riot-Grrrls<br />

keine Option.<br />

Sie sind gerade dabei, ein neues Album vorzubereiten, als im<br />

Herbst 2022 das Telefon von Corin Tucker klingelt. Am Apparat ist<br />

ein Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Italien, der verzweifelt<br />

versucht, Carrie Brownstein zu erreichen – und so ist es an Tucker,<br />

ihrer besten Freundin die schlimmstmögliche Nachricht zu überbringen:<br />

Brown steins Mutter und ihr Stiefvater sind während ihres Italienurlaubs<br />

bei einem Autounfall ums Leben gekommen. „Es ist in einer solchen<br />

Situation nahezu unmöglich, etwas zu sagen, was nicht platt oder nach<br />

Kalenderspruch klingt. Du kannst dem anderen nur signalisieren, dass<br />

du für ihn da bist und ihn liebst“, erinnert sich Tucker an diesen tragischen<br />

Moment. Und es war gut, dass sie gerade mit einem<br />

neuen Projekt angefangen hatten. „Carrie wollte sich<br />

von dem Schmerz ablenken, und da waren die neuen<br />

Songs, in denen wir uns mit dem Älterwerden auseinandersetzen.“<br />

Da ist es kaum verwunderlich, dass die Texte auf dem<br />

elften Sleater-Kinney-Album extrem düster sind.<br />

„The thing you fear the most will hunt you down“,<br />

singt Tucker etwa. Es ist ein Satz, den Brownstein in<br />

einem Interview mit einem Friedhofswärter aufgeschnappt<br />

hat, – und er erzählt darin von Eltern, die<br />

ihre Kinder verloren haben. Doch musikalisch ist<br />

„Hunt you down“ mehr Hymne als Trauermarsch, und<br />

Little Rope<br />

erscheint am 19. Januar<br />

so eingängig wie bei „Say it like you mean it“ waren Sleater-Kinney in<br />

nunmehr drei Jahrzehnten nicht zu hören. Auf „Little Rope“ führen sie<br />

die Pop-Experimente weiter, die sie im Jahr 2<strong>01</strong>9 mit „The Center won’t<br />

hold“ und Produzentin Annie Clark alias St. Vincent begonnen haben.<br />

Zugleich kehren die Protagonistinnen der Riot-Grrrl-Bewegung aber auch<br />

zu ihrem Signature-Sound zurück, bei dem sich das Gitarrenspiel von<br />

Tucker und Brownstein auf ganz und gar eigene Weise verzahnt.<br />

„Ich bin sehr stolz darauf, dass es uns aus dem persönlichen Schmerz<br />

heraus gelungen ist, den Blick auf unsere düstere Gegenwart zu weiten“,<br />

fasst Tucker das neue Album zusammen, das es<br />

durchaus mit ihrem Klassiker „Dig me out“ aus dem<br />

Jahr 1997 aufnehmen kann. Wenn Sleater-Kinney das<br />

Thema Verlust verhandeln, geht es mit Blick auf die<br />

derzeitigen Rückschläge für den Feminismus und die<br />

LGTBQ-Community natürlich zugleich auch um die<br />

mit dem Alter schwindenden Kräfte zum Widerstand.<br />

„Little Rope“ mag mitunter ernüchternd klingen, doch<br />

auch nach 30 Jahren sind Sleater-Kinney noch zur<br />

Stelle. Und da ist diese letzte Zeile, mit der die Platte<br />

endet: „You built a cage but your measurement’s<br />

wrong/I’ll find a way, I’ll pick your lock“.<br />

Carsten Schrader<br />

Foto: Chris Hornbecker<br />

CHECK-BRIEF SLEATER-KINNEY. GENRE Punk, Indierock GRÜNDUNGSJAHR 1994 GRÜNDUNGSORT Olympia, Washington BANDMIT-<br />

GLIEDER Carrie Brownstein (Gesang/Gitarre), Corin Tucker (Gesang/Gitarre) EHEMALIGE BANDMITLIEDER Schlagzeugerin Janet Weiss hat die<br />

Band nach dem Album „The Center won’t hold“ (2<strong>01</strong>9) wegen musikalischer Differenzen verlassen AUSZEIT Im Sommer 2006 legen Sleater-Kinney<br />

das Bandprojekt für unbestimmte Zeit auf Eis, im Januar 2<strong>01</strong>5 erscheint das Comebackalbum „No Cities to love“<br />

10 | <strong>kulturnews</strong>


Musik<br />

Wie ein ins<br />

Gesicht<br />

Tritt<br />

Foto: Niamh Barry<br />

Auf dem ersten Album bleiben Sprints dem<br />

explosiven Garagenpunk ihrer Konzerte treu – auch wenn<br />

ihre Gründungslegende nicht so ganz stimmt.<br />

Karla, Jack, nach zwei EPs bringt ihr mit<br />

„Letter to Self“ nun euer Debütalbum heraus.<br />

Wie hat sich euer Sound in der kurzen<br />

Zeit seit der Gründung verändert?<br />

Karla Chubb: Ich würde sagen, die Musik ist<br />

reifer geworden. Am Anfang ist es uns mehr<br />

darum gegangen, zu zeigen, wo wir politisch<br />

stehen und was wir über die Gesellschaft<br />

denken. Meine Lyrics sind mittlerweile autobiografischer<br />

und persönlicher, aber auch<br />

musikalisch haben wir es geschafft, diese<br />

Gefühle einzufangen, indem etwa die Nervo -<br />

sität in den Gitarren hörbar wird – das Album<br />

soll sich ein bisschen anfühlen wie eine<br />

Panikattacke, mit diesem Auf und Ab. Ein Ziel<br />

war auf jeden Fall, dass es die Energie unserer<br />

Liveshows einfängt.<br />

Wie wichtig sind Konzerte für euch?<br />

Jack Callan: Wir versuchen immer, bei den<br />

Aufnahmen so nah wie möglich an einem<br />

Auftritt zu sein. Natürlich kannst du diese<br />

Energie nicht wirklich übersetzen, aber wir<br />

sind alle zusammen im Raum, spielen<br />

gemeinsam und schauen uns gegenseitig an.<br />

Auftritte sind schon immer ein wichtiger Teil<br />

unserer Identität als Band gewesen. Am<br />

Anfang haben uns Konzerte von Bands, die<br />

wir mochten, stark geprägt – vor allem die, bei<br />

denen es sich anfühlt, als würdest du einen<br />

Tritt ins Gesicht abkriegen.<br />

Ich habe sogar gelesen, dass ihr euch nach<br />

einem Konzert von Savages gegründet habt …<br />

Chubb: (lacht) Wir haben diese Geschichte<br />

einmal erzählt, und sie ist im Pressetext gelandet.<br />

Seitdem denken manche, wir hätten uns<br />

damals direkt im Moshpit angeschaut und<br />

gesagt: Du spielst Gitarre, ich spiele Bass, und<br />

wir starten eine Band! So ein biblisches<br />

Erleuchtungserlebnis war es nicht.<br />

Callan (lacht): Es war schon ein wichtiger Gig,<br />

einer der ersten, bei dem wir alle gemeinsam<br />

waren. Und er hat uns die Richtung vorgegeben,<br />

in die wir gehen wollten.<br />

Chubb: Für mich war es das erste Savages-<br />

Konzert. Ich kann mich erinnern, dass Jack im<br />

Vorfeld von ihnen gesprochen hat. Mich hat<br />

die Show umgehauen. Sie hat mir gezeigt: Auch<br />

Frauen können von der Bühne springen, und<br />

ich kann das auch!<br />

Interview: Matthias Jordan<br />

Letter to Self erscheint am 5. Januar.<br />

LIVE 17. 2. Hamburg | 18. 2. Berlin<br />

20. 2. München<br />

<strong>kulturnews</strong> | 11


Musik<br />

Eine Chance für die Liebe<br />

Foto: Janis Hinz<br />

Mit ihrem aktuellen Album tragen die Emil Bulls ein bisschen Zuversicht in die Welt.<br />

Dabei hätte die bayrische Nu-Metalband noch einige Rechnungen offen …<br />

Christoph, Stephan, seid ihr nach zehn Alben und einer fast 30-jährigen<br />

Karriere als etablierte Nu-Metal-Band überhaupt noch aufgeregt vor<br />

einem Release?<br />

Christoph „Christ“ von Freydorf: Klar. Diese Aufregung ist noch vor jedem<br />

Konzert und jedem Release da. Wenn ich das nicht mehr hätte, würde<br />

ich sofort aufhören. Dass wir das nach 28 Jahren immer noch machen,<br />

ist auf jeden Fall eine Leistung …<br />

Stephan Karl „Moik“: … eine Leistung und sehr unvernünftig! (lacht)<br />

Euer aktuelles Album „Love will fix it“ ist schlussendlich zwar sehr versöhnlich,<br />

startet aber mit einer Abrechnung. An wen ist die gerichtet?<br />

Christ: Über die Pandemie hat sich mit Sicherheit einiges angestaut, das<br />

dann auf einen Schlag rausmusste. Daher sind einzelne Songs auch<br />

härter denn je. So eine Abrechnung ist dann eher allgemein gemeint:<br />

In diesen fast 30 Jahren im Business begegnen einem<br />

einfach ganz viele uncoole Leute, die einen ausnutzen<br />

und alles andere als loyal sind.<br />

Der Song „Levitate“ ist dann der zuversichtliche, poppige<br />

Bruch, der das Album in eine positive Richtung<br />

drängt. Nicht umsonst trägt das Album diesen Titel.<br />

Christ: Wir wollten in dieser dunklen Zeit mit den ganzen<br />

Krisen, Kriegen und der Pandemie kein düsteres<br />

Album machen. Unser Anliegen ist es, den Leuten zu<br />

zeigen, was für eine Macht die Liebe sein kann. Also:<br />

Tragt ein bisschen Liebe in die Welt hinaus!<br />

Schaut man in die Kommentarspalten eurer Videos,<br />

ist es auffällig, dass man dort auch fast nur auf Liebe<br />

Love will fix it<br />

erscheint am 12. Januar<br />

stößt. Und da kommen die Kommentare auch aus Vietnam, Mexiko,<br />

Brasilien und von sonst wo.<br />

Christ: Da denkt man sich: Wow, wie geil ist das denn! Aber gleichzeitig:<br />

Verdammt, wieso wurde es uns in all den Jahren nicht vergönnt, auch in<br />

diesen Ländern auf Tour zu gehen? Da ist noch ganz viel Luft nach oben.<br />

Aber natürlich fällt uns auf, was für eine nette Community wir haben.<br />

Ihr betreibt mit einem eigenen Bandpodcast auch so was wie aktives<br />

Communitybuilding. Habt ihr manchmal die Befürchtung, euch damit<br />

zu entzaubern?<br />

Christ: Da hab ich tatsächlich auch schon drüber nachgedacht, mir aber<br />

nie Sorgen gemacht. Wir sind in dem Podcast einfach, wie wir sind. Wir<br />

haben kein Problem damit, nicht die Metal-Tough-Guys zu sein und auch<br />

Schwächen und Rückschläge einzugestehen.<br />

In einer Folge sprecht ihr darüber, wie schwer es als<br />

bayrische Band ist, einen Sober October einzulegen.<br />

Macht ihr denn jetzt wenigstens einen Dry January?<br />

Moik: Also n Dry January wird es mit Sicherheit nicht<br />

geben, wir sind im Januar schließlich auf Tour. Du<br />

siehst: Wir Bayern finden immer einen guten Grund,<br />

Bier zu trinken. (lacht)<br />

Interview: Felix Eisenreich<br />

TOUR 12. 1. Hannover | 13. 1. Leipzig<br />

25. 1. Wiesbaden | 26. 1. Nürnberg | 27. 1. Ulm<br />

1. 2. Münster | 2. 2. Hamburg | 3. 2. Berlin<br />

22. 2. Köln | 23. 2. Karlsruhe | 24. 2. Kaiserslautern<br />

12 | <strong>kulturnews</strong>


Musik<br />

Foto: Andreas Hornoff<br />

Ernsthaft?!<br />

Mit seinem Ravepunk füttert Acid.Milch&Honig<br />

das innere Kind – und ausgerechnet in der<br />

alternativen Szene fliegen die Tomaten.<br />

Acid, dein Debütalbum ist das Ergebnis von<br />

20 Jahren Arbeit. Was hat so lange gedauert?<br />

Acid: Ursprünglich war das ja ein Hobby. Ich<br />

hab gebastelt und ausprobiert. 2006 wollte<br />

dann einer 500 Platten kaufen, aber ich hatte<br />

noch nicht mal ein Tape fertig. Die Nachfrage<br />

war größer als mein Angebot. (lacht) Und dann<br />

kamen halt das Leben und seine Schicksals -<br />

schläge dazwischen.<br />

Du hattest aber nicht das Bedürfnis, ältere<br />

Songs „erwachsener“ zu gestalten?<br />

Acid: Also, ich wollte mit 25 eher ernsthaft sein.<br />

Es gibt viele Musiker:innen, die das innere<br />

Kind nicht aus sich herauslassen können: tiefe<br />

Stimme, harte Gitarrenmucke, ernste Persön -<br />

lichkeit. Bei mir dominiert heute immer noch<br />

der Punk. Ich will gegen das Ernsthafte steuern.<br />

Diese Punk-Attitüde vermischst du mit Pop<br />

und Rave. Eine Mischung, die bei deinen<br />

ersten Konzerten in der Leipziger Haus -<br />

besetzer:innen-Szene sicherlich nicht nur<br />

gut angekommen ist.<br />

Acid: Tatsächlich war das ein sehr anspruchsvolles<br />

Publikum, das einem auch rückmeldet,<br />

wenn mal etwas nicht passt. Ende der Nuller -<br />

jahre war das 90er-Revival noch in weiter<br />

Ferne, dennoch hab ich auf einer dieser<br />

Besetzungspartys einen Scooter-Song gespielt.<br />

Hätten die Leute Tomaten dabeigehabt, wären<br />

die wohl auch geflogen. (lacht) Aber mit Humor<br />

und einem Grinsen lässt sich sowas dann<br />

schon regeln.<br />

Grinsen musste ich, als ich herausgefunden<br />

habe, dass dein Künstlername auf ein Wohl -<br />

standversprechen des führenden SED-<br />

Funktionärs Walter Ulbricht referiert.<br />

Acid: Meinen Ost-Background kann ich sowieso<br />

nicht verstecken. Nur ein Logopäde könnte<br />

da helfen. Und in meinen Songs steckt natürlich<br />

dieser Schwermut der Aufarbeitung. Ich selbst<br />

war Kind in der DDR und habe Dinge mit -<br />

bekommen, die einen bis heute volle<br />

Schlagseite treffen und dazu zwingen, eine<br />

Therapie zu machen.<br />

Was sind das für Dinge?<br />

Acid: Ich bin sehr früh auf sogenannte Kuren<br />

geschickt worden. Da empfehle ich die Seite<br />

Verschickungsheime.de. Dort findet man<br />

Erfahrungsberichte – wohlgemerkt aus Ost wie<br />

West. Und das beantwortet dann ganz viel.<br />

Stichwort Umerziehung und schwarze<br />

Pädagogik.<br />

Interview: Felix Eisenreich<br />

Acid.Milch&Honig ist gerade erschienen.<br />

LIVE 28. 3. Zwickau | 1. 5. Lübeck<br />

<strong>kulturnews</strong> | 13


Musik<br />

Die <strong>kulturnews</strong>-Redaktion blickt voraus:<br />

Diese Acts starten durch im Musikjahr <strong>2024</strong><br />

T I P P 2 0 2 4<br />

CARSTEN SCHRADER<br />

Faux Real<br />

Die französisch-amerikanischen<br />

Brüder Virgile und Elliott Arndt<br />

waren 2023 bereits mit Wet Leg auf<br />

Tour und haben ohne Plattenvertrag bei<br />

so gut wie jedem Festival gespielt. Nun sind sie<br />

bei City Slang gelandet, das Debüt kommt wohl<br />

im Mai, und klar, die Vorabsingle „Faux Maux“<br />

ist wahnsinnig trashig – und zugleich eine un -<br />

widerstehliche Hymne mit Glam.<br />

Venbee<br />

T I P P 2 0 2 4<br />

Foto: Reuben Bastienne<br />

MATTHIAS JORDAN<br />

Die besten Newcomer:innen haben<br />

den unangenehmen Nebeneffekt, dass man sich<br />

beim Hören älter fühlt – zum Beispiel, wenn Venbee<br />

in „Gutter“ fragt: „When did I turn 20?/How the<br />

fuck am I 20?“ Zum Glück ist die Engländerin mittlerweile<br />

immerhin 23 – und in ihrer Heimat mit<br />

ihrem Mix aus Songwriterpop und britischen<br />

Dancefloor-Traditionen am Durchstarten.<br />

Apsilon<br />

T I P P 2 0 2 4<br />

Auch weil mich der Rapper<br />

aus Berlin-Moabit mit seinem<br />

Song „Baba“ zum Heulen<br />

gebracht hat, gehört er auf diese<br />

Liste. Seine drei EPs führen jetzt<br />

schon die Spitze des neuen deutschen politischen<br />

Rap an: Mit schnörkelloser Sprache fängt er<br />

migrantisierte Biografien, soziale Ungerechtigkeit<br />

und Rassismus ein. Um es mit Haftbefehl zu<br />

sagen: „Jedes Wort, jeder Satz ist wahr, Bruder“.<br />

Foto: Aysan Lamby Foto: Sarah Pardini<br />

FELIX EISENREICH<br />

Fotos Redaktion: Elisabeth Graf Gatterburg (Carsten) | Nils Heuner (Matthias) | privat (Felix)<br />

14 | <strong>kulturnews</strong>


A<br />

PRESENTATION IN ASSOCIATION<br />

WITH<br />

29. 08.<br />

<strong>01</strong>. 09.<br />

BAD KISSINGEN<br />

LEIPZIG<br />

04.09. 09<br />

HAMBURG<br />

06.09. PAPENBUR<br />

G<br />

13<br />

03 B<br />

3.T<br />

AUSVERKAUFT<br />

TOUR<br />

<strong>2024</strong><br />

IN<br />

09.10.<br />

OSNABRÜCK<br />

<strong>01</strong>.10.<br />

NÜRNBERG 10.10. HALLE (SA ALE)<br />

02.10.<br />

FR ANKFURT 12.10. FREIBURG<br />

03.10. BREMEN 13.10.<br />

STUT TGARTT<br />

05.10. DRESDEN 14.10. FRIEDRICHSHAFEN<br />

06.10. KÖLN<br />

16.10. HA MBURG<br />

07.10. BOCHUM<br />

17.10. BERLIN<br />

AUSVERKAUFT<br />

AUFT<br />

AUSVERKAUFT<br />

AUFT<br />

AUSVERKAUFT<br />

AUFT<br />

AUSVERKAUFT<br />

AUFT<br />

AUSVERKAUFT<br />

AUFT<br />

ZUSATZTERMINE:<br />

20.8.<br />

MÖNCHENGLADBACH · 23.8. COBURG · 24.8. DRESDEN · 27.8. HALLE (S)<br />

30.8. LORELEY · 31.8.<br />

NEU-ULM<br />

ULM·<br />

3.9.<br />

MÜNCHEN · 6.9.<br />

PAPENBURG · 7.9. ROSTOCK<br />

10.5. DORTMUND · 12.5. HANNOVER · 13.5.<br />

KÖLN<br />

·<br />

16.<br />

5. LEIPZIG<br />

17.5. HAMBURG · 20.5. FRANKFURT · 21.5. STUTTGART · 24.5. BERLIN<br />

E i n e<br />

- P r o d u k t i o n in Zu s a m m e n a r b e i t mi t<br />

AUSVERKAUFT<br />

AUFT<br />

by arrangement with Solo<br />

<br />

<br />

<br />

TOUR <strong>2024</strong><br />

11.4.<br />

MÜNCHEN • 12. 4. .LEIPZIG<br />

• 13. 4. BERLIN<br />

14. 4. HAMBURG • 16. 4. BREMEN • 17. 4. HANNOVER<br />

18. 4. BIELEFELD • 20.4. NLO • 21. 4. DORTMUND<br />

22. 4. KREFELD • 23. 4.<br />

FRANKFURT • 25.4. STUTTGART<br />

26.4. KARLSRUHE • 27. 4.<br />

LUXEMBURG • 28. 4. DÜSSELDORF<br />

29.4 KÖLN • 30.4. KÖLN (ZUSATZSHOW!)<br />

A U S V E R K A U F T<br />

A U S V E R K A U F T<br />

22. JANUAR KÖLN<br />

24. JANUAR HAMBURG<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

shiver rint<br />

nthe dark<br />

im juli <strong>2024</strong><br />

24 . 5. NÜRNBERG • 25. 5. KO<br />

OBLENZ<br />

26. 5. KASSEL • 28. 5. DORTMUND<br />

29. 5. OSNABRÜCK • 30. 5.<br />

6. 6.<br />

1. 6. LÜBECK • 2. 6. FLENSBURG<br />

3. 6. ROSTOCK • 5. 6.<br />

DRESDEN •<br />

7.<br />

6.<br />

BREMEN<br />

ERFURT<br />

FINSTERWA<br />

ALDE<br />

BENNEE<br />

ZUHAUSE<br />

TOUR<br />

APRIL<br />

<strong>2024</strong><br />

THE<br />

WELLERMAN<br />

TOUR<br />

NATHAN<br />

EVANS<br />

LIVE<br />

IM MÄRZ<br />

<strong>2024</strong><br />

MÄRZ <strong>2024</strong><br />

by arrangement with<br />

and<br />

bis auf weiterese<br />

lebendig<br />

April<br />

<strong>2024</strong><br />

V O N A N F A N G<br />

A N D A B E I<br />

AU F TO U R<br />

I M M A I <strong>2024</strong><br />

www.prknet.de


Platten<br />

Die beste Musik<br />

# 1/<strong>2024</strong><br />

H Ö R H I G H L I G H T<br />

#1/<strong>2024</strong><br />

Tubbe<br />

Bankrott in Utopia<br />

Audiolith<br />

ELEKTROPUNK Acht Jahre kein Lebenszeichen<br />

und plötzlich sind sie zurück. Dass sich die<br />

Elektropunkband Tubbe mit ihrem dritten<br />

Album „Bankrott in Utopia“ in einer völlig neugemischten<br />

Gegenwart wiederfindet, überrascht<br />

nicht, verspricht aber viel. So solidarisieren<br />

Sie sich gleich auf dem New-Wave-Opener<br />

mit klebenden Klimaaktivist:innen und lassen<br />

wieder fröhlich alle Laster durch ihr Leben rasen.<br />

Sollte nach acht Jahren Pause nicht etwas<br />

erwachsenere Musik zu erwarten sein? „Alle<br />

ziehen ins Grüne, ich nur Kokain!“, ist die Trotz -<br />

reaktion auf etwaige Adoleszenz-Aufforde -<br />

rungen („Erwachsen“), und zunehmend<br />

mischen sich trümmernde Trancedrums unter<br />

die poppigen, ja schlageresken Melodien („Bye<br />

is the Limit“) und trockenen Oneliner. Mit dem<br />

90s-Rave zieht auch der 90er-Jahre-Zynimus<br />

in Tubbes Pop ein, der sich ganz wunderbar als<br />

Knüppel gegen die Dickpic-High-Performer-<br />

Plage eignet („Verschwund“), doch im Privaten<br />

schnell an seine Grenzen gerät. Der dauernde<br />

Distinktionsdrang macht einen auf Strecke<br />

dann doch zu einem sehr destruktiven Er -<br />

wachsenen. Eine Erkenntnis („Danke“), hinter<br />

die natürlich nur mit dem so wunderbar kind -<br />

lichen Dada-Besäufnis im Closer „Minibar“ ein<br />

Punkt gesetzt werden kann. fe<br />

Foto: Sophia Emmerich<br />

Zero Gr4vity<br />

Un très légère Oscillation<br />

Jarring Effects<br />

ELEKTRO Als Teil der Gruppe EZ3kiel ist er<br />

bekannt geworden, als Zero Gr4vity legt<br />

Joan Guillon sein Solodebüt vor – da ist eindeutig<br />

ein Muster erkennbar. Wie das nächste<br />

Projekt des Franzosen heißen wird, wissen<br />

wir noch nicht, aber eine 5 wird wohl<br />

irgendwo auftauchen. Zunächst aber geht es<br />

um „Un très légère Oscillation“. Das Album<br />

hat Guillon nach einem Buch des Reise -<br />

schriftstellers Sylvain Tesson benannt, und<br />

tatsächlich hat es etwas von einer Reise:<br />

Eigensinnig, aber immer entspannt flaniert<br />

die Musik zwischen Elektro, House und<br />

Ambient. Als Vorbilder nennt Guillon da<br />

Niels Frahm und John Hopkins, aber auch<br />

der Track „Floating Points“ weist auf eine<br />

Inspiration hin. Wie seine Vorreiter ist auch<br />

Zero Gr4vity nur bedingt an Tanzbarkeit<br />

interessiert, auch wenn etwa „The dark<br />

Passenger“ mit 4-to-the-Floor-Beat einheizt.<br />

Oft dominieren vielmehr Synthsphären und<br />

hypnotische Rhythmen, die manchmal<br />

ineinanderlaufen – umso mehr erfrischen<br />

Momente, in denen sich Guillon, wie bei<br />

„The Latch“ und „Poison“, echte Instrumente<br />

und Gesang dazuholt. mj<br />

Montañera<br />

A Flor de Piel<br />

Western Vinyl<br />

AMBIENTFOLK In ihrer Heimat Kolumbien gilt<br />

Maria Monica Gutierrez alias Montañera als<br />

erfolgreiche Künstlerin an der Schnittstelle von<br />

analoger Tradition und zeitgemäßer Elektronik.<br />

Trotzdem hat sich die Musikerin im Vorfeld von<br />

„A Flor de Piel“ zu einem Umzug nach London<br />

entschieden, der sie zu einer Auseinander set -<br />

zung mit Heimat, Einsamkeit und Neuanfang<br />

inspiriert hat. Eine allem voran innere Aus ein -<br />

andersetzung, von der auch Montañeras<br />

Minimalsound geprägt ist, der mit tastenden<br />

Synthies und fragiler Elektronik einen Klang -<br />

teppich webt, auf dem sich Gutierrez‘ Stimme<br />

zaghaft entfaltet. Neben diesem Grundgerüst<br />

sorgen japanische Koto-Einflüsse („A Flor de<br />

Piel“), Marimba und die afro-kolumbianischen<br />

Les Cantadoras („Santa Mar“) ebenso für global<br />

inspirierte Nuancen wie ihre Interpretation des<br />

Bullerengue, ein traditioneller kolumbianischer<br />

Tanzstil („Como una Rama“). Trotz dieser vielfältigen<br />

Rückbesinnung ist „A Flor de Piel“ ein<br />

zeitgemäßes Album, dessen Interpretin sich<br />

locker in eine Reihe mit Künstlerinnen wie<br />

Melanie De Biasio, Ibeyi und Juana Molina<br />

stellen darf. vr<br />

16 | <strong>kulturnews</strong>


Platten<br />

Casey<br />

How to disappear<br />

Hassle Records<br />

POSTHARDCORE Nach<br />

Bekanntgabe ihrer Band-<br />

Auflösung im Jahr 2<strong>01</strong>8<br />

haben Casey nun doch<br />

ein drittes Album veröffentlicht.<br />

Wie die vorherigen<br />

Projekte behandelt<br />

auch „How to disappear“<br />

die Themen Trauer, Psyche<br />

und Existenz, doch musikalisch klingen die Waliser mitunter getragener.<br />

Besonders stimmlich präsentieren sie eine geerdetere und ruhigere<br />

Seite: Immer wieder bauen Drums und E-Gitarren hier Absprung -<br />

schanzen für einen emotional-gescreamten Ausbruch von Sänger Tom<br />

Weaver – doch der springt nicht, sondern legt sich auf den Boden.<br />

Spricht diese neue Ruhe für eine gesundheitlich positive Entwicklung<br />

des Frontmanns? In „Unique Lights“ etwa singt er: „I’m happier now,<br />

than I’ve ever been“. Und selbst der Titel „I’m happy when you died“<br />

ist eigentlich ein freudvoll-dankbares Gedenken an eine geliebte Person.<br />

Ja, bisweilen klingen Casey sogar ausgelassen („Blush“). So gelungen<br />

dann Rocksongs wie „Space between“ auch geraten sind, werden Fans<br />

vermutlich die Post-Hardcore-Version der Gruppe vermissen. Ihre<br />

Wurzeln lassen sich nur noch in „Bite through my Tongue“ erahnen. jm<br />

REISEFÜHRER FÜRS SEELENHEIL<br />

Vacations<br />

No Place like Home<br />

Nettwerk<br />

INDIEROCK Wenn die Vacations ein Album<br />

mit dem Titel „No Place like Home“ veröffentlichen<br />

und ihr Artwork als Fotocollage<br />

gestalten, liegt es nahe, einen vertonten<br />

Reisebericht zu erwarten. Doch der eigentlich so beschwingte Indierock-<br />

Opener „Next Exit“ reißt die gute Reiselaune gleich völlig ein: Führt uns<br />

die erste Ausfahrt doch ohne Umwege ins Seelenleben von Gitarrist und<br />

Frontsänger Campbell Burns, das seit der letzten Platte „Forever in<br />

Bloom“ dicke Risse bekommen hat. So ist das dritte Album der Australier<br />

geprägt von Bruns Umgang mit seiner diagnostizierten Zwangsstörung.<br />

Was zuerst wie ein solides, von Americana-Einflüssen inspiriertes und<br />

mit poppigen Synthiemelodien garniertes Indierockalbum klingt, wird bei<br />

genauerer Betrachtung zum impliziten Reiseführer fürs eigene Seelen -<br />

heil. Burns berichtet von seiner Reise durch die vermeintliche Ausweg -<br />

losigkeit („Slow Motion“) und von kaputter Liebe im Zeichen mentaler<br />

Krankheiten („Midwest“), um schließlich mit dem akustischem „Terms &<br />

Conditions“ keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass hier nicht<br />

ein wehleidiger Indierocker ein bisschen Mitleid erheischen will, sondern<br />

er stattdessen Kraft an alle Leidenden schickt. fe


Platten<br />

Harrison Storm<br />

Foto: Wilk<br />

Wonder, won’t you<br />

Nettwerk<br />

INDIEFOLK Nach dem Teilen von fünf EPs<br />

lässt sich Harrison Storms erstes Album wohl<br />

kaum als Debüt bezeichnen. „Wonder, won't<br />

you?“ zeigt den Australier gewohnt intro -<br />

spektiv und melancholisch-gefühlvoll. Eigent -<br />

lich ist er in einem Umfeld voll toxischer<br />

Maskulinität aufgewachsen, doch Künstler<br />

wie City and Colour haben Storm andere<br />

Seiten von Männlichkeit gezeigt und ihn dazu<br />

inspiriert, verletzliche Stücke zu schreiben.<br />

„Stone“ etwa verhandelt verlorene Verbin dun gen<br />

und die Beziehung zu sich selbst, während<br />

das schwere „Life ain’t ordinary“ nach Hoffnung<br />

und einem Zuhause sucht. Der Singer/ -<br />

Songwriter wählt poetische Worte und<br />

gewährt mit seiner Vorleserstimme und der<br />

unvermeidlichen Akustikgitarre einen Raum<br />

zum Zuhören. „Tiptoe round the circus as<br />

everyone cheers for nothing”, singt er etwa in<br />

„Tomorrow“. Herausragend ist aber vor allem<br />

das Stück „In good Times“, in dem er mit<br />

Fingerpicking à la Passenger das Erwachsen -<br />

werden thematisiert. Es ist eine Antwort auf<br />

seine erste Veröffentlichung „Sense of Home“<br />

und den Wandel der Zeit, der ihn zu seinem<br />

heutigen Ich geformt hat. jm<br />

Francis<br />

Sonne auf<br />

Raposa<br />

INDIEPOP „Geht die Sonne auf oder die Welt unter?“, fragt sich<br />

der Hamburger Newcomer Francis mit dem Titelsong seiner<br />

knapp fünfzehnminütigen Debüt-EP „Sonne auf“. Und ganz ehrlich,<br />

hier ist eindeutig Weltuntergangsstimmung:<br />

Trennungsschmerz, nächtliches Abstürzen, One-Night-Stands, Drogen gegen die Leere, familiäre<br />

Schicksalsschläge. Was uns der Mittzwanziger anbietet, ist ein düsteres Coming-of-Age-<br />

Drama zwischen Klubnächten und einsamen Tagen im Bett, umringt von verwelkten<br />

Zimmerpflanzen. Allerdings stehen Inhalt und Sound im Widerspruch, was in diesem Fall nun<br />

wirklich kein Stilmittel ist. Zu selten wagen sich die glatten, unabgefuckten<br />

Indiepopinstrumentals zum Tellerrand vor, und kurzes Liebäugeln mit verzerrten Gitarren und<br />

bedrohlich-hämmernden Drums bleibt bloß ängstliches Vortasten. Mehr Raum für Francis,<br />

könnte man meinen. So handhaben es schließlich auch artverwandte Kolleg:innen wie etwa<br />

Schmyt oder Paula Hartmann. Und tatsächlich überzeugen hymnische Falsetteinlagen, eingängige<br />

Hook-Melodien und ein paar charmante Bilder auf dem stärksten Song „taxilicht“. fe<br />

G.Rag Y Los<br />

Herrmanos Patchekos<br />

Esperanza<br />

Gutfeeling Records<br />

GLOBAL PUNK Hier gibt es zum Jahres -<br />

wechsel das, was wir alle derzeit wohl am<br />

nötigsten haben: Hoffnung. Doch für das<br />

mittlerweile zehnte Album von G.Rag Y Los<br />

Hermanos Patchekos müssen die an Punk<br />

und Postpunk orientierten Hörgewohnheiten<br />

natürlich wieder gehörig erweitert werden.<br />

Die Münchener um Andreas Stäbler alias<br />

G.Rag definieren sich als „Mediterranean<br />

Caribbean Trash Folk Space Arkestra“ und<br />

fahren für den Optimismuskick so einiges<br />

auf: vier Percussionisten und ein Kontra -<br />

bass, drei Gitarren, ein Baritonsaxofon, drei<br />

Gitarren, ein Akkordeon, einen Crooner und<br />

drei Sänger. Den Einstieg erleichtern drei<br />

Coverversionen; allen voran ihre so eigenwillige<br />

wie überzeugende Verneigung vor der<br />

US-amerikanischen Band Devo. Deren<br />

schmissige New-Wave-Hymne „Gut Feeling“<br />

klingt hier, als wäre sie irgendwo in der<br />

lateinamerikanischen Provinz eingespielt<br />

worden. „Be not so fearful“ stammt im<br />

Original von Bill Fay und wird als Mambo<br />

interpretiert. Und ganz am Ende singen wir<br />

lauthals mit, wenn die Patchekos „So you<br />

want to be a Rock’n’Roll Star“ von den Byrds<br />

in einen Surfklassiker verwandeln. cs<br />

18 | <strong>kulturnews</strong>


Platten<br />

NEUES VON GESTERN<br />

Tina Turner<br />

Queen of Rock’n’Roll<br />

Warner Music<br />

ROCK Eine unvergleichliche<br />

Stimme, unverwechselbarer Stil,<br />

unglaubliches Charisma, unsterbliche<br />

Hits: Als im Mai Tina Turner<br />

nach langer Krankheit verstorben<br />

ist, war das ein Verlust auf gleich<br />

mehreren Ebenen. Das neue Boxset versammelt nun zum ersten Mal<br />

in 55 Tracks alle Solosingles Turners, angefangen bei der an die<br />

Temptations angelehnten Funkversion von Led Zeppelins „Whole lotta<br />

Love“ aus dem Jahr 1975. Am Ende steht eine neue Version von<br />

Turners Hit „Something beautiful remains“, die ihr langjähriger<br />

Produzent Terry Britten überarbeitet hat – und die auch als ein<br />

Abschied gemeint ist. Überhaupt ist das Best-of nicht nur eine musikalische<br />

Kompilation, sondern auch ein Statement, das dezidiert<br />

Turners Solokarriere feiert – ohne Exmann Ike, der Tina jahrelang<br />

misshandelt und nie um Vergebung gebeten hat. Nicht ohne Grund<br />

fehlt wohl „Baby, get it on“, streng genommen die erste Single von<br />

Turners Soloalbum „Acid Queen“ und damit noch vor „Whole lotta Love“<br />

erschienen – aber eben im Duett mit und geschrieben von Ike. Hier<br />

geht es nun mal um die Queen. Welchen Adelstitel hat Ike noch mal? mj<br />

MEHR INFOS UNTER ALLARTISTS.AGENCY<br />

EELS<br />

EELS so good: essential EELS,<br />

vol.2<br />

E Works<br />

SONGWRITERROCK Hipster oder<br />

Freak? Mark Oliver Everett hat<br />

schon immer beidem entsprochen<br />

– und nicht erst, seit es zum<br />

guten Ton in der Popkultur gehört,<br />

Bart zu tragen und sich leicht neben der Spur zu geben. Kein Wunder,<br />

schließlich hat der US-Amerikaner, der sich auch gerne als „E“<br />

abkürzt, sein Debüt im Jahr 1996 unter dem Titel „Beautiful Freak“<br />

veröffentlicht. An der musikalischen Handschrift hat sich seitdem<br />

wenig geändert: sonore Stimme, intelligent-ironischer Rock und<br />

gepflegte Verschrobenheit. Bereits 2008 hat Everett mit seiner wechselnd<br />

besetzten Band ein Volume 1 der besten eels-Songs veröffentlicht.<br />

Volume 2 widmet sich nun den sieben Studioalben zwischen<br />

2007 und 2020, von denen eigentlich nur „Hombre Lobo“ und „The<br />

Deconstruction“ größere Aufmerksamkeit erregt haben. Den Fans ist<br />

das natürlich wurscht: Egal, ob beim Werwolfgeheul von „Fresh<br />

Blood“, dem Burt-Bacharach-Schmelz von „The Look you give that<br />

Guy“ oder dem roh rockenden „Peach Blossom“ – die Eels lassen<br />

Indierockherzen höherschlagen. Dazu kommen drei unveröffentlichte<br />

Songs, diverses Soundtrackmaterial und ein wehleidiges<br />

Weihnachtslied: Beautiful Freak forever! vr<br />

<strong>kulturnews</strong> | 19


Plattenchat<br />

SOUND OF KULTURNEWS<br />

listen on <strong>kulturnews</strong>.de<br />

Auflegen oder aufregen?<br />

Platten, die man im Januar hören muss – oder eben nicht.<br />

AMELI IN THE WOODS<br />

ANDREAS DORAU<br />

KREIDLER<br />

TITEL<br />

Throw my Fears into the River<br />

VÖ<br />

19. 1.<br />

TITEL<br />

Im Gebüsch<br />

VÖ<br />

19. 1.<br />

TITEL<br />

Twists (A Visitor arrives)<br />

VÖ<br />

12. 1.<br />

Petra: Ich bin beeindruckt, was unter Jazz<br />

fallen kann, und merke, ich muss wieder mehr<br />

Musik hören. Ameli In The Woods haben mich<br />

ab dem ersten Song in ihre Platte hinein -<br />

gezogen. Franziska Ameli Schusters Stimme<br />

kommt mir auf eine Weise vertraut vor – und<br />

doch lässt sie sich nicht vergleichen. Das<br />

Album ist nicht nur überraschend divers bei<br />

der Genrewahl, manchmal überrascht die Band<br />

auch innerhalb eines Liedes, etwa bei „Marion“.<br />

Felix: Überrascht hat mich diese Platte vor<br />

allem, weil ich Schuster bislang nur als<br />

Frontsängerin der quirligen Polkapopband<br />

RasgaRasga kannte. Da ist dieses reduzierte<br />

Jazzalbum voll fein nuancierter Dynamik<br />

schon ein krasses Gegengewicht. Allerdings<br />

fehlen mir hintenraus dann doch die Sound-<br />

Überraschungen.<br />

Matthias: „Marion“ ist auch mein Highlight.<br />

Mir gefallen die Klanglandschaften, die<br />

Schuster und ihre Band entwerfen, auch<br />

wenn es da manchmal schon sehr abstrakt<br />

wird. Gegen Ende war ich froh, dass der<br />

Closer „B 28“ mal ein bisschen kürzer ist.<br />

Carsten: Schon schön. Bei „Marion“ habe ich<br />

auf Thom Yorke als Duettpartner gewartet.<br />

Hätte voll gepasst. Wenn das also Indiejazz<br />

ist, bin ich ab sofort Indiejazzer.<br />

20 | <strong>kulturnews</strong><br />

Petra: Wie cool, bei dieser Platte war ich<br />

wieder 10 – und noch immer wippt der Fuß<br />

mit. „Das Glück“ gefällt mir besonders wegen<br />

des Textes: „Das Glück hat sich nach Dir<br />

erkundigt, es hat explizit nach Dir gefragt.<br />

Und wenn Du es dann triffst, weiß ich auch<br />

nicht, was man sagt.“ Mega! Gut, der Beat ist<br />

gefühlt immer gleich … Dennoch: eine Pop-<br />

Platte mit Niveau.<br />

Carsten: Dorau nervt – und trotzdem mag<br />

ich ihn irgendwie. Bei dieser an seinem<br />

60. Geburtstag veröffentlichten Platte fällt für<br />

mich mit „Rainy Days in Moscow“ immerhin<br />

ein Cruising-Song ab. Und habt ihr euch bei<br />

„Was nimmst du mit“ auch gefragt, was ihr aus<br />

eurem brennenden Haus retten würdet? Hast<br />

du wie Dorau eine goldene Unterhose, Felix?<br />

Felix: Oh, spielen wir jetzt „Ich packe meinen<br />

Koffer“? Das perfekte Kindergartenspiel zu<br />

diesem naiv-kindlichem Album. Also: Dorau<br />

packt eine goldene Unterhose ein, Felix den<br />

Song „Das ist nur Musik“ (weil: immerhin n<br />

bisschen lustig), und Matthias …?<br />

Matthias: Sorry, aber in meinem Koffer ist<br />

leider kein Platz mehr für Dorau. Obwohl ich<br />

einige Textzeilen ganz gut fände, wenn er sie<br />

nicht direkt wieder torpedieren würde. Beispiel:<br />

„In seinem Leben war er nur ein Statist. Also<br />

einer, der nicht wirklich ein Darsteller ist.“<br />

Ach so!<br />

Petra: Man kann sich bestimmt auf diese<br />

Musik einlassen – aber mir gelingt es nicht.<br />

Für mich passiert hier zu wenig. Am ehesten<br />

hat mich „Diver“ abgeholt, wo ich eine Kreu -<br />

zung aus Oriental und 80er-Pop gehört habe.<br />

Matthias: Och, ein bisschen was passiert<br />

doch schon. Mir gefallen etwa das Saxofon in<br />

„Tanger Telex“ oder die Breakbeats in<br />

„Arithmétique“. „Loisaida Sisters“ allerdings<br />

zeigt auch, dass der Gesang – wie bei den<br />

Düsseldorfer Kollegen von Kraftwerk – das<br />

schwächste Glied in der Kette ist.<br />

Carsten: Dabei ist der Diskurs von „Loisaida<br />

Sisters“ ja schon spannend: Warum haben wir<br />

so viel Sex? Wollen wir das wirklich? Richtig<br />

mitgehen kann ich hier aber erst bei den<br />

letzten drei Stücken, wenn die Metaebene<br />

etwas durchlässiger wird.<br />

Felix: Mich hat diese unaufdringliche Cheesi -<br />

ness gepaart mit 808-Claps und verspielten<br />

Jazz-Ausflügen schon abgeholt. Obwohl sich<br />

viele Sounds abwechseln, gleitet das Album<br />

angenehm dahin. Aber was ist denn bitte bei<br />

„Hands“ passiert? Spoken Word über<br />

Walgesang? Das klingt wie Hausaufgaben aus<br />

der Kunst akademie.


Plattenchat<br />

Foto: Elisabeth Graf Gatterburg<br />

Foto: privat<br />

Foto: Nils Heuner<br />

GASTHÖRERIN<br />

Foto: Inga Sommer<br />

CARSTEN SCHRADER<br />

hört auf Kuoko und läuft<br />

<strong>2024</strong> nicht nur ausgeschlafener,<br />

sondern auch wieder mit<br />

Turnbeutel durch die Gegend.<br />

Damit er den nicht wieder wie<br />

früher ständig vergisst, meidet<br />

er Ghost Woman und engagiert<br />

sich lieber in einem<br />

Spielmannszug namens<br />

Hochzeitskapelle.<br />

FELIX EISENREICH<br />

schließt sich dem Ausschlaf-<br />

Flashmob an und träumt von<br />

Kreidlers Walgesängen, marschierenden<br />

Hochzeitskapellen<br />

und Andreas Doraus goldener<br />

Unterhose. Sollte sich daraus<br />

wider Erwarten ein Alptraum<br />

entwickeln, hilft nur noch das<br />

umarmende Album von Amelie<br />

In The Woods.<br />

MATTHIAS JORDAN<br />

sollte sich aus gesundheitlichen<br />

Gründen wohl lieber aufs<br />

Turnen als aufs Schlafen konzentrieren.<br />

Dass so richtige<br />

Workout-Mixe in diesem Chat<br />

fehlen, macht ihm aber auch<br />

nichts aus – eine Ausrede<br />

mehr, sich mit der<br />

Hochzeitskapelle aufs Sofa zu<br />

chillen.<br />

PETRA SCHAPER<br />

zählt zu Hamburgs größten Jazz-<br />

Enthusiast:innen und hilft auch den<br />

Redaktionskollegen auf die Sprünge: Um<br />

Petra in diese Runde zu locken, haben<br />

sie die Musikauswahl angepasst. Aber<br />

nicht nur – denn die Kollegen lieben es<br />

auch, wenn Petra mal ein bisschen<br />

rabiater kommentiert.<br />

GHOST WOMAN<br />

HOCHZEITSKAPELLE +<br />

JAPANESE FRIENDS<br />

KUOKO<br />

TITEL<br />

Hindsight is 50/50<br />

VÖ<br />

gerade erschienen<br />

TITEL<br />

The Orchestra in the Sky<br />

VÖ<br />

12. 1.<br />

TITEL<br />

Troubleshooter<br />

VÖ<br />

gerade erschienen<br />

Petra: Dieses Düsterzeug mit Gesang auf einem<br />

Ton war noch nie meins. Hier bleibe ich bei<br />

keinem Lied an irgend etwas hängen.<br />

Matthias: Ich dachte echt, wir hätten das<br />

Postpunk-Ding langsam mal durch. Trotzdem<br />

kann ich Ghost Woman etwas abgewinnen,<br />

ich mag die Vorstellung, dass alles von zwei<br />

Leuten gemacht wird. Vor allem aber hat mich<br />

das Album motiviert, mal wieder Joy Division<br />

aus dem Schrank zu holen.<br />

Felix: Obwohl ich Joy Division vorrangig als<br />

kultiges WG-Poster mitbekommen habe, gehe<br />

ich da mit! Dieser rohe Sound gefällt mir viel<br />

besser als die 60er-Jahre-Westcoast-Romantik<br />

des Vorgängeralbums. Auf „Yoko“ klingt das<br />

Duo etwa, als hätten es The Doors bis in die<br />

90er-Jahre geschafft, um sich an Grunge zu<br />

versuchen.<br />

Carsten: Hatte bei dem kanadischen Duo<br />

positive (The Jesus And Mary Chain) und<br />

negative Assoziationen (Black Rebel Motorcycle<br />

Club). Und obwohl ich nach wie vor pro-<br />

Postpunk bin, ist mir das hier bei Songwriting,<br />

Gesang und Text dann doch zu wenig. Liegt<br />

vielleicht auch daran, dass es das dritte<br />

Album innerhalb von zwei Jahren ist.<br />

Petra: Wunderschön, Jazz mit japanischen<br />

Klängen und Gesängen. Ich bin immer ab -<br />

solut hingerissen, wenn es musikalisch so<br />

unglaublich vielseitig ist. I love it! Danke,<br />

dass ich das kennenlernen durfte.<br />

Carsten: War eigentlich dazu übergegangen,<br />

die Jazzprojekte der Acher-Brüder zu igno rieren<br />

und mich auf ihre Notwist-Veröffentlichungen<br />

zu konzentrieren – aber das hier berührt mich<br />

nicht weniger als „Neon Golden“. Diese rumpeligen<br />

Trauermärsche passen perfekt in die<br />

Zeit, und bei 24 Kollabos auf zwei Alben<br />

komme ich von Weilheim bis nach Buchholz<br />

in der Nordheide.<br />

Matthias: Obwohl bei 24 Tracks natürlich<br />

nicht jeder essenziell sein kann, trägt das<br />

Unfokussierte, Jammige viel zum Charme<br />

des Doppelalbums bei. Nebenbei: Dank<br />

„Nennennokoroli“ weiß ich jetzt auch, welches<br />

japanische Schlaflied Dexter und Fatoni<br />

damals für „Authitenzität“ gesampelt haben.<br />

Felix: Liebenswert ist ja eigentlich der kleine<br />

Bruder von scheiße. Aber anders kann ich<br />

es nicht sagen: Dieses Album ist wirklich<br />

liebenswert. Das führt so weit, dass ich bei<br />

Marschliedern wie „Kitakana St. March“ kurz<br />

davor war, grinsend zu salutieren.<br />

Petra: Wirklich interessante Mischung aus<br />

Disco und Elektro. Doch bei den schnelleren<br />

Beats verliere ich auch schnell die Lust, und<br />

es ist nicht ganz meine Stimme. Mich sprechen<br />

aber die Messages von Kuokos Texten an.<br />

Etwa „Loser“, in dem es ums Scheitern geht.<br />

Oder "Take it slow“, in dem Kuoko von<br />

Selbstausbeutung erzählt und dazu aufruft,<br />

auch mal langsamer zu machen.<br />

Felix: Genau von diesen beiden Songs lass’<br />

ich mir die Neujahresvorsätze diktieren.<br />

Nichtstun und dabei die 2-Step- und Break -<br />

beats von der Kabul-Fire-Künstlerin anhören –<br />

herrlich! Passt auch super zum aktuellen<br />

Anime-Hype, dass „Hurt yourself“ unweigerlich<br />

an den „Sailor Moon“-Titelsong erinnert.<br />

Carsten: Ein sehr gutes Popalbum, nicht mehr –<br />

aber auch nicht weniger. „Take it slow“ ist<br />

auch meine Losung: „I could shorten my<br />

sleep/I could work until night/wake up early<br />

and repeat/But I only got this life“. Machst du<br />

auch mit bei unserer Resilienzgruppe, Matthias?<br />

Matthias: Da wir diese Chatrunde wegen<br />

meines Urlaubs verschieben musste, klappt es<br />

aktuell ganz gut bei mir mit der Work-Life-<br />

Balance. Damit Kuoko es auf meine Freizeit -<br />

playlist schafft, muss ich mich noch an ihre<br />

etwas klischeehafte Indiepop-Stimme gewöhnen.<br />

<strong>kulturnews</strong> | 21


Jazz + Klassik<br />

Foto: Karolis Kaminskas<br />

Cécile McLorin Salvant<br />

Cécile McLorin Salvant weiß, was wir alle gerade bitter nötig haben:<br />

„In Zeiten der Einsamkeit und Angst möchte man instinktiv über Liebe<br />

sprechen“, meint die Jazzsängerin aus Miami. Also, sprechen wir über<br />

Liebe: Die Tochter einer französischen Grundschullehrerin und eines<br />

haitianischen Arztes hat bereits als kleines Kind ihre Liebe zur Musik<br />

entdeckt. „Haitianischen Folk, HipHop, Soul, Klassik, Jazz, Gospel oder<br />

kubanische Musik“, beschreibt Salvant selbst ihre frühkindliche musikalische<br />

Prägung. Und mit Björk und Kate Bush waren schnell zwei<br />

Heldinnen gefunden, die ihre Leidenschaft fürs dramatische und liebevolle<br />

Kombinieren verschiedener Einflüsse geweckt haben. Und heute?<br />

Heute lieben alle die 34-jährige Salvant für ihren so würdevoll modernisierenden<br />

Umgang mit dem traditionellen Jazz, Blues und Folk: Die verstorbene<br />

Operndiva Jessye Norman hat ihr das Prädikat „einzigartige<br />

Stimme“ verliehen, und über ihr aktuelles Album „Mélusine“ meint die<br />

Bürgerrechtlerin Dr. Angela Davis: „Salvants jüngstes Album ist eine<br />

mutige Erklärung, dem Ruf ihrer ausschweifenden Fantasie zu folgen.“<br />

TOUR 22. 10. München | 25. 10. Ludwigshafen | 29. 10. Frankfurt<br />

1. 11. Hamburg | 3. 11. Potsdam | 6. 11. Aalen<br />

7. 11. Dortmund | 9. 11. Bremen | 10. 11. Leverkusen<br />

22 | <strong>kulturnews</strong>


Jazz + Klassik<br />

C.A.R.<br />

Gästeliste<br />

Bimba Records<br />

PSYCHEDELIC JAZZ Das Wort „psychedelisch“ taucht geradezu<br />

inflationär oft in Kritiken auf. Seit den seligen Sixties wird damit haschbedröhnter<br />

Rock genauso umschrieben wie in Bass ertränkte Raves.<br />

Tatsächlich kommt das griechische Lehnwort aus dem Umfeld der Psychotherapie und bedeutet<br />

so viel wie „Seelenoffenbarung“. Unbekannte Aspekte des eigenen Geistes wahrnehmen, das haben<br />

einst auch sogenannte „Kraut“-Bands wie Can und Embryo angestrebt. Das Quartett C.A.R. greift<br />

deren Sinn für genial monotone Rhythmen und wunderliche Atmosphären seit dem Jahr 2<strong>01</strong>1<br />

brillant auf. Die fünf langen Songs auf „Gästeliste“ mögen wie Jams anmuten, aber es sind Songs<br />

mit Anfang und Ende, sphärisch und ambient-lastig, aber nie ziellos. Saxofone, Flöten,<br />

Vibrafone schälen sich heraus, analoges Schlagzeug treibt, Synthesizer werden nicht bloß als<br />

kosmische Zierde, sondern als echte Instrumente eingesetzt. Die vier Kölner lassen sich Zeit, und<br />

es obendrein wabern, schimmern und summen. Das Resultat ist eine Offenbarung für C.A.R.:<br />

echte, psychedelische Schönheit. jp<br />

Löwenzahnhonig<br />

Löwenzahnhonig<br />

Inselgruppe<br />

SOFT JAZZ Bass, Drums, Gitarre – was in dieser Kombination<br />

alles machbar ist! Löwenzahnhonig erreichen mit den genannten<br />

Mitteln das vermutlich sanftestmögliche Ergebnis überhaupt.<br />

Neun instrumentale Songs, bei denen sich akustische und elektrische<br />

Gitarren gegenseitig an Anschmiegsamkeit überbieten.<br />

„Moewe“ mäandert so verträumt dahin wie einst „Albatross“ von Peter Green’s Fleetwood Mac;<br />

„Afternoon Sun“ klingt nach dem Grüne-Wiesen-Folk der Siebziger, „Freefall“ wie die gemütliche<br />

Schweizer Variante von Khruangbin. Glaubt man der Legende, begann alles mit spontanen<br />

Zürcher Improvisationen: Fai Baba, der vielleicht begabteste Americana-Interpret diesseits des<br />

Atlantiks, traf auf Long Tall Jefferson und Paul Märki. Gemeinsam jazzjammen sie so reduzierten<br />

Folk dahin, wie ihn nur diejenigen hinbekommen, die schon sehr viele Stunden Musik gemacht<br />

haben. „Löwenzahnhonig ist ganz toll für eine Entschlackungskur geeignet“, verrät uns eine<br />

Gesundheitswebsite. Ein Allheilmittel gegen den Winterblues ist dieses Album, Songs für die nie<br />

untergehende Sonne in uns. jp<br />

Pat Metheny<br />

Für den Gitarren-Großmeister Pat Metheny ist das<br />

Publikum der Star, oder zumindest der Teil, der ganz<br />

genau hinhört. „Mit der Zeit wird mir immer klarer, dass<br />

es beim Musizieren mehr ums Zuhören als ums Spielen<br />

geht“, sagt der 69-Jährige. Das Zuhören sei sogar der<br />

„Schlüssel zu allem Guten in der Musik.“ Ganz schön<br />

bescheiden für jemanden, der bereits 20 Grammys in<br />

zwölf verschiedenen Kategorien eingesackt hat. Auf<br />

seiner anstehenden „Dream Box“-Tour ist Metheny<br />

wieder alleine, mit Gitarre und in intimer Atmosphäre<br />

auf der Bühne – perfekt, um perfekt zuzuhören.<br />

TOUR 14. 10. Köln | 17. 10. München<br />

18. 10. Ludwigshafen | 19. 10. Hamburg<br />

20. 10. Frankfurt | 21. 10. Berlin<br />

Foto: Jimmy Katz<br />

<strong>kulturnews</strong> | 23


Jazz + Klassik<br />

Viktoria Tolstoy<br />

Als Urenkelin des ikonischen<br />

russischen Nationaldichters Leo<br />

Tolstoi ist der schwedischen<br />

Jazzsängerin das Gespür für den<br />

nuancierten Umgang mit<br />

Stimme und Sprache in die<br />

Wiege gelegt worden. Ihr kristallklarer<br />

Gesang hat sie bereits<br />

in den 90er-Jahren zur Stimme<br />

Skandinaviens gemacht – nun<br />

kommt die 49-Jährige nach<br />

Deutschland.<br />

Dream House Quartett<br />

Die Konstellation des Dream House Quartetts ist<br />

mindestens so spektakulär wie sein grenzensprengender<br />

Sound, der die Trennlinien zwischen<br />

Klassik, Minimal Music, Jazz und Pop mit gebührendem<br />

Anstand in die Tonne pfeffert. Neben den<br />

Schwestern und Klavier-Koryphäen Katia und<br />

Marielle Labèque gehören der Komponist und<br />

Produzent David Chalmin sowie der Gitarrist,<br />

Singer/Songwriter und Mitbegründer der viel<br />

gelobten Indierockband The National Bryce<br />

Dessner dazu, der es ja bereits aus seiner<br />

„Stammband“ gewohnt ist, im familiären Kreise<br />

zu musizieren. Klar, The National besteht sogar<br />

gleich aus zwei Brüderpaaren und einem<br />

Anhängsel, doch gibt es noch eine eindeutigere<br />

Parallele zwischen diesen beiden Gruppen: Sie<br />

kommen ohne klaren Bandleader aus. Was zählt,<br />

ist das Projekt. In diesem Falle eine Tour, bei der<br />

Werke von Meredith Monk, Anna Thorvaldsdottir,<br />

David Chalmin, Bryce Dessner, Philip Glass, Steve<br />

Reich und Thom Yorke auf dem Spielplan stehen.<br />

LIVE 4. 11. Berlin | 5. 11. Hamburg | 6. 11. Köln<br />

Foto: Melanie Bordas<br />

TOUR 3. + 4. 3. Döttlingen<br />

5. 3. Mainz | 6. 3. Erlangen<br />

8. 3. Karlsruhe | 9. 3. München<br />

22. 4. Hamburg | 23. 4.<br />

Münster 24. + 25. 3. Berlin<br />

27. + 28. 3.Hameln<br />

Wolfgang Haffner<br />

Foto: Antje Wiech<br />

Wer mit 18 Jahren bereits in den<br />

Bands von Jazzikone Albert Man -<br />

gelsdorff, Liedermacher Konstantin<br />

Wecker und wenig später Chaka<br />

Khan gespielt hat, ist über jeden<br />

Zweifel erhaben. Wolfgang Haffner<br />

gilt als der beste, der coolste, der<br />

wichtigste Drummer seiner Gene -<br />

ration. Mit seinen Drumsticks dirigiert<br />

er gefeierte Jazzvirtuosen wie<br />

etwa Simon Oslender (Klavier) und<br />

Thomas Stieger (Bass) sowie den<br />

Sebastian Studnitzky (Trompete), die<br />

ihn auf der Tour begleiten.<br />

TOUR 30. 10. Baden-Baden<br />

1. 11. Berlin | 2. 11. Osnabrück<br />

3. 11. Lörrach | 4. 11. Nürnberg<br />

5. 11. Ulm | 6. 11. Mainz<br />

7. 11. Leverkusen | 8. 11. Braun -<br />

schweig | 9. 11. November<br />

10. 11. Lübeck | 12. 11. Bielefeld<br />

13. 11. Ludwigsburg | 14. 11.<br />

München | 15. 11. Aschaffenburg<br />

Foto: ACT/Josefine Bäckström<br />

24 | <strong>kulturnews</strong>


Jazz + Klassik<br />

MEHR INFOS UNTER ALLARTISTS.AGENCY<br />

Liedermacher<br />

machen Lieder<br />

Foto: Malene<br />

So tickt nur ein echter Cantautore:<br />

Eigentlich sollte „Nell’Attimo“ („Im<br />

Augenblick“) ein Best-of werden, mit all<br />

den Hits, die Pippo Pollina in<br />

40 Jahren Karriere angesammelt hat.<br />

Bis auf den allerersten Track seines<br />

allerersten Album sind nun aber doch<br />

wieder nur neue Lieder auf der Platte<br />

gelandet, denn Pollina kann nicht aufhören<br />

zu komponieren. Ach ja, und ein<br />

weiteres Lied kennen wir schon: Mit „E penso solo a te“ covert<br />

Pollina Element Of Crimes „Am Ende denk ich immer nur an dich“. mj<br />

Luftig-leicht<br />

Klaus Hoffmann<br />

War sein letztes Album „September -<br />

herz“ noch eine von Rückblicken<br />

geprägte Zwischenbilanz, setzt der<br />

deutsche Liedermacher Klaus Hoffmann<br />

nun zum Flug in die Zukunft an: „Was<br />

machst du mit dem Rest deiner Zeit?“,<br />

fragt er sich der 72-Jährige auf seinem<br />

aktuellen Album „Flügel“. Wir hätten<br />

da eine Antwort: auf Tour gehen!<br />

TOUR 16. 11. Düsseldorf | 20. 11.<br />

Saarbrücken | 22. 11. Dortmund |<br />

23. 11. Bremen | 25. 11. Hamburg<br />

26. 11. Hannover | 27. 11. Berlin<br />

Neben Daft Punk sind Air wohl das bekannteste französische Elektro -<br />

duo – und im Gegensatz zu Daft Punk denken sie nicht ans Aufhören.<br />

Doch Duohälfte JB Dunckel kann nicht nur Synthesizer und Vocoder –<br />

er ist auch passionierter Pianist. Mit „Paranormal Musicality“ hat er<br />

nun ein minimalistisches Soloklavieralbum vorgelegt, das sanft zwischen<br />

Satie und dem Air-typischen Ambientpop zum Liegen kommt. mj<br />

Foto: Jonathan Labusch<br />

Foto: Pascal Arnaud<br />

03.05.24 FRANKFURT<br />

ZOOM<br />

04.05.24 DRESDEN<br />

BEATPOL<br />

05.05.24 BERLIN<br />

METROPOL<br />

07.05.24 MÜNCHEN<br />

MUFFATHALLE<br />

08.05.24 LUDWIGSBURG<br />

SCALA<br />

09.05.24 KÖLN<br />

DIE KANTINE<br />

10.05.24 HAMBURG<br />

MOJO CLUB<br />

ZUENDSTOFF BOOKING präsentiert:<br />

kAPELLE PETRA<br />

HAMM<br />

NEUES ALBUM<br />

hier bestellen:<br />

12.<strong>01</strong>.24<br />

HAMM TOUR<br />

<strong>01</strong>.02.München, Ampere<br />

02.02.Wien, B72 (AT)<br />

03.02.Nürnberg, Hirsch (hochverlegt)<br />

08.02.Stuttgart, Club Cann<br />

09.02.Solothurn, Kofmehl (CH)<br />

10.02.Luzern, Sedel (CH)<br />

22.02.Berlin, Frannz Club<br />

23.02.Hamburg, Gruenspan (hochverlegt)<br />

24.02.Bremen, Modernes (hochverlegt)<br />

29.02.Dresden, Chemiefabrik<br />

<strong>01</strong>.03.Leipzig, Moritzbastei<br />

02.03.Hannover, Musikzentrum<br />

07.03.Frankfurt a.Main, Das Bett<br />

08.03.Münster, Sputnikhalle<br />

09.03.Köln, Essigfabrik (hochverlegt)<br />

<strong>kulturnews</strong> | 25


Film<br />

Foto: Majestic / © Christian Schulz<br />

Es ist nicht unbedingt üblich, dass in den Danksagungen im Abspann eines Films die Hauptdarstellerin auftaucht,<br />

immerhin ist ihr Name gerade erst deutlich lesbar vorbeigeflimmert. Doch die Macher von Stella. Ein Leben“ (ab 25. 1.<br />

im Kino) haben es für nötig befunden, Paula Beer noch einmal gesondert für ihren Mut zu danken. Und das nicht ohne<br />

Grund: Der Film, basierend auf der wahren Geschichte von Stella Goldschlag, die als jüdische Denunziantin für die Nazis<br />

gearbeitet hat, hätte allzu leicht als Katastrophe enden können. Immerhin geht es um eine historische Person, die der<br />

Film selbst als „Opfer und Täterin“ bezeichnet – und weder Regisseur Kilian Riedhof noch seine Co-Drehbuchautoren<br />

Marc Blöbaum und Jan Braren sind jüdisch, ebenso wenig wie Beer. Dass „Stella. Ein Leben“ trotzdem funktioniert, ist<br />

zu großen Teilen der Hauptdarstellerin zu verdanken: Paula Beer spielt Stella als komplexe Figur, lässt Raum für ihre<br />

Todesangst, aber auch ihre dunkleren Seiten. Sie sorgt dafür, dass der Film an den richtigen Stellen ambivalent ist –<br />

und an anderen ganz eindeutig. mj<br />

28 | <strong>kulturnews</strong>


Szene<br />

„Neu entdeckte Home Movies, Joans unglaubliche<br />

Kunstwerke und Zeichnungen, Tagebücher und<br />

Briefe, Fotos, Bandaufnahmen ihrer<br />

Therapiesitzungen und ein Goldschatz von auf<br />

Kassette eingesprochenen Briefen, die Baez von<br />

unterwegs an ihre Familie geschickt hatte“<br />

Das Regietrio Karen O’Connor, Miri<br />

Navasky und Maeve O’Boyle zählt auf,<br />

was alles in den Dokumentarfilm Joan<br />

Baez – I am a Noise (ab 28. 12. im<br />

Kino) einfloss: „All diese Quellen fangen<br />

in Realzeit ein, was sie damals empfunden<br />

hat, anstatt eine Erinnerung aus weitem<br />

Abstand zu sein.“ Außerdem verfolgten<br />

die drei Regisseurinnen Joan Baez über<br />

mehrere Jahre bei jeder Gelegenheit mit<br />

der Kamera und schufen so ein eindringliches<br />

Filmporträt.<br />

Foto: Alamode Film<br />

WINNER<br />

EIN FILM VON<br />

SOFIA<br />

COPPOLA<br />

MIT<br />

CAILEE SP AENY UNDJACOB EL<br />

ORDI<br />

Foto: Mubi<br />

Franz Rogowski wurde für seine Rolle<br />

des Tomas im Film Passages<br />

(kann auf Mubi gestreamt<br />

werden) vom New Yorker<br />

Filmkritiker verband zum<br />

besten Schauspieler ge -<br />

kürt. Das Besondere an<br />

der Auszeichnung: Wer sie<br />

erhält, hat später große<br />

Chancen auf den Oscar.<br />

So geschehen Anfang dieses<br />

Jahres mit Colin Farrell im Film<br />

„The Banshees of Inisherin“.<br />

FILMFESTIVAL<br />

Pia Lundberg wird ab März <strong>2024</strong> die künstlerische Leitung des<br />

Göteborger Filmfestivals übernehmen und damit den bisherigen<br />

künstlerischen Leiter Jonas Holmberg ablösen, der noch für das<br />

jetzt anstehende Festival (26.1.–4. 2. 24) verantwortlich ist.<br />

Die kommende Berlinale (15.–25. 2. 24) wird am Kulturprogramm<br />

zur Fußballeuropameisterschaft <strong>2024</strong> teilnehmen. „Berlinale Meets<br />

Fußball“ heißt das Programm, dessen Filme „Diversität,<br />

Nachhaltigkeit und Inklusion als wichtige Aspekte der Identität des<br />

Fußballs vermitteln“ sollen.<br />

„EINE RE EISE IN DAS DÜSTERE<br />

HERZ DER PROMINENZ... .<br />

COPPOLAS BESTER FILM”<br />

ROLLING STONE<br />

Kino erleben<br />

.de<br />

<strong>kulturnews</strong> | 29<br />

AB 4.JANU<br />

AR<br />

IM KINO


Kino<br />

Em(m)anzipation<br />

auf dem Oberdeck<br />

Fotos: Disney<br />

Giorgos Lanthimos hat mit Poor Things einen spätviktorianischen Frankenstein-Horrorfilm<br />

voll morbiden Humors gedreht – in dem Emma Stone alle Männer in die Tasche steckt.<br />

›<br />

Als der Medizinstudent Max McCandless (Ramy Youssef) von<br />

Professor Godwin Baxter (Willem Dafoe) den Auftrag erhält, die<br />

Entwicklung von dessen Tochter Bella Baxter (Emma Stone) wissenschaftlich<br />

zu begleiten und zu protokollieren, kommt er aus dem Staunen<br />

nicht mehr heraus. Ist Baxter selbst mit seinem vernarbtem Gesicht und<br />

seinen Gebrechen schon eine Ausgeburt der wissenschaftlichen<br />

Experimentierhölle des 19. Jahrhunderts, so setzt Regisseur Giorgos<br />

Lanthimos mit Bella Baxter noch einen drauf: Emma Stone brilliert in der<br />

Rolle einer eigentlich reifen Frau, die allerdings das Sprachvermögen und<br />

den rebellischen Entwicklungsstand eines Kleinkindes hat und noch<br />

nicht mal richtig laufen kann, was Max verwundert zur Kenntnis nimmt.<br />

Doch dabei bleibt es nicht, denn Bella kommt in die Pubertät und entwickelt<br />

sexuelles Begehren. Und letzteres setzt über Umwege eine ganz<br />

neue Handlung in Gang.<br />

Denn plötzlich beginnen sich die Männer für Bella zu interessieren: Eine<br />

sexuell begehrende Frau, naiv im Geist und gesellschaftliche Konven tionen<br />

entweder nicht kennend oder missachtend, ist ein feuchter Traum für die<br />

Männer, die mit ihr in Kontakt kommen. Godwin Baxter hat Befürch -<br />

tungen in diese Richtung und will seinen zunächst verwunderten Studenten<br />

Max mit Bella verheiraten, doch noch ehe die beiden zueinanderfinden,<br />

entführt sie der windige Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo), und für<br />

Bella beginnt die Zeit der großen Reisens und des intensiven Lernens –<br />

zunächst auf einer Kreuzfahrt durch Europa und dann in Paris.<br />

Schauspielerische Glanzleistung von Emma Stone<br />

Und jetzt merkt man, wie sehr „Poor Things“ der Film einer Emanzipation<br />

gegen jegliche Einengung ist. Angelegt vor einer surrealen Steam punk -<br />

kulisse des viktorianischen Zeitalters und ausgestattet mit Versatzstücken<br />

aus der Frankenstein’schen Monsterwelt, erzählt der Film innerhalb von<br />

knapp zweieinhalb Stunden die Geschichte einer sich gegen alle Wider -<br />

stände von Männern emanzipierenden Frau. Dass dies in dieser Kürze<br />

ohne oberflächliche Plattheiten oder Verkürzungen über die Bühne geht,<br />

liegt vor allem an Emma Stone: Wie sie die Entwicklung der Bella im<br />

Körper einer erwachsenen Frau vom tapsigen Wesen über die sexuell<br />

nimmersatte Pubertierende und die noch immer naive Hure in Paris spielt;<br />

wie sie die Heldin reifen lässt, politisch zur Sozialistin sich entwickelnd<br />

und immer souveräner werdend: Das ist von Stone so unglaublich gut<br />

30 | <strong>kulturnews</strong>


Kino<br />

Giorgos Lanthimos und<br />

Emma Stone am Set von<br />

„Poor Things“<br />

GIORGOS LANTHIMOS<br />

Filme<br />

Dogtooth (2009)<br />

Attenberg (2<strong>01</strong>0)<br />

Alpis (2<strong>01</strong>1)<br />

The Lobster (2<strong>01</strong>5)<br />

The Killing of a Sacred Deer (2<strong>01</strong>7)<br />

The Favourite – Intrigen und Irrsinn (2<strong>01</strong>8)<br />

Nimic (2<strong>01</strong>9, Kurzfilm)<br />

Bleat (2022, Kurzfilm)<br />

Poor Things (2023)<br />

Preise und Nominierungen<br />

The Lobster<br />

Europäischer Filmpreis: Auszeichnung für das Beste Drehbuch<br />

Internationale Filmfestspiele Cannes: Preis der Jury<br />

Oscar: Nominierung für das Beste Originaldrehbuch<br />

The Killing of a Sacred Deer<br />

Europäischer Filmpreis: Nominierung für Beste Regie und<br />

Bestes Drehbuch<br />

Internationale Filmfestspiele Cannes:<br />

Bestes Drehbuch, Nominierung für die Goldene Palme<br />

The Favourite – Intrigen und Irrsinn<br />

Europäischer Filmpreis: Bester Film und Beste Regie<br />

Golden Globe Award: Beste Hauptrolle<br />

Internationale Filmfestspiele Venedig: Großer Preis der Jury<br />

Oscar: Beste Hauptrolle<br />

Poor Things<br />

Internationale Filmfestspiele Venedig: Goldener Löwe –<br />

Bester Film<br />

gespielt, dass man die Figur Bella einfach annehmen muss – gegen jeglichen<br />

Widerstand beim Schauen, der aus dem Genremix erwachsen<br />

mag, weil dieser in anderen Filmen ganz woanders hinweist. Wenn Bella<br />

dann doch wieder nach Hause reist zu ihrem – vermeintlichen – Vater,<br />

der im Sterben liegt, ist sie reif genug, um die Wahrheit über ihre Geburt<br />

aus den Experimenten der Wissenschaft zu erfahren. Dass die Handlung<br />

dann schon wieder das Genre wechselt und plötzlich die thrillerartigen<br />

Momente zum Finale hin Überhand nehmen, soll hier gar nicht weiter<br />

ausgeführt werden, sonst müsste man zu viele Geheimnisse verraten.<br />

„Poor Things“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans des schottischen<br />

Autors Alasdair Gray. Yorgos Lanthimos hat sich im Vorfeld wieder -<br />

holt mit dem inzwischen verstorbenen Gray in Glasgow getroffen, wo die<br />

Handlung spielt. Gray hatte, bevor er der Verfilmung zustimmte, Lanthimos’<br />

Film „Dogtooth“ angeschaut und war danach überzeugt davon, die<br />

Verfilmung in gute Hände gegeben zu haben, denn der typische schwarze<br />

Humor korrespondierte sehr mit dem Humor des Schotten.<br />

Poor Things startet am 11. Januar <strong>2024</strong>.<br />

Jürgen Wittner<br />

<strong>kulturnews</strong> | 31<br />

Der mehrfache Oscar ® -Gewinner Alexander<br />

Payne, der sich wie kein Zweiter auf warmherzige<br />

Geschichten voller Menschlichkeit<br />

versteht, meldet sich zurück und holt dafür<br />

erstmals seit fast zwanzig Jahren Sideways-<br />

Star Paul Giamatti wieder vor seine Kamera.<br />

Wie schon in Meisterwerken wie Sideways<br />

oder The Descendants gelingt ihm auch<br />

in THE HOLDOVERS eine feinsinnige<br />

Geschichte, die gleichzeitig charmant,<br />

nachdenklich und sehr witzig ist. Mit viel<br />

Feingefühl, noch mehr Herzenswärme und<br />

dem für ihn typischen Humor erzählt Payne<br />

davon, dass man manchmal gerade von den<br />

Menschen am meisten lernt, mit denen man<br />

am wenigsten gemeinsam hat.<br />

AB 25. JANUAR IM KINO


Kino<br />

Rührschüssel-Rocky<br />

Foto: Mubi<br />

Yazid Ichemrahen zählt zu den bekanntesten Patissiers der Welt:<br />

Der Weltmeister des Eisdesserts 2<strong>01</strong>4 ist seit seines autobiografischen<br />

Romans „Un rêve d’un enfant étoilé“ in Frankreich ein absoluter Star.<br />

Doch der Weg an die Spitze der Haute Cuisine war stets auch ein Kampf<br />

– und somit ideales Material für ein Biopic. Gespielt vom französischen<br />

Influencer Riadh Belaïche, dem als Just Riadh über sieben Millionen<br />

Menschen auf TikTok folgen, begleiten wir Ichemrahen in Sterne zum<br />

Dessert (ab 28. 12. im Kino) auf seinem Weg vom perspektivlosen Sohn<br />

einer alleinerziehenden marokkanischen Mutter bis zum großen<br />

Weltmeisterschaftstriumph. Über den Umweg Pflegefamilie und Jugend -<br />

heim landet der jugendliche Yazid endlich dort, wo er immer hinwollte: in<br />

einer Pariser Küche. Doch schon bald muss er feststellen, dass dies nicht<br />

nur ein Ort der Selbstverwirklichung, sondern auch des Konkur renz -<br />

kampfes ist. Diese zwei Welten vermag Regisseur Sébastian Tulard ganz<br />

implizit zu vereinen, indem „Rocky“-Zitate auf orchestriertes Back-Ballett<br />

folgen: Eigelb, das in Super-Slow-Motion in eine Schale voller Mehl<br />

kracht, kandierte Äpfel, in denen sich die Küche spiegelt. Dieser Film<br />

kommt auch deswegen ganz ohne hinzugedichtete Liebes geschichte<br />

aus, weil er selbst schon eine ist: übers Backen. fe<br />

Manipulation und Sex<br />

Eigentlich ist es Annes (Léa Drucker) Job als Anwältin, Minderjährige vor Miss -<br />

brauch zu schützen. Doch als ihr wohlstandsverwahrloster 17-jähriger Stiefsohn<br />

Théo (Samuel Kircher) bei ihr und Théos Vater Pierre einzieht, versagt ihr<br />

Schutzinstinkt. Théo weckt in ihr eine sexuelle Sehnsucht, die zwischen zwei<br />

Adoptivtöchtern, ihrem businessbesessenen Lebensgefährten und unendlich vielen<br />

Gläsern Wein verschüttgegangen ist. So wird aus einem so unkontrollierbaren wie<br />

unmoralischen Impuls eine Affäre und ein Machtspiel. Catherine Breillat, bekannt<br />

für ihre expliziten Inhalte, inszeniert mit Im letzten Sommer (im Kino ab 11. 1.)<br />

nur vordergründig eine zutiefst fragwürdige Liaison mit etwas bemüht schockenden<br />

Sexszenen. Dahinter verbirgt sich das hervorragend nuancierte und manipulative Spiel<br />

Druckers, das wiederum von einer eigenen Biografie voll Missbrauch erzählt. fe<br />

Der Film Leere Netze (im Kino ab 18. 1.)<br />

ist ein so sensibles wie erschütterndes<br />

Debüt des iranischen Regisseurs Behrooz<br />

Karamizade, für das der Filmemacher den<br />

Hessischen Film- und Kinopreis erhielt.<br />

Der Film zeigt die existenziellen Probleme<br />

von Amir und Narges, die sich lieben,<br />

aber nicht die Mittel besitzen, sich eine<br />

Existenz aufzubauen. Amir beginnt, mit<br />

der Kaviar-Wilderei am Kaspischen Meer.<br />

Lange geht das nicht gut …<br />

Foto: Alamode Film<br />

32 | <strong>kulturnews</strong>


internationale<br />

57. hof international<br />

film festival<br />

Kino<br />

Foto: Mubi<br />

Im goldenen Käfig des King<br />

Sechs Jahre nur dauerte die Ehe zwischen Priscilla (Cailee Spaeny)<br />

und Elvis Presley (Jacob Elordi), aber für die Ehefrau des King<br />

of Rock’n’Roll war es eine qualvolle Zeit in einem goldenen Käfig.<br />

Sofia Coppola, mit „Virgin Suicides“ und „Marie Antoinette“ eine<br />

Spezialistin für Geschichten junger Frauen und deren Erwachsen -<br />

werden, fokussiert sich in Priscilla (ab 4. 1. im Kino) jedoch auf die<br />

Jahre vor der Eheschließung. Priscilla ist erst 14, als sie den zehn<br />

Jahre älteren Star kennenlernt. Die sich langsam, aber unaufhaltsam<br />

entwickelnde Romanze ist lange keusch, aber aufrichtig, Coppola<br />

denunziert sie nicht, sondern schildert sie als eine Liebe auf<br />

Gegenseitigkeit. Doch sobald Priscilla auf Elvis’ Anwesen Graceland<br />

zieht, endet ihre Freiheit. Elvis als Künstler interessiert Coppola nur<br />

am Rande; sie porträtiert ihn als unsicheren, misogynen Mann, der<br />

seine Frau zwar mit Geschenken überschüttet, aber auch per manent<br />

kontrolliert, bevormundet und mit Herablassung behandelt. Das<br />

macht die Filmbiografie zu einer präzise inszenierten und stilsicher<br />

ausgestatteten Schilderung einer Ehehölle. ascho<br />

AB 18. JANUAR IM KINO<br />

hofer filmtage<br />

2023<br />

OFFICIAL SELECTION<br />

Foto: Neue Visionen<br />

Bowie oder Bomben?<br />

Quantentechnologie macht’s möglich: Die Schwestern Martha und Thom<br />

empfangen mit einer Apparatur namens Lola (ab 28. 12. im Kino)<br />

TV- und Radiosendungen der Zukunft. Die Bombenangriffe Nazi-<br />

Deutschlands 1941 lassen sie nicht mehr nur David Bowie und Bob<br />

Dylan hören, sondern auch die britischen Nachrichten des jeweils<br />

kommenden Tages: Regelmäßig warnen sie per Funk die Bevölkerung<br />

vor den Bomben der kommenden Nacht. Regisseur Andrew Legge hat<br />

seinen virtuellen Anti-„Terminator“-Film voller tragischer Twists nur mit<br />

der Handkamera gedreht. jw<br />

<strong>kulturnews</strong> | 33


Kino<br />

Masucci rettet Polanski<br />

Party like it’s 1999: Die Schönen und Reichen sowie ein Sorti -<br />

ment an Hochstaplern, pensionierten Pornostars, Erb -<br />

schleichern und russischen Gangstern feiern den Beginn des<br />

Millenniums in einem Luxushotel in den Schweizer Bergen. Es<br />

gibt Kaviar satt, Champagner in Strömen und ein grandioses<br />

Feuerwerk. Doch das neue Jahrtausend werden nicht alle<br />

Gäste erleben …<br />

Regie-Altmeister Roman Polanski muss niemandem mehr<br />

etwas beweisen und kann einfach nach Lust und Laune seine<br />

Stoffe wählen. Seine Absicht, mit The Palace (ab 18. 1. im<br />

Kino) die klassische Screwballkomödie wiederzubeleben, bleibt<br />

aber auf halbem Wege stecken. Trotz aller bewusst als gewagt<br />

und respektlos eingestreuten Witze über Hundekot, Leichen, Penisse und<br />

Penisse von Leichen nimmt die Inszenierung nie richtig Fahrt auf. Das<br />

könnte auch daran liegen, dass der Großteil des Films von durchweg<br />

unsympathischen Figuren mit Beschlag belegt wird (selbst wenn die mit<br />

großen Namen wie Fanny Ardant, Mickey Rourke und John Cleese besetzt<br />

sind). Wenn die Hotel-Farce das Anschauen doch lohnen sollte, dann<br />

nur dank mancher herausragender Einzelleistungen. Oliver Masucci als<br />

zunehmend gestresster Hotelmanager mit dem schönen Schweizer<br />

Namen Hansueli Kopf hält die Story zusammen, und dass Polanski die<br />

Filmgeschichte durch ein paar gemeinsame Szenen mit der unwahrscheinlichen<br />

Kombination Milan Peschel und Mickey Rourke bereichert,<br />

ist dann doch ein mehr als nur zähneknirschendes Lob wert. rr<br />

Foto: Weltkino<br />

FILM IM SCHNELLCHECK<br />

BLACK FRIDAY FOR FUTURE<br />

WORUM GEHT’S? Albert und Bruno sind<br />

Lebenskünstler am Existenzminimum und aktuell<br />

auf Freibier aus. Warum also nicht bei<br />

Umweltaktivisten mitmachen? Doch im Lauf der<br />

Zeit werden ihre Täuschungsmanöver immer<br />

dreister und auffälliger, und dann verliebt sich<br />

Albert auch noch in die Klimaaktivistin Cactus …<br />

WER HAT REGIE GEFÜHRT? Olivier Nakache,<br />

Éric Toledano („Ziemlich beste Freunde“)<br />

WER MACHT MIT? Pio Marmaï, Jonathan Cohen,<br />

Noémie Merlant<br />

WANN? Ab 28. 12. im Kino<br />

© 2023 ADNP – TEN CINEMA - GAUMONT - TF1 FILMS<br />

PRODUCTION - QUAD+TEN, Foto Carole Bethuel<br />

Ziemlich beste Freunde<br />

Für Angus Tully (Dominic Sessa) wird der Ferienbeginn an der<br />

Deerfield Academy zum Fiasko: Er muss Weihnachten mit dem<br />

Geschichtsprofessor Paul Hunham (Paul Giamatti) und der<br />

Cafeterialeiterin Mary Lamb (Da’Vine Joy Randolph) an der Uni<br />

verbringen. Zwar versucht das ungleiche Trio, die Zeit möglichst<br />

konfliktfrei durchzustehen, doch die erzwungene Nähe bringt<br />

kleine Geheimnisse und Lebenslügen zu Tage. So verändert sich<br />

die Schicksalsgemeinschaft langsam zu einer Ersatzfamilie, die<br />

mehr miteinander gemein hat, als gedacht. Mit The Holdovers<br />

(im Kino ab 25. 1.) bringt Alexander Payne den Geist der großen<br />

und kleinen Filme der Siebziger zurück. In Struktur und Ästhetik<br />

fühlt man sich unweigerlich an Klassiker von Hal Ashby oder<br />

Mike Nichols erinnert und würde sich nicht wundern, wenn<br />

plötzlich ein junger Dustin Hoffman durchs Bild liefe. rw<br />

Foto: © 2023 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED<br />

34 | <strong>kulturnews</strong>


Kino<br />

<br />

<br />

<br />

„BERÜ HREND“<br />

L E PA RIS IEN<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

„ INSPIRIEREND“<br />

GQ<br />

Foto: Solo Film<br />

Wild und gegen alle Vernunft ist diese<br />

Liebesgeschichte, in die sich der aufstrebende<br />

Modedesigner Tristan (Tim-Fabian Hoffmann) Hals<br />

über Kopf hineinziehen lässt. Sunny (Daniel Roth),<br />

ein Wesen zwischen Drag Queen, Kleinganove und<br />

Freigeist, ist nicht nur ungestüm und unberechenbar,<br />

sondern auch selbstzerstörerisch und toxisch.<br />

Der Filmemacher Kolja Malik erzählt mit LasVegas<br />

(im Kino ab 18. 1.) eine überraschende und nur<br />

bedingt glaubhafte Amour Fou als zunehmend<br />

surrealen Trip, bei dem Wahn und Wirklichkeit<br />

immer mehr verschmelzen. ascho<br />

R IADH BELAÏC H E<br />

NACH EINER WAHREN GESCHICHTE<br />

AB 28. DEZEMBER IM KINO<br />

NUR IM KINO<br />

Der Zorn<br />

der<br />

Vergebung<br />

Foto: © 2023 Dor Film-West / Four Minutes Filmproduktion<br />

15 Jahr lang hat Jenny<br />

(Hannah Herzsprung) für einen<br />

Mord im Gefängnis gesessen, den sie<br />

nie beging – wer erinnert sich nicht an den<br />

Film „Vier Minuten“ aus dem Jahr 2006, bei dem ebenfalls Chris<br />

Kraus Regie geführt hat und Hannah Herzsprung ihren Durchbruch<br />

als Schauspielerin feierte? Jetzt im Film 15 Jahre (ab 11. 1. im Kino)<br />

ist die am Borderline-Syndrom leidende, begnadete Pianistin frei, und<br />

sie versucht ihre innere Wut zu zügeln, indem sie sich in die Obhut<br />

einer christlichen Organisation und unter die Fittiche der von Adele<br />

Neuhauser gespielten Frau Markowski begibt. Verzicht auf Medien,<br />

Verzicht auf Musik, nur putzen für die Kirchengemeinde und Zügelung<br />

der heftig lodernden Wut: Da trifft sie plötzlich auf ihren Ex, früher<br />

Punker, jetzt unter dem Namen Gimmiemore (Zum Nieder knien:<br />

Albrecht Schuch) zynischer Star der Popkultur und Host einer verkommenen<br />

Charityshow im Fernsehen. Kurzzeitig wird das Drama zur<br />

Satire auf die Geldmaschine Popkultur, während in Jenny das<br />

Räderwerk der Rache zu arbeiten beginnt. jw<br />

Alles Gute auf dieser Welt hat mit einem Traum begonnen<br />

<strong>kulturnews</strong> | 35


Streaming + DVD<br />

Leichen im Outback<br />

Der Ermittler Jay Swan (Mark Coles Smith) ist den treuen Sehern der Serie<br />

„Mystery Road“ längst ein Begriff. Jetzt erfahren sie vieles aus seiner Zeit als<br />

Polizistenanfänger, denn die dritte Staffel der Serie ist so was wie ein Prequel<br />

zu den bisherigen Staffeln. Gerade ist er nach Jardine gekommen, einer alten<br />

Goldminenstadt im australischen Outback, wo Jay auch aufgewachsen ist und<br />

sich jetzt wieder mit seinem Vater und seinem Bruder, einem Alkoholiker, auseinandersetzen<br />

muss. Mystery Road: Origin (ab 11. 1. auf Arte und in der Arte-<br />

Mediathek) heißt die neue Staffel und rückt neben Jays Privatleben die<br />

„Söhne der Erde“, eine Gruppe junger rechtsradikaler Männer, in den Fokus der<br />

Ermittlungsarbeiten der Polizei. Dann kommt noch ein Jahre alter Fall hinzu, den<br />

eine Rechtsanwältin wieder aufrollt. jw<br />

Leichen<br />

im Feld<br />

Als Roland Voit (Felix Kramer) von<br />

seiner Dienststelle in seinen<br />

Heima tort im Oderbruch versetzt<br />

wird, ist der Kommissar ziemlich<br />

angefressen: Nie wieder wollte er<br />

dorthin zurückkehren, wo seine Mutter<br />

ganz plötzlich verschwunden war und<br />

von wo er völlig mit seinem Vater zerstritten<br />

vor langem schon weggezogen war. Doch<br />

nicht nur er, auch seine Jugendfreundin und ehemalige<br />

Kollegin Magdalena Kring (Karoline Schuch,<br />

beide auf dem Foto) muss dahin zurück, von wo sie schwer<br />

traumatisiert geflohen war: Damals war ihr Bruder Kai angeblich<br />

Foto: © David Dare Parker/Bunya Productions & All3Media International<br />

Foto: © ARD Degeto/Syrreal Dogs GmbH/CBS Studios/Stefan Erhard<br />

FINANZTIPP<br />

Berlin in Paris<br />

Berlin war der Anführer in der Serie<br />

„Haus des Geldes“, jetzt bringt Netflix<br />

(ab 29. 12.) die Spin-off-Serie Berlin,<br />

in der der Titelheld als junger, noch<br />

gesunder und bestens gelaunter Mann<br />

in Paris an Geld kommen will. Ganz<br />

klar, dass es sich dabei wieder nur um<br />

einen der spektakulärsten Raubüberfälle<br />

aller Zeiten handeln kann. Auch<br />

diesmal stammen Idee und Umsetzung<br />

von Álex Pina, mit dabei ist wieder<br />

Esther Martínez Lobato, die auch die<br />

spanische Serie „Sky Rojo“ umsetzte. jw<br />

ertrunken, gemeinsam mit zwei<br />

weiteren Personen. Doch jetzt<br />

gibt es einen ganzen Leichen -<br />

berg: Wer hat die Menschen<br />

ermordet, wer hat sie zu einem<br />

hohen Berg aufgehäuft? Nur widerwillig<br />

beginnen beide in der Serie<br />

Oderbruch (ab 19. 1. 24 in der ARD<br />

und in der Mediathek) zu ermitteln, unterstützt<br />

vom polnischen Polizisten Stanislaw<br />

Zajak (Lucas Gregorowicz). Schon bald tun sich<br />

Abgründe auf … „Oderbruch“ ist ein harter Genremix aus Krimi,<br />

Thriller und Mystery. jw<br />

Foto: Tamara Arranz/Netflix © 2023<br />

36 | <strong>kulturnews</strong>


Serien<br />

Foto: Disney+<br />

Echo<br />

Foto: © Home Box Office, Inc. All rights reserved<br />

True Detective –<br />

Staffel 4<br />

Foto: Apple TV+<br />

Masters<br />

of the Air<br />

Foto: © WDR/Constantin Film/Michel<br />

Vertonge<br />

Haus aus Glas<br />

WATCHLIST<br />

+++ Die ARD bringt am 9. 1. die Serie Haus aus<br />

Glas an den Start, in der Fabrikantentochter Emily<br />

(Foto, sehr gute Schützin) und Chris heiraten wollen.<br />

Doch dann kommt es zu so vorhersehbaren wie<br />

unkontrollierbaren familiären Desastern, die die<br />

Feiert erst so richtig rund machen. +++ Am 10. 1.<br />

startet auf Disney+ die Serie Echo aus den Marvel<br />

Studios: Maya Lopez fackelt nicht lange, bevor sie<br />

zuschlägt. Doch jedes Benehmen fordert irgendwann<br />

mal Tribut. +++ Ab 26. 1. bei Apple TV+<br />

zu sehen: Masters of the Air wurde von Steven<br />

Spielberg und Tom Hanks produziert und zeigt, was<br />

die Männer der 100th Bomb Group – die „Bloody<br />

Hundredth“ – ertragen mussten, als sie im Zweiten<br />

Weltkrieg deutsche Städte bombardierten. +++ Am<br />

15. 1. startet auf Sky und Wow die<br />

4. Staffel der Serie „True Detective“. Jodie Foster<br />

spielt die Hauptrolle der Ermittlerin in der neuen<br />

Staffel dieser legendären Serie. +++<br />

<strong>kulturnews</strong> | 37<br />

B ASIEREND<br />

S<br />

A UF DER KURZGESCHICHTE VON<br />

TEPHEN KING<br />

AB 14. .12. IM KINO<br />

© 2020 CHILDREN OF THE CORN LLC. ALL RIGHTS RESERVED.


4Teens<br />

Illustration: Riad Sattouf/Reprodukt<br />

Seit sechs Jahren begleitet der französische Starzeichner Riad Sattouf Esther die Tochter eines<br />

befreundeten Paares in ihrem Alltag. Mittlerweile ist die bereits 16 und erlebt die typischen<br />

Krisen, die zu diesem Alter dazugehören. In ganzseitigen Vignetten zeichnet Sattouf Esthers<br />

Abenteuer beim Babysitting nach, ihre ersten Partybesuche und ihr Schwärmen für Schau -<br />

spieler Timothée Chalamet. Doch der siebte Band der Serie fängt auch die anderen Krisen<br />

unserer Tage ein: In Esthers Tagebücher 7: Mein Leben als Sechzehnjährige (Reprodukt,<br />

2023, 56 S., 24 Euro, Aus d. Franz. v. Ulrich Pröfrock) erlebt Esther die Covid-Pandemie<br />

ebenso mit wie den Sturm aufs US-Kapitol. Für Fans ruft die Reihe außerdem vor Augen, wie<br />

schnell die Zeit vergeht: Im nächsten Band steht dann bereits Esthers Abitur an … mj<br />

38 | <strong>kulturnews</strong>


Auf der<br />

Startrampe<br />

Jugendbücher müssen eine Message<br />

haben, etwas beibringen und sich<br />

am besten in einem Absatz zusammenfassen<br />

lassen. Aber was, wenn<br />

es anders wäre? In Henny & Ponger<br />

(Mixtvision, 2023, 320 S., 12 Euro)<br />

traut Nils Mohl seinen Leser:innen ungewöhnlich viel zu: Die<br />

Geschichte über den einsamen Ponger, der sich in der S-Bahn<br />

in die mysteriöse Henny verliebt und dann mit ihr auf die<br />

Flucht geht, ist Roadtrip und Coming-of-Age-Story und<br />

Science-Fiction zugleich. Erzählt wird das alles in kurzen<br />

Kapiteln, manchmal nur ein paar Zeilen lang. Und am Ende<br />

gibt es natürlich doch eine Message … mj<br />

4Teens<br />

Foto: a_mo<br />

Illustration: Sebastian Meschenmoser (VG Bild-Kunst, Bonn 2023); Michael Ende; F. J. Tripp, koloriert von Mathias Weber © Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart; Montage Uwe Eichholz<br />

+++ Sex, Drogen, Intrigen: Die spanische Erfolgsserie Élite geht auf Netflix in die<br />

siebte Staffel. Zurück an der vom Wohlstand zerfressenen Eliteschule Las Encinas tauchen<br />

alte Bekannte und neue Probleme auf. So finden auch Themen der mentalen<br />

Gesundheit ihren Platz. +++<br />

Foto: Alicia Zett<br />

Foto: Matías Uris / Netflix 2022<br />

Queerfeldein<br />

Frauenfußball wird heute oft noch belächelt, Quer -<br />

ness im Fußball ist hingegen weiterhin geächtet. Mit<br />

Wie Wellen im Sturm (One, 2023, 446 S., 15 Euro)<br />

hat Alicia Zett 2023 einen aufrüttelnden Coming-of-<br />

Age-Roman geschrieben, der diese zwei Welten miteinander<br />

vereint. Nun wurde ihr Roman von Apple<br />

Book zum besten Jugend -<br />

buch des Jahres gekürt. In<br />

ihrem Roman sucht die 16-<br />

jährige Louise nach Halt. Sie<br />

ist allein, flüchtet sich in die<br />

Literatur. Als sie ins Fuß ball -<br />

team ihres Internats eintritt,<br />

findet sie endlich An schluss<br />

– und Liebe. Der Fuß ball<br />

wird zum Sprung brett für eine<br />

einfühlsame Ge schichte über<br />

queere Liebe, Selbstfindung<br />

und Freundschaft. fe<br />

24. 9. 2023–<br />

14. 1. <strong>2024</strong><br />

<strong>kulturnews</strong> | 39<br />

www.ludwiggalerie.de | Tel. 0208 41249 28


4Teens<br />

Doch<br />

nicht<br />

aus?<br />

Nick feilt an seinem Outing, und Charlie kämpft mit einer<br />

Essstörung. Während Nick und Charlie in der seit dem<br />

Sommer verfügbaren zweiten Staffel der Netflix-Verfilmung<br />

noch mit der Schule nach Paris fahren, wollte die britische<br />

Jugendbuchautorin und Illustratorin Alice Osman ihre<br />

Web comic-Vorlage mit Heartstopper – Volume 5 (Loewe,<br />

2023, 336 S., 9,99 Euro) nun eigentlich zu einem Ab -<br />

schluss bringen. Entscheidet sich Nick nach seinem Schul -<br />

abschluss wirklich für eine Uni weit weg von Charlie? Wir<br />

verraten hier nichts, können aber dennoch eine Ent -<br />

warnung geben: Osman wird sich von den beiden Helden<br />

doch nicht so schnell trennen und noch einen sechsten<br />

Band nachlegen. cs<br />

Foto: Sapienship<br />

Wieso,<br />

weshalb, warum?<br />

Als Historiker ist Yuval Noah Harari ein Superstar, sein Buch „Eine kurze<br />

Geschichte der Menschheit“ ein globaler Bestseller, der nichts Geringeres als<br />

Herkunft und Zukunft unserer Spezies verständlich machen will. Mit einer neuen<br />

Reihe bereitet Harari seine Thesen nun kindgerecht auf, um auch die nächste<br />

Generation an seinem Wissen teilhaben<br />

zu lassen. Im zweiten Band<br />

Warum die Welt nicht fair ist (dtv,<br />

2023, 208 S., 20 Euro, Aus d.<br />

Engl. v. Birgit Niehaus) widmet sich<br />

Harari genau dieser Frage: Warum<br />

gibt es arm und reich, mächtig und<br />

machtlos – und was können wir<br />

dagegen tun? Die Antworten, die er<br />

gibt, sind dabei nicht nur für Kinder<br />

relevant. mj<br />

Foto: Wild Bunch Germany<br />

Eine ganz besondere Freundschaft<br />

Der elfjährige Mahito lebt in Tokio bei seiner Mutter, als im Zweiten Weltkrieg die Stadt<br />

bombardiert wird und die Mutter stirbt. Mahito zieht zu seinem Vater und dessen neuer<br />

Frau aufs Land, wo er mit seinem Verlust klarkommen muss. Da entdeckt er einen<br />

Graureiher und baut eine besondere Beziehung zu dem Vogel auf: Der Graureiher lehrt<br />

ihn, mit dem Leben klarzukommen. Regisseur Hayao Miyazaki hat mit Der Junge und<br />

der Reiher einen Teil seiner eigenen Biografie verfilmt, indem er die Beziehung zu seinem<br />

Vater verarbeitete. In Japan und Frankreich bereits ein Sensationserfolg, startet der<br />

Anime-Film am 4. 1. 24 in den deutschen Kinos. jw<br />

Anders als glücklich<br />

Eine Warnung vorweg: Der ab 14 Jahren em -<br />

pfohlene Roman Alle Farben grau (Fischer KJB,<br />

2023, 272 S., 15 Euro) von Martin Schäuble thema -<br />

tisiert den Suizid eines Jugendlichen. Paul gilt in<br />

seinem Umfeld einfach als ein sehr eigenwilliger 16-<br />

Jähriger, doch plötzlich warten die Ärzte mit einer<br />

Diagnose auf: Asperger-Syndrom, kombiniert mit einer<br />

Depression. Und während Paul nach dem Klinik -<br />

aufenthalt den Eltern und seinen Freunden vortäuscht,<br />

es gehe ihm wieder besser, plant er bereits<br />

seinen Selbstmord … Schäuble verzichtet in dem<br />

auf einem wahren Fall basierenden Roman auf ge -<br />

fährliche Effekthascherei. Indem er sehr sensibel<br />

und aus verschiedenen Perspektiven das Thema<br />

durchleuchtet, entlarvt er Klischees und Verein -<br />

fachungen. cs<br />

40 | <strong>kulturnews</strong>


4Teens<br />

Rap auf Augenhöhe<br />

Foto: Universal Music<br />

Hinter dem rappenden Nashorn Dikka steckt mit Simon Müller-Lerch<br />

alias Sera Finale nicht nur einer der erfolgreichsten Songwriter des<br />

Landes, der mittlerweile an knapp 50 Gold- und 30 Platinalben mitgearbeitet<br />

hat, sondern vor allem eine Idee: Als Vater war Sera Finale<br />

die meiste Kindermusik stets ein Dorn im Auge, zu bevormundend und<br />

von oben herab. Wieso also nicht einfach selbst Kindermusik auf Augen -<br />

höhe produzieren? Inzwischen ist Dikkas Renommee beispiellos, und<br />

Raplegenden wie Sido und Kool Savas und Popstar Mark Forster<br />

kolla borieren auf seinen Alben. Da dürfte es auf der anstehenden<br />

Open-Air-Tour doch sicher auch ein paar Special Guests geben. fe<br />

LIVE 15. 6. Berlin | 30. 6. Dresden | 14. 7. Erlangen<br />

18. 8. Monheim am Rhein | 19. 8. Dinslaken<br />

Marc-Uwe Kling<br />

Foto: Sven Hagolani<br />

Eigentlich muss man sofort seine Töchter nennen: Johanna und Luise<br />

sind Zwillingsschwestern, die sich ursprünglich bei ihrem Vater um<br />

ein Praktikum bewarben, weil sie Schriftstellerinnen werden wollen.<br />

Doch dann wurde daraus die Idee, gemeinsam ein Buch zu schreiben.<br />

Wie alle drei in einem Interview erzählten, entstanden Grund -<br />

züge des Romans Die Spurenfinder beim gemeinsamen Tisch -<br />

tennisspielen. Dass der Roman halb Fantasy, halb Detektiv geschichte<br />

wurde, liegt auch an Johannas und Luises Vorlieben. Sie sind gleicher -<br />

maßen Fans von „Herr der Ringe“ und „Sherlock Holmes“. In „Die<br />

Spurenfinder“ sind übrigens Zwillingsschwestern die Heldinnen … jw<br />

<strong>kulturnews</strong> | 41


Buch<br />

Foto: Tonje Thilesen<br />

Warum der namenlose Ich-Erzähler nach 26 Jahren in den<br />

USA wieder in sein afrikanisches Heimatland südlich der<br />

Sahara zurückkehrt, weiß er selbst nicht. „Morgens bekam<br />

ich einen Anruf, man sagte mir, ich solle ein Flugzeug nehmen.“<br />

Kaum in der Luft, wird die Szenerie noch grotesker:<br />

Auf dem Platz neben ihm sitzt ein toter Mann. Und so nimmt<br />

die surreale Farce ihren Lauf. Auf der Suche nach seinem im<br />

Sterben liegenden Bruder macht der Protagonist in Maya<br />

Binyams Debüt roman „Galgenmann“ die beklemmende<br />

Erfahrung der völligen Entfremdung. Während er fremdgesteuert<br />

und teilnahmslos durch skurrile Begegnungen mit<br />

Taxifahrern, Straßenhändlern, Entwicklungshelfer:innen und<br />

Familienmitgliedern stolpert, verliert er zunehmend nicht nur<br />

die Kontrolle über das Geschehen, sondern auch über sich<br />

selbst und seinen Körper – bis sich schließ lich das Rätsel löst.<br />

Doch ist der Plottwist eher zweitrangig. Umso dringlicher sind die<br />

politischen Einlassungen zu Dias pora, Rassismus und der<br />

Ignoranz des globalen Nordens und seinem heuchlerischen<br />

Helfersyndrom. fe<br />

Maya Binyam „Galgenmann“<br />

Aufbau, 2023, 220 S., 22 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Eva Kemper<br />

42 | <strong>kulturnews</strong>


Szene<br />

Abb: Adrian Pourviseh/Avant<br />

Wir alle wissen, was im Mittelmeer passiert,<br />

aber innerhalb der Festung Europa ist es<br />

einfach, die Augen davor zu verschließen.<br />

Mit dem autobiografischen Bericht „Das<br />

Schimmern der See“ (Avant, 2023, 224 S.,<br />

26 Euro) sprengt Adrian Pourviseh, der als<br />

Teammitglied auf der Sea-Watch 3 Menschen<br />

vor dem Ertrinken gerettet hat, diese Grenze:<br />

Indem er detailliert und schonungslos<br />

von den Rettungs -<br />

aktionen berichtet, macht er<br />

deutlich, welche unmenschliche<br />

Politik sie erst nötig macht –<br />

und dass sie das einzig mögliche<br />

Handeln sind.<br />

LITERATURTIPPS<br />

UND TERMINE<br />

Am 12. Januar feiert Haruki Murakami seinen 75. Geburts -<br />

tag – und an diesem Tag erscheint auch sein neuer Roman.<br />

Worum es in „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“<br />

(Dumont, <strong>2024</strong>, 640 S., 34 Euro) geht? Natürlich um eine<br />

verlorene Liebe, um die Suche nach dem Selbst und die<br />

Möglichkeit, Mauern zu überwinden.<br />

Es gibt nur wenige gute Gründe, das Buch mal beiseite zu<br />

legen – doch Puzzeln gehört dazu. Am 29. Januar wird der<br />

Internationale Tag des Puzzles gefeiert, und für diesem Tag<br />

hat sich Ravensburger natürlich viele Aktionen und<br />

Überraschungen überlegt, die im Laufe des Monats auf<br />

ravensburger.de enthüllt werden<br />

Foto: Julija Goyd<br />

Foto: Philipp von der Heyd<br />

„Das ewige<br />

elektrische<br />

koreanische<br />

Leben.“<br />

Für die teils seitenlangen Bandwurmsätze, die Maximilian<br />

Heckers Romandebüt „Lottewelt“ (Lektora, 2023, 248 S.,<br />

16 Euro) ausmachen, haben wir hier leider keinen Platz.<br />

Darin erzählt der Singer/Songwriter eine autobiografische<br />

Geschichte über unglückliche Liebe im Labyrinth von Seoul.<br />

Dazu bedient er sich einer Sprache, die sensibel und kitschig,<br />

nostalgisch und kreativ, überbordend und erstarrt zugleich<br />

daherkommt.<br />

Der Trost<br />

von Texten<br />

Das Jahr geht zu Ende, doch<br />

die Wunden, die 2023 hinterlassen<br />

hat, sind noch da –<br />

und die Kriege gehen weiter.<br />

Nach den schrecklichen Er -<br />

eignissen vom 7. Oktober hat<br />

der S.Fischer-Verlag im Hau -<br />

ruckverfahren das Buchprojekt<br />

„Worte in finsteren Zeiten“<br />

angeleiert: Für die Anthologie<br />

haben die vier Herausgeber:innen bei Autor:innen und<br />

Personen des öffentlichen Lebens angefragt, welche Texte<br />

ihnen Mut machen und sie trösten. Innerhalb von nur einer Woche ist so eine<br />

Sammlung entstanden, die uns dabei helfen will, durch die Feiertage zu kommen,<br />

und auch als Beistand für <strong>2024</strong> taugt – denn wer weiß schon, was da<br />

alles noch kommen mag. Antje Rávic Strubel (Foto) steuert etwa ein Gedicht<br />

der 2<strong>01</strong>4 verstorbenen finnischen Schriftstellerin Mirkka Rekola bei, James<br />

Baldwin wird sowohl von Julia Franck als auch von Necati Öziri zitiert, Daniel<br />

Speck und Klaus-Peter Wolf führen eigene Texte an, Andreas Reckwitz vertraut<br />

auf den Songtext „Both Sides now“ von Joni Mitchell, und Miko Sophie Kühmel<br />

betrachtet ein Panel des japanischen Manga-Zeichners Eiichiro Oda. cs<br />

Oliver Vogel/Sophie von Heppe/Maren Baier/Michael Reinfarth (Hg.)<br />

Worte in finsteren Zeiten<br />

S. Fischer, 2023, 256 S., 20 Euro<br />

<strong>kulturnews</strong> | 43


Literatur<br />

Nachdem er mitansehen<br />

musste, wie Polizisten seinen<br />

Partner Kai töten, kehrt Cam in<br />

seine Heimatstadt Houston zurück.<br />

Doch seinen ehemals besten Freund<br />

TJ kontaktiert er nicht, bei dessen<br />

Familie Cam nach dem Tod seiner<br />

Eltern aufgewachsen ist. Statt -<br />

dessen sucht er sich einen Job in<br />

einer Schwulenbar und betäubt<br />

seinen Schmerz mit Drogen und<br />

anonymen Dating-App-Sex. Bis der<br />

Jugendfreund eines Nachts in der<br />

Bar auftaucht und Cam überredet, zu seiner alten Pflegefamilie zurück -<br />

zukehren und wieder in der Bäckerei von TJs Mutter zu arbeiten.<br />

Foto: Dailey Hubbard<br />

Kochen und ficken<br />

Was macht eigentlich Jonathan Franzen? Den großen Familienroman fürs<br />

Jetzt legt jedenfalls Bryan Washington vor.<br />

›<br />

dem HIV-positiven, vor seiner Mutter aber ungeoutetem TJ kehrt Kai von<br />

den Toten zurück, um seine Geschichte zu erzählen. Sie alle haben<br />

Traumata aus der Vergangenheit zu überwinden, und obwohl in „An<br />

einem Tisch“ sehr viel und sehr aufwändig gekocht wird, müssen sie<br />

viele Hindernisse überwinden, bis sie beim gemeinsamen Essen auch<br />

aufrichtig miteinander sprechen. „Es ist unsere Verantwortung, uns<br />

umeinander zu kümmern.“ Wenn Cam diesen Satz gen Ende des<br />

Romans in einem Gespräch mit TJ äußert, ist<br />

das alles andere als ein Kalenderspruch. Es ist<br />

ein bewegender Moment in einem emotionalen,<br />

komplett kitschfreien und mit unaufgeregter,<br />

gegenwärtiger Sprache erzählten Roman über<br />

Familien und Wahlfamilien.<br />

Carsten Schrader<br />

Bryan Washington gilt als die LGTBQ-Stimme der Generation Z, und der<br />

30-jährige US-Amerikaner erzählt seinen zweiten Roman aus der<br />

Perspektive von drei schwulen Schwarzen Männern: Neben Cam und<br />

Bryan Washington An einem Tisch<br />

Kein & Aber, 2023, 368 S., 24 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Werner Löcher-Lawrence<br />

Mundgerechtes Epos<br />

In Joanna Bators neuem Roman treffen wir auf<br />

vier Frauen – und kommen ihnen so nah wie<br />

sonst kaum einer Buchfigur: Urgroßmutter Berta,<br />

die schlesische Fleischerstochter, die den Betrug<br />

ihres Geliebten nicht verkraftet hat. Großmutter<br />

Barbara, die im Zweiten Weltkrieg in einem<br />

Waisenhaus aufgewachsen ist und ihr Leben<br />

lang von der Angst regiert wird, alles zu verlieren.<br />

Mutter Violetta, die im postkommunistischen Polen von endlosen<br />

Möglichkeiten träumt und sich nie mit der trüben Realität abfinden<br />

kann. Und Tochter Kalina, die deshalb von Barbara großgezogen wird –<br />

bis die aus zunächst unklaren Gründen verschwindet. Was ihre<br />

Ahninnen teils Monströses erlebt und getan haben und wie ein Trauma<br />

das nächste bedingt, teilt uns die Ich-Erzählerin häppchenweise mit:<br />

ein Kapitel für Berta, Barbara, Violetta, Kalina, dann wieder von vorn.<br />

„Bitternis“ ist einerseits eine mit Generationskonflikten und<br />

Nebenfiguren gespickte Familiensaga, in der sich darüber hinaus die<br />

polnisch-deutsche Geschichte spiegelt. Andererseits untergräbt die<br />

Autorin das typisch Epische der Gattung, indem sie den Großteil der<br />

Handlung in einer winzigen Dachwohnung spielen lässt und alltägliche<br />

Routinen haarklein ausbreitet, nur um haarsträubende Wendungen<br />

erzählerisch zu umtänzeln oder wie nebenbei abzukanzeln. An -<br />

gereichert mit düsterem Humor und ein bisschen Magie, entsteht so<br />

ein monumentaler, zugleich aber denkbar intimer Roman. mj<br />

Joanna Bator Bitternis<br />

Suhrkamp, 2023, 829 S., 34 Euro, Aus d. Poln. v. Lisa Palmes<br />

Wir-AG<br />

Leila, Britney, Jody, Hazel, Isabel und Christian<br />

sind eine Teenagerclique, wie sie im Buche<br />

steht: Sie sind ein Wir, teilen sich alles, selbst<br />

ihren Traum vom glamourösen Leben in Los<br />

Angeles. Ihre Mütter, die meisten von ihnen<br />

scheinen alleinerziehend zu sein, vertreiben<br />

sich ihre Zeit lieber mit Alkohol und Tratsch,<br />

und so streifen die 13-Jährigen vollgepackt mit<br />

Sehnsüchten durch die sengende Hitze im trostlosen Falls Landing,<br />

Florida, umringt von sumpfigen Seen, biederen Freizeitparks und<br />

sterilen Shoppingmalls. Doch als ihr großes Vorbild Sammy, die<br />

beliebte, schöne Tochter des Priesters, spurlos verschwindet, gerät<br />

ihre Cliquendynamik aus dem Gleichgewicht. Und während die<br />

Erwachsenen noch auf der Suche nach Sammy sind, bahnt sich die<br />

Sprache von Dizz Tates Roman ihren Weg vom amorphen Wir zum Ich.<br />

„Wir, wir, wir“ ist ein subtiler Roman über die erbarmungslose Ent -<br />

zauberung der Welt und darüber, wie diese auch noch Jahrzehnte<br />

später in uns nachhallt. So zoomt Tate in die erwachsenen Leben der<br />

damaligen Teenager, die heute selbst Mütter sind, im Verschwörungs -<br />

wahn festhängen oder Geld-, Alkohol- und psychische Probleme haben.<br />

War das alles bereits in Jugendjahren angelegt? Ohne je explizit werden<br />

zu müssen, demonstriert Tate, was für fatale Folgen schiefe Vorstell -<br />

ungen von Liebe, Sex und Geborgenheit haben können – und wie grausam<br />

einsam Erwachsenwerden sein kann. fe<br />

Dizz Tate Wir, wir, wir<br />

Ecco, 2023, 256 S., 24 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Heike Reissig<br />

44 | <strong>kulturnews</strong>


Literatur<br />

Off-Theaterterror<br />

„Ich habe Schleyer nicht entführt“ heißt<br />

der neue Roman des Münchner Schrift -<br />

stellers Peter Probst. Es ist der dritte Teil der<br />

Trilogie über sein Teenager-Alter-Ego Peter<br />

Gillitzer. Probst erzählt Peters Leben in<br />

München rund um das Erreichen der<br />

Volljährigkeit in den Jahren 1976 und ’77.<br />

Seine Versuche, dem streng katholischen<br />

Elternhaus zu entkommen, führen Peter in<br />

einen ersten Job in einem Off-Theater,<br />

sporadisch agiert er auch in der Möchtegern-Widerstandstruppe<br />

„Neue Gruppe Tat“ mit. Gefördert wird der angehende Schriftsteller von<br />

dem reichen Erben Caspar aus der Nachbarschaft, der ihn mit Schrift -<br />

stellern wie Hubert Fichte bekannt macht. Aufgrund von Caspars<br />

sexuellem Begehren, das er wiederholt zurückweist, setzt sich Peter<br />

mit seiner eigenen Sexualität auseinander, doch bleibt diese Aus -<br />

einandersetzung ebenso rudimentär wie die mit dem RAF-Terrorismus<br />

der 1970er. Die literarische Verwebung des Zeitgeists mit einer durchgehenden<br />

Haltung des agierenden Helden bleibt der Roman schuldig. jw<br />

DER HENSCHELM<br />

Peter Probst Ich habe Schleyer nicht entführt<br />

Kunstmann, 2023, 350 S., 25 Euro<br />

Vom Blöken der Lämmer<br />

Mit „Schelmenroman“ hat Gerhard Henschel den zehnten Band seiner<br />

autobiografischen Familienromane veröffentlicht, aber nach dem Tod<br />

des Vaters im vorherigen Band löst sich der Begriff „Familienroman“<br />

doch stark auf. Diesmal stirbt mit Oma Jever eine weitere Bezugs -<br />

person – Henschels Alter-Ego Martin Schlosser lässt sie ein letztes Mal<br />

im Malefiz gewinnen. Viel wichtiger ist längst Henschels gesellschaftliches<br />

Umfeld der Neuen Frankfurter Schule und des Satiremagazins<br />

Titanic, in dessen Frankfurter Redaktion Schlosser inzwischen arbeitet.<br />

Schlosser geht Mitte der 90er keinem Konflikt aus dem Weg: Als er<br />

gemeinsam mit Wiglaf Droste den Sommerkrimi „Der Barbier von Bebra“<br />

in der taz vorveröffentlicht, kommt es zur Besetzung der Redaktions -<br />

räume und einem Boykottaufruf gegen die taz. Das war Cancel Culture,<br />

ohne dass der Begriff gefallen wäre, und ohne Opfergebaren: Sie war<br />

eine Würdigung. Schlosser berichtet von weiteren Skandalen aus<br />

seinem Umfeld: Lesungen von Wiglaf Droste werden von Männer -<br />

gruppen sabotiert, ebenso Veranstaltungen der Essayistin Katharina<br />

Rutschky von Kinderschützern. Henschel hat die damaligen Zustände<br />

treffend analysiert – mit Buchtiteln wie „Das Blöken der Lämmer. Die<br />

Linke und der Kitsch“ und – gemeinsam mit<br />

Klaus Bittermann – „Das Wörterbuch des<br />

Gutmenschen. Zur Kritik der moralisch korrekten<br />

Schaumsprache“. „Schelmenroman“ dokumentiert<br />

somit den Beginn von Henschels<br />

Wirkmächtigkeit als Essayist und Schriftsteller,<br />

und auch die Zusammenarbeit mit Eckhard<br />

Henscheid kündigt sich an. jw<br />

Gerhard Henschel Schelmenroman<br />

Hoffmann & Campe, <strong>2024</strong>, 608 S., 26 Euro<br />

<strong>kulturnews</strong> | 45<br />

PRESSEFREIHEII<br />

T<br />

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ENZ<br />

ENLOS<br />

DER PODCAST VON<br />

Jetzt überall<br />

hören, wo<br />

es<br />

Podcastss<br />

gibt!<br />

©V<br />

ioletta ltt Savch<br />

hits


Krimi<br />

Babylon Westberlin<br />

Das Autorentrio Lutz Wilhelm Kellerhoff legt<br />

Korruption und Klüngelei in Westberlin offen –<br />

und zeigt, wie aufkommende Probleme einfach<br />

im Osten entsorgt wurden …<br />

›<br />

Nicht arm, aber sexy: Die Westberliner Architektin Barbara „Bibi“<br />

Albrecht zieht im zeitgemäßen orangenen Jumpsuit der beginnenden<br />

1970er lüsternde Blicke auf sich. Ob auf der Baustelle ihres neuen<br />

Prestigeobjekts oder auf dem Titel der Bunte: Sie gibt den steilen Zahn.<br />

Konkurrenz wie bürokratische Hindernisse versteht sie wegzubeißen.<br />

Dafür sorgen auch die Tête-à-têtes mit Senatsbaudirektor Borowski in einer<br />

Suite des Kempinski. Doch ein unbekannter toter Mann in der Baugrube<br />

ihres geplanten Ku’damm-Karrees wird für sie zum Imageproblem. Auf<br />

solche Fälle hat Kommissar Wolf Heller keinen Bock mehr. Nach dem<br />

Tod seiner Frau will er sich mehr um seine beiden Kinder kümmern und<br />

haut die Kündigung auf den Tisch. Natürlich kommt er nicht so leicht<br />

davon: Ein tödlich verlaufener Streit zwingt ihn, diskret eine Leiche verschwinden<br />

zu lassen und erst mal unauffällig weiterzumachen. Welche<br />

Spuren seine neue Kollegin Vera Jung aus Bonn allerdings verfolgt und<br />

ob er ihr trauen kann, ist ihm nicht klar. Das Autorentrio Martin Lutz,<br />

Uwe Wilhelm und Sven Felix Kellerhof legt mit dem dritten Band seiner<br />

Serie wieder einen allerfeinsten BRD/DDR-Thriller vor. Vor dem Hinter -<br />

grund realer Ereignisse werden ein Toter und Westberliner Wohlstands -<br />

müll im nahen Osten des zweigeteilten Deutschlands entsorgt und<br />

jemand mit pikanten Fotos erpresst. Auch Bibi gerät weiter unter Druck,<br />

als ihre Tochter mit einem Möchtegern-Revoluzzer aufkreuzt und sich das<br />

Blut auf dem Berberteppich nicht verbergen lässt. Wer wird sich da die<br />

Finger verbrennen?<br />

Nils Heuner<br />

Lutz Wilhelm Kellerhoff Die Patin vom Ku’damm<br />

Ullstein, 2023, 320 S., 15,99 Euro<br />

+++ Mehr davon: Die Tote im Wannsee (2020) | Teufelsberg (2021)<br />

Foto: Gerald von Foris<br />

KRIMIKLASSIKER NEU ENTDECKT<br />

Einfach die Klappe halten<br />

Zupacken und machen – dann kommt der Erfolg von ganz alleine:<br />

Davon ist der gewiefte Gebrauchtwagenhändler Richard<br />

Hudson überzeugt. Beruflich wie privat vertraut er auf seinem<br />

Instinkt, dem er selbstsüchtig und skrupellos folgt und sich<br />

dabei auf seine manipulative wie verschlagene Art verlässt.<br />

In den 1950er-Jahren führt ihn sein Weg von San Francisco<br />

nach L.A., nachdem er mit einem übernommenen Autopark<br />

einen fetten Gewinn abgesahnt hat. Hudson setzt bereits zum<br />

nächsten Karrieresprung an: ein eigener Film, den er mit Starthilfe seines Stiefvaters<br />

Leo produzieren will. Dazu kehrt er zurück zu seiner Mutter, die mit ihren Ballett -<br />

künsten noch immer große Faszination auf ihn ausübt. Der bullige Hudson wagt<br />

sogar einen spontanen Tanz mit ihr. In gnadenloser Selbstüberschätzung traut er sich<br />

eben einfach alles zu. So lebt er seine Kreativität aus und kommt der Verwirklichung<br />

des amerikanischen Traums von Erfolg und Ruhm tatsächlich näher. Nebenbei<br />

vernascht er hemmungslos Frauen jeglichen Alters – nur um sie anschließend gelangweilt<br />

fallen zu lassen. Seine wild pubertierende Stiefschwester Becky erlebt ein überschnelles<br />

erstes Mal, seine Sekretärin wird gleichgültig geschwängert. In seinem<br />

Noir aus dem Jahr 1960 treibt Charles Willeford die Fallhöhe genüsslich immer weiter<br />

nach oben – um Hudson dann natürlich abstürzen zu lassen. Als die Filmfirma seine<br />

Drehbuchideen sabotiert, merkt der Möchtegern-Filmemacher, dass er nicht alles<br />

erreichen kann. Er versucht, sich an der ungerechten Welt zu rächen … Stilistisch<br />

komponiert Willeford seinen Roman filmgemäß mit Überblendungen, Schnitten und<br />

Montagen – bis hin zum titelgebenden Filmriss, durch den Hudson als tragisches<br />

Opfer einer verhängnisvollen Selbsttäuschung letztlich zum bizarren Schlussbild seines<br />

eigenen Films wird … nh<br />

Charles Willeford Filmriss<br />

Pulpmaster, 2023, 224 S., 15 Euro, Aus d. Engl. v. Sepp Leeb<br />

„Schlag zu, Lamb.<br />

Komm schon! Nur einmal.<br />

Tu’s für mich.“<br />

„Ich schlage keinen<br />

Gefesselten.“<br />

„Das ist die billigste<br />

Therapiestunde ever.“<br />

Die junge Polizistin Lamb hat durch Binchley<br />

ihren Job verloren. Jetzt sitzt das überhebliche<br />

Hackergenie einer Motorradgang hilflos vor ihr<br />

und Detective Hoskins. Rache wäre da leicht,<br />

doch sind sie auf Binchleys Fähigkeiten angewiesen,<br />

um die seit zwei Jahren vermisste Tilly<br />

zu finden. Deren Eltern sind in ein Institut für<br />

Forensik eingedrungen, halten Geiseln fest und<br />

drohen damit, wertvolle Beweise für ungeklärte<br />

Fälle zu vernichten. So zwingen sie die Polizei,<br />

den Cold Case um ihre Tochter endlich aufzuklären.<br />

Die australische Autorin Candice Fox fesselt<br />

mit einem rasanten Thrillerplot – und wirft dabei<br />

Fragen zu Moral und Ethik auf.<br />

Candice Fox<br />

Stunde um Stunde<br />

Suhrkamp, 2023,<br />

476 S., 18 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Andrea O’Brien<br />

46 | <strong>kulturnews</strong>


Simsahrabim<br />

Vermutlich gibt es einige Menschen,<br />

die Sahra Wagenknecht auf den Mond<br />

schießen wollen. Aber auch Aliens, die sie<br />

dorthin entführen? Da steht ihr verzweifelter<br />

Oskar im Büro von Emma Erdling und bittet,<br />

Sahra aus der Gewalt von Außerirdischen zu<br />

befreien. Echt jetzt? Eigentlich wollte die<br />

Pseudodetektivin nie wirklich Fälle lösen, sondern<br />

sich nur auf Social-Media wichtig tun. Aber<br />

da eh nichts real ist, wenn man meist<br />

virtuell unterwegs ist, kann man es ja probieren.<br />

Doch erst mal ins neue Antiquariat: Prompt landet<br />

sie dort im München der 1920er, als sie sich<br />

in dem Gebäude verirrt. Wo ein Wille ist, ist auch<br />

ein Wurmloch. Und das ist nur der Anfang einiger<br />

Raumkrümmungen, die Emma zusammen mit<br />

ihrer dubiosen Bekanntschaft Angelika quer<br />

durch die deutsche Geschichte und galaktische<br />

Welten wirbeln. Da parkt der Mietwagen schon<br />

mal in der Zukunft oder ist Keplers Mond nur<br />

eine Tür von der Berliner Philharmonie entfernt.<br />

Wo sind wir da nur rein geraten? Keineswegs in<br />

H A R D B O I L E D H I G H L I G H T<br />

#1/<strong>2024</strong><br />

Krimi<br />

einem schnöden Krimi. Emma Braslavsky wischt<br />

alle Genres fort und beamt uns in den anspruchsvollsten<br />

Nonsens seit langem.<br />

Sahra taucht auch wieder auf –<br />

aber wird sie recht zeitig zur<br />

Partei grün dung wieder Boden -<br />

haftung bekommen? nh<br />

Emma Braslavsky Erdling<br />

Suhrkamp, 2023,<br />

425 S., 26 Euro<br />

Foto: Heike Steinweg/Suhrkamp Verlag<br />

© Aaron Richter<br />

Foto:<br />

Clem ency<br />

Burton-Hill<br />

NEUES AUS MORDDEUTSCHLAND<br />

Späte Reue<br />

Was sich in Hamburg-Och sen -<br />

werder auf abgelegenen Ge -<br />

höften abspielt, will man sich<br />

nicht vorstellen. Erst recht nicht,<br />

wenn im Winter wieder Krähen<br />

tot vom Himmel fallen und nach<br />

einem Brand der Georg vom Schwarzackerhof tot<br />

daniederliegt. Das mit den Krähen war wieder<br />

mal der Walter mit seiner Flinte, aber trotz jahre -<br />

langem Bruderzwist würde er nie mutwillig bei<br />

Georg am Reetdach zündeln. Oder etwa doch?<br />

Da die ehemalige Kriminal kommis sarin Bette<br />

Hansen immer noch nah bei den wortkargen<br />

Menschen der Gegend ist, lässt sie der Fall nicht<br />

los. Trotz ihrer Narkolepsie, durch die sie von<br />

plötzlichen Einschlaf attacken geplagt wird, hält<br />

sie die Augen offen – und entdeckt Hin weise, die<br />

wie ein böser Traum erscheinen. Nora Luttmer<br />

lässt uns aus verschiedenen Blickwinkeln die<br />

Er eignisse miterleben und Schritt für Schritt<br />

zusammenfügen. Dabei schlittert man wie auf<br />

den vereisten Äckern im Vier- und Marsch lande<br />

hin und her, bis schließ lich die verstörende<br />

Familien ge schichte sichtbar wird. Doch driftet die<br />

zu rück in den Nebel, weil ein wichtiges Be weis -<br />

stück in der dunklen Dove-Elbe versinkt … nh<br />

Nora Luttmer<br />

Schwarzacker<br />

Rowohlt, 2023, 400 S., 14 Euro<br />

Späte Rache<br />

Was sich in Hamburg-Altona<br />

hinter verschlossenen Türen<br />

abspielt, will man sich nicht<br />

vorstellen. Erst recht nicht,<br />

wenn ein irrer Serientäter<br />

seine ausgewählten Opfer<br />

heimsucht und ihnen durch fiese Folterspiele<br />

einen langsamen Tod bereitet. Dem LKA<br />

präsentiert sich nach und nach ein ideenreiches<br />

Grusel-Portfolio: Ein Opfer wurde bewegungsunfähig<br />

ans Bett fixiert und ist elendig ver -<br />

durstet, eins durch Zwangsmedikation qualvoll<br />

vergiftet, eins dem Kältetod in seiner Bade -<br />

wanne ausgesetzt und eins im eigenen<br />

Hobbykeller am Schraubstock der Werkbank<br />

eingequetscht. Im zweiten Band der schaurigschönen<br />

Serie ermittelt Thies Knudsen wieder<br />

zusammen mit Kollegin „Dörte Harry“ Eichhorn,<br />

der „Spusi“ Dierks und dem pensionierten „La<br />

Lotse“ Oke Andersen, der den Kleingauner Morf<br />

Pörksen im Schlepp hat. Klar ist, hier rächt sich<br />

jemand an ehemaligen Mit arbeitern einer<br />

psychiatrischen Kinderklinik. Was in dieser bis<br />

in die 1970er geschah, ist genauso erschütternd<br />

wie die Tatsache, dass es solche Verbrechen in<br />

naher Vergan gen heit wirklich gegeben hat ... nh<br />

Kester Schlenz u. Jan Jepsen<br />

Der Schattenmann<br />

btb, 2023, 352 S., 16 Euro<br />

<strong>kulturnews</strong> | 47<br />

Auch als eBook<br />

Die W under der klassischen<br />

Musik sind unerschöpflich.<br />

Das stellt die Violinistin<br />

Clemency Burton-Hill mit<br />

dem zweiten Band ihres<br />

gefeierten Musikkalenders<br />

ein weiteres Mal unter<br />

Beweis. Das beste Geschenk<br />

für alle Musikliebhaber.<br />

Mehr unter: diogenes.ch/<br />

einjahrvollerwundernder<br />

Diogenes


Kultur<br />

EVA KARL-<br />

FALTERMEIER<br />

UTA<br />

KÖBERNIC<br />

K<br />

Foto: Linda Kohl Foto: Mirco Rederlechner<br />

Foto: © Negah Amiri<br />

NEGAH AMIRI<br />

TOURNEEN Frauen im Entertainment starten auch im neuen Jahr wieder gut durch. Okay, Uta Köbernick „geht’s ruhig<br />

an“ (Programmtitel), und zwar im Januar noch ohne Termine, aber schon im Februar reist die Musikkabarettistin (2022<br />

erhielt sie den Kabarettpreis Eddi) nach Asperg, Frankfurt und Singen und im März nach Stuttgart und Saarbrücken.<br />

Freuen kann sich Negah Amiri, die 2023 den Nachwuchspreis des Deutschen Comedypreises erhielt: „Megah gut!“ heißt<br />

nicht nur das Programm der Comedian, mit dem sie ständig unterwegs ist, sondern auch ihr Ausruf angesichts ihres<br />

Doppels mit Carolin Kebekus, mit der sie am 30. Mai in Leverkusen in einer „Double-Show“ auf der Bühne stehen wird.<br />

Eva Karl-Faltermeier hat erst jüngst den Thüringer Kleinkunstpreis erhalten und ist in vielen Städten mit ihrem Programm<br />

„Taxi. Uhr läuft“ unterwegs. Die Kabarettistin weiß vor allem mit ihrer oberpfälzer Laune zu beeindrucken, die sich immer<br />

und sofort spürbar aufs Publikum überträgt. jw<br />

48 | <strong>kulturnews</strong>


Highlights<br />

Die Zauberkraft der Musik<br />

Foto: © Alegria Konzert / Martin Zemp<br />

MISCHA KUBALL<br />

light_poesis<br />

21.10.23-18.02.24<br />

SKULPTUREN-<br />

PARK<br />

WALDFRIEDEN<br />

in WUPPERTAL<br />

Ob in der spektakulären Theaterinszenierung in Hamburg, zu Hause<br />

beim Blu-ray-Binge-Wochenende oder beim ganz gemütlichen<br />

Wieder lesen der Bücher: Harry Potter ist auch zwölf Jahre nach seinem<br />

letzten Kinofilm ein Hit auf allen Kanälen. Jetzt kommt die<br />

Filmmusik mit bespielter Leinwand zurück, wobei in unterschiedlichen<br />

Städten unter dem Titel Harry Potter in Concert unterschiedliche<br />

Film musiken gespielt und unterschiedliche Filme gezeigt werden<br />

– näheres finden Sie gleich untenstehend.<br />

Harry Potter und der Gefangene von Askaban<br />

6. + 7. 1. 24 Dresden<br />

Harry Potter und der Halbblutprinz 1.–3. 3. 24 München<br />

Harry Potter und der Orden des Phönix 8.–10. 3. 24 Luzern<br />

Harry Potter und die Kammer des Schreckens<br />

23. + 24. 3. 24 Frankfurt<br />

Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal<br />

www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />

„Popliteratenpack!“<br />

Foto: Thomas Nitz<br />

Der alte weiße Mann des Musik -<br />

kabaretts hat jüngst gemeinsam<br />

mit Benedikt Eichhorn den<br />

Kabarettpreis Eddi gewonnen,<br />

doch jetzt soll Thomas Pigor als<br />

Schriftsteller vorgestellt werden.<br />

„La Groete“ heißt sein vor kurzem<br />

erschienener Roman, in<br />

dem Pigor bereits in der Vorrede<br />

gegen das „Popliteratenpack“<br />

der 1990er Jahre sowie gegen<br />

die „Coming-of-Age-Apostel“<br />

schießt, die nur in eines können:<br />

aus der Position der ersten<br />

Person singular schreiben.<br />

+++ Noch mehr Filmmusik: The Sound of James Bond geht auf<br />

Tour und wird am 10. 12. in Wien gespielt, um gleich im neuen Jahr am<br />

2. 1. 24 in Köln aufzuspielen und dann am 12. und 13. 1. 24 nach<br />

München zu gehen. Weitere Termine sind Luzern am 2. und 3. 5. sowie<br />

Lousanne am 4. Mai. Wenn Komponisten auf Strecke einen größeren<br />

Namen haben als die Filme, für die sie die Musik beisteuerten, heißt<br />

der Konzertabend The Sound of Hans Zimmer & John Williams. Die<br />

Termine: 26. 2. 24 Hannover, 1. + 2. 3. Frankfurt, 3. 3. Mannheim,<br />

4.–6. 3. München, 13. 3. Hamburg, 14. + 21. 3. Berlin, 30. 3.<br />

Dresden, 1. 4. Nürnberg, 2. + 3. 4. Wien, 3. + 4. 4. Luzern, 8. 4.<br />

Düsseldorf, 9. 4. Stuttgart, 10. 4. Dortmund, 16. 4. Köln, 17. 4. Essen,<br />

19. 5. Regensburg +++<br />

20.10.2023 –<br />

1.4.<strong>2024</strong><br />

Schloss Gottorf<br />

www.schloss-gottorf.de<br />

Yinka Shonibare CBE, Addio del Passato, 2<strong>01</strong>1, Digital Video (film still). Courtesy the artist, Stephen Friedman Gallery, London and James Cohan Gallery, New York. © Yinka Shonibare CBE / VG Bild-Kunst, Bonn 2023<br />

49| <strong>kulturnews</strong>


Kunst<br />

Raus zur Kunst<br />

Foto: VG Bild-Kunst Bonn 2023 | Foto: Anna Schwartz<br />

Foto: Nicolas Wefers<br />

Im Skulpturenpark Waldfrieden in<br />

Wuppertal sind noch bis 18. Februar die<br />

eigens für den Park konzipierten Lichtund<br />

Spiegelinstallationen „Light_poesis“<br />

von Mischa Kuball zu sehen.<br />

Der Konzept künstler verbindet Innenund<br />

Außenraum, Tag und Nacht sowie<br />

Mensch, Natur und künstliche<br />

Umgebung miteinander. Er lenkt den<br />

Fokus auf zentrale Sinnfragen, lässt uns<br />

soziale Handlungsweisen hinter fragen<br />

und politische wie naturwissenschaftliche<br />

Diskurse führen. Ideal, um in besinnlichanregender<br />

Umgebung zum Jahresende<br />

die vergangen zwölf Monate ein wenig<br />

zu reflektieren.<br />

Foto oben: Mischa Kuball,<br />

rotating mirror_horizontal, 2023<br />

Skulpturenpark Waldfrieden<br />

Foto: Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen<br />

Weihnachtsspaziergänge gehören zum Fest<br />

wie Geschenke und Glühwein. Wie wäre es,<br />

den entspannenden Gang in die winterliche<br />

Natur mit Kunstgenuss zu verbinden?<br />

Wir haben ein paar Tipps für Sie.<br />

Der Skulpturenpark Schloss Gottorf auf der Schleswiger Schlossinsel<br />

präsentiert um das prächtige barocke Bauwerk herum mehr als 50<br />

figürliche und ungegenständliche, teilweise monumentale Werke der<br />

Bildhauerkunst vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.<br />

Foto unten: Jörg lmmendorff: Malerstamm - Constantin, 2002, Bronze,<br />

120x30x40cm ca. 60 kg © Estate of Jörg Immendorff, Courtesy<br />

Galerie Michael Werner Berlin, Köln & New York<br />

Texte: vs<br />

Die Kunst<br />

der Botanik<br />

Foto: Philipp Meuser<br />

HAMBURG Jetzt ist noch einmal Zeit, sich Pflanzen auf eine ganz<br />

andere Weise anzusehen. Bis 21. Januar läuft in den Deichtor -<br />

hallen Kathrin Linkersdorff. Works. Die Künstlerin (*1966) enthüllt<br />

mit ihren großformatigen, zwischen Kunst und Wissenschaft<br />

liegenden Fotografien unsichtbare Welten aus der Botanik, die dem<br />

bloßen Auge verborgen bleiben, und beleuchtet das komplexe<br />

Zusammenspiel von Werden und Vergehen in der Natur. Dabei<br />

hält sie sich an das japanische Konzept von Wabi-Sabi: Ver gäng -<br />

lichkeit und Unvollkommenheit sind integrale und sogar schöne<br />

Teile des Lebens. Zum Jahresende eine tröstliche Vorstellung.<br />

50 | <strong>kulturnews</strong>


Kunst<br />

DEICHTORHALLEN<br />

HAMBURG UND FOTOGRAFIE<br />

INTERNATIONALE KUNST<br />

MIT FREUNDLICHER<br />

UNTERSTÜTZUNG<br />

GEFÖRDERT AUS DEM<br />

AUSSTELLUNGSFONDS<br />

OTTO DIX<br />

SELBSTBILDNIS MIT PALETTE VOR<br />

ROTEM VORHANG, 1942, KUNST-<br />

MUSEUM STUTTGART, ERWORBEN<br />

MIT UNTERSTÜTZUNG DER ERNST<br />

VON SIEMENS KUNSTSTIFTUNG<br />

UND DER WÜSTENROT STIFTUNG,<br />

GENEHMIGT DURCH DIE OTTO<br />

DIX STIFTUNG, VADUZ,<br />

© VG BILD-KUNST BONN, 2023<br />

DIX UND<br />

DIE GEGENWART<br />

30. SEPTEMBER 2023 – 25. FEBRUAR <strong>2024</strong><br />

HALLE FÜR AKTUELLE KUNST<br />

MIT FREUNDLICHER<br />

UNTERSTÜTZUNG<br />

Der Städel Garten des Frankfurter Museums bietet mit Blick auf die Frankfurter Skyline<br />

14 Skulpturen aus dem eigenen Bestand, darunter Werke von Georg Kolbe, Reg Butler,<br />

Per Kirkeby und Tobias Rehberger die Entwicklung der Bildhauerei in den letzten<br />

100 Jahren. Auch sehenswert: „Sunrise. East“ mit Ugo Rondinones zwei Meter hohen<br />

Skulpturenköpfen in silbern glänzendem Aluminium.<br />

Foto: Städel Museum – Norbert Miguletz<br />

CINDY SHERMAN,<br />

UNTITLED #462,<br />

2007/2008,<br />

PRIVATSAMMLUNG<br />

EUROPA<br />

© CINDY SHERMAN,<br />

COURTESY THE<br />

ARTIST AND<br />

HAUSER & WIRTH<br />

FREIER<br />

EINTRITT<br />

JEDEN<br />

SA & SO<br />

12 – 17<br />

UHR<br />

Die Ausstellung wird von der Staatsgalerie Stuttgart in Zusammenarbeit<br />

mit Cindy Shermans Studio in New York und ihrer Galerie Hauser & Wirth<br />

realisiert und anschließend im FOMU – Fotomuseum Antwerpen gezeigt.<br />

CINDY SHERMAN<br />

ANTI-FASHION<br />

7. OKTOBER 2023 – 3. MÄRZ <strong>2024</strong><br />

SAMMLUNG FALCKENBERG, HAMBURG/HARBURG<br />

Weitere sehenswerte<br />

Ausstellungen<br />

FRANKFURT, Städel: Miron Schmückle – Flesh for Fantasy<br />

1. 12.–14. 4. 24<br />

BONN, Bundeskunsthalle: Anna Oppermann. Eine Retroperspektive<br />

13. 12.–1. 4. 24<br />

MÜNCHEN, Lenbachhaus: Günter Fruhtrunk. Die Pariser Jahre (1954–1967)<br />

21. 11.–7. 4. 24<br />

BONN, Kunstmuseum: Günter Fruhtrunk, Retrospektive 1952–1982<br />

16. 11.–10. 3. 24<br />

ESSEN, Museum Folkwang: Wir ist Zukunft – Visionen neuer Gemeinschaften<br />

24. 11.–17. 3. 24<br />

KATHRIN<br />

LINKERSDORFF,<br />

AUS DER SERIE<br />

FAIRIES,<br />

2021 – ONGOING<br />

© 2023 KATHRIN<br />

LINKERSDORFF<br />

KATHRIN<br />

LINKERSDORFF<br />

WORKS<br />

27. OKTOBER 2023 – 21. JANUAR <strong>2024</strong><br />

PHOXXI. HAUS DER PHOTOGRAPHIE TEMPORÄR<br />

51| <strong>kulturnews</strong><br />

PARTNER DER DEICHTORHALLEN<br />

KULTURPARTNER


Bühne<br />

Silvester im Theater<br />

Auf die größte Party des Jahres haben viele Leute gar keine Lust, zu viel Rummel,<br />

und die aufgesetzte gute Laune! Da ist es doch wunderbar, wenn die Theater<br />

des Landes ein Alternativprogramm anbieten: unterhaltsam ohne zwanghaften<br />

Spaß, zum Mitsingen, auch mal ernster. Wir haben ein paar Ideen für den<br />

Theaterbesuch am letzten Tag des Jahres zusammengestellt. Und gute Vorsätze<br />

sind hier auch kein Muss – außer, das nächstes Jahr noch mal zu machen.<br />

CABARET<br />

Frankfurt, The English Theatre<br />

Something Rotten!:<br />

die Ode an Musicals<br />

Hamburg, Ohnsorg Theater<br />

Dat Frollein Wunner: musikalische<br />

Reise durch das Nachkriegs-Hamburg<br />

Schauspiel Frankfurt Dracula:<br />

eine Studie unserer sich<br />

radikalisierenden Gesellschaft<br />

Kabarett Distel Berlin Im Hinterzimmer<br />

der Macht – Eine schwindelige<br />

Bundestags-Revue: groteske Revue<br />

mit illustrem Bundestagspersonal<br />

Schauspiel Leipzig Cabaret:<br />

der Klassiker aus der Welt der<br />

Kabaretts und Travestieshows<br />

Münchner Kammerspiele<br />

A scheene Leich: Erblastkomödie<br />

mit Gehard Polt und den<br />

Well-Brüdern<br />

A SCHEENE LEICH<br />

Foto: Rolf Arnold<br />

Foto: Chris Gonz<br />

IM HINTERZIMMER DER MACHT –<br />

EINE SCHWINDELIGE BUNDESTAGS-REVUE<br />

Foto: Maurice Korbel<br />

Foto: Thomas Rabsch<br />

Umweltfreundlich<br />

DÜSSELDORF Mit Ibsens Peer Gynt hat am 12. 1. eine klimaneutrale<br />

Inszenierung am Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere. Dies sei, so<br />

das Theater, noch ohne Vorbild und sei für alle Betetiligten ein großes<br />

Abenteuer, erfordere es doch „kreative, spielerische, fantasievolle und<br />

unerwartete künstlerische Lösungen“. Das aber ist, so dachten wir,<br />

ja sowieso der Anspruch an jedwede Bühneninszenierung ... ?!<br />

Foto: Michael Diekmann<br />

Mensch/ Maschine<br />

BERLIN Ein Lustspiel von Bertolt<br />

Brecht, gibt es auch nicht so oft. Der<br />

Untertiel zu Mann ist Mann von 1926<br />

lautet: „Die Verwandlung des Packers<br />

Galy Gay in den Militär baracken von<br />

Kilkoa im Jahre neunzehnhundertfünfundzwanzig“.<br />

Und genau darum geht<br />

es: Gezeigt wird am Berliner Ensemble<br />

die Ver wand lung des Packers Galy Gay<br />

in eine menschliche Kampfmaschine<br />

durch ein paar Soldaten. Brecht will<br />

sagen: Die menschliche Identität entsteht<br />

erst durch den sozialen Kontext.<br />

Premiere ist am 13. 1.<br />

52 | <strong>kulturnews</strong>


Bühne<br />

SCHNELLCHECK<br />

GE<br />

ABEND BILL<br />

LINGER<br />

& SCHULZ<br />

Foto: Armin Smailovic<br />

Was? „Wolf unter Wölfen“ nach Hans Fallada<br />

Wo? Thalia Theater, Hamburg<br />

Wer? Regie von Luk Perceval<br />

Wann? Premiere am 18. Januar<br />

19. 1. 21. 1.<br />

TANZPERFORMANCE<br />

Geteilter Abend ist eine Spurensuche nach den Lücken in<br />

der Erzählung, den Rissen im eigenen Porträt und Brüchen<br />

in der Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Generation.<br />

<br />

<br />

<br />

Das FFT wird gefördert durch die Landeshauptstadt Düsseldorf<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Nordrhein-Westfalen. Florian Foto: © Krauß<br />

Foto: Sigrid Reinichs<br />

Tanzen und küssen<br />

DÜSSELDORF A Kiss to the World, was brauchte es nicht dringender<br />

in unseren Zeiten. Choreografin Dominique Dumais geht mit ihrer den<br />

Körper erforschenden Bewegungssprache in den Dialog mit den<br />

Tänzer:innen und spürt dem nach, was ein Kuss alles bedeutet – ist<br />

er doch unendlich universell und beginnt und beendet unser Leben,<br />

vom ersten Kuss der Mutter bis zum letzten Kuss des Todes.<br />

Dazwischen kreisen wir unaufhörlich umeinander, um zwischen<br />

Beginn und Ende so viele Küsse wie möglich zu bekommen und zu<br />

geben. Uraufführung des Balletts ist am 20. 1.<br />

CHINA<br />

AGIR<br />

L<br />

Texte: vs<br />

53| <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

Der 17-Jährige aus Wien gilt als der Wonderboy der Indieszene. Jetzt geht Oskar Haag mit Songs zwischen<br />

bodenloser Verzweiflung und kompromissloser Zartheit auf seine erste große Tour.<br />

Oskar, als 15-Jähriger bist du 2021 beim Popfest in Wien zum<br />

allerersten Mal aufgetreten – und dann gleich vor Hunderten<br />

von Leuten.<br />

Oskar Haag: Tatsächlich war ich wenig aufgeregt und habe mich<br />

nur extremst gefreut. Ich bin schon sehr bühnenaffin und habe<br />

diese Coolness, da relativ unbekümmert rauszugehen, weil ich das<br />

von Kindesbeinen an gewohnt bin. Als Dreijähriger habe ich mit<br />

dem Tanzen angefangen, und ich bin auch immer wieder bei Theater -<br />

projekten dabei gewesen, denn mein Vater ist Musiker und Schau -<br />

spieler und meine Mutter arbeitet als Kostüm- und Masken -<br />

bildnerin. Andererseits habe ich beim Popfest aber noch gar nicht<br />

so richtig realisiert, was da eigentlich los ist – und das war auch<br />

irgendwie ganz gut so.<br />

Nun ist dein Vater ja auch nicht irgendwer, sondern Sänger<br />

und Kopf von Naked Lunch. Nervt es, wenn das in Bezug auf<br />

deine Musik ständig Thema ist?<br />

Haag: Ach nein, damit habe ich überhaupt kein Problem. Wir<br />

haben ein super Verhältnis, und ich bin ein großer Fan von dem,<br />

was er als Künstler macht.<br />

Und er hat dir mit seiner Geschichte ja auch eine<br />

Skepsis gegenüber der Musikindustrie eingeimpft<br />

und dir dabei geholfen, eine größtmögliche<br />

Unabhängigkeit zu erhalten, oder?<br />

Haag: Nach dem Popfest haben sich unsagbar<br />

viele Leute gemeldet, und da war ich einfach froh,<br />

dass ich meinen Vater an meiner Seite gehabt<br />

habe. Bookingagenturen, Managements, Labels –<br />

er ist bei jeder wichtigen Entscheidung dabei<br />

gewesen. Er kennt sich einfach aus und hat selbst<br />

so viel falsch gemacht, dass er ganz genau weiß, wer die<br />

Halsabschneider sind. Jeder will mit dir Geld verdienen, aber es<br />

gilt, diejenigen zu finden, die das, was du machst, gleichzeitig<br />

auch wirklich cool finden.<br />

Nun gehst du mit deinem Debütalbum auf Tour, was du ja<br />

auch gleich mal selbst produzierst hast. Wenn ich die<br />

Dramaturgie betrachte, ist „Teenage Lullabies“ in der zweiten<br />

Hälfte um einiges düsterer …<br />

Haag: Stimmt, aber das ist nicht bewusst passiert. Die Hälfte der<br />

Songs ist noch ohne den Gedanken an ein Album entstanden. Ich<br />

habe einfach meine besten Stücke ausgewählt und dann an verschieden<br />

Enden weiterentwickelt. Von daher ist es dramaturgisch<br />

keine Reise in die Dunkelheit. (lacht) Mit „Starry Eyes“ steht ja<br />

auch schon ein härterer und ganz anders produzierter Ausreißer in<br />

der Mitte des Albums.<br />

Mit diesen Stücken stehst du jetzt aber schon ganz anders auf<br />

der Bühne als mit den Vorgaben beim Theater.<br />

Der Shakespeare-Schutzschild fehlt …<br />

Haag: Es braucht schon Mut. Allein in Österreich gibt<br />

es unendlich viele 16- oder 17-Jährige, die mindestens<br />

genauso talentiert sind wie ich. Aber sie<br />

haben einfach nicht das Glück, das machen zu<br />

können. Oder sie trauen sich nicht, weil natürlich<br />

die Gefahr besteht, dass man verurteilt<br />

wird. Man ist da auf der Bühne schon sehr<br />

nackt. Die Musik, die ich rausbringe, ist das<br />

Persönlichste, was ich jemandem von mir zeigen<br />

kann. Intimer wird’s nicht.<br />

Interview: Carsten Schrader<br />

22.1. Düsseldorf, zakk<br />

23.1. Münster, Pension Schmidt<br />

24.1. Haldern, Haldern Pop Bar<br />

25.1. Köln, Die Wohngemeinschaft<br />

27.1. Mainz, Schon Schön<br />

28.1. Heidelberg, Karlstorbahnhof<br />

30.1. Ulm, Roxy<br />

31.1. Frankfurt, Ponyhof<br />

1.2. Hamburg, Nochtwache<br />

2.2. Berlin, Monarch<br />

3.2. München, Milla<br />

9.2. Stuttgart, Im Wizemann<br />

10.2. Nürnberg, Club Stereo<br />

Foto: Christoph Liebentritt<br />

54 | <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

Foto: Chris Petrus<br />

Foto: Manfred Pollert<br />

Beach<br />

Fossils<br />

Mit ihrem verhangenen<br />

Indie rock waren die Beach<br />

Fossils lange Zeit stilprägend<br />

für den leicht selbstmitleidigen<br />

Indieboy-Style<br />

der 2<strong>01</strong>0er-Jahre. Zum<br />

Glück haben die vier New<br />

Yorker rechtzeitig die Trend -<br />

wende erkannt und einfach<br />

mal eine sechsjährige<br />

Schaffens pause eingelegt.<br />

Denn was gibt es langweiligeres<br />

als Musiker:innen, die<br />

ewig verkrampft an ihrem<br />

angestammten Sound festhalten?<br />

Mit „Bunny“, dem<br />

ersten Beach-Fossils-Album nach der langen Pause, hat sich die Band<br />

nun neu erfunden, ohne ihre melancholische Ader zu verraten: So<br />

wechselt sie stets stilsicher zwischen reduziertem Dreampop, großen<br />

Arrangements und düsterem Postpunk. Und Songs wie „Don’t fade<br />

away“ verweisen angenehm entstaubt auf die große Zeit des Indierock.<br />

27. 2. Hamburg, Knust | 1. 3. Berlin, Festsaal Kreuzberg<br />

2. 3. Köln, Gebäude 9<br />

Christian Steiffen<br />

8. 6. Leipzig,<br />

Täubchenthal Open Air<br />

13. 7. Hamburg,<br />

Open air am Fernsehturm<br />

20. 7. Köln, Tanzbrunnen<br />

26. 7. Erfurt,<br />

Festwiese Petersburg<br />

27. 7. Dresden,<br />

Jungle Garden<br />

10. 8. Berlin,<br />

Kulturbrauerei Open Air<br />

17. 8. Rostoc,<br />

IGA Park<br />

„Worte können mich und<br />

dieses Album nicht beschreiben.<br />

Der Begriff ,Gott of<br />

Schlager‘ kann nur ein Versuch<br />

sein, wird aber für immer<br />

eine Krücke bleiben...“<br />

Christian Steiffen augenzwinkernd über sein<br />

aktuelles Album „Gott of Schlager“<br />

<br />

GIORA FEIDMAN<br />

& FRIENDS<br />

<br />

CORNELIA<br />

JAKOBS<br />

<br />

THE<br />

GODFATHERS<br />

<br />

CASEY LOWRY<br />

<br />

CHRIS<br />

JAMES<br />

<br />

MARIA MENA<br />

<br />

MIKE MASSÉ<br />

<br />

ALESSANDRA<br />

<br />

MASEGO<br />

<br />

FAROON<br />

<br />

REVELLE<br />

<br />

SON MIEUX<br />

<br />

YOUN<br />

SUN NAH<br />

<br />

NORMANDIE<br />

<br />

KIEFER<br />

<br />

EMLYN<br />

<br />

DIE UDO<br />

JÜRGENS<br />

STORY<br />

<br />

FOX STEVENSON<br />

<br />

HEINZ<br />

ERHARDT<br />

PROJEKT<br />

<br />

ADAM FRENCH<br />

<br />

VIENNA TENG<br />

<br />

NATHAN<br />

EVANS<br />

<br />

THE ROSE<br />

<br />

BERNHOFT<br />

<br />

NILS WÜLKER &<br />

ARNE JANSEN<br />

<br />

DIIV<br />

<br />

IRISH<br />

HEARTBEAT<br />

<br />

OLIVER POCHER<br />

<br />

YUNG GRAVY<br />

<br />

TOM HENGST<br />

<br />

SASHA<br />

VELOUR<br />

<br />

MOTHER<br />

MOTHER<br />

<br />

CLOUDY JUNE<br />

<br />

THOMAS<br />

QUASTHOFF<br />

QUARTETT<br />

<br />

MAGNUM<br />

<br />

SLASH<br />

<br />

TAKIDA<br />

<br />

AKUA NARU<br />

<br />

FLETCHER<br />

<br />

KASALLA<br />

<br />

NOVO AMOR<br />

<br />

VIKTORIA<br />

TOLSTOY<br />

<br />

YELLOW<br />

DAYS<br />

<br />

REA<br />

GARVEY<br />

<br />

LOTTO<br />

KING KARL<br />

<br />

I PREVAIL<br />

<br />

ALTIN GÜN<br />

<br />

BUKAHARA<br />

<br />

LENA<br />

<br />

TROYE<br />

SIVAN<br />

<br />

ALICE COOPER<br />

<br />

LENNY<br />

KRAVITZ<br />

<br />

TOTO<br />

<br />

DIANA<br />

KRALL<br />

<br />

EROBIQUE<br />

<br />

THE DIRE<br />

STRAITS<br />

EXPERIENCE<br />

<br />

RONAN<br />

KEATING<br />

<strong>kulturnews</strong> | 55<br />

TICKETS: KJ.DE


Klubs + Konzerte<br />

Foto: Frank Dursthoff<br />

1. 2. Berlin, Lido | 2. 2. Hamburg, Gruenspan | 3. 2. Köln, Kantine<br />

7. 2. Wiesbaden, Schlachthof | 9. 2. Stuttgart, Im Wizemann<br />

17. 2. München, Backstage | 18. 2. Nürnberg, Hirsch<br />

20. 2. Münster, Sputnikhalle | 21. 2. Hannover, Musikzentrum<br />

Any Given Day<br />

Wer aus Gelsenkirchen kommt, dem ist das Arbeiten,<br />

das Ackern, das Malochen in die Wiege gelegt. Und so<br />

hat die Stadt im Herzen des Ruhrpotts auch musikalisch<br />

ein Aushängeschild, das ganz wunderbar zur<br />

rauen Bergbautradition passt. Als sich die Metal band<br />

Any Given Day im Jahr 2<strong>01</strong>2 in Gelsenkirchen gegründet<br />

hat, war wohl kaum abzusehen, dass ihr harter<br />

Metal- und Deathcoresound knapp zehn Jahre später<br />

auf den größten Metal- und Rockfestivals der Welt spielen<br />

und auf europaweite Touren gehen würde. Auch<br />

wenn Any Given Day unter Kritiker:innen sogar als<br />

Slipknot des Ruhrpotts gelten, konzentrieren sich die<br />

Gelsenkirchener lieber auf ihren eigenen Sound und<br />

sparen sich die Maskerade – die würde in der Heimat<br />

sowieso nur ein lakonisches „Wat soll dat denn?!“ hervorrufen.<br />

DIIV<br />

CHECK-BRIEF<br />

Skinny Lister<br />

Daniel Heptinstall Hauptgesang, Gitarre<br />

Scott Milsom Bass, Gesang<br />

Tim Hillsden Schlagzeug<br />

Lorna Thomas Gitarre, Ukulele, Gesang<br />

Max Thomas Mandoline, Gesang<br />

Foto: Pit Lad<br />

Guter Indierock zeichnet sich durch Brüche mit dem eigenen Genre aus.<br />

Richtig guter Indierock bricht selbst noch mit diesen Brüchen. Das New<br />

Yorker Indierockquartett DIIV wurde mit dem Debütalbum „Oshin“<br />

(2<strong>01</strong>2) gleich zur großen Hoffnung alternativer Indiefans erklärt. Der in<br />

Brooklyn gereifte DIY-Style der vier Jungs war so schön sperrig und plärrig,<br />

so anders als der poppige Indierock der 2<strong>01</strong>0er-Jahre. Inzwischen<br />

hat DIIV den inneren Indierock fast gänzlich auseinandergenommen und<br />

auf der aktuellen EP „Sometime/Human/Geist“ zu einem rauen Mosaik<br />

aus britischem Gitarrenpop, deutscher Psychedelia sowie wütendem<br />

Metal und rumpelndem Shoegaze zusammengesetzt.<br />

7. 3. Hamburg, Mojo | 8. 3. Berlin, Huxleys Neue Welt<br />

GENRE Folkpunk<br />

FÜR klassische Celtic Punks, Shantyfans und Randale-Rocker:innen<br />

DEBÜTALBUM „Forge & Flagon“ (2<strong>01</strong>2)<br />

AKTUELLES ALBUM „Shanty Punk“ (2023)<br />

THEMEN Liebe, Klopperei und Alkoholats<br />

FREUNDESKREIS Flogging Molly, Frank Turner, Dropkick Murphys<br />

FUNFACT spielen manchmal Boot-Konzerte auf der Themse<br />

LIVE 27. 1. Köln, Luxor | 28. 1. Frankfurt, Das Bett<br />

29. 1. Stuttgart, Im Wizemann | 2. 2. München, Ampere<br />

6. 2. Dresden, Beatpol | 7. 2. Berlin, Hole44<br />

8. 2. Hamburg, Knust<br />

Foto: Karsten Jahnke<br />

56 | <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

Foto: Wizard Promotions<br />

Eagle Eye Cherry<br />

Eagle-Eye Cherry ist „Back on Track“. Sein Name klingt<br />

zwar wie eine Figur aus einem billigen 60er-Jahre-<br />

Western, doch ist Eagle-Eye Cherry nach Abba der wahrscheinlich<br />

erfolgreichste schwedische Musikexport: Mehr<br />

als ein Vierteljahrhundert ist seit seinem so erfolgreichen<br />

Debütalbum „Desireless“ und dem Welthit „Save tonight“<br />

vergangen. Nun hat der schwedisch-amerikanische<br />

Singer/Songwriter sein fünftes Studio album veröffentlicht.<br />

Mit „Back on Track“ befreit sich Cherry von plagender<br />

Trauer und Liebeskummer.<br />

11. 2. Stuttgart, Im Wizemann<br />

13. 2. Berlin, Säälchen<br />

14. 2. Hamburg, Bahnhof Pauli<br />

<strong>kulturnews</strong> | 57


Klubs + Konzerte<br />

„Just a whole damn world<br />

And it’s a fucking mess<br />

Should be starting a riot<br />

But I’m too depressed“<br />

Sharon Kovacs auf „Not scared of Giants“<br />

von ihrem neuen Album „Child of Sin“<br />

Foto: Ben Wolf<br />

Florian Künstler<br />

AnnenMayKantereit haben es vorgemacht, wie aus Straßen -<br />

musiker:innen in kürzester Zeit Superstars werden können – und auch<br />

Florian Künstler ist nah dran, diesen Traum zu leben. Wer durch die<br />

harte Schule der Straßenmusik gegangen ist, den:die kann so schnell<br />

nichts mehr erschüttern: Obwohl der Karrierebeginn des Singer/<br />

Songwriters aus Lübeck durch die Pandemie ausgebremst wurde,<br />

dachte Florian Künstler nie ans Aufhören – und diese Hartnäckigkeit<br />

hat sich gelohnt. Inzwischen hat er Millionenhits auf Spotify, und speziell<br />

seine neueste Single „Kleiner Finger Schwur“ ist ein voller Erfolg.<br />

18. 4. Hannover, Musikzentrum | 19. 4. Bremen, Schlachthof<br />

20. 4. Kiel, Pumpe | 26. 4. Kassel, Theaterstübchen<br />

27. 4. Frankfurt, Sankt Peter | 28. 4. Saarbrücken, Garage<br />

30. 4. Freiburg, Jazzhaus | 1. 5. Ulm, Roxy<br />

4. 5. Dresden, Alter Schlachthof<br />

Foto: A.S.S. Concerts<br />

7. 3. Dresden, Reithalle<br />

8. 3. Frankfurt, Batschkapp<br />

9. 3. Hamburg, Kent Club<br />

11. 3. München, Muffathalle<br />

12. 3. Köln, Club Volta<br />

Kovacs<br />

Foto: Ida Fiskaa<br />

Moyka<br />

Vielleicht sollten wir unser durchs Kino geprägte Bild von<br />

der gemeinen, buckligen, kinderverspeisenden Hexe noch<br />

einmal überdenken. Immerhin nennt sich Altpopsängerin<br />

Moyka selbst die Pop Witch. Klar, die junge Norwegerin<br />

kommt aus dem Wald des Hallingdal-Tals und ist zwischen<br />

Mythen und Folklore groß geworden, doch ansonsten hat<br />

sie nichts etwas mit einer bösen Hexe gemein. Nicht mal<br />

fliegen kann sie, dafür zaubern ihre von Robyn, Yaeji und<br />

Son Lux inspirierten Synthies ganze mystische Universen<br />

aus dem Nichts. Vielleicht wäre Moyka aber auch gar nicht<br />

so enttäuscht darüber, als eine Hollywoodhexe verstanden<br />

zu werden. Schließlich ist ihr aktuelles Album „Movies,<br />

Cars & Heartbreak“ ein Konzeptalbum, das sich vor allem<br />

um Filme und unsere Imagination dreht.<br />

5. 2. Berlin, Kantine am Berghain<br />

6. 2. Hamburg, Turmzimmer (Uebel & Gefährlich)<br />

58 | <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

Foto: Katie Silvester<br />

Foto: Patricio Cassinoni<br />

Komplexität und Einfachheit: Schon immer oszillieren Flyte zwischen<br />

diesen beiden Polen. Immerhin hat sich das englische Duo<br />

nach einer Figur in Evelyn Waughs „Wiedersehen mit Brideshead“<br />

benannt – ganz unverkopft sind Will Taylor und Nick Hill also nicht.<br />

Tatsächlich war ihr Indiefolk gerade am Anfang ihrer Karriere für<br />

seine Vielschichtigkeit bekannt, nicht nur textlich, sondern auch<br />

musikalisch. In letzter Zeit allerdings sind Flyte immer direkter<br />

geworden, ihre Texte immer ehrlicher. Das neue Album des Duos<br />

stellt den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung da, was schon<br />

der Titel deutlich macht: Er lautet ganz einfach „Flyte“.<br />

15. 2. Hamburg, Nochtwache<br />

17. 2 Köln, Artheater | 18. 2 Berlin, Privatclub<br />

Soda Blonde<br />

Flyte<br />

Wer sich selbst irgendwo zwischen Air, Massive Attack, Eurythmics,<br />

U2 und Empire Of The Sun verortet, hat ein gesundes Ego oder einfach<br />

große Träume. Und so ist es nur konsequent, dass die irische<br />

Altpopband Soda Blonde ihr neues Album „Dream big“ genannt hat.<br />

Obwohl man sich bei dem mysteriösen Quartett nie so ganz sicher<br />

sein kann, was nun ernst oder ironisch gemeint ist, was poetische<br />

Freiheit oder biografische Realität ist. Kryptisch hält es die Band auch<br />

mit der Beschreibung ihres zweiten Albums, das auf das gefeierte<br />

Debüt „Small Talk“ folgt: „,Small Talk‘ war unser Versuch zu entschlüsseln,<br />

ob etwas alles oder nichts bedeutet. Mit ‚Dream big‘ sind wir an<br />

dem Punkt angekommen, wo wir wissen, dass es etwas bedeutet“,<br />

sagt Gitarrist und Produzent Adam O‘Regan.<br />

20. 1. Hamburg, Nochtwache | 21. 1. Berlin, Prachtwerk<br />

07.<strong>01</strong>. PAUKEN & PLANETEN<br />

08.<strong>01</strong>. AXEL HACKE<br />

LIEST UND ERZÄHLT<br />

12.<strong>01</strong>. BOOMER PARTY<br />

PARTY-MIX: 70ER– 90ER<br />

13.<strong>01</strong>. THE BUSTERS<br />

18.<strong>01</strong>. INA REGEN &<br />

PHIL SIEMERS<br />

19.<strong>01</strong>. BERNARD ALLISON,<br />

ALLEY VENABLE,<br />

KATIE HENRY<br />

20.<strong>01</strong>. POHLMANN<br />

21.<strong>01</strong>. RANDALE<br />

23.<strong>01</strong>. VKB BAND<br />

VICKIKRISTINABARCELONA<br />

JANUAR<br />

AUSWAHL<br />

24.<strong>01</strong>. HOAXILLA<br />

25.<strong>01</strong>. CHE SUDAKA<br />

26.<strong>01</strong>. BLOND<br />

29.<strong>01</strong>. PIPPO POLLINA<br />

31.<strong>01</strong>. SPIDERGAWD<br />

03.02. HAMBURGS GROßE<br />

ü40 PARTY<br />

08.02. X AMBASSADORS<br />

11.02. UNTER MEINEM BETT<br />

17.02. 29. HAMBURGER<br />

BLUES CELEBRATION<br />

18.02. KAFFEEBREWDAS<br />

KAFFEESHOW<br />

23.02. THE GARDENER &<br />

THE TREE<br />

24.02. PAUL YOUNG<br />

29.02. ADAM ANGST<br />

Alle Termine und aktueIle Informationen<br />

zu unseren Veranstaltungen im Web:<br />

FABRIK.DE<br />

BARNERSTR. 36 · 22765 HH · TEL: 39 10 70<br />

<strong>kulturnews</strong> | 59


Klubs + Konzerte<br />

Foto: Constantine Spence<br />

Holly<br />

Humberstone<br />

Die britische Singer/Songwriterin ist während der Pandemie<br />

zum absoluten Shootingstar avanciert: Ihre Debüt-EP<br />

„Falling asleep at the Wheel“ schreibt sie in ihrem Eltern -<br />

haus, einer heruntergekommenen Dienstbotenvilla. Der<br />

morbide, gruselige Ort wurde zur perfekten Inspirations -<br />

quelle für ihre entwaffnenden Coming-of-Age-Erzählungen,<br />

die auf ihrem ersten Album „Can you afford to lose me?“ in<br />

wunderschönem Pop aufgegangen sind. Mit „Paint my<br />

Bedroom black“ hat die gerade einmal 23-jährige<br />

Humberstone bereits ihr zweites Album veröffentlicht, mit<br />

dem sie ihren kompromisslosen Weg weitergeht. Kaum<br />

auszumalen, wie die Alben der mit dem BRIT Rising Star<br />

ausgezeichneten Mittzwanzigerin dann erst in zehn Jahren<br />

klingen sollen.<br />

19. 2. Hamburg, Knust | 20. 2. Berlin, Hole44<br />

24. 2. München, Strom | 28. 2. Köln, Gebäude 9<br />

2. 3. Frankfurt, Nachtleben<br />

3. 3. Köln, Luxor<br />

5. 3. Dortmund, FZW<br />

6. 3. Hannover, LUX<br />

7. 3. Hamburg, Kent Club<br />

9. 3. Berlin, Tempodrom<br />

kleine Arena<br />

10. 3. Leipzig, Naumanns<br />

11. 3. München, Strom<br />

„Warum<br />

glaubst du,<br />

dass es<br />

wichtig ist,<br />

was ich<br />

trage oder<br />

wen ich<br />

gerade fick?“<br />

Foto: Sascha Wernicke<br />

Kati K<br />

„Bei mir verschmierst du Mascara/Bei ihr verschmierst du<br />

den Lippenstift“, singt Kati K auf ihrer aktuellen Sigle<br />

„Mascara“ und lässt ihre Fans am Schmerz teilhaben, den<br />

ein seelischer Betrug auslöst. So ehrlich hat sich die deutsche<br />

Popsängerin selten gemacht: ein „Liebesbeweis“ – wie sie<br />

selbst ihre anstehende Tour nennt –, gerichtet an sich und an<br />

ihre Fans.<br />

Foto: Wolfgang Zac<br />

Deine Cousine<br />

Deine Cousine in<br />

„Girls just wanna have Fun“<br />

12. 4. Müchen, Backstage<br />

13. 4. Stuttgart, Im Wizemann<br />

19. 4. Berlin, Hole 44<br />

20. 4. Frankfurt, Batschkapp<br />

25. 4. Köln, Live Music Hall<br />

26. 4. Oberhausen, Turbinenhalle<br />

27. 4. Hannover, Musikzentrum<br />

28. 4. Leipzig, Täubchenthal<br />

60 | <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

Foto: Leistungsfotografie<br />

The Gardener & The Tree<br />

Ihr Indiefolk ist längst zu einem der erfolgreichsten Musikexporte der<br />

Schweiz geworden. Nun gehen The Gardener & The Tree auf „Silver<br />

Lining Tour“ – und einiges ist neu: neue Musik, neue Band zusammen -<br />

setzung. Doch keine Sorge, ein stilistischer U-Turn ist dennoch nicht zu<br />

erwarten. Schließlich ist Frontsänger Manuel Felder mit seiner unverkennbar<br />

rauen Stimme immer noch an Deck, und so haben selbst die<br />

brandneuen Songs den einzigartigen The Gardener & The Tree-Charme.<br />

15. 2. München, Backstage Werk | 21. 2. Dresden, Beatpol<br />

22. 2. Berlin, Festsaal Kreuzberg | 23. 2. Hamburg, Fabrik<br />

26. 2. Köln, Kantine | 28. 2. Frankfurt, Zoom<br />

29. 2. Stuttgart, Im Wizemann Halle<br />

Foto: Marco Klahold<br />

Patrice<br />

Patrice hat sein im November erschienenes neuntes Album schlicht<br />

„9“ genannt. Doch das sollte nicht den falschen Eindruck erwecken,<br />

dass der Musiker einfallslos ist – das Gegenteil ist der Fall. Seit er<br />

2000 sein Debütalbum „Ancient Spirit“ veröffentlicht hat, sucht er<br />

sich seinen eigenen Weg: zwischen Reggae, Soul und HipHop, zwischen<br />

Köln, Paris, Berlin und Jamaika. Und so hat auch der Album -<br />

titel einen tieferen Sinn: Patrice bezieht sich damit auf seinen<br />

Geburtstag am 9. Juli – denselben Tag, an dem sein Großvater verstorben<br />

ist. Seine Eltern haben Patrice daher den Namen Batabunde<br />

gegeben, was so viel heißt wie „die Rückkehr des Vaters“. So schließt<br />

sich der Kreis zu seiner Geburt, aber auch zum Debütalbum.<br />

19. 2. Heidelberg, Karlstorbahnhof | 25. 2. Nürnberg, Hirsch<br />

26. 2. München, Ampere | 28. 2. Berlin, Columbia Theater<br />

1. 3. Hamburg, Mojo Club | 2. 3. Köln, Gloria<br />

3. 3. Essen, Zeche Carl | 4. 3. Frankfurt a. Main, Zoom<br />

Lucinda Williams<br />

Andere Menschen stellen ihr Leben nach einem Schlag -<br />

anfall auf den Kopf, schalten einen Gang zurück. Lucinda<br />

Williams geht hingegen auf Tour: Ende 2020 musste die<br />

Americana-Songwriterin fünf lange Wochen auf der<br />

Intensivstation verbringen. Resignation? Schock? Über -<br />

mäßige Vorsicht? Fehlanzeige. Bereits im Sommer 2021 ist<br />

Williams wieder mit ihrem Album „Good Souls better<br />

Angels“ auf der Bühne herumgeturnt, und seitdem hat die<br />

mittlerweile 70-jährige Grande Dame des Americana und<br />

Blues eine Autobiografie, ein Livealbum und ihr neuestes<br />

Studioalbum „Stories from a Rock’n’Roll Heart“ nachgelegt.<br />

Foto: Danny Clinch<br />

5. 3. Hamburg, Markthalle<br />

6. 3. Berlin, Huxleys Neue Welt<br />

8. 3. Köln, Carlswerk Victoria<br />

11. 3. München, Werk7<br />

<strong>kulturnews</strong> | 61


Klubs + Konzerte<br />

Foto: Jan Haller<br />

3. 2. Bielefeld, Stadttheater (KulturGala)<br />

16. 3. Freepsum, Kultur-Gulfhof<br />

18. 3. Aachen, Domkeller<br />

20. 3. Ulm, Gold Club<br />

21. 3. Donaueschingen,<br />

KuBa Kulturbahnhof<br />

22. 3. München, Milla<br />

23. 3. Karlsruhe, NUN Kulturraum<br />

24. 3. Offenbach, Hafen 2<br />

27. 3. Hamburg, Knust<br />

3. 4. Leipzig, Horns Erben<br />

4. 4. Berlin, Berghain Kantine<br />

19. 4. Essen, Grend<br />

20. 4. Recklinghausen,<br />

Altstadtschmiede<br />

22. 4. Münster,<br />

Pension Schmidt<br />

26. 4. Bielefeld, Forum<br />

Mina Richman<br />

„Meine Mom hat mal gesagt: ,Eines Tages solltest du dich niederlassen und einen<br />

reichen Mann heiraten.‘ Ich habe gesagt: ,Mom, ich bin ein reicher Mann.‘“ Das<br />

Cher-Zitat aus einem Interview von 1996 ist längst legendär. Dass Mina Richman<br />

sich davon zu ihrem Pseudonym hat inspirieren lassen, zeigt deutlich, worum es<br />

der deutsch-iranischen Künstlerin geht: Sie steht für Feminismus, Mut und<br />

Direktheit. Mit dem Song „Baba said“ hat sie sich mit den Protesten im Iran solidarisiert<br />

und so viele neue Fans gefunden. Doch Mina Richman kann nicht nur<br />

kämpferisch, wie ihr Debütalbum „Grown up“ beweist: Darauf geht es auch um<br />

ihre Kindheit, Schönheitsideale und Freundschaften. Das alles präsentiert Mina<br />

Richman mit einem Soulpop, der sicher auch Cher gefallen würde. Und vielleicht<br />

sogar ihrer Mutter – wäre sie nicht 2022 verstorben.<br />

CHECK-BRIEF<br />

Thomas Day<br />

HERKUNFT Brentwood (Tennessee)<br />

GENRE Singer/Songwriter-Pop<br />

FÜR Gen-Z-Boys und -Girls und alle, die sich<br />

gerne das Herz zerreißen lassen<br />

ALBEN „Love me for another Day“ (2023)<br />

THEMEN Liebe, Verlust und Heilung<br />

VORBILDER Lewis Capaldi, Sam Smith, Bruno Mars<br />

ERSTE SCHRITTE im Musical Theater<br />

BEKANNT durch „America’s got Talent“<br />

FUNFACT wäre fast Profifußballer geworden<br />

VERWECHSLUNGSGEFAHR mit Thomas D<br />

LIVE 14. 2. Berlin, Hole44<br />

15. 2. Hamburg, Bahnhof Pauli<br />

17. 2. Köln, Bürgerhaus Stollwerck<br />

Foto: Robbie Wheeler<br />

Maria Mena<br />

Foto: Ida Bjorvik<br />

Maria Menas jüngerer Bruder heißt Tony – na, klingelt da was? Genau,<br />

ihre Eltern haben die Geschwister nach dem zentralen Pärchen in<br />

Leonard Bernsteins „West Side Story“ benannt, denn beide haben<br />

einen musikalischen Hintergrund. Was zu inzestuösen Spannungen<br />

hätte führen können, hat stattdessen auch in der kleinen Maria eine<br />

Begeisterung für die Musik angelegt. Schon als Kind hat die<br />

Norwegerin Songs geschrieben, ihren internationalen Durchbruch<br />

hatte sie 2005 mit „Just hold me“. Seitdem hat sich Mena einen<br />

Namen durch Popsongs gemacht, die zwischen Leichtigkeit und Tiefe<br />

balancieren. 2023 hat sie ihr neues Album „And then came you“ veröffentlicht,<br />

doch nicht nur das: Sie hat auch ihr Schauspieldebüt in<br />

der norwegischen Krimiserie „Furia“ gegeben. Vielleicht wird sie ja in<br />

nicht allzu ferner Zukunft auch die Hauptrolle in „West Side Story“<br />

übernehmen …<br />

22. 1. Köln, Gloria | 24. 1. Hamburg, Mojo<br />

62 | <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

Foto: James Deary<br />

Jack Curley<br />

Manche Musiker:innen scheuen das Rampenlicht, graben sich am<br />

liebsten im Studio ein und werden dann auf die Bühne geschoben,<br />

weil das eben dazugehört. Bei Jack Curley ist es umgekehrt: Schon<br />

seit seiner Kindheit träumt der Brite davon, seine Songs vor tausenden<br />

jubelnden Menschen zu performen. Darauf hat er unermüdlich<br />

hingearbeitet, indem er in Manchester als Straßenmusiker begonnen<br />

hat. Nach den Straßen kamen die Pubs, dann die lokalen Festivals –<br />

und mittlerweile hat Curley, obwohl er erst 25 ist, Millionen Streams<br />

auf Spotify. Das hat er wohl vor allem seiner prägnanten Stimme zu<br />

verdanken, aber auch seinem unverstellten Songwriting. Und natürlich<br />

freut sich Jack Curley über jeden Stream, jeden Spin im Radio<br />

und jeden Fernsehauftritt. Doch sein wahrer Traum ist derselbe wie<br />

als Kind. Und auf seiner aktuellen Tournee kann er ihn sich einmal<br />

mehr erfüllen.<br />

17. 3. München, Ampere | 18. 3. Frankfurt, Brotfabrik<br />

19. 3. Köln, Helios37 | 20. 3. Stuttgart, Im Wizemann (Studio)<br />

21. 3. Leipzig, Naumanns | 23. 3. Berlin, Privatclub<br />

24. 3. Hamburg, Nochtspeicher<br />

<strong>kulturnews</strong> | 63<br />

Geschenktipp zu Weihnachten<br />

n<br />

10.04.24 Essen<br />

Lichtburg<br />

11.04.24 Aschafffenburg<br />

Stadthalle am Schloss<br />

Kirchner Saal<br />

12.04.24 Limburg Stadthalle<br />

13.04.24 Bielefeld<br />

Stadthalle<br />

03.06.2406 München<br />

Circus Krone<br />

06.06.24 Bünde<br />

Stadtgarten<br />

07.06.24 Duisburg Theater am Marientor<br />

08.06.24 Wetzlar Stadthalle<br />

09.06.24 Fulda<br />

Esperantonhalle<br />

29.08.24 Stade<br />

Stadeum<br />

30.08.24 Bremen Metropol Theater<br />

31.08.24 Marburg Stadthalle<br />

<strong>01</strong>.09.24 Bonn<br />

Oper Bonn<br />

04.09.24 Recklinghausen Congress Zentrum<br />

Ruhrfestspielhaus<br />

05.09.24 Neu Isenburg Hugenottenhalle<br />

07.09.24 Zwickau Neue Welt<br />

08.09.24 Erfurt<br />

Alte Oper<br />

11.09.24 Bad Orb Konzerthalle Bad Orb<br />

12.09.24 Hagen<br />

Stadthalle<br />

13.09.24 Wuppertal Historische Stadthalle<br />

14.09.24 Krefeld<br />

Seidenweberhaus<br />

23.11.24 Beverungen Stadthalle<br />

24.11.24 Mannheim Capitol<br />

25.11.24 Mannheim Capitol<br />

26.11.24<br />

24<br />

Stuttgart Th<br />

heaterhaus h (am Pragsattel)<br />

28.11.24 Berlin<br />

Admiralspalast<br />

29.11.24 Lübeck Musik- und Kongresshalle<br />

30.11.24 Flensburg Campushalle<br />

<strong>01</strong>.12.24 Kiel<br />

Wunderino Arena<br />

03.12.24 Hamburg Barclays Arena<br />

04.12.24 Hannover Theater am Aegi<br />

05.12.24 Hannover Theater am Aegi<br />

07.12.24 Dortmund Westfalenhalle / Halle 2<br />

08.12.24 Duisburg Theater am Marientor<br />

Tickets für die letzte Runde gibt es unter<br />

www.nuttenkoksundfrischeerdbeeren.de<br />

sowie allen bekannten VVK-Stellen.


Klubs + Konzerte<br />

BB & The Blues Shacks<br />

Seit 1989 mischt diese Band die Musikszene mit authentischem Blues<br />

auf. Der Name der Gruppe soll dabei die Nähe zu einem der drei Kings<br />

des elektrischen Blues zeigen: B.B. King. Kein Wunder, dass sie mit ihrer<br />

Leidenschaft für diese Musikform ein eigenes jährliches Blues-Festival in<br />

ihrer Heimatstadt Hildesheim veranstalten.<br />

19. 1. Hamburg, Nochtspeicher<br />

Foto: Felix Engel<br />

Dustbowl Revival<br />

Das selbsternannte achtköpfige Roots-Orchester Dustbowl<br />

Revival könnte der Grund für ein großes Americana-Revival werden.<br />

Schließlich entwickelt es etwa mit Brian Joseph, dem<br />

Toningenieur von Bon Iver und Sufjan Stevens, stets kleine<br />

Kniffe, um den angestammten Roots-Sound zu erweitern.<br />

Inzwischen reicht ihre Fangemeinde von Dänemark bis China –<br />

außergewöhnlich für eine Americana-Band.<br />

Foto: DBR<br />

29. 1. Hamburg, Nochtwache<br />

NICHT<br />

VERPASSEN<br />

Foto: Wizard Promotions<br />

OMD<br />

„Wir können die schrägsten und angriffslustigen Lieder<br />

schreiben – nur kippen wir dann einen ganz dicken<br />

Zucker guss darüber. Bis dieses Prinzip alle verstanden<br />

hatten, sind eine Menge Jahre ins Land gezogen“, hat<br />

uns Paul Humphreys von OMD in einem Interview zu<br />

„Bauhaus Staircase“, dem aktuellen Album der britischen<br />

Popband, verraten. Doch auch wenn die<br />

Liverpooler Schulfreunde mittlerweile über 60 sind und<br />

das Publikum eine Formel entdeckt haben mag, ist die<br />

angriffslustige Pop- und New-Wave-Musik immer noch<br />

mitreißend und hin und wieder sogar herausfordernd.<br />

Wir geben nur einen Anspieltipp „Anthropocene“.<br />

2. 2. Hamburg, Sporthalle<br />

Pop Seasons: Dave Hause<br />

Muss gute Kunst immer authentisch sein? Kann die Fiktion nicht viel mehr auslösen<br />

als das wirkliche Leben? Der US-amerikanische Singer/Songwriter Dave<br />

Hause hat sich mit seinem aktuellen Album „Drive it like it’s stolen“ von den<br />

wahren Geschichten abgewandt. Denn er weiß: „Mein Leben wird immer uninteressanter.<br />

Ich will beständig sein, Baseball trainieren oder meine Kinder zum<br />

Turnen bringen.Ich will nicht die ganze Zeit in den Abgrund starren und versuchen,<br />

mein existenzielles Gewicht zu bestimmen.“ Dennoch könnte sein Album<br />

kaum realer sein, voll postpandemischer Gegenwart eines gespaltenen, gestörten<br />

Amerikas,<br />

27. 1. Hamburg, Christianskirche<br />

Foto: Jesse Deflorio<br />

64 | <strong>kulturnews</strong>


Foto: Rahel Täubert<br />

NICHT<br />

VERPASSEN<br />

Klubs + Konzerte<br />

Frank Göhre: Hamburg Crime City<br />

In erster Linie ist Frank Göhre ein herausragender Krimiautor mit der Gabe, in<br />

dunkle Milieus einzutauchen und jede Ecke authentisch auszuleuchten: von<br />

kleinkriminellen Bagatellen bis zur organisierten und politischen Kriminalität.<br />

Beinahe beiläufig zeichnet Göhre dabei eine alternative Stadtgeschichte<br />

Hamburgs, und so wird aus Kriminalliteratur eine liebevolle Gesellschafts -<br />

studie. Seinen runden Geburtstag feiert der 80-jährige Göhre gemeinsam mit<br />

dem Schauspieler Michael Weber und einigen Weggefährten wie etwa Zoë<br />

Beck, Simone Buchholz und Tobias Gohlis.<br />

25. 1. Hamburg, Nochtspeicher<br />

Eric Fish & Friends<br />

Musik, die unter die Haut geht – das beschreibt den Sound<br />

dieser Band. Seit 1988 macht Eric Fish Musik, die Leute in<br />

den Bann zieht. Die neue Platte „Untiefen“ ist aber vor allem<br />

eins: ein Aufruf zum Handeln, eine Ode an die<br />

Menschlichkeit. Persönlich, authentisch und tiefgründig. Ein<br />

Album, gefüllt mit sanften Melodien und rockigen<br />

Rhythmen, das zum Nachdenken anregt.<br />

20. 1. Hamburg, Bahnhof Pauli<br />

Foto: Etienne Hiekisch-Hildebrand<br />

How long can we go?<br />

Eine Reihe zur Klimakrise<br />

Foto: Vitor Aguiar<br />

What to do angesichts der Klimakrise? How low can we go? And how do we<br />

go low? Während uns das Polareis unter dem Stuhl wegschmilzt und wir<br />

Ratgeber über Ratgeber studieren, sind wir uns in einem Punkt sicher: Die<br />

über greifende Reorientierung, die wir rasch brauchen, kann nur kollektiv<br />

gelingen. Kampnagel kreiert mit „How low can we go?“ eine Reihe zur ästhetischen<br />

Verstärkung des Wake-up-Calls, um Einblicke in wenig beachtete<br />

Aspekte und Orte der Klimakrise zu gewährend, sozialen Klimakleber herzustellen,<br />

Mut zu machen und endlich den Abschied vom westlichen<br />

Lebensstandard zu feiern. Mit hybriden, künstlerisch-aktivistischen Zugriffen<br />

adressieren wir die wahrscheinlich langfristigste politische Megakrise unserer<br />

Zeit. Im Fahrwasser westlicher Luxuspsychose beginnt die Reihe „How long<br />

can we go?“ Ende Januar auf einem Kreuzfahrtschiff. Die Wiener Performance -<br />

gruppe God’s Entertainment hat gerade noch eine Handbreit Wasser unterm<br />

Kiel und nimmt das Publikum mit auf See. Mit rechter Klimaleugnung und<br />

dem Atlantis-Mythos beschäftigen sich Theunert und Aloni. „Amazonia<br />

2040“ von der Choreografin Martha Hincapié Charry reflektiert aus indigener<br />

Perspektive die menschliche Beziehung zur Natur. Zusätzlich entstehen<br />

Debatten zu den Rechten der Natur und über klimaaktivistische Strategien.<br />

25.–27. 1. Hamburg, Kampnagel<br />

<strong>kulturnews</strong> | 65


Klubs + Konzerte<br />

Tina Dico & Helgi Jonsson<br />

Beyoncé und Jay-Z, Johnny Cash und June Carter, ASAP Rocky<br />

und Rihanna: Es gibt genug Liebespärchen aus dem oberen<br />

Regal der Musikindustrie, die ganz wunderbar harmonieren –<br />

oder zumindest lange harmoniert haben. Und mit Tina Dico<br />

und Helgi Jonsson kommt nun ein weiteres hinzu. In ihrer<br />

Heimat Dänemark ist die Singer/Songwriterin Dico längst ein<br />

Star und ihr Mann auf dem besten Wege dorthin. Lange Zeit<br />

war Jonsson Auftragsmusiker für isländische Größen wie Sigur<br />

Rós, deutsche Popstars wie Philipp Poisel und eben für seine<br />

Frau. Nun tritt der bescheidene Isländer jedoch aus dem<br />

Schatten ins Licht: „Seit einiger Zeit wuchs der Drang, wieder<br />

eigene Songs zu schreiben und aufzunehmen“, so Jonsson.<br />

Und da ist es doch nur konsequent, das gemeinsam mit seiner<br />

fantastischen Frau zu tun.<br />

Foto: Manh Bi<br />

Trong<br />

Foto: Marino Thorlacius<br />

20. 3. Köln, Theater am Tanzbrunnen<br />

21. 3. Frankfurt, Vilco Bad Vilbel | 22. 3. Berlin, Metropol<br />

Es ist eine filmreife Geschichte: In den frühen 90er-Jahren wächst der<br />

Popsänger und Tänzer Trong mit seinen vietnamesischen Eltern in einer<br />

bayrischen Flüchtlingsunterkunft auf. Im Jahr 2000 dann die Schock -<br />

nachricht: Der Familie droht die Abschiebung. Mitten in diesen Jahren<br />

der Unsicherheit tanzt sich der Deutsch-Vietnamese bei der deutschen<br />

und europäischen Meisterschaft Dance4Fans in die Herzen tausender<br />

Zuschauer:innen. Als er schließlich bei Sat.1 auf Britney Spears trifft,<br />

wird die Geschichte seiner Familie publik, und über 6 000 Bürger:innen<br />

setzen sich erfolgreich für den Verbleib seiner Familie in Deutschland<br />

ein. Seitdem ist Trong davon getrieben, es allen zu beweisen. In der Heimat<br />

seiner Eltern ist er längt als German Hot Boy zum Superstar geworden.<br />

Und der Karriere in Deutschland steht nun auch nichts mehr im Wege.<br />

16. 2. Frankfurt, Brotfabrik | 17. 2. Remscheid, Teo Otto Theater<br />

21. 2. München, Ampere | 22. 2. Dresden, Alter Schlachthof<br />

1. 3. Berlin, Frannz Club | 2. 3. Hamburg, Kent Club<br />

IMPRESSUM<br />

CHECKBRIEF<br />

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letzten Donnerstag in allen urbanen Metropol -<br />

regionen an über 3 000 Szene- und Kulturlocations<br />

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66 | <strong>kulturnews</strong>


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streicht einmal meh r<br />

, dass sie die<br />

wohl beste Schauspielerin ih er Generation ist.“<br />

r Blickpunkt:Film<br />

A B 25 . JA N UA R IM<br />

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