kulturnews_01_2024
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1/<strong>2024</strong> Das Magazin für Popkultur<br />
SCREWBALL-KOMÖDIE<br />
Oliver Masucci in Bestform<br />
THE PALACE<br />
© 2023 20th Century Studios
FÜR TICKETS QR-CODE SCANNEN<br />
25.10.24 MAG DE B U RG<br />
09.11.24 ROSTOCK<br />
12.11.<br />
11<br />
24<br />
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15.11.24<br />
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4 Musik<br />
4 Pop<br />
22 Jazz | Klassik<br />
28 Film<br />
28 Kino<br />
36 Streaming | DVD<br />
38 4Teens<br />
42 Buch<br />
42 Literatur<br />
46 Krimi<br />
48 Kultur<br />
48 Kabarett | Comedy<br />
50 Kunst<br />
52 Theater<br />
54 Tourneen<br />
Foto: Andreas Hornoff<br />
Inhalt<br />
13 Acid.Milch&Honig<br />
Titelfotos: © 2023 20th Century Studios (Poor Things), Weltkino (The Palace)<br />
Worte in finsteren Zeiten<br />
… so lautet der Titel einer Textsammlung, die wir Ihnen auf Seite 43 ans Herz legen.<br />
Nach den schrecklichen Ereignissen vom 7. Oktober haben die Heraus -<br />
geber:innen bei Autor:innen und Personen des öffentlichen Lebens nachgefragt,<br />
welche Texte ihnen Trost spenden und Mut machen. Sie haben sich<br />
beeilt und das Buch innerhalb einer einzigen Woche fertiggestellt, damit<br />
es schon zum Jahreswechsel seine Hilfestellungen anbieten kann.<br />
Natürlich geht einfach nur das Jahr zu Ende. Die Wunden aus 2023<br />
werden bleiben, und die Kriege gehen weiter. Dennoch sind Punkte<br />
wichtig, an denen wir neue Kraft mobilisieren und nach Impulsen suchen.<br />
Nicht umsonst ziert Giorgos Lanthimos’ Film „Poor Things“ den Titel unserer<br />
Januar-Ausgabe. „Der Film erzählt die Geschichte einer sich gegen alle<br />
Widerstände von Männern emanzipierenden Frau“, schreibt Jürgen Wittner<br />
und schwärmt von Hauptdarstellerin Emma Stone. Dazu passt, dass die Riot-Grrrl-<br />
Band Sleater-Kinney zurück ist. „Little Rope“ nennen sie ihr neues Album, weil sie<br />
per sönliche Tragödien thematisieren und nach drei Jahr zehnten im feministischen<br />
Kampf auch Müdigkeit verhandeln. Doch ihre Musik klingt energetischer als je zuvor<br />
und lässt keinen Zweifel daran, dass sie noch lange vorhaben, widerständig zu sein.<br />
Vielleicht streifen Sie aber auch lieber ohne Musik durch die Skulpturenparks, die wir<br />
Ihnen auf Seite 50 vorstellen. Wir haben in diesem Heft ganz unterschiedliche<br />
Vorschläge, wie Sie gut in <strong>2024</strong> ankommen.<br />
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Viel Vergnügen mit noch mehr Kultur!<br />
Kultur erleben<br />
.de<br />
<strong>kulturnews</strong> | 3
Musik<br />
Erst „What Love?“, dann „Gloomtown<br />
Brats“: Mit nur zwei Singles macht<br />
Dallon Weekes Lust auf <strong>2024</strong>, denn<br />
für den 23. Februar hat er mit<br />
„Gloom Division“ das neue Album<br />
seines Projekts I Dont Know How<br />
But They Found Me angekündigt.<br />
Der in Salt Lake City lebende Sänger<br />
und Songwriter greift den Sound von<br />
Bands wie Hot Hot Heat und The<br />
Killers auf, um bei einer zeitgemäßen<br />
Verschmelzung von R’n’B, Postpunk<br />
und Artpop anzukommen. Und auch<br />
die Texte lohnen bei IDKHOW: „You<br />
just perpetuate ex pensive things and<br />
an upscale life“, ätzt Weekes etwa in<br />
„Gloomtown Brats“, um den Life style<br />
und die Vettern wirt schaft der<br />
Super reichen anzuprangern. cs<br />
Foto: Manic Project
Foto: Jan Seebeck<br />
Gekauft!<br />
Szene<br />
„Don’t worry<br />
about the<br />
sadness<br />
that I carry“<br />
aus: „Already gone“<br />
Wir kennen ihn als den Mann am Klavier, doch zugleich hat Enno Bunger<br />
auch mit jedem seiner Alben musikalisches Neuland betreten. Während<br />
der Ostfriese zuletzt den Sprechgesang erkundet hat, orientiert er sich auf<br />
„Der beste Verlierer“ nun am Wavepop – und stellt plötzlich die Gitarre in<br />
den Mittelpunkt. Was bleibt, ist die starke Schulter, mit der er uns an<br />
dunklen Tagen beisteht. Was sich dringend ändern muss, formuliert er<br />
selbst in „Grasgelb“: „Ich schreib Lieder voller Zynismus/Und ich hab leider<br />
Pech, denn/Kritik am Kapitalismus/Verkauft sich sehr schlecht.“ cs<br />
Dauerzustand:<br />
Herbstgefühl<br />
Der Hamburger Singer/Songwriter und vielleicht<br />
letzte ernst zu nehmende deutsche Chansonnier<br />
befindet sich wie aktuell wohl alle in einem Zustand<br />
der ewig anhaltenden Herbstgefühle. Garniert mit<br />
Leonard-Cohen-Flair sowie Vicky-Leandros-Remi -<br />
niszenzen und umspielt von Klarinetten, Chören,<br />
Percussion und Fieldrecordings, kredenzt Henning<br />
von Hertel alias Herr D.K. nun allerdings seine<br />
„Hydra“-EP, die mit nur vier Songs alles ein bisschen<br />
erträglicher machen soll. Und es klappt tatsächlich.<br />
Gerade dann, wenn von Hertel den Schlager<br />
der 70er-Jahre umarmend herausfordert: Was ist<br />
eigentlich, wenn wir das Leben doch nicht lieben,<br />
Frau Leandros? fe<br />
Mit ihrem zweiten Album<br />
„Movies, Cars and Heartbreak"<br />
trägt die selbst ernannte Pop-<br />
Witch aus Norwegen eine tiefe<br />
Melancholie durch ihr „mystisches,<br />
von Synthesizern gesteuertes<br />
Universum“, so Moyka<br />
selbst. Ein Universum voll von<br />
düsterem Pop à la Billie Eilish,<br />
Coming-of-Age-Geschichten<br />
und Handreichungen an die<br />
LGBTQ+-Szene.<br />
Foto: Ida Fiskaa<br />
Foto: Jasmin Seidel<br />
FRÄNKISCHES PUB-UP<br />
Grüner wird’s nicht<br />
Foto: Pauline Hahn<br />
Was Santiano für das Meer sind, sind Fiddler’s Green für Irland:<br />
Die Mitglieder des Sextetts mögen nicht auf der grünen Inseln geboren<br />
sein, doch ihre Herzen pumpen im Takt des Jigs grünes Blut durch ihre<br />
Adern. Mit ihrer Mischung aus Irish Folk und deutschem Rock haben<br />
die Franken sich eine internationale Fangemeinde erspielt, die bis nach<br />
Japan reicht. Auch mit ihrem neuen Album „The green Machine“<br />
bleiben Fiddler’s Green ihrer Formel treu und nehmen die Fans mit in<br />
die „Good old Irish Bar“, bevor sie in „The Bog“ versumpfen. Am Ende<br />
gibt es mit „Mursheen Durkin“ und „The parting Glass“ wie immer auch<br />
neue Versionen traditioneller irischer Stücke. mj<br />
<strong>kulturnews</strong> | 5
Musik<br />
CHECK-BRIEF MARIKA HACKMAN<br />
ALTER 31<br />
GEBURTSORT Hampshire<br />
WOHNORT London<br />
BRUDER Ben, ein Produzent,<br />
der als Hackman<br />
Dancetracks veröffentlicht<br />
EXFREUNDIN Amber Bain alias<br />
The Japanese House<br />
FREUNDIN Polly Louise Mackey<br />
alias Art School Girlfriend<br />
KOLLABO-FREUNDE alt-J<br />
An stillen Orten<br />
Foto: Steve Gullick<br />
Warum „Big Sigh“ ihr bisher bestes und intimstes Album ist?<br />
Marika Hackman hat sich dafür auf der Toilette verbarrikadiert.<br />
Marika, Kräutertee trinken, besser keinen Spaß haben und auf die<br />
Atmung achten: Danke für „No Caffeine“, das ist ein echter Service -<br />
song, um durch diese seltsame Zeit zu kommen.<br />
Marika Hackman: (lacht) Gern geschehen. Wir haben derzeit wohl alle<br />
mit Ängsten zu kämpfen. Da ist es gut, wenn wir uns über Methoden<br />
austauschen, wie man sich beruhigt und ein bisschen<br />
runterkommt.<br />
Es ist auch gut, dass du den Songs an den Anfang<br />
deines neuen Albums „Big Sigh“ gestellt, denn so<br />
sind die Hörer:innen ein bisschen gepolstert …<br />
Hackman: Ich habe mich aus musikalischen Gründen<br />
so entschieden, aber es stimmt natürlich. Die Platte<br />
geht an ziemlich dunkle und traurige Orte, fängt<br />
angstvolle und auch depressive Zustände ein. Da ist<br />
es in der Tat ganz gut, wenn man eine Rüstung anlegt,<br />
bevor man sich darauf einlässt.<br />
Ist das auch der Grund, warum du von „Big Sigh“<br />
als deinem bisher schwierigsten Album sprichst?<br />
Hackman: Es ist eine klassische Pandemie-Platte. Ich<br />
Big Sigh<br />
erscheint am 19. Januar<br />
habe mich hingesetzt, und plötzlich sind längst vergangene Dinge an die<br />
Oberfläche gekommen, die aufgearbeitet werden wollten. Musikalisch<br />
steht der um das Klavier gebaute Schönklang für den ländlichen Schutz -<br />
raum der Kindheit, während Störer und Industrial-Elemente das Er -<br />
wachsenen dasein repräsentieren. Es ist meine mit Abstand introspektivste<br />
Platte, für die ich sehr tief gegraben habe. Während<br />
meine anderen Alben von einer an mir angelehnten<br />
Figur handeln, geht es hier ganz klar um mich. Und<br />
schwierig war auch, dass ich im Lockdown sechs<br />
Monate lang komplett mit dem Songschreiben auf -<br />
gehört hatte. Danach war es schwierig, mich daran zu<br />
erinnern, wie man das eigentlich macht.<br />
Mir gefällt es, dass du diese Blockade ausgerechnet<br />
auf einer Bartoilette überwunden hast, wo du dir deine<br />
kurz zuvor erstellten Handyaufnahmen angehört hast.<br />
Hackman: Generell empfinde ich Badezimmer als<br />
Freiraum und Ruheort, weil ich die Tür abschließen<br />
und mich sammeln kann.<br />
Der Ort steht auch dafür, dass du als Texterin nicht<br />
6 | <strong>kulturnews</strong>
Musik<br />
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Events!<br />
TOUR 11. 4. Berlin | 12. 4. Hamburg | 14. 4. Köln<br />
die im Pop üblichen Oberflächen bedienst und alles andere als<br />
geleckt über das Leben, über Liebe und Sex schreibst.<br />
Hackman: Von Anfang an war mir dieser Realismus wichtig. Wir<br />
schrecken davor zurück, weil es zunächst grotesk und vielleicht<br />
auch ekelig klingt, doch nichts veranschaulicht Menschlichkeit<br />
besser als Körperflüssigkeiten. Wir wissen alle sofort, was<br />
gemeint ist – und darin liegt für mich in gewisser Weise auch<br />
eine Sanftheit.<br />
Meine Lieblingstextzeile ist aus „Vitamins“: „Mum says I’m a<br />
waste of skin/A sack of shit and oxygen“.<br />
Hackman: Das ist ein Text, auf den ich sehr stolz bin. Ich mag<br />
auch Bilder, die etwas sehr Emotionales ausdrücken, – und die<br />
ich gleichzeitig als einen kurzen Comicstrip vor Augen habe.<br />
Wenn es in „Hanging“ etwa heißt: „I’m going home to<br />
intubate/Cause every time we talk I suffocate“. Oder „I was a<br />
beetle on my back“ in „The yellow Mile“.<br />
Nico Semsrott<br />
18.04.24 Köln<br />
20.04.24 München<br />
26.04.24 Berlin<br />
02.05.24 Leipzig<br />
03.05.24 Dresden<br />
05.05.24 Wiesbaden<br />
... und weitere Termine<br />
10.06.24 Köln<br />
30.06.24 Rostock<br />
02.07.24 Chemnitz<br />
08.07.24 München<br />
13.07.24 Nürnberg<br />
27.07.24 Oranienburg<br />
... und weitere Termine<br />
„Wir schrecken davor zurück,<br />
weil es zunächst grotesk und<br />
vielleicht auch ekelig klingt,<br />
doch nichts veranschaulicht<br />
Menschlichkeit besser als<br />
Körperflüssigkeiten.“<br />
Auf deinem letzten Album „Any human Friend“ hast du sehr<br />
explizit über queeren Sex und Masturbation getextet. Daran<br />
erinnert auf der neuen Platte nur noch der Song „Slime“.<br />
Hackman: Bei der neuen Platte liegt der Fokus eher auf den<br />
emotionalen Aspekten von Beziehungen. Andererseits hätte es<br />
sich nicht ehrlich angefühlt, wenn ein Song wie „Slime“ gefehlt<br />
hätte. Es war das letzte Stück, das ich geschrieben habe, und<br />
ich habe mich nur getraut, es aufs Album zu nehmen, weil ich<br />
wusste, wie melancholisch der Rest ist.<br />
Heißt das etwa, du bist erwachsen geworden?<br />
Hackman: Sagen wir lieber, ich bin jetzt reifer. Womöglich auch<br />
gesetzter, auf jeden Fall zehre ich von einem größeren Selbst -<br />
vertrauen. In der Vergangenheit habe ich mehr experimentiert,<br />
wollte Grenzen einreißen, provozieren und auch schockieren.<br />
Jetzt kann ich mich hinsetzen und ganz intensiv in mich rein -<br />
hören. Mit dem Alter wird sich das immer besser anfühlen.<br />
(lacht) Zumindest hoffe ich das.<br />
Interview: Carsten Schrader<br />
<strong>kulturnews</strong> | 7<br />
Alle Angaben ohne Gewähr<br />
15.04.24 Wien<br />
16.04.24 Ulm<br />
18.04.24 Wuppertal<br />
20.04.24 Leipzig<br />
21.04.24 Bremen<br />
23.04.24 Münster<br />
... und weitere Termine<br />
Christopher Köhler<br />
26.<strong>01</strong>.24 Memmingen<br />
02.02.24 Dresden<br />
<strong>01</strong>.03.24 Flensburg<br />
10.03.24 Konstanz<br />
22.03.24 Saarbrücken<br />
... und weitere Termine<br />
TICKETS UNTER PINOTANDROCK.COM<br />
Tickets unter reservix.de<br />
Hotline 0761 888499 99
Musik<br />
Iyechid da?<br />
Nee, is klar!<br />
CHECK-BRIEF<br />
WILLIAM RYDER-JONES<br />
GEBOREN 1983<br />
GRÜNDUNGSMITGLIED von The Coral<br />
SOLOKARRIERE seit 2008<br />
SOLOALBEN 5<br />
LIEBLINGSBAND Gorky’s Zygotic Mynci<br />
LIEBLINGSBUCH „Die Wespenfabrik“ von<br />
Iain Banks<br />
Foto: Marieke Macklon<br />
Keine Ahnung, was der Titel von Bill Ryder-Jones’ neuem Album bedeuten soll?<br />
Das ist Teil seines Plans …<br />
Bill, du hast gesagt, du bist auf „Iechyd da“ so stolz bist wie auf kein<br />
anderes Album seit „A bad Wind blows through my Heart“ aus dem<br />
Jahr 2<strong>01</strong>3. Was macht die neue Platte so besonders?<br />
Bill Ryder-Jones: So weit würde ich gar nicht unbedingt gehen, aber ich<br />
ziehe das Album jedenfalls den letzten beiden vor. Es ist näher an der<br />
Musik, die ich wirklich höre und liebe. Im Gegensatz dazu bin ich bei<br />
den beiden Vorgängern ein bisschen auf Nummer sicher gegangen.<br />
Dieses Mal habe ich mich wieder mehr herausgefordert. Es ist ein Album<br />
geworden, das eine Menge Informationen und Ideen beinhaltet.<br />
Hat dir dabei geholfen, dass du zuletzt auch immer mehr für andere<br />
Künstler:innen produziert hast?<br />
Ryder-Jones: Sehr direkt sogar. Ich habe jetzt mein eigenes Studio, in<br />
dem ich viel Zeit verbringe. Vor zwei Jahren habe ich ein Album für<br />
jemand anderes produziert, und während ich an den<br />
Streichern und Hörnern saß, dachte ich plötzlich:<br />
Warum zur Hölle mache ich nicht solche Musik, die<br />
mir wirklich Freude macht? Was für eine dumme<br />
Person ich doch bin! (lacht)<br />
Was verbindest du mit dem walisischen Titel, der<br />
so viel wie „gute Gesundheit“, aber auch „Prost“<br />
bedeutet?<br />
Ryder-Jones: Ich wollte einen Titel, den die meisten<br />
Leute nicht verstehen. Als Super Furry Animals<br />
2000 „Mwng“ veröffentlicht haben, ein Album ganz<br />
auf Walisisch, fand ich das spannend. So ist es auch<br />
hier: Es steht sofort eine Frage im Raum – was ist<br />
die Beziehung zum Album? Die Antwort ist: Es gibt<br />
keine. Wobei, ich schätze, der Titel fängt ein, dass<br />
Iyechid da<br />
erscheint am 12. Januar<br />
es mir um Unergründlichkeit geht. Und ich wollte etwas Optimistisches,<br />
aber englische Wörter sind mir oft zu majestätisch. Ich würde kein Album<br />
„Good Health“ oder „Hope“ nennen wollen, das klingt einfach scheiße.<br />
Du bist eigentlich gar nicht aus Wales. Hast du trotzdem eine enge<br />
Verbindung zu diesem Land?<br />
Ryder-Jones: Alle Urlaube meiner Kindheit waren entweder in Schottland<br />
oder in Wales, und ich habe so nah an Nordwales gewohnt, dass wir nur<br />
45 Minuten mit dem Auto gebraucht haben. Es sah so aus wie bei uns,<br />
aber die Sprache auf Schildern und Kennzeichen war komplett anders,<br />
wie nicht von dieser Welt. Das hat meine Fantasie beflügelt. Später habe<br />
ich herausgefunden, dass die Familie meines Vaters tatsächlich erst in<br />
den 50ern aus Wales nach England gezogen ist.<br />
Zwischen den Erinnerungen an vergangene Urlaube und dem Kinder -<br />
chor, der in mehreren Songs auftaucht, scheint<br />
Nostalgie eine große Rolle auf dem Album zu spielen.<br />
Ryder-Jones: Du kannst es Nostalgie nennen – ich<br />
würde sagen, ein großer Teil von mir ist schlicht<br />
hängengeblieben, in einer bestimmten Ära in den<br />
frühen 90ern. Es fällt mir sehr schwer, das loszulassen<br />
und ein Erwachsener zu sein. Ich bin jetzt 40,<br />
von mir wird erwartet, ein anderer zu sein, als ich<br />
wirklich bin. Wir alle haben ein inneres Kind, und<br />
meines ist sehr laut.<br />
LIVE<br />
24. 3. Hamburg | 25. 3. Berlin<br />
Interview: Matthias Jordan<br />
8 | <strong>kulturnews</strong>
Musik<br />
Spaß am<br />
Mittelmaß<br />
Ein Faible für die 90er hat die Indierockband<br />
Kapelle Petra allemal. Nur sind da eben auch<br />
die Staubsaugroboter.<br />
Foto: Marcel Strecker<br />
Guido, ihr habt das neue Album nach eurer Heimatstadt Hamm<br />
benannt, und der Opener ist eine Ode ans Mittelmaß. Zufall?<br />
Guido Scholz: Also was an Hamm total toll ist, man kommt von dort gut<br />
weg. (lacht) Ansonsten hat Hamm nicht viel zu bieten. Wir haben uns<br />
aber nicht mit dem Mittelmaß abgefunden, sondern es lieben gelernt.<br />
Auch wenn wir natürlich nicht in der Spießigkeit versumpfen wollen.<br />
Demnach hat die Spießigkeit Einzug in euer Leben gehalten?<br />
Scholz: Vor zwei Wochen hab ich mir einen Staubsaugroboter gekauft.<br />
Das ist spießig, aber auch total geil. (lacht) So was kommt mit dem Alter.<br />
Und mit dem Alter wächst auch die Nostalgie. Ich denke da an die<br />
Songs „Freibad Pommes“ oder „Auf null“.<br />
Scholz: Na ja, ich bin überhaupt kein Freund von diesem „Früher war<br />
alles besser“. Das finde ich ganz, ganz furchtbar. Aber wir werden älter<br />
und können heute einfach auf viel mehr zurückschauen als noch vor<br />
25 Jahren. Mir geht es weniger darum, die 90er-Jahre zu feiern, als<br />
darüber nachzudenken, was passiert wäre, wenn ein Funken anders<br />
geschlagen hätte. Wäre ich dann doch in Hamburg gelandet? Oder was<br />
wäre passiert, wenn ich nicht sitzengeblieben wäre? Aber klar, bei<br />
„Freibad Pommes“ macht es einfach „Kling“ im Kopf: mit dem Fahrrad<br />
zum Freibad, Chlorgeruch, ein Gedicht in Rot und Weiß.<br />
Mit „Es war nicht alles schlecht“ fangt ihr die Nostalgietendenzen<br />
dann ja auch selbst wieder ein.<br />
Scholz: Absolut. Nostalgie bedeutet oft auch einfach Sicherheit. Die<br />
90er- und 2000er-Jahre waren ja wie in Watte gepackt: Kalter Krieg vorbei,<br />
Bundeswehr weg. Und jetzt kehrt alles wieder zurück. Trotzdem:<br />
Ich würde nie wieder zurückwollen. Allein, dass Vergewaltigung in der<br />
Ehe bis in die 90er-Jahre nicht im Strafgesetzbuch stand …<br />
Auf „Keine Lieder für böse Menschen“ werdet ihr radikaler und weigert<br />
euch, dem Bösen empathisch zu begegnen.<br />
Scholz: Eigentlich ist es doch so einfach: Sei freundlich! Diese Mecker-<br />
Tendenzen sind einfach böse. Es ist gar nicht so schwer, nicht scheiße<br />
zu sein. Aber wie man dem begegnet? Das ist die Master-Frage.<br />
Ignorieren ist scheiße. Verständnis zeigen ist scheiße. Vielleicht einfach:<br />
Haltung bewahren.<br />
Interview: Felix Eisenreich<br />
Hamm erscheint am 12. Januar.<br />
LIVE 1. 2. München | 3. 2. Nürnberg | 8. 2. Stuttgart | 22. 2. Berlin<br />
23. 2. Hamburg | 24. 2. Bremen | 29. 2. Dresden | 1. 3. Leipzig<br />
2. 3. Hannover | 7. 3. Frankfurt | 8. 3. Münster | 9. 3. Köln<br />
<strong>kulturnews</strong> | 9<br />
09.04.24 Köln<br />
LANXESS arena<br />
13.04.24 Münster<br />
Messe und<br />
Congress<br />
Centrum<br />
Halle<br />
Münsterland<br />
15.04.24 Leipzig<br />
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18.04.24 Berlin<br />
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Musik<br />
›<br />
Aus Trauer<br />
wird Power<br />
Nach einer persönlichen Tragödie<br />
waren Sleater-Kinney am Abgrund.<br />
Doch Aufgeben ist für die Riot-Grrrls<br />
keine Option.<br />
Sie sind gerade dabei, ein neues Album vorzubereiten, als im<br />
Herbst 2022 das Telefon von Corin Tucker klingelt. Am Apparat ist<br />
ein Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Italien, der verzweifelt<br />
versucht, Carrie Brownstein zu erreichen – und so ist es an Tucker,<br />
ihrer besten Freundin die schlimmstmögliche Nachricht zu überbringen:<br />
Brown steins Mutter und ihr Stiefvater sind während ihres Italienurlaubs<br />
bei einem Autounfall ums Leben gekommen. „Es ist in einer solchen<br />
Situation nahezu unmöglich, etwas zu sagen, was nicht platt oder nach<br />
Kalenderspruch klingt. Du kannst dem anderen nur signalisieren, dass<br />
du für ihn da bist und ihn liebst“, erinnert sich Tucker an diesen tragischen<br />
Moment. Und es war gut, dass sie gerade mit einem<br />
neuen Projekt angefangen hatten. „Carrie wollte sich<br />
von dem Schmerz ablenken, und da waren die neuen<br />
Songs, in denen wir uns mit dem Älterwerden auseinandersetzen.“<br />
Da ist es kaum verwunderlich, dass die Texte auf dem<br />
elften Sleater-Kinney-Album extrem düster sind.<br />
„The thing you fear the most will hunt you down“,<br />
singt Tucker etwa. Es ist ein Satz, den Brownstein in<br />
einem Interview mit einem Friedhofswärter aufgeschnappt<br />
hat, – und er erzählt darin von Eltern, die<br />
ihre Kinder verloren haben. Doch musikalisch ist<br />
„Hunt you down“ mehr Hymne als Trauermarsch, und<br />
Little Rope<br />
erscheint am 19. Januar<br />
so eingängig wie bei „Say it like you mean it“ waren Sleater-Kinney in<br />
nunmehr drei Jahrzehnten nicht zu hören. Auf „Little Rope“ führen sie<br />
die Pop-Experimente weiter, die sie im Jahr 2<strong>01</strong>9 mit „The Center won’t<br />
hold“ und Produzentin Annie Clark alias St. Vincent begonnen haben.<br />
Zugleich kehren die Protagonistinnen der Riot-Grrrl-Bewegung aber auch<br />
zu ihrem Signature-Sound zurück, bei dem sich das Gitarrenspiel von<br />
Tucker und Brownstein auf ganz und gar eigene Weise verzahnt.<br />
„Ich bin sehr stolz darauf, dass es uns aus dem persönlichen Schmerz<br />
heraus gelungen ist, den Blick auf unsere düstere Gegenwart zu weiten“,<br />
fasst Tucker das neue Album zusammen, das es<br />
durchaus mit ihrem Klassiker „Dig me out“ aus dem<br />
Jahr 1997 aufnehmen kann. Wenn Sleater-Kinney das<br />
Thema Verlust verhandeln, geht es mit Blick auf die<br />
derzeitigen Rückschläge für den Feminismus und die<br />
LGTBQ-Community natürlich zugleich auch um die<br />
mit dem Alter schwindenden Kräfte zum Widerstand.<br />
„Little Rope“ mag mitunter ernüchternd klingen, doch<br />
auch nach 30 Jahren sind Sleater-Kinney noch zur<br />
Stelle. Und da ist diese letzte Zeile, mit der die Platte<br />
endet: „You built a cage but your measurement’s<br />
wrong/I’ll find a way, I’ll pick your lock“.<br />
Carsten Schrader<br />
Foto: Chris Hornbecker<br />
CHECK-BRIEF SLEATER-KINNEY. GENRE Punk, Indierock GRÜNDUNGSJAHR 1994 GRÜNDUNGSORT Olympia, Washington BANDMIT-<br />
GLIEDER Carrie Brownstein (Gesang/Gitarre), Corin Tucker (Gesang/Gitarre) EHEMALIGE BANDMITLIEDER Schlagzeugerin Janet Weiss hat die<br />
Band nach dem Album „The Center won’t hold“ (2<strong>01</strong>9) wegen musikalischer Differenzen verlassen AUSZEIT Im Sommer 2006 legen Sleater-Kinney<br />
das Bandprojekt für unbestimmte Zeit auf Eis, im Januar 2<strong>01</strong>5 erscheint das Comebackalbum „No Cities to love“<br />
10 | <strong>kulturnews</strong>
Musik<br />
Wie ein ins<br />
Gesicht<br />
Tritt<br />
Foto: Niamh Barry<br />
Auf dem ersten Album bleiben Sprints dem<br />
explosiven Garagenpunk ihrer Konzerte treu – auch wenn<br />
ihre Gründungslegende nicht so ganz stimmt.<br />
Karla, Jack, nach zwei EPs bringt ihr mit<br />
„Letter to Self“ nun euer Debütalbum heraus.<br />
Wie hat sich euer Sound in der kurzen<br />
Zeit seit der Gründung verändert?<br />
Karla Chubb: Ich würde sagen, die Musik ist<br />
reifer geworden. Am Anfang ist es uns mehr<br />
darum gegangen, zu zeigen, wo wir politisch<br />
stehen und was wir über die Gesellschaft<br />
denken. Meine Lyrics sind mittlerweile autobiografischer<br />
und persönlicher, aber auch<br />
musikalisch haben wir es geschafft, diese<br />
Gefühle einzufangen, indem etwa die Nervo -<br />
sität in den Gitarren hörbar wird – das Album<br />
soll sich ein bisschen anfühlen wie eine<br />
Panikattacke, mit diesem Auf und Ab. Ein Ziel<br />
war auf jeden Fall, dass es die Energie unserer<br />
Liveshows einfängt.<br />
Wie wichtig sind Konzerte für euch?<br />
Jack Callan: Wir versuchen immer, bei den<br />
Aufnahmen so nah wie möglich an einem<br />
Auftritt zu sein. Natürlich kannst du diese<br />
Energie nicht wirklich übersetzen, aber wir<br />
sind alle zusammen im Raum, spielen<br />
gemeinsam und schauen uns gegenseitig an.<br />
Auftritte sind schon immer ein wichtiger Teil<br />
unserer Identität als Band gewesen. Am<br />
Anfang haben uns Konzerte von Bands, die<br />
wir mochten, stark geprägt – vor allem die, bei<br />
denen es sich anfühlt, als würdest du einen<br />
Tritt ins Gesicht abkriegen.<br />
Ich habe sogar gelesen, dass ihr euch nach<br />
einem Konzert von Savages gegründet habt …<br />
Chubb: (lacht) Wir haben diese Geschichte<br />
einmal erzählt, und sie ist im Pressetext gelandet.<br />
Seitdem denken manche, wir hätten uns<br />
damals direkt im Moshpit angeschaut und<br />
gesagt: Du spielst Gitarre, ich spiele Bass, und<br />
wir starten eine Band! So ein biblisches<br />
Erleuchtungserlebnis war es nicht.<br />
Callan (lacht): Es war schon ein wichtiger Gig,<br />
einer der ersten, bei dem wir alle gemeinsam<br />
waren. Und er hat uns die Richtung vorgegeben,<br />
in die wir gehen wollten.<br />
Chubb: Für mich war es das erste Savages-<br />
Konzert. Ich kann mich erinnern, dass Jack im<br />
Vorfeld von ihnen gesprochen hat. Mich hat<br />
die Show umgehauen. Sie hat mir gezeigt: Auch<br />
Frauen können von der Bühne springen, und<br />
ich kann das auch!<br />
Interview: Matthias Jordan<br />
Letter to Self erscheint am 5. Januar.<br />
LIVE 17. 2. Hamburg | 18. 2. Berlin<br />
20. 2. München<br />
<strong>kulturnews</strong> | 11
Musik<br />
Eine Chance für die Liebe<br />
Foto: Janis Hinz<br />
Mit ihrem aktuellen Album tragen die Emil Bulls ein bisschen Zuversicht in die Welt.<br />
Dabei hätte die bayrische Nu-Metalband noch einige Rechnungen offen …<br />
Christoph, Stephan, seid ihr nach zehn Alben und einer fast 30-jährigen<br />
Karriere als etablierte Nu-Metal-Band überhaupt noch aufgeregt vor<br />
einem Release?<br />
Christoph „Christ“ von Freydorf: Klar. Diese Aufregung ist noch vor jedem<br />
Konzert und jedem Release da. Wenn ich das nicht mehr hätte, würde<br />
ich sofort aufhören. Dass wir das nach 28 Jahren immer noch machen,<br />
ist auf jeden Fall eine Leistung …<br />
Stephan Karl „Moik“: … eine Leistung und sehr unvernünftig! (lacht)<br />
Euer aktuelles Album „Love will fix it“ ist schlussendlich zwar sehr versöhnlich,<br />
startet aber mit einer Abrechnung. An wen ist die gerichtet?<br />
Christ: Über die Pandemie hat sich mit Sicherheit einiges angestaut, das<br />
dann auf einen Schlag rausmusste. Daher sind einzelne Songs auch<br />
härter denn je. So eine Abrechnung ist dann eher allgemein gemeint:<br />
In diesen fast 30 Jahren im Business begegnen einem<br />
einfach ganz viele uncoole Leute, die einen ausnutzen<br />
und alles andere als loyal sind.<br />
Der Song „Levitate“ ist dann der zuversichtliche, poppige<br />
Bruch, der das Album in eine positive Richtung<br />
drängt. Nicht umsonst trägt das Album diesen Titel.<br />
Christ: Wir wollten in dieser dunklen Zeit mit den ganzen<br />
Krisen, Kriegen und der Pandemie kein düsteres<br />
Album machen. Unser Anliegen ist es, den Leuten zu<br />
zeigen, was für eine Macht die Liebe sein kann. Also:<br />
Tragt ein bisschen Liebe in die Welt hinaus!<br />
Schaut man in die Kommentarspalten eurer Videos,<br />
ist es auffällig, dass man dort auch fast nur auf Liebe<br />
Love will fix it<br />
erscheint am 12. Januar<br />
stößt. Und da kommen die Kommentare auch aus Vietnam, Mexiko,<br />
Brasilien und von sonst wo.<br />
Christ: Da denkt man sich: Wow, wie geil ist das denn! Aber gleichzeitig:<br />
Verdammt, wieso wurde es uns in all den Jahren nicht vergönnt, auch in<br />
diesen Ländern auf Tour zu gehen? Da ist noch ganz viel Luft nach oben.<br />
Aber natürlich fällt uns auf, was für eine nette Community wir haben.<br />
Ihr betreibt mit einem eigenen Bandpodcast auch so was wie aktives<br />
Communitybuilding. Habt ihr manchmal die Befürchtung, euch damit<br />
zu entzaubern?<br />
Christ: Da hab ich tatsächlich auch schon drüber nachgedacht, mir aber<br />
nie Sorgen gemacht. Wir sind in dem Podcast einfach, wie wir sind. Wir<br />
haben kein Problem damit, nicht die Metal-Tough-Guys zu sein und auch<br />
Schwächen und Rückschläge einzugestehen.<br />
In einer Folge sprecht ihr darüber, wie schwer es als<br />
bayrische Band ist, einen Sober October einzulegen.<br />
Macht ihr denn jetzt wenigstens einen Dry January?<br />
Moik: Also n Dry January wird es mit Sicherheit nicht<br />
geben, wir sind im Januar schließlich auf Tour. Du<br />
siehst: Wir Bayern finden immer einen guten Grund,<br />
Bier zu trinken. (lacht)<br />
Interview: Felix Eisenreich<br />
TOUR 12. 1. Hannover | 13. 1. Leipzig<br />
25. 1. Wiesbaden | 26. 1. Nürnberg | 27. 1. Ulm<br />
1. 2. Münster | 2. 2. Hamburg | 3. 2. Berlin<br />
22. 2. Köln | 23. 2. Karlsruhe | 24. 2. Kaiserslautern<br />
12 | <strong>kulturnews</strong>
Musik<br />
Foto: Andreas Hornoff<br />
Ernsthaft?!<br />
Mit seinem Ravepunk füttert Acid.Milch&Honig<br />
das innere Kind – und ausgerechnet in der<br />
alternativen Szene fliegen die Tomaten.<br />
Acid, dein Debütalbum ist das Ergebnis von<br />
20 Jahren Arbeit. Was hat so lange gedauert?<br />
Acid: Ursprünglich war das ja ein Hobby. Ich<br />
hab gebastelt und ausprobiert. 2006 wollte<br />
dann einer 500 Platten kaufen, aber ich hatte<br />
noch nicht mal ein Tape fertig. Die Nachfrage<br />
war größer als mein Angebot. (lacht) Und dann<br />
kamen halt das Leben und seine Schicksals -<br />
schläge dazwischen.<br />
Du hattest aber nicht das Bedürfnis, ältere<br />
Songs „erwachsener“ zu gestalten?<br />
Acid: Also, ich wollte mit 25 eher ernsthaft sein.<br />
Es gibt viele Musiker:innen, die das innere<br />
Kind nicht aus sich herauslassen können: tiefe<br />
Stimme, harte Gitarrenmucke, ernste Persön -<br />
lichkeit. Bei mir dominiert heute immer noch<br />
der Punk. Ich will gegen das Ernsthafte steuern.<br />
Diese Punk-Attitüde vermischst du mit Pop<br />
und Rave. Eine Mischung, die bei deinen<br />
ersten Konzerten in der Leipziger Haus -<br />
besetzer:innen-Szene sicherlich nicht nur<br />
gut angekommen ist.<br />
Acid: Tatsächlich war das ein sehr anspruchsvolles<br />
Publikum, das einem auch rückmeldet,<br />
wenn mal etwas nicht passt. Ende der Nuller -<br />
jahre war das 90er-Revival noch in weiter<br />
Ferne, dennoch hab ich auf einer dieser<br />
Besetzungspartys einen Scooter-Song gespielt.<br />
Hätten die Leute Tomaten dabeigehabt, wären<br />
die wohl auch geflogen. (lacht) Aber mit Humor<br />
und einem Grinsen lässt sich sowas dann<br />
schon regeln.<br />
Grinsen musste ich, als ich herausgefunden<br />
habe, dass dein Künstlername auf ein Wohl -<br />
standversprechen des führenden SED-<br />
Funktionärs Walter Ulbricht referiert.<br />
Acid: Meinen Ost-Background kann ich sowieso<br />
nicht verstecken. Nur ein Logopäde könnte<br />
da helfen. Und in meinen Songs steckt natürlich<br />
dieser Schwermut der Aufarbeitung. Ich selbst<br />
war Kind in der DDR und habe Dinge mit -<br />
bekommen, die einen bis heute volle<br />
Schlagseite treffen und dazu zwingen, eine<br />
Therapie zu machen.<br />
Was sind das für Dinge?<br />
Acid: Ich bin sehr früh auf sogenannte Kuren<br />
geschickt worden. Da empfehle ich die Seite<br />
Verschickungsheime.de. Dort findet man<br />
Erfahrungsberichte – wohlgemerkt aus Ost wie<br />
West. Und das beantwortet dann ganz viel.<br />
Stichwort Umerziehung und schwarze<br />
Pädagogik.<br />
Interview: Felix Eisenreich<br />
Acid.Milch&Honig ist gerade erschienen.<br />
LIVE 28. 3. Zwickau | 1. 5. Lübeck<br />
<strong>kulturnews</strong> | 13
Musik<br />
Die <strong>kulturnews</strong>-Redaktion blickt voraus:<br />
Diese Acts starten durch im Musikjahr <strong>2024</strong><br />
T I P P 2 0 2 4<br />
CARSTEN SCHRADER<br />
Faux Real<br />
Die französisch-amerikanischen<br />
Brüder Virgile und Elliott Arndt<br />
waren 2023 bereits mit Wet Leg auf<br />
Tour und haben ohne Plattenvertrag bei<br />
so gut wie jedem Festival gespielt. Nun sind sie<br />
bei City Slang gelandet, das Debüt kommt wohl<br />
im Mai, und klar, die Vorabsingle „Faux Maux“<br />
ist wahnsinnig trashig – und zugleich eine un -<br />
widerstehliche Hymne mit Glam.<br />
Venbee<br />
T I P P 2 0 2 4<br />
Foto: Reuben Bastienne<br />
MATTHIAS JORDAN<br />
Die besten Newcomer:innen haben<br />
den unangenehmen Nebeneffekt, dass man sich<br />
beim Hören älter fühlt – zum Beispiel, wenn Venbee<br />
in „Gutter“ fragt: „When did I turn 20?/How the<br />
fuck am I 20?“ Zum Glück ist die Engländerin mittlerweile<br />
immerhin 23 – und in ihrer Heimat mit<br />
ihrem Mix aus Songwriterpop und britischen<br />
Dancefloor-Traditionen am Durchstarten.<br />
Apsilon<br />
T I P P 2 0 2 4<br />
Auch weil mich der Rapper<br />
aus Berlin-Moabit mit seinem<br />
Song „Baba“ zum Heulen<br />
gebracht hat, gehört er auf diese<br />
Liste. Seine drei EPs führen jetzt<br />
schon die Spitze des neuen deutschen politischen<br />
Rap an: Mit schnörkelloser Sprache fängt er<br />
migrantisierte Biografien, soziale Ungerechtigkeit<br />
und Rassismus ein. Um es mit Haftbefehl zu<br />
sagen: „Jedes Wort, jeder Satz ist wahr, Bruder“.<br />
Foto: Aysan Lamby Foto: Sarah Pardini<br />
FELIX EISENREICH<br />
Fotos Redaktion: Elisabeth Graf Gatterburg (Carsten) | Nils Heuner (Matthias) | privat (Felix)<br />
14 | <strong>kulturnews</strong>
A<br />
PRESENTATION IN ASSOCIATION<br />
WITH<br />
29. 08.<br />
<strong>01</strong>. 09.<br />
BAD KISSINGEN<br />
LEIPZIG<br />
04.09. 09<br />
HAMBURG<br />
06.09. PAPENBUR<br />
G<br />
13<br />
03 B<br />
3.T<br />
AUSVERKAUFT<br />
TOUR<br />
<strong>2024</strong><br />
IN<br />
09.10.<br />
OSNABRÜCK<br />
<strong>01</strong>.10.<br />
NÜRNBERG 10.10. HALLE (SA ALE)<br />
02.10.<br />
FR ANKFURT 12.10. FREIBURG<br />
03.10. BREMEN 13.10.<br />
STUT TGARTT<br />
05.10. DRESDEN 14.10. FRIEDRICHSHAFEN<br />
06.10. KÖLN<br />
16.10. HA MBURG<br />
07.10. BOCHUM<br />
17.10. BERLIN<br />
AUSVERKAUFT<br />
AUFT<br />
AUSVERKAUFT<br />
AUFT<br />
AUSVERKAUFT<br />
AUFT<br />
AUSVERKAUFT<br />
AUFT<br />
AUSVERKAUFT<br />
AUFT<br />
ZUSATZTERMINE:<br />
20.8.<br />
MÖNCHENGLADBACH · 23.8. COBURG · 24.8. DRESDEN · 27.8. HALLE (S)<br />
30.8. LORELEY · 31.8.<br />
NEU-ULM<br />
ULM·<br />
3.9.<br />
MÜNCHEN · 6.9.<br />
PAPENBURG · 7.9. ROSTOCK<br />
10.5. DORTMUND · 12.5. HANNOVER · 13.5.<br />
KÖLN<br />
·<br />
16.<br />
5. LEIPZIG<br />
17.5. HAMBURG · 20.5. FRANKFURT · 21.5. STUTTGART · 24.5. BERLIN<br />
E i n e<br />
- P r o d u k t i o n in Zu s a m m e n a r b e i t mi t<br />
AUSVERKAUFT<br />
AUFT<br />
by arrangement with Solo<br />
<br />
<br />
<br />
TOUR <strong>2024</strong><br />
11.4.<br />
MÜNCHEN • 12. 4. .LEIPZIG<br />
• 13. 4. BERLIN<br />
14. 4. HAMBURG • 16. 4. BREMEN • 17. 4. HANNOVER<br />
18. 4. BIELEFELD • 20.4. NLO • 21. 4. DORTMUND<br />
22. 4. KREFELD • 23. 4.<br />
FRANKFURT • 25.4. STUTTGART<br />
26.4. KARLSRUHE • 27. 4.<br />
LUXEMBURG • 28. 4. DÜSSELDORF<br />
29.4 KÖLN • 30.4. KÖLN (ZUSATZSHOW!)<br />
A U S V E R K A U F T<br />
A U S V E R K A U F T<br />
22. JANUAR KÖLN<br />
24. JANUAR HAMBURG<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
shiver rint<br />
nthe dark<br />
im juli <strong>2024</strong><br />
24 . 5. NÜRNBERG • 25. 5. KO<br />
OBLENZ<br />
26. 5. KASSEL • 28. 5. DORTMUND<br />
29. 5. OSNABRÜCK • 30. 5.<br />
6. 6.<br />
1. 6. LÜBECK • 2. 6. FLENSBURG<br />
3. 6. ROSTOCK • 5. 6.<br />
DRESDEN •<br />
7.<br />
6.<br />
BREMEN<br />
ERFURT<br />
FINSTERWA<br />
ALDE<br />
BENNEE<br />
ZUHAUSE<br />
TOUR<br />
APRIL<br />
<strong>2024</strong><br />
THE<br />
WELLERMAN<br />
TOUR<br />
NATHAN<br />
EVANS<br />
LIVE<br />
IM MÄRZ<br />
<strong>2024</strong><br />
MÄRZ <strong>2024</strong><br />
by arrangement with<br />
and<br />
bis auf weiterese<br />
lebendig<br />
April<br />
<strong>2024</strong><br />
V O N A N F A N G<br />
A N D A B E I<br />
AU F TO U R<br />
I M M A I <strong>2024</strong><br />
www.prknet.de
Platten<br />
Die beste Musik<br />
# 1/<strong>2024</strong><br />
H Ö R H I G H L I G H T<br />
#1/<strong>2024</strong><br />
Tubbe<br />
Bankrott in Utopia<br />
Audiolith<br />
ELEKTROPUNK Acht Jahre kein Lebenszeichen<br />
und plötzlich sind sie zurück. Dass sich die<br />
Elektropunkband Tubbe mit ihrem dritten<br />
Album „Bankrott in Utopia“ in einer völlig neugemischten<br />
Gegenwart wiederfindet, überrascht<br />
nicht, verspricht aber viel. So solidarisieren<br />
Sie sich gleich auf dem New-Wave-Opener<br />
mit klebenden Klimaaktivist:innen und lassen<br />
wieder fröhlich alle Laster durch ihr Leben rasen.<br />
Sollte nach acht Jahren Pause nicht etwas<br />
erwachsenere Musik zu erwarten sein? „Alle<br />
ziehen ins Grüne, ich nur Kokain!“, ist die Trotz -<br />
reaktion auf etwaige Adoleszenz-Aufforde -<br />
rungen („Erwachsen“), und zunehmend<br />
mischen sich trümmernde Trancedrums unter<br />
die poppigen, ja schlageresken Melodien („Bye<br />
is the Limit“) und trockenen Oneliner. Mit dem<br />
90s-Rave zieht auch der 90er-Jahre-Zynimus<br />
in Tubbes Pop ein, der sich ganz wunderbar als<br />
Knüppel gegen die Dickpic-High-Performer-<br />
Plage eignet („Verschwund“), doch im Privaten<br />
schnell an seine Grenzen gerät. Der dauernde<br />
Distinktionsdrang macht einen auf Strecke<br />
dann doch zu einem sehr destruktiven Er -<br />
wachsenen. Eine Erkenntnis („Danke“), hinter<br />
die natürlich nur mit dem so wunderbar kind -<br />
lichen Dada-Besäufnis im Closer „Minibar“ ein<br />
Punkt gesetzt werden kann. fe<br />
Foto: Sophia Emmerich<br />
Zero Gr4vity<br />
Un très légère Oscillation<br />
Jarring Effects<br />
ELEKTRO Als Teil der Gruppe EZ3kiel ist er<br />
bekannt geworden, als Zero Gr4vity legt<br />
Joan Guillon sein Solodebüt vor – da ist eindeutig<br />
ein Muster erkennbar. Wie das nächste<br />
Projekt des Franzosen heißen wird, wissen<br />
wir noch nicht, aber eine 5 wird wohl<br />
irgendwo auftauchen. Zunächst aber geht es<br />
um „Un très légère Oscillation“. Das Album<br />
hat Guillon nach einem Buch des Reise -<br />
schriftstellers Sylvain Tesson benannt, und<br />
tatsächlich hat es etwas von einer Reise:<br />
Eigensinnig, aber immer entspannt flaniert<br />
die Musik zwischen Elektro, House und<br />
Ambient. Als Vorbilder nennt Guillon da<br />
Niels Frahm und John Hopkins, aber auch<br />
der Track „Floating Points“ weist auf eine<br />
Inspiration hin. Wie seine Vorreiter ist auch<br />
Zero Gr4vity nur bedingt an Tanzbarkeit<br />
interessiert, auch wenn etwa „The dark<br />
Passenger“ mit 4-to-the-Floor-Beat einheizt.<br />
Oft dominieren vielmehr Synthsphären und<br />
hypnotische Rhythmen, die manchmal<br />
ineinanderlaufen – umso mehr erfrischen<br />
Momente, in denen sich Guillon, wie bei<br />
„The Latch“ und „Poison“, echte Instrumente<br />
und Gesang dazuholt. mj<br />
Montañera<br />
A Flor de Piel<br />
Western Vinyl<br />
AMBIENTFOLK In ihrer Heimat Kolumbien gilt<br />
Maria Monica Gutierrez alias Montañera als<br />
erfolgreiche Künstlerin an der Schnittstelle von<br />
analoger Tradition und zeitgemäßer Elektronik.<br />
Trotzdem hat sich die Musikerin im Vorfeld von<br />
„A Flor de Piel“ zu einem Umzug nach London<br />
entschieden, der sie zu einer Auseinander set -<br />
zung mit Heimat, Einsamkeit und Neuanfang<br />
inspiriert hat. Eine allem voran innere Aus ein -<br />
andersetzung, von der auch Montañeras<br />
Minimalsound geprägt ist, der mit tastenden<br />
Synthies und fragiler Elektronik einen Klang -<br />
teppich webt, auf dem sich Gutierrez‘ Stimme<br />
zaghaft entfaltet. Neben diesem Grundgerüst<br />
sorgen japanische Koto-Einflüsse („A Flor de<br />
Piel“), Marimba und die afro-kolumbianischen<br />
Les Cantadoras („Santa Mar“) ebenso für global<br />
inspirierte Nuancen wie ihre Interpretation des<br />
Bullerengue, ein traditioneller kolumbianischer<br />
Tanzstil („Como una Rama“). Trotz dieser vielfältigen<br />
Rückbesinnung ist „A Flor de Piel“ ein<br />
zeitgemäßes Album, dessen Interpretin sich<br />
locker in eine Reihe mit Künstlerinnen wie<br />
Melanie De Biasio, Ibeyi und Juana Molina<br />
stellen darf. vr<br />
16 | <strong>kulturnews</strong>
Platten<br />
Casey<br />
How to disappear<br />
Hassle Records<br />
POSTHARDCORE Nach<br />
Bekanntgabe ihrer Band-<br />
Auflösung im Jahr 2<strong>01</strong>8<br />
haben Casey nun doch<br />
ein drittes Album veröffentlicht.<br />
Wie die vorherigen<br />
Projekte behandelt<br />
auch „How to disappear“<br />
die Themen Trauer, Psyche<br />
und Existenz, doch musikalisch klingen die Waliser mitunter getragener.<br />
Besonders stimmlich präsentieren sie eine geerdetere und ruhigere<br />
Seite: Immer wieder bauen Drums und E-Gitarren hier Absprung -<br />
schanzen für einen emotional-gescreamten Ausbruch von Sänger Tom<br />
Weaver – doch der springt nicht, sondern legt sich auf den Boden.<br />
Spricht diese neue Ruhe für eine gesundheitlich positive Entwicklung<br />
des Frontmanns? In „Unique Lights“ etwa singt er: „I’m happier now,<br />
than I’ve ever been“. Und selbst der Titel „I’m happy when you died“<br />
ist eigentlich ein freudvoll-dankbares Gedenken an eine geliebte Person.<br />
Ja, bisweilen klingen Casey sogar ausgelassen („Blush“). So gelungen<br />
dann Rocksongs wie „Space between“ auch geraten sind, werden Fans<br />
vermutlich die Post-Hardcore-Version der Gruppe vermissen. Ihre<br />
Wurzeln lassen sich nur noch in „Bite through my Tongue“ erahnen. jm<br />
REISEFÜHRER FÜRS SEELENHEIL<br />
Vacations<br />
No Place like Home<br />
Nettwerk<br />
INDIEROCK Wenn die Vacations ein Album<br />
mit dem Titel „No Place like Home“ veröffentlichen<br />
und ihr Artwork als Fotocollage<br />
gestalten, liegt es nahe, einen vertonten<br />
Reisebericht zu erwarten. Doch der eigentlich so beschwingte Indierock-<br />
Opener „Next Exit“ reißt die gute Reiselaune gleich völlig ein: Führt uns<br />
die erste Ausfahrt doch ohne Umwege ins Seelenleben von Gitarrist und<br />
Frontsänger Campbell Burns, das seit der letzten Platte „Forever in<br />
Bloom“ dicke Risse bekommen hat. So ist das dritte Album der Australier<br />
geprägt von Bruns Umgang mit seiner diagnostizierten Zwangsstörung.<br />
Was zuerst wie ein solides, von Americana-Einflüssen inspiriertes und<br />
mit poppigen Synthiemelodien garniertes Indierockalbum klingt, wird bei<br />
genauerer Betrachtung zum impliziten Reiseführer fürs eigene Seelen -<br />
heil. Burns berichtet von seiner Reise durch die vermeintliche Ausweg -<br />
losigkeit („Slow Motion“) und von kaputter Liebe im Zeichen mentaler<br />
Krankheiten („Midwest“), um schließlich mit dem akustischem „Terms &<br />
Conditions“ keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass hier nicht<br />
ein wehleidiger Indierocker ein bisschen Mitleid erheischen will, sondern<br />
er stattdessen Kraft an alle Leidenden schickt. fe
Platten<br />
Harrison Storm<br />
Foto: Wilk<br />
Wonder, won’t you<br />
Nettwerk<br />
INDIEFOLK Nach dem Teilen von fünf EPs<br />
lässt sich Harrison Storms erstes Album wohl<br />
kaum als Debüt bezeichnen. „Wonder, won't<br />
you?“ zeigt den Australier gewohnt intro -<br />
spektiv und melancholisch-gefühlvoll. Eigent -<br />
lich ist er in einem Umfeld voll toxischer<br />
Maskulinität aufgewachsen, doch Künstler<br />
wie City and Colour haben Storm andere<br />
Seiten von Männlichkeit gezeigt und ihn dazu<br />
inspiriert, verletzliche Stücke zu schreiben.<br />
„Stone“ etwa verhandelt verlorene Verbin dun gen<br />
und die Beziehung zu sich selbst, während<br />
das schwere „Life ain’t ordinary“ nach Hoffnung<br />
und einem Zuhause sucht. Der Singer/ -<br />
Songwriter wählt poetische Worte und<br />
gewährt mit seiner Vorleserstimme und der<br />
unvermeidlichen Akustikgitarre einen Raum<br />
zum Zuhören. „Tiptoe round the circus as<br />
everyone cheers for nothing”, singt er etwa in<br />
„Tomorrow“. Herausragend ist aber vor allem<br />
das Stück „In good Times“, in dem er mit<br />
Fingerpicking à la Passenger das Erwachsen -<br />
werden thematisiert. Es ist eine Antwort auf<br />
seine erste Veröffentlichung „Sense of Home“<br />
und den Wandel der Zeit, der ihn zu seinem<br />
heutigen Ich geformt hat. jm<br />
Francis<br />
Sonne auf<br />
Raposa<br />
INDIEPOP „Geht die Sonne auf oder die Welt unter?“, fragt sich<br />
der Hamburger Newcomer Francis mit dem Titelsong seiner<br />
knapp fünfzehnminütigen Debüt-EP „Sonne auf“. Und ganz ehrlich,<br />
hier ist eindeutig Weltuntergangsstimmung:<br />
Trennungsschmerz, nächtliches Abstürzen, One-Night-Stands, Drogen gegen die Leere, familiäre<br />
Schicksalsschläge. Was uns der Mittzwanziger anbietet, ist ein düsteres Coming-of-Age-<br />
Drama zwischen Klubnächten und einsamen Tagen im Bett, umringt von verwelkten<br />
Zimmerpflanzen. Allerdings stehen Inhalt und Sound im Widerspruch, was in diesem Fall nun<br />
wirklich kein Stilmittel ist. Zu selten wagen sich die glatten, unabgefuckten<br />
Indiepopinstrumentals zum Tellerrand vor, und kurzes Liebäugeln mit verzerrten Gitarren und<br />
bedrohlich-hämmernden Drums bleibt bloß ängstliches Vortasten. Mehr Raum für Francis,<br />
könnte man meinen. So handhaben es schließlich auch artverwandte Kolleg:innen wie etwa<br />
Schmyt oder Paula Hartmann. Und tatsächlich überzeugen hymnische Falsetteinlagen, eingängige<br />
Hook-Melodien und ein paar charmante Bilder auf dem stärksten Song „taxilicht“. fe<br />
G.Rag Y Los<br />
Herrmanos Patchekos<br />
Esperanza<br />
Gutfeeling Records<br />
GLOBAL PUNK Hier gibt es zum Jahres -<br />
wechsel das, was wir alle derzeit wohl am<br />
nötigsten haben: Hoffnung. Doch für das<br />
mittlerweile zehnte Album von G.Rag Y Los<br />
Hermanos Patchekos müssen die an Punk<br />
und Postpunk orientierten Hörgewohnheiten<br />
natürlich wieder gehörig erweitert werden.<br />
Die Münchener um Andreas Stäbler alias<br />
G.Rag definieren sich als „Mediterranean<br />
Caribbean Trash Folk Space Arkestra“ und<br />
fahren für den Optimismuskick so einiges<br />
auf: vier Percussionisten und ein Kontra -<br />
bass, drei Gitarren, ein Baritonsaxofon, drei<br />
Gitarren, ein Akkordeon, einen Crooner und<br />
drei Sänger. Den Einstieg erleichtern drei<br />
Coverversionen; allen voran ihre so eigenwillige<br />
wie überzeugende Verneigung vor der<br />
US-amerikanischen Band Devo. Deren<br />
schmissige New-Wave-Hymne „Gut Feeling“<br />
klingt hier, als wäre sie irgendwo in der<br />
lateinamerikanischen Provinz eingespielt<br />
worden. „Be not so fearful“ stammt im<br />
Original von Bill Fay und wird als Mambo<br />
interpretiert. Und ganz am Ende singen wir<br />
lauthals mit, wenn die Patchekos „So you<br />
want to be a Rock’n’Roll Star“ von den Byrds<br />
in einen Surfklassiker verwandeln. cs<br />
18 | <strong>kulturnews</strong>
Platten<br />
NEUES VON GESTERN<br />
Tina Turner<br />
Queen of Rock’n’Roll<br />
Warner Music<br />
ROCK Eine unvergleichliche<br />
Stimme, unverwechselbarer Stil,<br />
unglaubliches Charisma, unsterbliche<br />
Hits: Als im Mai Tina Turner<br />
nach langer Krankheit verstorben<br />
ist, war das ein Verlust auf gleich<br />
mehreren Ebenen. Das neue Boxset versammelt nun zum ersten Mal<br />
in 55 Tracks alle Solosingles Turners, angefangen bei der an die<br />
Temptations angelehnten Funkversion von Led Zeppelins „Whole lotta<br />
Love“ aus dem Jahr 1975. Am Ende steht eine neue Version von<br />
Turners Hit „Something beautiful remains“, die ihr langjähriger<br />
Produzent Terry Britten überarbeitet hat – und die auch als ein<br />
Abschied gemeint ist. Überhaupt ist das Best-of nicht nur eine musikalische<br />
Kompilation, sondern auch ein Statement, das dezidiert<br />
Turners Solokarriere feiert – ohne Exmann Ike, der Tina jahrelang<br />
misshandelt und nie um Vergebung gebeten hat. Nicht ohne Grund<br />
fehlt wohl „Baby, get it on“, streng genommen die erste Single von<br />
Turners Soloalbum „Acid Queen“ und damit noch vor „Whole lotta Love“<br />
erschienen – aber eben im Duett mit und geschrieben von Ike. Hier<br />
geht es nun mal um die Queen. Welchen Adelstitel hat Ike noch mal? mj<br />
MEHR INFOS UNTER ALLARTISTS.AGENCY<br />
EELS<br />
EELS so good: essential EELS,<br />
vol.2<br />
E Works<br />
SONGWRITERROCK Hipster oder<br />
Freak? Mark Oliver Everett hat<br />
schon immer beidem entsprochen<br />
– und nicht erst, seit es zum<br />
guten Ton in der Popkultur gehört,<br />
Bart zu tragen und sich leicht neben der Spur zu geben. Kein Wunder,<br />
schließlich hat der US-Amerikaner, der sich auch gerne als „E“<br />
abkürzt, sein Debüt im Jahr 1996 unter dem Titel „Beautiful Freak“<br />
veröffentlicht. An der musikalischen Handschrift hat sich seitdem<br />
wenig geändert: sonore Stimme, intelligent-ironischer Rock und<br />
gepflegte Verschrobenheit. Bereits 2008 hat Everett mit seiner wechselnd<br />
besetzten Band ein Volume 1 der besten eels-Songs veröffentlicht.<br />
Volume 2 widmet sich nun den sieben Studioalben zwischen<br />
2007 und 2020, von denen eigentlich nur „Hombre Lobo“ und „The<br />
Deconstruction“ größere Aufmerksamkeit erregt haben. Den Fans ist<br />
das natürlich wurscht: Egal, ob beim Werwolfgeheul von „Fresh<br />
Blood“, dem Burt-Bacharach-Schmelz von „The Look you give that<br />
Guy“ oder dem roh rockenden „Peach Blossom“ – die Eels lassen<br />
Indierockherzen höherschlagen. Dazu kommen drei unveröffentlichte<br />
Songs, diverses Soundtrackmaterial und ein wehleidiges<br />
Weihnachtslied: Beautiful Freak forever! vr<br />
<strong>kulturnews</strong> | 19
Plattenchat<br />
SOUND OF KULTURNEWS<br />
listen on <strong>kulturnews</strong>.de<br />
Auflegen oder aufregen?<br />
Platten, die man im Januar hören muss – oder eben nicht.<br />
AMELI IN THE WOODS<br />
ANDREAS DORAU<br />
KREIDLER<br />
TITEL<br />
Throw my Fears into the River<br />
VÖ<br />
19. 1.<br />
TITEL<br />
Im Gebüsch<br />
VÖ<br />
19. 1.<br />
TITEL<br />
Twists (A Visitor arrives)<br />
VÖ<br />
12. 1.<br />
Petra: Ich bin beeindruckt, was unter Jazz<br />
fallen kann, und merke, ich muss wieder mehr<br />
Musik hören. Ameli In The Woods haben mich<br />
ab dem ersten Song in ihre Platte hinein -<br />
gezogen. Franziska Ameli Schusters Stimme<br />
kommt mir auf eine Weise vertraut vor – und<br />
doch lässt sie sich nicht vergleichen. Das<br />
Album ist nicht nur überraschend divers bei<br />
der Genrewahl, manchmal überrascht die Band<br />
auch innerhalb eines Liedes, etwa bei „Marion“.<br />
Felix: Überrascht hat mich diese Platte vor<br />
allem, weil ich Schuster bislang nur als<br />
Frontsängerin der quirligen Polkapopband<br />
RasgaRasga kannte. Da ist dieses reduzierte<br />
Jazzalbum voll fein nuancierter Dynamik<br />
schon ein krasses Gegengewicht. Allerdings<br />
fehlen mir hintenraus dann doch die Sound-<br />
Überraschungen.<br />
Matthias: „Marion“ ist auch mein Highlight.<br />
Mir gefallen die Klanglandschaften, die<br />
Schuster und ihre Band entwerfen, auch<br />
wenn es da manchmal schon sehr abstrakt<br />
wird. Gegen Ende war ich froh, dass der<br />
Closer „B 28“ mal ein bisschen kürzer ist.<br />
Carsten: Schon schön. Bei „Marion“ habe ich<br />
auf Thom Yorke als Duettpartner gewartet.<br />
Hätte voll gepasst. Wenn das also Indiejazz<br />
ist, bin ich ab sofort Indiejazzer.<br />
20 | <strong>kulturnews</strong><br />
Petra: Wie cool, bei dieser Platte war ich<br />
wieder 10 – und noch immer wippt der Fuß<br />
mit. „Das Glück“ gefällt mir besonders wegen<br />
des Textes: „Das Glück hat sich nach Dir<br />
erkundigt, es hat explizit nach Dir gefragt.<br />
Und wenn Du es dann triffst, weiß ich auch<br />
nicht, was man sagt.“ Mega! Gut, der Beat ist<br />
gefühlt immer gleich … Dennoch: eine Pop-<br />
Platte mit Niveau.<br />
Carsten: Dorau nervt – und trotzdem mag<br />
ich ihn irgendwie. Bei dieser an seinem<br />
60. Geburtstag veröffentlichten Platte fällt für<br />
mich mit „Rainy Days in Moscow“ immerhin<br />
ein Cruising-Song ab. Und habt ihr euch bei<br />
„Was nimmst du mit“ auch gefragt, was ihr aus<br />
eurem brennenden Haus retten würdet? Hast<br />
du wie Dorau eine goldene Unterhose, Felix?<br />
Felix: Oh, spielen wir jetzt „Ich packe meinen<br />
Koffer“? Das perfekte Kindergartenspiel zu<br />
diesem naiv-kindlichem Album. Also: Dorau<br />
packt eine goldene Unterhose ein, Felix den<br />
Song „Das ist nur Musik“ (weil: immerhin n<br />
bisschen lustig), und Matthias …?<br />
Matthias: Sorry, aber in meinem Koffer ist<br />
leider kein Platz mehr für Dorau. Obwohl ich<br />
einige Textzeilen ganz gut fände, wenn er sie<br />
nicht direkt wieder torpedieren würde. Beispiel:<br />
„In seinem Leben war er nur ein Statist. Also<br />
einer, der nicht wirklich ein Darsteller ist.“<br />
Ach so!<br />
Petra: Man kann sich bestimmt auf diese<br />
Musik einlassen – aber mir gelingt es nicht.<br />
Für mich passiert hier zu wenig. Am ehesten<br />
hat mich „Diver“ abgeholt, wo ich eine Kreu -<br />
zung aus Oriental und 80er-Pop gehört habe.<br />
Matthias: Och, ein bisschen was passiert<br />
doch schon. Mir gefallen etwa das Saxofon in<br />
„Tanger Telex“ oder die Breakbeats in<br />
„Arithmétique“. „Loisaida Sisters“ allerdings<br />
zeigt auch, dass der Gesang – wie bei den<br />
Düsseldorfer Kollegen von Kraftwerk – das<br />
schwächste Glied in der Kette ist.<br />
Carsten: Dabei ist der Diskurs von „Loisaida<br />
Sisters“ ja schon spannend: Warum haben wir<br />
so viel Sex? Wollen wir das wirklich? Richtig<br />
mitgehen kann ich hier aber erst bei den<br />
letzten drei Stücken, wenn die Metaebene<br />
etwas durchlässiger wird.<br />
Felix: Mich hat diese unaufdringliche Cheesi -<br />
ness gepaart mit 808-Claps und verspielten<br />
Jazz-Ausflügen schon abgeholt. Obwohl sich<br />
viele Sounds abwechseln, gleitet das Album<br />
angenehm dahin. Aber was ist denn bitte bei<br />
„Hands“ passiert? Spoken Word über<br />
Walgesang? Das klingt wie Hausaufgaben aus<br />
der Kunst akademie.
Plattenchat<br />
Foto: Elisabeth Graf Gatterburg<br />
Foto: privat<br />
Foto: Nils Heuner<br />
GASTHÖRERIN<br />
Foto: Inga Sommer<br />
CARSTEN SCHRADER<br />
hört auf Kuoko und läuft<br />
<strong>2024</strong> nicht nur ausgeschlafener,<br />
sondern auch wieder mit<br />
Turnbeutel durch die Gegend.<br />
Damit er den nicht wieder wie<br />
früher ständig vergisst, meidet<br />
er Ghost Woman und engagiert<br />
sich lieber in einem<br />
Spielmannszug namens<br />
Hochzeitskapelle.<br />
FELIX EISENREICH<br />
schließt sich dem Ausschlaf-<br />
Flashmob an und träumt von<br />
Kreidlers Walgesängen, marschierenden<br />
Hochzeitskapellen<br />
und Andreas Doraus goldener<br />
Unterhose. Sollte sich daraus<br />
wider Erwarten ein Alptraum<br />
entwickeln, hilft nur noch das<br />
umarmende Album von Amelie<br />
In The Woods.<br />
MATTHIAS JORDAN<br />
sollte sich aus gesundheitlichen<br />
Gründen wohl lieber aufs<br />
Turnen als aufs Schlafen konzentrieren.<br />
Dass so richtige<br />
Workout-Mixe in diesem Chat<br />
fehlen, macht ihm aber auch<br />
nichts aus – eine Ausrede<br />
mehr, sich mit der<br />
Hochzeitskapelle aufs Sofa zu<br />
chillen.<br />
PETRA SCHAPER<br />
zählt zu Hamburgs größten Jazz-<br />
Enthusiast:innen und hilft auch den<br />
Redaktionskollegen auf die Sprünge: Um<br />
Petra in diese Runde zu locken, haben<br />
sie die Musikauswahl angepasst. Aber<br />
nicht nur – denn die Kollegen lieben es<br />
auch, wenn Petra mal ein bisschen<br />
rabiater kommentiert.<br />
GHOST WOMAN<br />
HOCHZEITSKAPELLE +<br />
JAPANESE FRIENDS<br />
KUOKO<br />
TITEL<br />
Hindsight is 50/50<br />
VÖ<br />
gerade erschienen<br />
TITEL<br />
The Orchestra in the Sky<br />
VÖ<br />
12. 1.<br />
TITEL<br />
Troubleshooter<br />
VÖ<br />
gerade erschienen<br />
Petra: Dieses Düsterzeug mit Gesang auf einem<br />
Ton war noch nie meins. Hier bleibe ich bei<br />
keinem Lied an irgend etwas hängen.<br />
Matthias: Ich dachte echt, wir hätten das<br />
Postpunk-Ding langsam mal durch. Trotzdem<br />
kann ich Ghost Woman etwas abgewinnen,<br />
ich mag die Vorstellung, dass alles von zwei<br />
Leuten gemacht wird. Vor allem aber hat mich<br />
das Album motiviert, mal wieder Joy Division<br />
aus dem Schrank zu holen.<br />
Felix: Obwohl ich Joy Division vorrangig als<br />
kultiges WG-Poster mitbekommen habe, gehe<br />
ich da mit! Dieser rohe Sound gefällt mir viel<br />
besser als die 60er-Jahre-Westcoast-Romantik<br />
des Vorgängeralbums. Auf „Yoko“ klingt das<br />
Duo etwa, als hätten es The Doors bis in die<br />
90er-Jahre geschafft, um sich an Grunge zu<br />
versuchen.<br />
Carsten: Hatte bei dem kanadischen Duo<br />
positive (The Jesus And Mary Chain) und<br />
negative Assoziationen (Black Rebel Motorcycle<br />
Club). Und obwohl ich nach wie vor pro-<br />
Postpunk bin, ist mir das hier bei Songwriting,<br />
Gesang und Text dann doch zu wenig. Liegt<br />
vielleicht auch daran, dass es das dritte<br />
Album innerhalb von zwei Jahren ist.<br />
Petra: Wunderschön, Jazz mit japanischen<br />
Klängen und Gesängen. Ich bin immer ab -<br />
solut hingerissen, wenn es musikalisch so<br />
unglaublich vielseitig ist. I love it! Danke,<br />
dass ich das kennenlernen durfte.<br />
Carsten: War eigentlich dazu übergegangen,<br />
die Jazzprojekte der Acher-Brüder zu igno rieren<br />
und mich auf ihre Notwist-Veröffentlichungen<br />
zu konzentrieren – aber das hier berührt mich<br />
nicht weniger als „Neon Golden“. Diese rumpeligen<br />
Trauermärsche passen perfekt in die<br />
Zeit, und bei 24 Kollabos auf zwei Alben<br />
komme ich von Weilheim bis nach Buchholz<br />
in der Nordheide.<br />
Matthias: Obwohl bei 24 Tracks natürlich<br />
nicht jeder essenziell sein kann, trägt das<br />
Unfokussierte, Jammige viel zum Charme<br />
des Doppelalbums bei. Nebenbei: Dank<br />
„Nennennokoroli“ weiß ich jetzt auch, welches<br />
japanische Schlaflied Dexter und Fatoni<br />
damals für „Authitenzität“ gesampelt haben.<br />
Felix: Liebenswert ist ja eigentlich der kleine<br />
Bruder von scheiße. Aber anders kann ich<br />
es nicht sagen: Dieses Album ist wirklich<br />
liebenswert. Das führt so weit, dass ich bei<br />
Marschliedern wie „Kitakana St. March“ kurz<br />
davor war, grinsend zu salutieren.<br />
Petra: Wirklich interessante Mischung aus<br />
Disco und Elektro. Doch bei den schnelleren<br />
Beats verliere ich auch schnell die Lust, und<br />
es ist nicht ganz meine Stimme. Mich sprechen<br />
aber die Messages von Kuokos Texten an.<br />
Etwa „Loser“, in dem es ums Scheitern geht.<br />
Oder "Take it slow“, in dem Kuoko von<br />
Selbstausbeutung erzählt und dazu aufruft,<br />
auch mal langsamer zu machen.<br />
Felix: Genau von diesen beiden Songs lass’<br />
ich mir die Neujahresvorsätze diktieren.<br />
Nichtstun und dabei die 2-Step- und Break -<br />
beats von der Kabul-Fire-Künstlerin anhören –<br />
herrlich! Passt auch super zum aktuellen<br />
Anime-Hype, dass „Hurt yourself“ unweigerlich<br />
an den „Sailor Moon“-Titelsong erinnert.<br />
Carsten: Ein sehr gutes Popalbum, nicht mehr –<br />
aber auch nicht weniger. „Take it slow“ ist<br />
auch meine Losung: „I could shorten my<br />
sleep/I could work until night/wake up early<br />
and repeat/But I only got this life“. Machst du<br />
auch mit bei unserer Resilienzgruppe, Matthias?<br />
Matthias: Da wir diese Chatrunde wegen<br />
meines Urlaubs verschieben musste, klappt es<br />
aktuell ganz gut bei mir mit der Work-Life-<br />
Balance. Damit Kuoko es auf meine Freizeit -<br />
playlist schafft, muss ich mich noch an ihre<br />
etwas klischeehafte Indiepop-Stimme gewöhnen.<br />
<strong>kulturnews</strong> | 21
Jazz + Klassik<br />
Foto: Karolis Kaminskas<br />
Cécile McLorin Salvant<br />
Cécile McLorin Salvant weiß, was wir alle gerade bitter nötig haben:<br />
„In Zeiten der Einsamkeit und Angst möchte man instinktiv über Liebe<br />
sprechen“, meint die Jazzsängerin aus Miami. Also, sprechen wir über<br />
Liebe: Die Tochter einer französischen Grundschullehrerin und eines<br />
haitianischen Arztes hat bereits als kleines Kind ihre Liebe zur Musik<br />
entdeckt. „Haitianischen Folk, HipHop, Soul, Klassik, Jazz, Gospel oder<br />
kubanische Musik“, beschreibt Salvant selbst ihre frühkindliche musikalische<br />
Prägung. Und mit Björk und Kate Bush waren schnell zwei<br />
Heldinnen gefunden, die ihre Leidenschaft fürs dramatische und liebevolle<br />
Kombinieren verschiedener Einflüsse geweckt haben. Und heute?<br />
Heute lieben alle die 34-jährige Salvant für ihren so würdevoll modernisierenden<br />
Umgang mit dem traditionellen Jazz, Blues und Folk: Die verstorbene<br />
Operndiva Jessye Norman hat ihr das Prädikat „einzigartige<br />
Stimme“ verliehen, und über ihr aktuelles Album „Mélusine“ meint die<br />
Bürgerrechtlerin Dr. Angela Davis: „Salvants jüngstes Album ist eine<br />
mutige Erklärung, dem Ruf ihrer ausschweifenden Fantasie zu folgen.“<br />
TOUR 22. 10. München | 25. 10. Ludwigshafen | 29. 10. Frankfurt<br />
1. 11. Hamburg | 3. 11. Potsdam | 6. 11. Aalen<br />
7. 11. Dortmund | 9. 11. Bremen | 10. 11. Leverkusen<br />
22 | <strong>kulturnews</strong>
Jazz + Klassik<br />
C.A.R.<br />
Gästeliste<br />
Bimba Records<br />
PSYCHEDELIC JAZZ Das Wort „psychedelisch“ taucht geradezu<br />
inflationär oft in Kritiken auf. Seit den seligen Sixties wird damit haschbedröhnter<br />
Rock genauso umschrieben wie in Bass ertränkte Raves.<br />
Tatsächlich kommt das griechische Lehnwort aus dem Umfeld der Psychotherapie und bedeutet<br />
so viel wie „Seelenoffenbarung“. Unbekannte Aspekte des eigenen Geistes wahrnehmen, das haben<br />
einst auch sogenannte „Kraut“-Bands wie Can und Embryo angestrebt. Das Quartett C.A.R. greift<br />
deren Sinn für genial monotone Rhythmen und wunderliche Atmosphären seit dem Jahr 2<strong>01</strong>1<br />
brillant auf. Die fünf langen Songs auf „Gästeliste“ mögen wie Jams anmuten, aber es sind Songs<br />
mit Anfang und Ende, sphärisch und ambient-lastig, aber nie ziellos. Saxofone, Flöten,<br />
Vibrafone schälen sich heraus, analoges Schlagzeug treibt, Synthesizer werden nicht bloß als<br />
kosmische Zierde, sondern als echte Instrumente eingesetzt. Die vier Kölner lassen sich Zeit, und<br />
es obendrein wabern, schimmern und summen. Das Resultat ist eine Offenbarung für C.A.R.:<br />
echte, psychedelische Schönheit. jp<br />
Löwenzahnhonig<br />
Löwenzahnhonig<br />
Inselgruppe<br />
SOFT JAZZ Bass, Drums, Gitarre – was in dieser Kombination<br />
alles machbar ist! Löwenzahnhonig erreichen mit den genannten<br />
Mitteln das vermutlich sanftestmögliche Ergebnis überhaupt.<br />
Neun instrumentale Songs, bei denen sich akustische und elektrische<br />
Gitarren gegenseitig an Anschmiegsamkeit überbieten.<br />
„Moewe“ mäandert so verträumt dahin wie einst „Albatross“ von Peter Green’s Fleetwood Mac;<br />
„Afternoon Sun“ klingt nach dem Grüne-Wiesen-Folk der Siebziger, „Freefall“ wie die gemütliche<br />
Schweizer Variante von Khruangbin. Glaubt man der Legende, begann alles mit spontanen<br />
Zürcher Improvisationen: Fai Baba, der vielleicht begabteste Americana-Interpret diesseits des<br />
Atlantiks, traf auf Long Tall Jefferson und Paul Märki. Gemeinsam jazzjammen sie so reduzierten<br />
Folk dahin, wie ihn nur diejenigen hinbekommen, die schon sehr viele Stunden Musik gemacht<br />
haben. „Löwenzahnhonig ist ganz toll für eine Entschlackungskur geeignet“, verrät uns eine<br />
Gesundheitswebsite. Ein Allheilmittel gegen den Winterblues ist dieses Album, Songs für die nie<br />
untergehende Sonne in uns. jp<br />
Pat Metheny<br />
Für den Gitarren-Großmeister Pat Metheny ist das<br />
Publikum der Star, oder zumindest der Teil, der ganz<br />
genau hinhört. „Mit der Zeit wird mir immer klarer, dass<br />
es beim Musizieren mehr ums Zuhören als ums Spielen<br />
geht“, sagt der 69-Jährige. Das Zuhören sei sogar der<br />
„Schlüssel zu allem Guten in der Musik.“ Ganz schön<br />
bescheiden für jemanden, der bereits 20 Grammys in<br />
zwölf verschiedenen Kategorien eingesackt hat. Auf<br />
seiner anstehenden „Dream Box“-Tour ist Metheny<br />
wieder alleine, mit Gitarre und in intimer Atmosphäre<br />
auf der Bühne – perfekt, um perfekt zuzuhören.<br />
TOUR 14. 10. Köln | 17. 10. München<br />
18. 10. Ludwigshafen | 19. 10. Hamburg<br />
20. 10. Frankfurt | 21. 10. Berlin<br />
Foto: Jimmy Katz<br />
<strong>kulturnews</strong> | 23
Jazz + Klassik<br />
Viktoria Tolstoy<br />
Als Urenkelin des ikonischen<br />
russischen Nationaldichters Leo<br />
Tolstoi ist der schwedischen<br />
Jazzsängerin das Gespür für den<br />
nuancierten Umgang mit<br />
Stimme und Sprache in die<br />
Wiege gelegt worden. Ihr kristallklarer<br />
Gesang hat sie bereits<br />
in den 90er-Jahren zur Stimme<br />
Skandinaviens gemacht – nun<br />
kommt die 49-Jährige nach<br />
Deutschland.<br />
Dream House Quartett<br />
Die Konstellation des Dream House Quartetts ist<br />
mindestens so spektakulär wie sein grenzensprengender<br />
Sound, der die Trennlinien zwischen<br />
Klassik, Minimal Music, Jazz und Pop mit gebührendem<br />
Anstand in die Tonne pfeffert. Neben den<br />
Schwestern und Klavier-Koryphäen Katia und<br />
Marielle Labèque gehören der Komponist und<br />
Produzent David Chalmin sowie der Gitarrist,<br />
Singer/Songwriter und Mitbegründer der viel<br />
gelobten Indierockband The National Bryce<br />
Dessner dazu, der es ja bereits aus seiner<br />
„Stammband“ gewohnt ist, im familiären Kreise<br />
zu musizieren. Klar, The National besteht sogar<br />
gleich aus zwei Brüderpaaren und einem<br />
Anhängsel, doch gibt es noch eine eindeutigere<br />
Parallele zwischen diesen beiden Gruppen: Sie<br />
kommen ohne klaren Bandleader aus. Was zählt,<br />
ist das Projekt. In diesem Falle eine Tour, bei der<br />
Werke von Meredith Monk, Anna Thorvaldsdottir,<br />
David Chalmin, Bryce Dessner, Philip Glass, Steve<br />
Reich und Thom Yorke auf dem Spielplan stehen.<br />
LIVE 4. 11. Berlin | 5. 11. Hamburg | 6. 11. Köln<br />
Foto: Melanie Bordas<br />
TOUR 3. + 4. 3. Döttlingen<br />
5. 3. Mainz | 6. 3. Erlangen<br />
8. 3. Karlsruhe | 9. 3. München<br />
22. 4. Hamburg | 23. 4.<br />
Münster 24. + 25. 3. Berlin<br />
27. + 28. 3.Hameln<br />
Wolfgang Haffner<br />
Foto: Antje Wiech<br />
Wer mit 18 Jahren bereits in den<br />
Bands von Jazzikone Albert Man -<br />
gelsdorff, Liedermacher Konstantin<br />
Wecker und wenig später Chaka<br />
Khan gespielt hat, ist über jeden<br />
Zweifel erhaben. Wolfgang Haffner<br />
gilt als der beste, der coolste, der<br />
wichtigste Drummer seiner Gene -<br />
ration. Mit seinen Drumsticks dirigiert<br />
er gefeierte Jazzvirtuosen wie<br />
etwa Simon Oslender (Klavier) und<br />
Thomas Stieger (Bass) sowie den<br />
Sebastian Studnitzky (Trompete), die<br />
ihn auf der Tour begleiten.<br />
TOUR 30. 10. Baden-Baden<br />
1. 11. Berlin | 2. 11. Osnabrück<br />
3. 11. Lörrach | 4. 11. Nürnberg<br />
5. 11. Ulm | 6. 11. Mainz<br />
7. 11. Leverkusen | 8. 11. Braun -<br />
schweig | 9. 11. November<br />
10. 11. Lübeck | 12. 11. Bielefeld<br />
13. 11. Ludwigsburg | 14. 11.<br />
München | 15. 11. Aschaffenburg<br />
Foto: ACT/Josefine Bäckström<br />
24 | <strong>kulturnews</strong>
Jazz + Klassik<br />
MEHR INFOS UNTER ALLARTISTS.AGENCY<br />
Liedermacher<br />
machen Lieder<br />
Foto: Malene<br />
So tickt nur ein echter Cantautore:<br />
Eigentlich sollte „Nell’Attimo“ („Im<br />
Augenblick“) ein Best-of werden, mit all<br />
den Hits, die Pippo Pollina in<br />
40 Jahren Karriere angesammelt hat.<br />
Bis auf den allerersten Track seines<br />
allerersten Album sind nun aber doch<br />
wieder nur neue Lieder auf der Platte<br />
gelandet, denn Pollina kann nicht aufhören<br />
zu komponieren. Ach ja, und ein<br />
weiteres Lied kennen wir schon: Mit „E penso solo a te“ covert<br />
Pollina Element Of Crimes „Am Ende denk ich immer nur an dich“. mj<br />
Luftig-leicht<br />
Klaus Hoffmann<br />
War sein letztes Album „September -<br />
herz“ noch eine von Rückblicken<br />
geprägte Zwischenbilanz, setzt der<br />
deutsche Liedermacher Klaus Hoffmann<br />
nun zum Flug in die Zukunft an: „Was<br />
machst du mit dem Rest deiner Zeit?“,<br />
fragt er sich der 72-Jährige auf seinem<br />
aktuellen Album „Flügel“. Wir hätten<br />
da eine Antwort: auf Tour gehen!<br />
TOUR 16. 11. Düsseldorf | 20. 11.<br />
Saarbrücken | 22. 11. Dortmund |<br />
23. 11. Bremen | 25. 11. Hamburg<br />
26. 11. Hannover | 27. 11. Berlin<br />
Neben Daft Punk sind Air wohl das bekannteste französische Elektro -<br />
duo – und im Gegensatz zu Daft Punk denken sie nicht ans Aufhören.<br />
Doch Duohälfte JB Dunckel kann nicht nur Synthesizer und Vocoder –<br />
er ist auch passionierter Pianist. Mit „Paranormal Musicality“ hat er<br />
nun ein minimalistisches Soloklavieralbum vorgelegt, das sanft zwischen<br />
Satie und dem Air-typischen Ambientpop zum Liegen kommt. mj<br />
Foto: Jonathan Labusch<br />
Foto: Pascal Arnaud<br />
03.05.24 FRANKFURT<br />
ZOOM<br />
04.05.24 DRESDEN<br />
BEATPOL<br />
05.05.24 BERLIN<br />
METROPOL<br />
07.05.24 MÜNCHEN<br />
MUFFATHALLE<br />
08.05.24 LUDWIGSBURG<br />
SCALA<br />
09.05.24 KÖLN<br />
DIE KANTINE<br />
10.05.24 HAMBURG<br />
MOJO CLUB<br />
ZUENDSTOFF BOOKING präsentiert:<br />
kAPELLE PETRA<br />
HAMM<br />
NEUES ALBUM<br />
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12.<strong>01</strong>.24<br />
HAMM TOUR<br />
<strong>01</strong>.02.München, Ampere<br />
02.02.Wien, B72 (AT)<br />
03.02.Nürnberg, Hirsch (hochverlegt)<br />
08.02.Stuttgart, Club Cann<br />
09.02.Solothurn, Kofmehl (CH)<br />
10.02.Luzern, Sedel (CH)<br />
22.02.Berlin, Frannz Club<br />
23.02.Hamburg, Gruenspan (hochverlegt)<br />
24.02.Bremen, Modernes (hochverlegt)<br />
29.02.Dresden, Chemiefabrik<br />
<strong>01</strong>.03.Leipzig, Moritzbastei<br />
02.03.Hannover, Musikzentrum<br />
07.03.Frankfurt a.Main, Das Bett<br />
08.03.Münster, Sputnikhalle<br />
09.03.Köln, Essigfabrik (hochverlegt)<br />
<strong>kulturnews</strong> | 25
Film<br />
Foto: Majestic / © Christian Schulz<br />
Es ist nicht unbedingt üblich, dass in den Danksagungen im Abspann eines Films die Hauptdarstellerin auftaucht,<br />
immerhin ist ihr Name gerade erst deutlich lesbar vorbeigeflimmert. Doch die Macher von Stella. Ein Leben“ (ab 25. 1.<br />
im Kino) haben es für nötig befunden, Paula Beer noch einmal gesondert für ihren Mut zu danken. Und das nicht ohne<br />
Grund: Der Film, basierend auf der wahren Geschichte von Stella Goldschlag, die als jüdische Denunziantin für die Nazis<br />
gearbeitet hat, hätte allzu leicht als Katastrophe enden können. Immerhin geht es um eine historische Person, die der<br />
Film selbst als „Opfer und Täterin“ bezeichnet – und weder Regisseur Kilian Riedhof noch seine Co-Drehbuchautoren<br />
Marc Blöbaum und Jan Braren sind jüdisch, ebenso wenig wie Beer. Dass „Stella. Ein Leben“ trotzdem funktioniert, ist<br />
zu großen Teilen der Hauptdarstellerin zu verdanken: Paula Beer spielt Stella als komplexe Figur, lässt Raum für ihre<br />
Todesangst, aber auch ihre dunkleren Seiten. Sie sorgt dafür, dass der Film an den richtigen Stellen ambivalent ist –<br />
und an anderen ganz eindeutig. mj<br />
28 | <strong>kulturnews</strong>
Szene<br />
„Neu entdeckte Home Movies, Joans unglaubliche<br />
Kunstwerke und Zeichnungen, Tagebücher und<br />
Briefe, Fotos, Bandaufnahmen ihrer<br />
Therapiesitzungen und ein Goldschatz von auf<br />
Kassette eingesprochenen Briefen, die Baez von<br />
unterwegs an ihre Familie geschickt hatte“<br />
Das Regietrio Karen O’Connor, Miri<br />
Navasky und Maeve O’Boyle zählt auf,<br />
was alles in den Dokumentarfilm Joan<br />
Baez – I am a Noise (ab 28. 12. im<br />
Kino) einfloss: „All diese Quellen fangen<br />
in Realzeit ein, was sie damals empfunden<br />
hat, anstatt eine Erinnerung aus weitem<br />
Abstand zu sein.“ Außerdem verfolgten<br />
die drei Regisseurinnen Joan Baez über<br />
mehrere Jahre bei jeder Gelegenheit mit<br />
der Kamera und schufen so ein eindringliches<br />
Filmporträt.<br />
Foto: Alamode Film<br />
WINNER<br />
EIN FILM VON<br />
SOFIA<br />
COPPOLA<br />
MIT<br />
CAILEE SP AENY UNDJACOB EL<br />
ORDI<br />
Foto: Mubi<br />
Franz Rogowski wurde für seine Rolle<br />
des Tomas im Film Passages<br />
(kann auf Mubi gestreamt<br />
werden) vom New Yorker<br />
Filmkritiker verband zum<br />
besten Schauspieler ge -<br />
kürt. Das Besondere an<br />
der Auszeichnung: Wer sie<br />
erhält, hat später große<br />
Chancen auf den Oscar.<br />
So geschehen Anfang dieses<br />
Jahres mit Colin Farrell im Film<br />
„The Banshees of Inisherin“.<br />
FILMFESTIVAL<br />
Pia Lundberg wird ab März <strong>2024</strong> die künstlerische Leitung des<br />
Göteborger Filmfestivals übernehmen und damit den bisherigen<br />
künstlerischen Leiter Jonas Holmberg ablösen, der noch für das<br />
jetzt anstehende Festival (26.1.–4. 2. 24) verantwortlich ist.<br />
Die kommende Berlinale (15.–25. 2. 24) wird am Kulturprogramm<br />
zur Fußballeuropameisterschaft <strong>2024</strong> teilnehmen. „Berlinale Meets<br />
Fußball“ heißt das Programm, dessen Filme „Diversität,<br />
Nachhaltigkeit und Inklusion als wichtige Aspekte der Identität des<br />
Fußballs vermitteln“ sollen.<br />
„EINE RE EISE IN DAS DÜSTERE<br />
HERZ DER PROMINENZ... .<br />
COPPOLAS BESTER FILM”<br />
ROLLING STONE<br />
Kino erleben<br />
.de<br />
<strong>kulturnews</strong> | 29<br />
AB 4.JANU<br />
AR<br />
IM KINO
Kino<br />
Em(m)anzipation<br />
auf dem Oberdeck<br />
Fotos: Disney<br />
Giorgos Lanthimos hat mit Poor Things einen spätviktorianischen Frankenstein-Horrorfilm<br />
voll morbiden Humors gedreht – in dem Emma Stone alle Männer in die Tasche steckt.<br />
›<br />
Als der Medizinstudent Max McCandless (Ramy Youssef) von<br />
Professor Godwin Baxter (Willem Dafoe) den Auftrag erhält, die<br />
Entwicklung von dessen Tochter Bella Baxter (Emma Stone) wissenschaftlich<br />
zu begleiten und zu protokollieren, kommt er aus dem Staunen<br />
nicht mehr heraus. Ist Baxter selbst mit seinem vernarbtem Gesicht und<br />
seinen Gebrechen schon eine Ausgeburt der wissenschaftlichen<br />
Experimentierhölle des 19. Jahrhunderts, so setzt Regisseur Giorgos<br />
Lanthimos mit Bella Baxter noch einen drauf: Emma Stone brilliert in der<br />
Rolle einer eigentlich reifen Frau, die allerdings das Sprachvermögen und<br />
den rebellischen Entwicklungsstand eines Kleinkindes hat und noch<br />
nicht mal richtig laufen kann, was Max verwundert zur Kenntnis nimmt.<br />
Doch dabei bleibt es nicht, denn Bella kommt in die Pubertät und entwickelt<br />
sexuelles Begehren. Und letzteres setzt über Umwege eine ganz<br />
neue Handlung in Gang.<br />
Denn plötzlich beginnen sich die Männer für Bella zu interessieren: Eine<br />
sexuell begehrende Frau, naiv im Geist und gesellschaftliche Konven tionen<br />
entweder nicht kennend oder missachtend, ist ein feuchter Traum für die<br />
Männer, die mit ihr in Kontakt kommen. Godwin Baxter hat Befürch -<br />
tungen in diese Richtung und will seinen zunächst verwunderten Studenten<br />
Max mit Bella verheiraten, doch noch ehe die beiden zueinanderfinden,<br />
entführt sie der windige Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo), und für<br />
Bella beginnt die Zeit der großen Reisens und des intensiven Lernens –<br />
zunächst auf einer Kreuzfahrt durch Europa und dann in Paris.<br />
Schauspielerische Glanzleistung von Emma Stone<br />
Und jetzt merkt man, wie sehr „Poor Things“ der Film einer Emanzipation<br />
gegen jegliche Einengung ist. Angelegt vor einer surrealen Steam punk -<br />
kulisse des viktorianischen Zeitalters und ausgestattet mit Versatzstücken<br />
aus der Frankenstein’schen Monsterwelt, erzählt der Film innerhalb von<br />
knapp zweieinhalb Stunden die Geschichte einer sich gegen alle Wider -<br />
stände von Männern emanzipierenden Frau. Dass dies in dieser Kürze<br />
ohne oberflächliche Plattheiten oder Verkürzungen über die Bühne geht,<br />
liegt vor allem an Emma Stone: Wie sie die Entwicklung der Bella im<br />
Körper einer erwachsenen Frau vom tapsigen Wesen über die sexuell<br />
nimmersatte Pubertierende und die noch immer naive Hure in Paris spielt;<br />
wie sie die Heldin reifen lässt, politisch zur Sozialistin sich entwickelnd<br />
und immer souveräner werdend: Das ist von Stone so unglaublich gut<br />
30 | <strong>kulturnews</strong>
Kino<br />
Giorgos Lanthimos und<br />
Emma Stone am Set von<br />
„Poor Things“<br />
GIORGOS LANTHIMOS<br />
Filme<br />
Dogtooth (2009)<br />
Attenberg (2<strong>01</strong>0)<br />
Alpis (2<strong>01</strong>1)<br />
The Lobster (2<strong>01</strong>5)<br />
The Killing of a Sacred Deer (2<strong>01</strong>7)<br />
The Favourite – Intrigen und Irrsinn (2<strong>01</strong>8)<br />
Nimic (2<strong>01</strong>9, Kurzfilm)<br />
Bleat (2022, Kurzfilm)<br />
Poor Things (2023)<br />
Preise und Nominierungen<br />
The Lobster<br />
Europäischer Filmpreis: Auszeichnung für das Beste Drehbuch<br />
Internationale Filmfestspiele Cannes: Preis der Jury<br />
Oscar: Nominierung für das Beste Originaldrehbuch<br />
The Killing of a Sacred Deer<br />
Europäischer Filmpreis: Nominierung für Beste Regie und<br />
Bestes Drehbuch<br />
Internationale Filmfestspiele Cannes:<br />
Bestes Drehbuch, Nominierung für die Goldene Palme<br />
The Favourite – Intrigen und Irrsinn<br />
Europäischer Filmpreis: Bester Film und Beste Regie<br />
Golden Globe Award: Beste Hauptrolle<br />
Internationale Filmfestspiele Venedig: Großer Preis der Jury<br />
Oscar: Beste Hauptrolle<br />
Poor Things<br />
Internationale Filmfestspiele Venedig: Goldener Löwe –<br />
Bester Film<br />
gespielt, dass man die Figur Bella einfach annehmen muss – gegen jeglichen<br />
Widerstand beim Schauen, der aus dem Genremix erwachsen<br />
mag, weil dieser in anderen Filmen ganz woanders hinweist. Wenn Bella<br />
dann doch wieder nach Hause reist zu ihrem – vermeintlichen – Vater,<br />
der im Sterben liegt, ist sie reif genug, um die Wahrheit über ihre Geburt<br />
aus den Experimenten der Wissenschaft zu erfahren. Dass die Handlung<br />
dann schon wieder das Genre wechselt und plötzlich die thrillerartigen<br />
Momente zum Finale hin Überhand nehmen, soll hier gar nicht weiter<br />
ausgeführt werden, sonst müsste man zu viele Geheimnisse verraten.<br />
„Poor Things“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans des schottischen<br />
Autors Alasdair Gray. Yorgos Lanthimos hat sich im Vorfeld wieder -<br />
holt mit dem inzwischen verstorbenen Gray in Glasgow getroffen, wo die<br />
Handlung spielt. Gray hatte, bevor er der Verfilmung zustimmte, Lanthimos’<br />
Film „Dogtooth“ angeschaut und war danach überzeugt davon, die<br />
Verfilmung in gute Hände gegeben zu haben, denn der typische schwarze<br />
Humor korrespondierte sehr mit dem Humor des Schotten.<br />
Poor Things startet am 11. Januar <strong>2024</strong>.<br />
Jürgen Wittner<br />
<strong>kulturnews</strong> | 31<br />
Der mehrfache Oscar ® -Gewinner Alexander<br />
Payne, der sich wie kein Zweiter auf warmherzige<br />
Geschichten voller Menschlichkeit<br />
versteht, meldet sich zurück und holt dafür<br />
erstmals seit fast zwanzig Jahren Sideways-<br />
Star Paul Giamatti wieder vor seine Kamera.<br />
Wie schon in Meisterwerken wie Sideways<br />
oder The Descendants gelingt ihm auch<br />
in THE HOLDOVERS eine feinsinnige<br />
Geschichte, die gleichzeitig charmant,<br />
nachdenklich und sehr witzig ist. Mit viel<br />
Feingefühl, noch mehr Herzenswärme und<br />
dem für ihn typischen Humor erzählt Payne<br />
davon, dass man manchmal gerade von den<br />
Menschen am meisten lernt, mit denen man<br />
am wenigsten gemeinsam hat.<br />
AB 25. JANUAR IM KINO
Kino<br />
Rührschüssel-Rocky<br />
Foto: Mubi<br />
Yazid Ichemrahen zählt zu den bekanntesten Patissiers der Welt:<br />
Der Weltmeister des Eisdesserts 2<strong>01</strong>4 ist seit seines autobiografischen<br />
Romans „Un rêve d’un enfant étoilé“ in Frankreich ein absoluter Star.<br />
Doch der Weg an die Spitze der Haute Cuisine war stets auch ein Kampf<br />
– und somit ideales Material für ein Biopic. Gespielt vom französischen<br />
Influencer Riadh Belaïche, dem als Just Riadh über sieben Millionen<br />
Menschen auf TikTok folgen, begleiten wir Ichemrahen in Sterne zum<br />
Dessert (ab 28. 12. im Kino) auf seinem Weg vom perspektivlosen Sohn<br />
einer alleinerziehenden marokkanischen Mutter bis zum großen<br />
Weltmeisterschaftstriumph. Über den Umweg Pflegefamilie und Jugend -<br />
heim landet der jugendliche Yazid endlich dort, wo er immer hinwollte: in<br />
einer Pariser Küche. Doch schon bald muss er feststellen, dass dies nicht<br />
nur ein Ort der Selbstverwirklichung, sondern auch des Konkur renz -<br />
kampfes ist. Diese zwei Welten vermag Regisseur Sébastian Tulard ganz<br />
implizit zu vereinen, indem „Rocky“-Zitate auf orchestriertes Back-Ballett<br />
folgen: Eigelb, das in Super-Slow-Motion in eine Schale voller Mehl<br />
kracht, kandierte Äpfel, in denen sich die Küche spiegelt. Dieser Film<br />
kommt auch deswegen ganz ohne hinzugedichtete Liebes geschichte<br />
aus, weil er selbst schon eine ist: übers Backen. fe<br />
Manipulation und Sex<br />
Eigentlich ist es Annes (Léa Drucker) Job als Anwältin, Minderjährige vor Miss -<br />
brauch zu schützen. Doch als ihr wohlstandsverwahrloster 17-jähriger Stiefsohn<br />
Théo (Samuel Kircher) bei ihr und Théos Vater Pierre einzieht, versagt ihr<br />
Schutzinstinkt. Théo weckt in ihr eine sexuelle Sehnsucht, die zwischen zwei<br />
Adoptivtöchtern, ihrem businessbesessenen Lebensgefährten und unendlich vielen<br />
Gläsern Wein verschüttgegangen ist. So wird aus einem so unkontrollierbaren wie<br />
unmoralischen Impuls eine Affäre und ein Machtspiel. Catherine Breillat, bekannt<br />
für ihre expliziten Inhalte, inszeniert mit Im letzten Sommer (im Kino ab 11. 1.)<br />
nur vordergründig eine zutiefst fragwürdige Liaison mit etwas bemüht schockenden<br />
Sexszenen. Dahinter verbirgt sich das hervorragend nuancierte und manipulative Spiel<br />
Druckers, das wiederum von einer eigenen Biografie voll Missbrauch erzählt. fe<br />
Der Film Leere Netze (im Kino ab 18. 1.)<br />
ist ein so sensibles wie erschütterndes<br />
Debüt des iranischen Regisseurs Behrooz<br />
Karamizade, für das der Filmemacher den<br />
Hessischen Film- und Kinopreis erhielt.<br />
Der Film zeigt die existenziellen Probleme<br />
von Amir und Narges, die sich lieben,<br />
aber nicht die Mittel besitzen, sich eine<br />
Existenz aufzubauen. Amir beginnt, mit<br />
der Kaviar-Wilderei am Kaspischen Meer.<br />
Lange geht das nicht gut …<br />
Foto: Alamode Film<br />
32 | <strong>kulturnews</strong>
internationale<br />
57. hof international<br />
film festival<br />
Kino<br />
Foto: Mubi<br />
Im goldenen Käfig des King<br />
Sechs Jahre nur dauerte die Ehe zwischen Priscilla (Cailee Spaeny)<br />
und Elvis Presley (Jacob Elordi), aber für die Ehefrau des King<br />
of Rock’n’Roll war es eine qualvolle Zeit in einem goldenen Käfig.<br />
Sofia Coppola, mit „Virgin Suicides“ und „Marie Antoinette“ eine<br />
Spezialistin für Geschichten junger Frauen und deren Erwachsen -<br />
werden, fokussiert sich in Priscilla (ab 4. 1. im Kino) jedoch auf die<br />
Jahre vor der Eheschließung. Priscilla ist erst 14, als sie den zehn<br />
Jahre älteren Star kennenlernt. Die sich langsam, aber unaufhaltsam<br />
entwickelnde Romanze ist lange keusch, aber aufrichtig, Coppola<br />
denunziert sie nicht, sondern schildert sie als eine Liebe auf<br />
Gegenseitigkeit. Doch sobald Priscilla auf Elvis’ Anwesen Graceland<br />
zieht, endet ihre Freiheit. Elvis als Künstler interessiert Coppola nur<br />
am Rande; sie porträtiert ihn als unsicheren, misogynen Mann, der<br />
seine Frau zwar mit Geschenken überschüttet, aber auch per manent<br />
kontrolliert, bevormundet und mit Herablassung behandelt. Das<br />
macht die Filmbiografie zu einer präzise inszenierten und stilsicher<br />
ausgestatteten Schilderung einer Ehehölle. ascho<br />
AB 18. JANUAR IM KINO<br />
hofer filmtage<br />
2023<br />
OFFICIAL SELECTION<br />
Foto: Neue Visionen<br />
Bowie oder Bomben?<br />
Quantentechnologie macht’s möglich: Die Schwestern Martha und Thom<br />
empfangen mit einer Apparatur namens Lola (ab 28. 12. im Kino)<br />
TV- und Radiosendungen der Zukunft. Die Bombenangriffe Nazi-<br />
Deutschlands 1941 lassen sie nicht mehr nur David Bowie und Bob<br />
Dylan hören, sondern auch die britischen Nachrichten des jeweils<br />
kommenden Tages: Regelmäßig warnen sie per Funk die Bevölkerung<br />
vor den Bomben der kommenden Nacht. Regisseur Andrew Legge hat<br />
seinen virtuellen Anti-„Terminator“-Film voller tragischer Twists nur mit<br />
der Handkamera gedreht. jw<br />
<strong>kulturnews</strong> | 33
Kino<br />
Masucci rettet Polanski<br />
Party like it’s 1999: Die Schönen und Reichen sowie ein Sorti -<br />
ment an Hochstaplern, pensionierten Pornostars, Erb -<br />
schleichern und russischen Gangstern feiern den Beginn des<br />
Millenniums in einem Luxushotel in den Schweizer Bergen. Es<br />
gibt Kaviar satt, Champagner in Strömen und ein grandioses<br />
Feuerwerk. Doch das neue Jahrtausend werden nicht alle<br />
Gäste erleben …<br />
Regie-Altmeister Roman Polanski muss niemandem mehr<br />
etwas beweisen und kann einfach nach Lust und Laune seine<br />
Stoffe wählen. Seine Absicht, mit The Palace (ab 18. 1. im<br />
Kino) die klassische Screwballkomödie wiederzubeleben, bleibt<br />
aber auf halbem Wege stecken. Trotz aller bewusst als gewagt<br />
und respektlos eingestreuten Witze über Hundekot, Leichen, Penisse und<br />
Penisse von Leichen nimmt die Inszenierung nie richtig Fahrt auf. Das<br />
könnte auch daran liegen, dass der Großteil des Films von durchweg<br />
unsympathischen Figuren mit Beschlag belegt wird (selbst wenn die mit<br />
großen Namen wie Fanny Ardant, Mickey Rourke und John Cleese besetzt<br />
sind). Wenn die Hotel-Farce das Anschauen doch lohnen sollte, dann<br />
nur dank mancher herausragender Einzelleistungen. Oliver Masucci als<br />
zunehmend gestresster Hotelmanager mit dem schönen Schweizer<br />
Namen Hansueli Kopf hält die Story zusammen, und dass Polanski die<br />
Filmgeschichte durch ein paar gemeinsame Szenen mit der unwahrscheinlichen<br />
Kombination Milan Peschel und Mickey Rourke bereichert,<br />
ist dann doch ein mehr als nur zähneknirschendes Lob wert. rr<br />
Foto: Weltkino<br />
FILM IM SCHNELLCHECK<br />
BLACK FRIDAY FOR FUTURE<br />
WORUM GEHT’S? Albert und Bruno sind<br />
Lebenskünstler am Existenzminimum und aktuell<br />
auf Freibier aus. Warum also nicht bei<br />
Umweltaktivisten mitmachen? Doch im Lauf der<br />
Zeit werden ihre Täuschungsmanöver immer<br />
dreister und auffälliger, und dann verliebt sich<br />
Albert auch noch in die Klimaaktivistin Cactus …<br />
WER HAT REGIE GEFÜHRT? Olivier Nakache,<br />
Éric Toledano („Ziemlich beste Freunde“)<br />
WER MACHT MIT? Pio Marmaï, Jonathan Cohen,<br />
Noémie Merlant<br />
WANN? Ab 28. 12. im Kino<br />
© 2023 ADNP – TEN CINEMA - GAUMONT - TF1 FILMS<br />
PRODUCTION - QUAD+TEN, Foto Carole Bethuel<br />
Ziemlich beste Freunde<br />
Für Angus Tully (Dominic Sessa) wird der Ferienbeginn an der<br />
Deerfield Academy zum Fiasko: Er muss Weihnachten mit dem<br />
Geschichtsprofessor Paul Hunham (Paul Giamatti) und der<br />
Cafeterialeiterin Mary Lamb (Da’Vine Joy Randolph) an der Uni<br />
verbringen. Zwar versucht das ungleiche Trio, die Zeit möglichst<br />
konfliktfrei durchzustehen, doch die erzwungene Nähe bringt<br />
kleine Geheimnisse und Lebenslügen zu Tage. So verändert sich<br />
die Schicksalsgemeinschaft langsam zu einer Ersatzfamilie, die<br />
mehr miteinander gemein hat, als gedacht. Mit The Holdovers<br />
(im Kino ab 25. 1.) bringt Alexander Payne den Geist der großen<br />
und kleinen Filme der Siebziger zurück. In Struktur und Ästhetik<br />
fühlt man sich unweigerlich an Klassiker von Hal Ashby oder<br />
Mike Nichols erinnert und würde sich nicht wundern, wenn<br />
plötzlich ein junger Dustin Hoffman durchs Bild liefe. rw<br />
Foto: © 2023 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED<br />
34 | <strong>kulturnews</strong>
Kino<br />
<br />
<br />
<br />
„BERÜ HREND“<br />
L E PA RIS IEN<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
„ INSPIRIEREND“<br />
GQ<br />
Foto: Solo Film<br />
Wild und gegen alle Vernunft ist diese<br />
Liebesgeschichte, in die sich der aufstrebende<br />
Modedesigner Tristan (Tim-Fabian Hoffmann) Hals<br />
über Kopf hineinziehen lässt. Sunny (Daniel Roth),<br />
ein Wesen zwischen Drag Queen, Kleinganove und<br />
Freigeist, ist nicht nur ungestüm und unberechenbar,<br />
sondern auch selbstzerstörerisch und toxisch.<br />
Der Filmemacher Kolja Malik erzählt mit LasVegas<br />
(im Kino ab 18. 1.) eine überraschende und nur<br />
bedingt glaubhafte Amour Fou als zunehmend<br />
surrealen Trip, bei dem Wahn und Wirklichkeit<br />
immer mehr verschmelzen. ascho<br />
R IADH BELAÏC H E<br />
NACH EINER WAHREN GESCHICHTE<br />
AB 28. DEZEMBER IM KINO<br />
NUR IM KINO<br />
Der Zorn<br />
der<br />
Vergebung<br />
Foto: © 2023 Dor Film-West / Four Minutes Filmproduktion<br />
15 Jahr lang hat Jenny<br />
(Hannah Herzsprung) für einen<br />
Mord im Gefängnis gesessen, den sie<br />
nie beging – wer erinnert sich nicht an den<br />
Film „Vier Minuten“ aus dem Jahr 2006, bei dem ebenfalls Chris<br />
Kraus Regie geführt hat und Hannah Herzsprung ihren Durchbruch<br />
als Schauspielerin feierte? Jetzt im Film 15 Jahre (ab 11. 1. im Kino)<br />
ist die am Borderline-Syndrom leidende, begnadete Pianistin frei, und<br />
sie versucht ihre innere Wut zu zügeln, indem sie sich in die Obhut<br />
einer christlichen Organisation und unter die Fittiche der von Adele<br />
Neuhauser gespielten Frau Markowski begibt. Verzicht auf Medien,<br />
Verzicht auf Musik, nur putzen für die Kirchengemeinde und Zügelung<br />
der heftig lodernden Wut: Da trifft sie plötzlich auf ihren Ex, früher<br />
Punker, jetzt unter dem Namen Gimmiemore (Zum Nieder knien:<br />
Albrecht Schuch) zynischer Star der Popkultur und Host einer verkommenen<br />
Charityshow im Fernsehen. Kurzzeitig wird das Drama zur<br />
Satire auf die Geldmaschine Popkultur, während in Jenny das<br />
Räderwerk der Rache zu arbeiten beginnt. jw<br />
Alles Gute auf dieser Welt hat mit einem Traum begonnen<br />
<strong>kulturnews</strong> | 35
Streaming + DVD<br />
Leichen im Outback<br />
Der Ermittler Jay Swan (Mark Coles Smith) ist den treuen Sehern der Serie<br />
„Mystery Road“ längst ein Begriff. Jetzt erfahren sie vieles aus seiner Zeit als<br />
Polizistenanfänger, denn die dritte Staffel der Serie ist so was wie ein Prequel<br />
zu den bisherigen Staffeln. Gerade ist er nach Jardine gekommen, einer alten<br />
Goldminenstadt im australischen Outback, wo Jay auch aufgewachsen ist und<br />
sich jetzt wieder mit seinem Vater und seinem Bruder, einem Alkoholiker, auseinandersetzen<br />
muss. Mystery Road: Origin (ab 11. 1. auf Arte und in der Arte-<br />
Mediathek) heißt die neue Staffel und rückt neben Jays Privatleben die<br />
„Söhne der Erde“, eine Gruppe junger rechtsradikaler Männer, in den Fokus der<br />
Ermittlungsarbeiten der Polizei. Dann kommt noch ein Jahre alter Fall hinzu, den<br />
eine Rechtsanwältin wieder aufrollt. jw<br />
Leichen<br />
im Feld<br />
Als Roland Voit (Felix Kramer) von<br />
seiner Dienststelle in seinen<br />
Heima tort im Oderbruch versetzt<br />
wird, ist der Kommissar ziemlich<br />
angefressen: Nie wieder wollte er<br />
dorthin zurückkehren, wo seine Mutter<br />
ganz plötzlich verschwunden war und<br />
von wo er völlig mit seinem Vater zerstritten<br />
vor langem schon weggezogen war. Doch<br />
nicht nur er, auch seine Jugendfreundin und ehemalige<br />
Kollegin Magdalena Kring (Karoline Schuch,<br />
beide auf dem Foto) muss dahin zurück, von wo sie schwer<br />
traumatisiert geflohen war: Damals war ihr Bruder Kai angeblich<br />
Foto: © David Dare Parker/Bunya Productions & All3Media International<br />
Foto: © ARD Degeto/Syrreal Dogs GmbH/CBS Studios/Stefan Erhard<br />
FINANZTIPP<br />
Berlin in Paris<br />
Berlin war der Anführer in der Serie<br />
„Haus des Geldes“, jetzt bringt Netflix<br />
(ab 29. 12.) die Spin-off-Serie Berlin,<br />
in der der Titelheld als junger, noch<br />
gesunder und bestens gelaunter Mann<br />
in Paris an Geld kommen will. Ganz<br />
klar, dass es sich dabei wieder nur um<br />
einen der spektakulärsten Raubüberfälle<br />
aller Zeiten handeln kann. Auch<br />
diesmal stammen Idee und Umsetzung<br />
von Álex Pina, mit dabei ist wieder<br />
Esther Martínez Lobato, die auch die<br />
spanische Serie „Sky Rojo“ umsetzte. jw<br />
ertrunken, gemeinsam mit zwei<br />
weiteren Personen. Doch jetzt<br />
gibt es einen ganzen Leichen -<br />
berg: Wer hat die Menschen<br />
ermordet, wer hat sie zu einem<br />
hohen Berg aufgehäuft? Nur widerwillig<br />
beginnen beide in der Serie<br />
Oderbruch (ab 19. 1. 24 in der ARD<br />
und in der Mediathek) zu ermitteln, unterstützt<br />
vom polnischen Polizisten Stanislaw<br />
Zajak (Lucas Gregorowicz). Schon bald tun sich<br />
Abgründe auf … „Oderbruch“ ist ein harter Genremix aus Krimi,<br />
Thriller und Mystery. jw<br />
Foto: Tamara Arranz/Netflix © 2023<br />
36 | <strong>kulturnews</strong>
Serien<br />
Foto: Disney+<br />
Echo<br />
Foto: © Home Box Office, Inc. All rights reserved<br />
True Detective –<br />
Staffel 4<br />
Foto: Apple TV+<br />
Masters<br />
of the Air<br />
Foto: © WDR/Constantin Film/Michel<br />
Vertonge<br />
Haus aus Glas<br />
WATCHLIST<br />
+++ Die ARD bringt am 9. 1. die Serie Haus aus<br />
Glas an den Start, in der Fabrikantentochter Emily<br />
(Foto, sehr gute Schützin) und Chris heiraten wollen.<br />
Doch dann kommt es zu so vorhersehbaren wie<br />
unkontrollierbaren familiären Desastern, die die<br />
Feiert erst so richtig rund machen. +++ Am 10. 1.<br />
startet auf Disney+ die Serie Echo aus den Marvel<br />
Studios: Maya Lopez fackelt nicht lange, bevor sie<br />
zuschlägt. Doch jedes Benehmen fordert irgendwann<br />
mal Tribut. +++ Ab 26. 1. bei Apple TV+<br />
zu sehen: Masters of the Air wurde von Steven<br />
Spielberg und Tom Hanks produziert und zeigt, was<br />
die Männer der 100th Bomb Group – die „Bloody<br />
Hundredth“ – ertragen mussten, als sie im Zweiten<br />
Weltkrieg deutsche Städte bombardierten. +++ Am<br />
15. 1. startet auf Sky und Wow die<br />
4. Staffel der Serie „True Detective“. Jodie Foster<br />
spielt die Hauptrolle der Ermittlerin in der neuen<br />
Staffel dieser legendären Serie. +++<br />
<strong>kulturnews</strong> | 37<br />
B ASIEREND<br />
S<br />
A UF DER KURZGESCHICHTE VON<br />
TEPHEN KING<br />
AB 14. .12. IM KINO<br />
© 2020 CHILDREN OF THE CORN LLC. ALL RIGHTS RESERVED.
4Teens<br />
Illustration: Riad Sattouf/Reprodukt<br />
Seit sechs Jahren begleitet der französische Starzeichner Riad Sattouf Esther die Tochter eines<br />
befreundeten Paares in ihrem Alltag. Mittlerweile ist die bereits 16 und erlebt die typischen<br />
Krisen, die zu diesem Alter dazugehören. In ganzseitigen Vignetten zeichnet Sattouf Esthers<br />
Abenteuer beim Babysitting nach, ihre ersten Partybesuche und ihr Schwärmen für Schau -<br />
spieler Timothée Chalamet. Doch der siebte Band der Serie fängt auch die anderen Krisen<br />
unserer Tage ein: In Esthers Tagebücher 7: Mein Leben als Sechzehnjährige (Reprodukt,<br />
2023, 56 S., 24 Euro, Aus d. Franz. v. Ulrich Pröfrock) erlebt Esther die Covid-Pandemie<br />
ebenso mit wie den Sturm aufs US-Kapitol. Für Fans ruft die Reihe außerdem vor Augen, wie<br />
schnell die Zeit vergeht: Im nächsten Band steht dann bereits Esthers Abitur an … mj<br />
38 | <strong>kulturnews</strong>
Auf der<br />
Startrampe<br />
Jugendbücher müssen eine Message<br />
haben, etwas beibringen und sich<br />
am besten in einem Absatz zusammenfassen<br />
lassen. Aber was, wenn<br />
es anders wäre? In Henny & Ponger<br />
(Mixtvision, 2023, 320 S., 12 Euro)<br />
traut Nils Mohl seinen Leser:innen ungewöhnlich viel zu: Die<br />
Geschichte über den einsamen Ponger, der sich in der S-Bahn<br />
in die mysteriöse Henny verliebt und dann mit ihr auf die<br />
Flucht geht, ist Roadtrip und Coming-of-Age-Story und<br />
Science-Fiction zugleich. Erzählt wird das alles in kurzen<br />
Kapiteln, manchmal nur ein paar Zeilen lang. Und am Ende<br />
gibt es natürlich doch eine Message … mj<br />
4Teens<br />
Foto: a_mo<br />
Illustration: Sebastian Meschenmoser (VG Bild-Kunst, Bonn 2023); Michael Ende; F. J. Tripp, koloriert von Mathias Weber © Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart; Montage Uwe Eichholz<br />
+++ Sex, Drogen, Intrigen: Die spanische Erfolgsserie Élite geht auf Netflix in die<br />
siebte Staffel. Zurück an der vom Wohlstand zerfressenen Eliteschule Las Encinas tauchen<br />
alte Bekannte und neue Probleme auf. So finden auch Themen der mentalen<br />
Gesundheit ihren Platz. +++<br />
Foto: Alicia Zett<br />
Foto: Matías Uris / Netflix 2022<br />
Queerfeldein<br />
Frauenfußball wird heute oft noch belächelt, Quer -<br />
ness im Fußball ist hingegen weiterhin geächtet. Mit<br />
Wie Wellen im Sturm (One, 2023, 446 S., 15 Euro)<br />
hat Alicia Zett 2023 einen aufrüttelnden Coming-of-<br />
Age-Roman geschrieben, der diese zwei Welten miteinander<br />
vereint. Nun wurde ihr Roman von Apple<br />
Book zum besten Jugend -<br />
buch des Jahres gekürt. In<br />
ihrem Roman sucht die 16-<br />
jährige Louise nach Halt. Sie<br />
ist allein, flüchtet sich in die<br />
Literatur. Als sie ins Fuß ball -<br />
team ihres Internats eintritt,<br />
findet sie endlich An schluss<br />
– und Liebe. Der Fuß ball<br />
wird zum Sprung brett für eine<br />
einfühlsame Ge schichte über<br />
queere Liebe, Selbstfindung<br />
und Freundschaft. fe<br />
24. 9. 2023–<br />
14. 1. <strong>2024</strong><br />
<strong>kulturnews</strong> | 39<br />
www.ludwiggalerie.de | Tel. 0208 41249 28
4Teens<br />
Doch<br />
nicht<br />
aus?<br />
Nick feilt an seinem Outing, und Charlie kämpft mit einer<br />
Essstörung. Während Nick und Charlie in der seit dem<br />
Sommer verfügbaren zweiten Staffel der Netflix-Verfilmung<br />
noch mit der Schule nach Paris fahren, wollte die britische<br />
Jugendbuchautorin und Illustratorin Alice Osman ihre<br />
Web comic-Vorlage mit Heartstopper – Volume 5 (Loewe,<br />
2023, 336 S., 9,99 Euro) nun eigentlich zu einem Ab -<br />
schluss bringen. Entscheidet sich Nick nach seinem Schul -<br />
abschluss wirklich für eine Uni weit weg von Charlie? Wir<br />
verraten hier nichts, können aber dennoch eine Ent -<br />
warnung geben: Osman wird sich von den beiden Helden<br />
doch nicht so schnell trennen und noch einen sechsten<br />
Band nachlegen. cs<br />
Foto: Sapienship<br />
Wieso,<br />
weshalb, warum?<br />
Als Historiker ist Yuval Noah Harari ein Superstar, sein Buch „Eine kurze<br />
Geschichte der Menschheit“ ein globaler Bestseller, der nichts Geringeres als<br />
Herkunft und Zukunft unserer Spezies verständlich machen will. Mit einer neuen<br />
Reihe bereitet Harari seine Thesen nun kindgerecht auf, um auch die nächste<br />
Generation an seinem Wissen teilhaben<br />
zu lassen. Im zweiten Band<br />
Warum die Welt nicht fair ist (dtv,<br />
2023, 208 S., 20 Euro, Aus d.<br />
Engl. v. Birgit Niehaus) widmet sich<br />
Harari genau dieser Frage: Warum<br />
gibt es arm und reich, mächtig und<br />
machtlos – und was können wir<br />
dagegen tun? Die Antworten, die er<br />
gibt, sind dabei nicht nur für Kinder<br />
relevant. mj<br />
Foto: Wild Bunch Germany<br />
Eine ganz besondere Freundschaft<br />
Der elfjährige Mahito lebt in Tokio bei seiner Mutter, als im Zweiten Weltkrieg die Stadt<br />
bombardiert wird und die Mutter stirbt. Mahito zieht zu seinem Vater und dessen neuer<br />
Frau aufs Land, wo er mit seinem Verlust klarkommen muss. Da entdeckt er einen<br />
Graureiher und baut eine besondere Beziehung zu dem Vogel auf: Der Graureiher lehrt<br />
ihn, mit dem Leben klarzukommen. Regisseur Hayao Miyazaki hat mit Der Junge und<br />
der Reiher einen Teil seiner eigenen Biografie verfilmt, indem er die Beziehung zu seinem<br />
Vater verarbeitete. In Japan und Frankreich bereits ein Sensationserfolg, startet der<br />
Anime-Film am 4. 1. 24 in den deutschen Kinos. jw<br />
Anders als glücklich<br />
Eine Warnung vorweg: Der ab 14 Jahren em -<br />
pfohlene Roman Alle Farben grau (Fischer KJB,<br />
2023, 272 S., 15 Euro) von Martin Schäuble thema -<br />
tisiert den Suizid eines Jugendlichen. Paul gilt in<br />
seinem Umfeld einfach als ein sehr eigenwilliger 16-<br />
Jähriger, doch plötzlich warten die Ärzte mit einer<br />
Diagnose auf: Asperger-Syndrom, kombiniert mit einer<br />
Depression. Und während Paul nach dem Klinik -<br />
aufenthalt den Eltern und seinen Freunden vortäuscht,<br />
es gehe ihm wieder besser, plant er bereits<br />
seinen Selbstmord … Schäuble verzichtet in dem<br />
auf einem wahren Fall basierenden Roman auf ge -<br />
fährliche Effekthascherei. Indem er sehr sensibel<br />
und aus verschiedenen Perspektiven das Thema<br />
durchleuchtet, entlarvt er Klischees und Verein -<br />
fachungen. cs<br />
40 | <strong>kulturnews</strong>
4Teens<br />
Rap auf Augenhöhe<br />
Foto: Universal Music<br />
Hinter dem rappenden Nashorn Dikka steckt mit Simon Müller-Lerch<br />
alias Sera Finale nicht nur einer der erfolgreichsten Songwriter des<br />
Landes, der mittlerweile an knapp 50 Gold- und 30 Platinalben mitgearbeitet<br />
hat, sondern vor allem eine Idee: Als Vater war Sera Finale<br />
die meiste Kindermusik stets ein Dorn im Auge, zu bevormundend und<br />
von oben herab. Wieso also nicht einfach selbst Kindermusik auf Augen -<br />
höhe produzieren? Inzwischen ist Dikkas Renommee beispiellos, und<br />
Raplegenden wie Sido und Kool Savas und Popstar Mark Forster<br />
kolla borieren auf seinen Alben. Da dürfte es auf der anstehenden<br />
Open-Air-Tour doch sicher auch ein paar Special Guests geben. fe<br />
LIVE 15. 6. Berlin | 30. 6. Dresden | 14. 7. Erlangen<br />
18. 8. Monheim am Rhein | 19. 8. Dinslaken<br />
Marc-Uwe Kling<br />
Foto: Sven Hagolani<br />
Eigentlich muss man sofort seine Töchter nennen: Johanna und Luise<br />
sind Zwillingsschwestern, die sich ursprünglich bei ihrem Vater um<br />
ein Praktikum bewarben, weil sie Schriftstellerinnen werden wollen.<br />
Doch dann wurde daraus die Idee, gemeinsam ein Buch zu schreiben.<br />
Wie alle drei in einem Interview erzählten, entstanden Grund -<br />
züge des Romans Die Spurenfinder beim gemeinsamen Tisch -<br />
tennisspielen. Dass der Roman halb Fantasy, halb Detektiv geschichte<br />
wurde, liegt auch an Johannas und Luises Vorlieben. Sie sind gleicher -<br />
maßen Fans von „Herr der Ringe“ und „Sherlock Holmes“. In „Die<br />
Spurenfinder“ sind übrigens Zwillingsschwestern die Heldinnen … jw<br />
<strong>kulturnews</strong> | 41
Buch<br />
Foto: Tonje Thilesen<br />
Warum der namenlose Ich-Erzähler nach 26 Jahren in den<br />
USA wieder in sein afrikanisches Heimatland südlich der<br />
Sahara zurückkehrt, weiß er selbst nicht. „Morgens bekam<br />
ich einen Anruf, man sagte mir, ich solle ein Flugzeug nehmen.“<br />
Kaum in der Luft, wird die Szenerie noch grotesker:<br />
Auf dem Platz neben ihm sitzt ein toter Mann. Und so nimmt<br />
die surreale Farce ihren Lauf. Auf der Suche nach seinem im<br />
Sterben liegenden Bruder macht der Protagonist in Maya<br />
Binyams Debüt roman „Galgenmann“ die beklemmende<br />
Erfahrung der völligen Entfremdung. Während er fremdgesteuert<br />
und teilnahmslos durch skurrile Begegnungen mit<br />
Taxifahrern, Straßenhändlern, Entwicklungshelfer:innen und<br />
Familienmitgliedern stolpert, verliert er zunehmend nicht nur<br />
die Kontrolle über das Geschehen, sondern auch über sich<br />
selbst und seinen Körper – bis sich schließ lich das Rätsel löst.<br />
Doch ist der Plottwist eher zweitrangig. Umso dringlicher sind die<br />
politischen Einlassungen zu Dias pora, Rassismus und der<br />
Ignoranz des globalen Nordens und seinem heuchlerischen<br />
Helfersyndrom. fe<br />
Maya Binyam „Galgenmann“<br />
Aufbau, 2023, 220 S., 22 Euro<br />
Aus d. Engl. v. Eva Kemper<br />
42 | <strong>kulturnews</strong>
Szene<br />
Abb: Adrian Pourviseh/Avant<br />
Wir alle wissen, was im Mittelmeer passiert,<br />
aber innerhalb der Festung Europa ist es<br />
einfach, die Augen davor zu verschließen.<br />
Mit dem autobiografischen Bericht „Das<br />
Schimmern der See“ (Avant, 2023, 224 S.,<br />
26 Euro) sprengt Adrian Pourviseh, der als<br />
Teammitglied auf der Sea-Watch 3 Menschen<br />
vor dem Ertrinken gerettet hat, diese Grenze:<br />
Indem er detailliert und schonungslos<br />
von den Rettungs -<br />
aktionen berichtet, macht er<br />
deutlich, welche unmenschliche<br />
Politik sie erst nötig macht –<br />
und dass sie das einzig mögliche<br />
Handeln sind.<br />
LITERATURTIPPS<br />
UND TERMINE<br />
Am 12. Januar feiert Haruki Murakami seinen 75. Geburts -<br />
tag – und an diesem Tag erscheint auch sein neuer Roman.<br />
Worum es in „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“<br />
(Dumont, <strong>2024</strong>, 640 S., 34 Euro) geht? Natürlich um eine<br />
verlorene Liebe, um die Suche nach dem Selbst und die<br />
Möglichkeit, Mauern zu überwinden.<br />
Es gibt nur wenige gute Gründe, das Buch mal beiseite zu<br />
legen – doch Puzzeln gehört dazu. Am 29. Januar wird der<br />
Internationale Tag des Puzzles gefeiert, und für diesem Tag<br />
hat sich Ravensburger natürlich viele Aktionen und<br />
Überraschungen überlegt, die im Laufe des Monats auf<br />
ravensburger.de enthüllt werden<br />
Foto: Julija Goyd<br />
Foto: Philipp von der Heyd<br />
„Das ewige<br />
elektrische<br />
koreanische<br />
Leben.“<br />
Für die teils seitenlangen Bandwurmsätze, die Maximilian<br />
Heckers Romandebüt „Lottewelt“ (Lektora, 2023, 248 S.,<br />
16 Euro) ausmachen, haben wir hier leider keinen Platz.<br />
Darin erzählt der Singer/Songwriter eine autobiografische<br />
Geschichte über unglückliche Liebe im Labyrinth von Seoul.<br />
Dazu bedient er sich einer Sprache, die sensibel und kitschig,<br />
nostalgisch und kreativ, überbordend und erstarrt zugleich<br />
daherkommt.<br />
Der Trost<br />
von Texten<br />
Das Jahr geht zu Ende, doch<br />
die Wunden, die 2023 hinterlassen<br />
hat, sind noch da –<br />
und die Kriege gehen weiter.<br />
Nach den schrecklichen Er -<br />
eignissen vom 7. Oktober hat<br />
der S.Fischer-Verlag im Hau -<br />
ruckverfahren das Buchprojekt<br />
„Worte in finsteren Zeiten“<br />
angeleiert: Für die Anthologie<br />
haben die vier Herausgeber:innen bei Autor:innen und<br />
Personen des öffentlichen Lebens angefragt, welche Texte<br />
ihnen Mut machen und sie trösten. Innerhalb von nur einer Woche ist so eine<br />
Sammlung entstanden, die uns dabei helfen will, durch die Feiertage zu kommen,<br />
und auch als Beistand für <strong>2024</strong> taugt – denn wer weiß schon, was da<br />
alles noch kommen mag. Antje Rávic Strubel (Foto) steuert etwa ein Gedicht<br />
der 2<strong>01</strong>4 verstorbenen finnischen Schriftstellerin Mirkka Rekola bei, James<br />
Baldwin wird sowohl von Julia Franck als auch von Necati Öziri zitiert, Daniel<br />
Speck und Klaus-Peter Wolf führen eigene Texte an, Andreas Reckwitz vertraut<br />
auf den Songtext „Both Sides now“ von Joni Mitchell, und Miko Sophie Kühmel<br />
betrachtet ein Panel des japanischen Manga-Zeichners Eiichiro Oda. cs<br />
Oliver Vogel/Sophie von Heppe/Maren Baier/Michael Reinfarth (Hg.)<br />
Worte in finsteren Zeiten<br />
S. Fischer, 2023, 256 S., 20 Euro<br />
<strong>kulturnews</strong> | 43
Literatur<br />
Nachdem er mitansehen<br />
musste, wie Polizisten seinen<br />
Partner Kai töten, kehrt Cam in<br />
seine Heimatstadt Houston zurück.<br />
Doch seinen ehemals besten Freund<br />
TJ kontaktiert er nicht, bei dessen<br />
Familie Cam nach dem Tod seiner<br />
Eltern aufgewachsen ist. Statt -<br />
dessen sucht er sich einen Job in<br />
einer Schwulenbar und betäubt<br />
seinen Schmerz mit Drogen und<br />
anonymen Dating-App-Sex. Bis der<br />
Jugendfreund eines Nachts in der<br />
Bar auftaucht und Cam überredet, zu seiner alten Pflegefamilie zurück -<br />
zukehren und wieder in der Bäckerei von TJs Mutter zu arbeiten.<br />
Foto: Dailey Hubbard<br />
Kochen und ficken<br />
Was macht eigentlich Jonathan Franzen? Den großen Familienroman fürs<br />
Jetzt legt jedenfalls Bryan Washington vor.<br />
›<br />
dem HIV-positiven, vor seiner Mutter aber ungeoutetem TJ kehrt Kai von<br />
den Toten zurück, um seine Geschichte zu erzählen. Sie alle haben<br />
Traumata aus der Vergangenheit zu überwinden, und obwohl in „An<br />
einem Tisch“ sehr viel und sehr aufwändig gekocht wird, müssen sie<br />
viele Hindernisse überwinden, bis sie beim gemeinsamen Essen auch<br />
aufrichtig miteinander sprechen. „Es ist unsere Verantwortung, uns<br />
umeinander zu kümmern.“ Wenn Cam diesen Satz gen Ende des<br />
Romans in einem Gespräch mit TJ äußert, ist<br />
das alles andere als ein Kalenderspruch. Es ist<br />
ein bewegender Moment in einem emotionalen,<br />
komplett kitschfreien und mit unaufgeregter,<br />
gegenwärtiger Sprache erzählten Roman über<br />
Familien und Wahlfamilien.<br />
Carsten Schrader<br />
Bryan Washington gilt als die LGTBQ-Stimme der Generation Z, und der<br />
30-jährige US-Amerikaner erzählt seinen zweiten Roman aus der<br />
Perspektive von drei schwulen Schwarzen Männern: Neben Cam und<br />
Bryan Washington An einem Tisch<br />
Kein & Aber, 2023, 368 S., 24 Euro<br />
Aus d. Engl. v. Werner Löcher-Lawrence<br />
Mundgerechtes Epos<br />
In Joanna Bators neuem Roman treffen wir auf<br />
vier Frauen – und kommen ihnen so nah wie<br />
sonst kaum einer Buchfigur: Urgroßmutter Berta,<br />
die schlesische Fleischerstochter, die den Betrug<br />
ihres Geliebten nicht verkraftet hat. Großmutter<br />
Barbara, die im Zweiten Weltkrieg in einem<br />
Waisenhaus aufgewachsen ist und ihr Leben<br />
lang von der Angst regiert wird, alles zu verlieren.<br />
Mutter Violetta, die im postkommunistischen Polen von endlosen<br />
Möglichkeiten träumt und sich nie mit der trüben Realität abfinden<br />
kann. Und Tochter Kalina, die deshalb von Barbara großgezogen wird –<br />
bis die aus zunächst unklaren Gründen verschwindet. Was ihre<br />
Ahninnen teils Monströses erlebt und getan haben und wie ein Trauma<br />
das nächste bedingt, teilt uns die Ich-Erzählerin häppchenweise mit:<br />
ein Kapitel für Berta, Barbara, Violetta, Kalina, dann wieder von vorn.<br />
„Bitternis“ ist einerseits eine mit Generationskonflikten und<br />
Nebenfiguren gespickte Familiensaga, in der sich darüber hinaus die<br />
polnisch-deutsche Geschichte spiegelt. Andererseits untergräbt die<br />
Autorin das typisch Epische der Gattung, indem sie den Großteil der<br />
Handlung in einer winzigen Dachwohnung spielen lässt und alltägliche<br />
Routinen haarklein ausbreitet, nur um haarsträubende Wendungen<br />
erzählerisch zu umtänzeln oder wie nebenbei abzukanzeln. An -<br />
gereichert mit düsterem Humor und ein bisschen Magie, entsteht so<br />
ein monumentaler, zugleich aber denkbar intimer Roman. mj<br />
Joanna Bator Bitternis<br />
Suhrkamp, 2023, 829 S., 34 Euro, Aus d. Poln. v. Lisa Palmes<br />
Wir-AG<br />
Leila, Britney, Jody, Hazel, Isabel und Christian<br />
sind eine Teenagerclique, wie sie im Buche<br />
steht: Sie sind ein Wir, teilen sich alles, selbst<br />
ihren Traum vom glamourösen Leben in Los<br />
Angeles. Ihre Mütter, die meisten von ihnen<br />
scheinen alleinerziehend zu sein, vertreiben<br />
sich ihre Zeit lieber mit Alkohol und Tratsch,<br />
und so streifen die 13-Jährigen vollgepackt mit<br />
Sehnsüchten durch die sengende Hitze im trostlosen Falls Landing,<br />
Florida, umringt von sumpfigen Seen, biederen Freizeitparks und<br />
sterilen Shoppingmalls. Doch als ihr großes Vorbild Sammy, die<br />
beliebte, schöne Tochter des Priesters, spurlos verschwindet, gerät<br />
ihre Cliquendynamik aus dem Gleichgewicht. Und während die<br />
Erwachsenen noch auf der Suche nach Sammy sind, bahnt sich die<br />
Sprache von Dizz Tates Roman ihren Weg vom amorphen Wir zum Ich.<br />
„Wir, wir, wir“ ist ein subtiler Roman über die erbarmungslose Ent -<br />
zauberung der Welt und darüber, wie diese auch noch Jahrzehnte<br />
später in uns nachhallt. So zoomt Tate in die erwachsenen Leben der<br />
damaligen Teenager, die heute selbst Mütter sind, im Verschwörungs -<br />
wahn festhängen oder Geld-, Alkohol- und psychische Probleme haben.<br />
War das alles bereits in Jugendjahren angelegt? Ohne je explizit werden<br />
zu müssen, demonstriert Tate, was für fatale Folgen schiefe Vorstell -<br />
ungen von Liebe, Sex und Geborgenheit haben können – und wie grausam<br />
einsam Erwachsenwerden sein kann. fe<br />
Dizz Tate Wir, wir, wir<br />
Ecco, 2023, 256 S., 24 Euro<br />
Aus d. Engl. v. Heike Reissig<br />
44 | <strong>kulturnews</strong>
Literatur<br />
Off-Theaterterror<br />
„Ich habe Schleyer nicht entführt“ heißt<br />
der neue Roman des Münchner Schrift -<br />
stellers Peter Probst. Es ist der dritte Teil der<br />
Trilogie über sein Teenager-Alter-Ego Peter<br />
Gillitzer. Probst erzählt Peters Leben in<br />
München rund um das Erreichen der<br />
Volljährigkeit in den Jahren 1976 und ’77.<br />
Seine Versuche, dem streng katholischen<br />
Elternhaus zu entkommen, führen Peter in<br />
einen ersten Job in einem Off-Theater,<br />
sporadisch agiert er auch in der Möchtegern-Widerstandstruppe<br />
„Neue Gruppe Tat“ mit. Gefördert wird der angehende Schriftsteller von<br />
dem reichen Erben Caspar aus der Nachbarschaft, der ihn mit Schrift -<br />
stellern wie Hubert Fichte bekannt macht. Aufgrund von Caspars<br />
sexuellem Begehren, das er wiederholt zurückweist, setzt sich Peter<br />
mit seiner eigenen Sexualität auseinander, doch bleibt diese Aus -<br />
einandersetzung ebenso rudimentär wie die mit dem RAF-Terrorismus<br />
der 1970er. Die literarische Verwebung des Zeitgeists mit einer durchgehenden<br />
Haltung des agierenden Helden bleibt der Roman schuldig. jw<br />
DER HENSCHELM<br />
Peter Probst Ich habe Schleyer nicht entführt<br />
Kunstmann, 2023, 350 S., 25 Euro<br />
Vom Blöken der Lämmer<br />
Mit „Schelmenroman“ hat Gerhard Henschel den zehnten Band seiner<br />
autobiografischen Familienromane veröffentlicht, aber nach dem Tod<br />
des Vaters im vorherigen Band löst sich der Begriff „Familienroman“<br />
doch stark auf. Diesmal stirbt mit Oma Jever eine weitere Bezugs -<br />
person – Henschels Alter-Ego Martin Schlosser lässt sie ein letztes Mal<br />
im Malefiz gewinnen. Viel wichtiger ist längst Henschels gesellschaftliches<br />
Umfeld der Neuen Frankfurter Schule und des Satiremagazins<br />
Titanic, in dessen Frankfurter Redaktion Schlosser inzwischen arbeitet.<br />
Schlosser geht Mitte der 90er keinem Konflikt aus dem Weg: Als er<br />
gemeinsam mit Wiglaf Droste den Sommerkrimi „Der Barbier von Bebra“<br />
in der taz vorveröffentlicht, kommt es zur Besetzung der Redaktions -<br />
räume und einem Boykottaufruf gegen die taz. Das war Cancel Culture,<br />
ohne dass der Begriff gefallen wäre, und ohne Opfergebaren: Sie war<br />
eine Würdigung. Schlosser berichtet von weiteren Skandalen aus<br />
seinem Umfeld: Lesungen von Wiglaf Droste werden von Männer -<br />
gruppen sabotiert, ebenso Veranstaltungen der Essayistin Katharina<br />
Rutschky von Kinderschützern. Henschel hat die damaligen Zustände<br />
treffend analysiert – mit Buchtiteln wie „Das Blöken der Lämmer. Die<br />
Linke und der Kitsch“ und – gemeinsam mit<br />
Klaus Bittermann – „Das Wörterbuch des<br />
Gutmenschen. Zur Kritik der moralisch korrekten<br />
Schaumsprache“. „Schelmenroman“ dokumentiert<br />
somit den Beginn von Henschels<br />
Wirkmächtigkeit als Essayist und Schriftsteller,<br />
und auch die Zusammenarbeit mit Eckhard<br />
Henscheid kündigt sich an. jw<br />
Gerhard Henschel Schelmenroman<br />
Hoffmann & Campe, <strong>2024</strong>, 608 S., 26 Euro<br />
<strong>kulturnews</strong> | 45<br />
PRESSEFREIHEII<br />
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ENLOS<br />
DER PODCAST VON<br />
Jetzt überall<br />
hören, wo<br />
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Podcastss<br />
gibt!<br />
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ioletta ltt Savch<br />
hits
Krimi<br />
Babylon Westberlin<br />
Das Autorentrio Lutz Wilhelm Kellerhoff legt<br />
Korruption und Klüngelei in Westberlin offen –<br />
und zeigt, wie aufkommende Probleme einfach<br />
im Osten entsorgt wurden …<br />
›<br />
Nicht arm, aber sexy: Die Westberliner Architektin Barbara „Bibi“<br />
Albrecht zieht im zeitgemäßen orangenen Jumpsuit der beginnenden<br />
1970er lüsternde Blicke auf sich. Ob auf der Baustelle ihres neuen<br />
Prestigeobjekts oder auf dem Titel der Bunte: Sie gibt den steilen Zahn.<br />
Konkurrenz wie bürokratische Hindernisse versteht sie wegzubeißen.<br />
Dafür sorgen auch die Tête-à-têtes mit Senatsbaudirektor Borowski in einer<br />
Suite des Kempinski. Doch ein unbekannter toter Mann in der Baugrube<br />
ihres geplanten Ku’damm-Karrees wird für sie zum Imageproblem. Auf<br />
solche Fälle hat Kommissar Wolf Heller keinen Bock mehr. Nach dem<br />
Tod seiner Frau will er sich mehr um seine beiden Kinder kümmern und<br />
haut die Kündigung auf den Tisch. Natürlich kommt er nicht so leicht<br />
davon: Ein tödlich verlaufener Streit zwingt ihn, diskret eine Leiche verschwinden<br />
zu lassen und erst mal unauffällig weiterzumachen. Welche<br />
Spuren seine neue Kollegin Vera Jung aus Bonn allerdings verfolgt und<br />
ob er ihr trauen kann, ist ihm nicht klar. Das Autorentrio Martin Lutz,<br />
Uwe Wilhelm und Sven Felix Kellerhof legt mit dem dritten Band seiner<br />
Serie wieder einen allerfeinsten BRD/DDR-Thriller vor. Vor dem Hinter -<br />
grund realer Ereignisse werden ein Toter und Westberliner Wohlstands -<br />
müll im nahen Osten des zweigeteilten Deutschlands entsorgt und<br />
jemand mit pikanten Fotos erpresst. Auch Bibi gerät weiter unter Druck,<br />
als ihre Tochter mit einem Möchtegern-Revoluzzer aufkreuzt und sich das<br />
Blut auf dem Berberteppich nicht verbergen lässt. Wer wird sich da die<br />
Finger verbrennen?<br />
Nils Heuner<br />
Lutz Wilhelm Kellerhoff Die Patin vom Ku’damm<br />
Ullstein, 2023, 320 S., 15,99 Euro<br />
+++ Mehr davon: Die Tote im Wannsee (2020) | Teufelsberg (2021)<br />
Foto: Gerald von Foris<br />
KRIMIKLASSIKER NEU ENTDECKT<br />
Einfach die Klappe halten<br />
Zupacken und machen – dann kommt der Erfolg von ganz alleine:<br />
Davon ist der gewiefte Gebrauchtwagenhändler Richard<br />
Hudson überzeugt. Beruflich wie privat vertraut er auf seinem<br />
Instinkt, dem er selbstsüchtig und skrupellos folgt und sich<br />
dabei auf seine manipulative wie verschlagene Art verlässt.<br />
In den 1950er-Jahren führt ihn sein Weg von San Francisco<br />
nach L.A., nachdem er mit einem übernommenen Autopark<br />
einen fetten Gewinn abgesahnt hat. Hudson setzt bereits zum<br />
nächsten Karrieresprung an: ein eigener Film, den er mit Starthilfe seines Stiefvaters<br />
Leo produzieren will. Dazu kehrt er zurück zu seiner Mutter, die mit ihren Ballett -<br />
künsten noch immer große Faszination auf ihn ausübt. Der bullige Hudson wagt<br />
sogar einen spontanen Tanz mit ihr. In gnadenloser Selbstüberschätzung traut er sich<br />
eben einfach alles zu. So lebt er seine Kreativität aus und kommt der Verwirklichung<br />
des amerikanischen Traums von Erfolg und Ruhm tatsächlich näher. Nebenbei<br />
vernascht er hemmungslos Frauen jeglichen Alters – nur um sie anschließend gelangweilt<br />
fallen zu lassen. Seine wild pubertierende Stiefschwester Becky erlebt ein überschnelles<br />
erstes Mal, seine Sekretärin wird gleichgültig geschwängert. In seinem<br />
Noir aus dem Jahr 1960 treibt Charles Willeford die Fallhöhe genüsslich immer weiter<br />
nach oben – um Hudson dann natürlich abstürzen zu lassen. Als die Filmfirma seine<br />
Drehbuchideen sabotiert, merkt der Möchtegern-Filmemacher, dass er nicht alles<br />
erreichen kann. Er versucht, sich an der ungerechten Welt zu rächen … Stilistisch<br />
komponiert Willeford seinen Roman filmgemäß mit Überblendungen, Schnitten und<br />
Montagen – bis hin zum titelgebenden Filmriss, durch den Hudson als tragisches<br />
Opfer einer verhängnisvollen Selbsttäuschung letztlich zum bizarren Schlussbild seines<br />
eigenen Films wird … nh<br />
Charles Willeford Filmriss<br />
Pulpmaster, 2023, 224 S., 15 Euro, Aus d. Engl. v. Sepp Leeb<br />
„Schlag zu, Lamb.<br />
Komm schon! Nur einmal.<br />
Tu’s für mich.“<br />
„Ich schlage keinen<br />
Gefesselten.“<br />
„Das ist die billigste<br />
Therapiestunde ever.“<br />
Die junge Polizistin Lamb hat durch Binchley<br />
ihren Job verloren. Jetzt sitzt das überhebliche<br />
Hackergenie einer Motorradgang hilflos vor ihr<br />
und Detective Hoskins. Rache wäre da leicht,<br />
doch sind sie auf Binchleys Fähigkeiten angewiesen,<br />
um die seit zwei Jahren vermisste Tilly<br />
zu finden. Deren Eltern sind in ein Institut für<br />
Forensik eingedrungen, halten Geiseln fest und<br />
drohen damit, wertvolle Beweise für ungeklärte<br />
Fälle zu vernichten. So zwingen sie die Polizei,<br />
den Cold Case um ihre Tochter endlich aufzuklären.<br />
Die australische Autorin Candice Fox fesselt<br />
mit einem rasanten Thrillerplot – und wirft dabei<br />
Fragen zu Moral und Ethik auf.<br />
Candice Fox<br />
Stunde um Stunde<br />
Suhrkamp, 2023,<br />
476 S., 18 Euro<br />
Aus d. Engl. v. Andrea O’Brien<br />
46 | <strong>kulturnews</strong>
Simsahrabim<br />
Vermutlich gibt es einige Menschen,<br />
die Sahra Wagenknecht auf den Mond<br />
schießen wollen. Aber auch Aliens, die sie<br />
dorthin entführen? Da steht ihr verzweifelter<br />
Oskar im Büro von Emma Erdling und bittet,<br />
Sahra aus der Gewalt von Außerirdischen zu<br />
befreien. Echt jetzt? Eigentlich wollte die<br />
Pseudodetektivin nie wirklich Fälle lösen, sondern<br />
sich nur auf Social-Media wichtig tun. Aber<br />
da eh nichts real ist, wenn man meist<br />
virtuell unterwegs ist, kann man es ja probieren.<br />
Doch erst mal ins neue Antiquariat: Prompt landet<br />
sie dort im München der 1920er, als sie sich<br />
in dem Gebäude verirrt. Wo ein Wille ist, ist auch<br />
ein Wurmloch. Und das ist nur der Anfang einiger<br />
Raumkrümmungen, die Emma zusammen mit<br />
ihrer dubiosen Bekanntschaft Angelika quer<br />
durch die deutsche Geschichte und galaktische<br />
Welten wirbeln. Da parkt der Mietwagen schon<br />
mal in der Zukunft oder ist Keplers Mond nur<br />
eine Tür von der Berliner Philharmonie entfernt.<br />
Wo sind wir da nur rein geraten? Keineswegs in<br />
H A R D B O I L E D H I G H L I G H T<br />
#1/<strong>2024</strong><br />
Krimi<br />
einem schnöden Krimi. Emma Braslavsky wischt<br />
alle Genres fort und beamt uns in den anspruchsvollsten<br />
Nonsens seit langem.<br />
Sahra taucht auch wieder auf –<br />
aber wird sie recht zeitig zur<br />
Partei grün dung wieder Boden -<br />
haftung bekommen? nh<br />
Emma Braslavsky Erdling<br />
Suhrkamp, 2023,<br />
425 S., 26 Euro<br />
Foto: Heike Steinweg/Suhrkamp Verlag<br />
© Aaron Richter<br />
Foto:<br />
Clem ency<br />
Burton-Hill<br />
NEUES AUS MORDDEUTSCHLAND<br />
Späte Reue<br />
Was sich in Hamburg-Och sen -<br />
werder auf abgelegenen Ge -<br />
höften abspielt, will man sich<br />
nicht vorstellen. Erst recht nicht,<br />
wenn im Winter wieder Krähen<br />
tot vom Himmel fallen und nach<br />
einem Brand der Georg vom Schwarzackerhof tot<br />
daniederliegt. Das mit den Krähen war wieder<br />
mal der Walter mit seiner Flinte, aber trotz jahre -<br />
langem Bruderzwist würde er nie mutwillig bei<br />
Georg am Reetdach zündeln. Oder etwa doch?<br />
Da die ehemalige Kriminal kommis sarin Bette<br />
Hansen immer noch nah bei den wortkargen<br />
Menschen der Gegend ist, lässt sie der Fall nicht<br />
los. Trotz ihrer Narkolepsie, durch die sie von<br />
plötzlichen Einschlaf attacken geplagt wird, hält<br />
sie die Augen offen – und entdeckt Hin weise, die<br />
wie ein böser Traum erscheinen. Nora Luttmer<br />
lässt uns aus verschiedenen Blickwinkeln die<br />
Er eignisse miterleben und Schritt für Schritt<br />
zusammenfügen. Dabei schlittert man wie auf<br />
den vereisten Äckern im Vier- und Marsch lande<br />
hin und her, bis schließ lich die verstörende<br />
Familien ge schichte sichtbar wird. Doch driftet die<br />
zu rück in den Nebel, weil ein wichtiges Be weis -<br />
stück in der dunklen Dove-Elbe versinkt … nh<br />
Nora Luttmer<br />
Schwarzacker<br />
Rowohlt, 2023, 400 S., 14 Euro<br />
Späte Rache<br />
Was sich in Hamburg-Altona<br />
hinter verschlossenen Türen<br />
abspielt, will man sich nicht<br />
vorstellen. Erst recht nicht,<br />
wenn ein irrer Serientäter<br />
seine ausgewählten Opfer<br />
heimsucht und ihnen durch fiese Folterspiele<br />
einen langsamen Tod bereitet. Dem LKA<br />
präsentiert sich nach und nach ein ideenreiches<br />
Grusel-Portfolio: Ein Opfer wurde bewegungsunfähig<br />
ans Bett fixiert und ist elendig ver -<br />
durstet, eins durch Zwangsmedikation qualvoll<br />
vergiftet, eins dem Kältetod in seiner Bade -<br />
wanne ausgesetzt und eins im eigenen<br />
Hobbykeller am Schraubstock der Werkbank<br />
eingequetscht. Im zweiten Band der schaurigschönen<br />
Serie ermittelt Thies Knudsen wieder<br />
zusammen mit Kollegin „Dörte Harry“ Eichhorn,<br />
der „Spusi“ Dierks und dem pensionierten „La<br />
Lotse“ Oke Andersen, der den Kleingauner Morf<br />
Pörksen im Schlepp hat. Klar ist, hier rächt sich<br />
jemand an ehemaligen Mit arbeitern einer<br />
psychiatrischen Kinderklinik. Was in dieser bis<br />
in die 1970er geschah, ist genauso erschütternd<br />
wie die Tatsache, dass es solche Verbrechen in<br />
naher Vergan gen heit wirklich gegeben hat ... nh<br />
Kester Schlenz u. Jan Jepsen<br />
Der Schattenmann<br />
btb, 2023, 352 S., 16 Euro<br />
<strong>kulturnews</strong> | 47<br />
Auch als eBook<br />
Die W under der klassischen<br />
Musik sind unerschöpflich.<br />
Das stellt die Violinistin<br />
Clemency Burton-Hill mit<br />
dem zweiten Band ihres<br />
gefeierten Musikkalenders<br />
ein weiteres Mal unter<br />
Beweis. Das beste Geschenk<br />
für alle Musikliebhaber.<br />
Mehr unter: diogenes.ch/<br />
einjahrvollerwundernder<br />
Diogenes
Kultur<br />
EVA KARL-<br />
FALTERMEIER<br />
UTA<br />
KÖBERNIC<br />
K<br />
Foto: Linda Kohl Foto: Mirco Rederlechner<br />
Foto: © Negah Amiri<br />
NEGAH AMIRI<br />
TOURNEEN Frauen im Entertainment starten auch im neuen Jahr wieder gut durch. Okay, Uta Köbernick „geht’s ruhig<br />
an“ (Programmtitel), und zwar im Januar noch ohne Termine, aber schon im Februar reist die Musikkabarettistin (2022<br />
erhielt sie den Kabarettpreis Eddi) nach Asperg, Frankfurt und Singen und im März nach Stuttgart und Saarbrücken.<br />
Freuen kann sich Negah Amiri, die 2023 den Nachwuchspreis des Deutschen Comedypreises erhielt: „Megah gut!“ heißt<br />
nicht nur das Programm der Comedian, mit dem sie ständig unterwegs ist, sondern auch ihr Ausruf angesichts ihres<br />
Doppels mit Carolin Kebekus, mit der sie am 30. Mai in Leverkusen in einer „Double-Show“ auf der Bühne stehen wird.<br />
Eva Karl-Faltermeier hat erst jüngst den Thüringer Kleinkunstpreis erhalten und ist in vielen Städten mit ihrem Programm<br />
„Taxi. Uhr läuft“ unterwegs. Die Kabarettistin weiß vor allem mit ihrer oberpfälzer Laune zu beeindrucken, die sich immer<br />
und sofort spürbar aufs Publikum überträgt. jw<br />
48 | <strong>kulturnews</strong>
Highlights<br />
Die Zauberkraft der Musik<br />
Foto: © Alegria Konzert / Martin Zemp<br />
MISCHA KUBALL<br />
light_poesis<br />
21.10.23-18.02.24<br />
SKULPTUREN-<br />
PARK<br />
WALDFRIEDEN<br />
in WUPPERTAL<br />
Ob in der spektakulären Theaterinszenierung in Hamburg, zu Hause<br />
beim Blu-ray-Binge-Wochenende oder beim ganz gemütlichen<br />
Wieder lesen der Bücher: Harry Potter ist auch zwölf Jahre nach seinem<br />
letzten Kinofilm ein Hit auf allen Kanälen. Jetzt kommt die<br />
Filmmusik mit bespielter Leinwand zurück, wobei in unterschiedlichen<br />
Städten unter dem Titel Harry Potter in Concert unterschiedliche<br />
Film musiken gespielt und unterschiedliche Filme gezeigt werden<br />
– näheres finden Sie gleich untenstehend.<br />
Harry Potter und der Gefangene von Askaban<br />
6. + 7. 1. 24 Dresden<br />
Harry Potter und der Halbblutprinz 1.–3. 3. 24 München<br />
Harry Potter und der Orden des Phönix 8.–10. 3. 24 Luzern<br />
Harry Potter und die Kammer des Schreckens<br />
23. + 24. 3. 24 Frankfurt<br />
Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal<br />
www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />
„Popliteratenpack!“<br />
Foto: Thomas Nitz<br />
Der alte weiße Mann des Musik -<br />
kabaretts hat jüngst gemeinsam<br />
mit Benedikt Eichhorn den<br />
Kabarettpreis Eddi gewonnen,<br />
doch jetzt soll Thomas Pigor als<br />
Schriftsteller vorgestellt werden.<br />
„La Groete“ heißt sein vor kurzem<br />
erschienener Roman, in<br />
dem Pigor bereits in der Vorrede<br />
gegen das „Popliteratenpack“<br />
der 1990er Jahre sowie gegen<br />
die „Coming-of-Age-Apostel“<br />
schießt, die nur in eines können:<br />
aus der Position der ersten<br />
Person singular schreiben.<br />
+++ Noch mehr Filmmusik: The Sound of James Bond geht auf<br />
Tour und wird am 10. 12. in Wien gespielt, um gleich im neuen Jahr am<br />
2. 1. 24 in Köln aufzuspielen und dann am 12. und 13. 1. 24 nach<br />
München zu gehen. Weitere Termine sind Luzern am 2. und 3. 5. sowie<br />
Lousanne am 4. Mai. Wenn Komponisten auf Strecke einen größeren<br />
Namen haben als die Filme, für die sie die Musik beisteuerten, heißt<br />
der Konzertabend The Sound of Hans Zimmer & John Williams. Die<br />
Termine: 26. 2. 24 Hannover, 1. + 2. 3. Frankfurt, 3. 3. Mannheim,<br />
4.–6. 3. München, 13. 3. Hamburg, 14. + 21. 3. Berlin, 30. 3.<br />
Dresden, 1. 4. Nürnberg, 2. + 3. 4. Wien, 3. + 4. 4. Luzern, 8. 4.<br />
Düsseldorf, 9. 4. Stuttgart, 10. 4. Dortmund, 16. 4. Köln, 17. 4. Essen,<br />
19. 5. Regensburg +++<br />
20.10.2023 –<br />
1.4.<strong>2024</strong><br />
Schloss Gottorf<br />
www.schloss-gottorf.de<br />
Yinka Shonibare CBE, Addio del Passato, 2<strong>01</strong>1, Digital Video (film still). Courtesy the artist, Stephen Friedman Gallery, London and James Cohan Gallery, New York. © Yinka Shonibare CBE / VG Bild-Kunst, Bonn 2023<br />
49| <strong>kulturnews</strong>
Kunst<br />
Raus zur Kunst<br />
Foto: VG Bild-Kunst Bonn 2023 | Foto: Anna Schwartz<br />
Foto: Nicolas Wefers<br />
Im Skulpturenpark Waldfrieden in<br />
Wuppertal sind noch bis 18. Februar die<br />
eigens für den Park konzipierten Lichtund<br />
Spiegelinstallationen „Light_poesis“<br />
von Mischa Kuball zu sehen.<br />
Der Konzept künstler verbindet Innenund<br />
Außenraum, Tag und Nacht sowie<br />
Mensch, Natur und künstliche<br />
Umgebung miteinander. Er lenkt den<br />
Fokus auf zentrale Sinnfragen, lässt uns<br />
soziale Handlungsweisen hinter fragen<br />
und politische wie naturwissenschaftliche<br />
Diskurse führen. Ideal, um in besinnlichanregender<br />
Umgebung zum Jahresende<br />
die vergangen zwölf Monate ein wenig<br />
zu reflektieren.<br />
Foto oben: Mischa Kuball,<br />
rotating mirror_horizontal, 2023<br />
Skulpturenpark Waldfrieden<br />
Foto: Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen<br />
Weihnachtsspaziergänge gehören zum Fest<br />
wie Geschenke und Glühwein. Wie wäre es,<br />
den entspannenden Gang in die winterliche<br />
Natur mit Kunstgenuss zu verbinden?<br />
Wir haben ein paar Tipps für Sie.<br />
Der Skulpturenpark Schloss Gottorf auf der Schleswiger Schlossinsel<br />
präsentiert um das prächtige barocke Bauwerk herum mehr als 50<br />
figürliche und ungegenständliche, teilweise monumentale Werke der<br />
Bildhauerkunst vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.<br />
Foto unten: Jörg lmmendorff: Malerstamm - Constantin, 2002, Bronze,<br />
120x30x40cm ca. 60 kg © Estate of Jörg Immendorff, Courtesy<br />
Galerie Michael Werner Berlin, Köln & New York<br />
Texte: vs<br />
Die Kunst<br />
der Botanik<br />
Foto: Philipp Meuser<br />
HAMBURG Jetzt ist noch einmal Zeit, sich Pflanzen auf eine ganz<br />
andere Weise anzusehen. Bis 21. Januar läuft in den Deichtor -<br />
hallen Kathrin Linkersdorff. Works. Die Künstlerin (*1966) enthüllt<br />
mit ihren großformatigen, zwischen Kunst und Wissenschaft<br />
liegenden Fotografien unsichtbare Welten aus der Botanik, die dem<br />
bloßen Auge verborgen bleiben, und beleuchtet das komplexe<br />
Zusammenspiel von Werden und Vergehen in der Natur. Dabei<br />
hält sie sich an das japanische Konzept von Wabi-Sabi: Ver gäng -<br />
lichkeit und Unvollkommenheit sind integrale und sogar schöne<br />
Teile des Lebens. Zum Jahresende eine tröstliche Vorstellung.<br />
50 | <strong>kulturnews</strong>
Kunst<br />
DEICHTORHALLEN<br />
HAMBURG UND FOTOGRAFIE<br />
INTERNATIONALE KUNST<br />
MIT FREUNDLICHER<br />
UNTERSTÜTZUNG<br />
GEFÖRDERT AUS DEM<br />
AUSSTELLUNGSFONDS<br />
OTTO DIX<br />
SELBSTBILDNIS MIT PALETTE VOR<br />
ROTEM VORHANG, 1942, KUNST-<br />
MUSEUM STUTTGART, ERWORBEN<br />
MIT UNTERSTÜTZUNG DER ERNST<br />
VON SIEMENS KUNSTSTIFTUNG<br />
UND DER WÜSTENROT STIFTUNG,<br />
GENEHMIGT DURCH DIE OTTO<br />
DIX STIFTUNG, VADUZ,<br />
© VG BILD-KUNST BONN, 2023<br />
DIX UND<br />
DIE GEGENWART<br />
30. SEPTEMBER 2023 – 25. FEBRUAR <strong>2024</strong><br />
HALLE FÜR AKTUELLE KUNST<br />
MIT FREUNDLICHER<br />
UNTERSTÜTZUNG<br />
Der Städel Garten des Frankfurter Museums bietet mit Blick auf die Frankfurter Skyline<br />
14 Skulpturen aus dem eigenen Bestand, darunter Werke von Georg Kolbe, Reg Butler,<br />
Per Kirkeby und Tobias Rehberger die Entwicklung der Bildhauerei in den letzten<br />
100 Jahren. Auch sehenswert: „Sunrise. East“ mit Ugo Rondinones zwei Meter hohen<br />
Skulpturenköpfen in silbern glänzendem Aluminium.<br />
Foto: Städel Museum – Norbert Miguletz<br />
CINDY SHERMAN,<br />
UNTITLED #462,<br />
2007/2008,<br />
PRIVATSAMMLUNG<br />
EUROPA<br />
© CINDY SHERMAN,<br />
COURTESY THE<br />
ARTIST AND<br />
HAUSER & WIRTH<br />
FREIER<br />
EINTRITT<br />
JEDEN<br />
SA & SO<br />
12 – 17<br />
UHR<br />
Die Ausstellung wird von der Staatsgalerie Stuttgart in Zusammenarbeit<br />
mit Cindy Shermans Studio in New York und ihrer Galerie Hauser & Wirth<br />
realisiert und anschließend im FOMU – Fotomuseum Antwerpen gezeigt.<br />
CINDY SHERMAN<br />
ANTI-FASHION<br />
7. OKTOBER 2023 – 3. MÄRZ <strong>2024</strong><br />
SAMMLUNG FALCKENBERG, HAMBURG/HARBURG<br />
Weitere sehenswerte<br />
Ausstellungen<br />
FRANKFURT, Städel: Miron Schmückle – Flesh for Fantasy<br />
1. 12.–14. 4. 24<br />
BONN, Bundeskunsthalle: Anna Oppermann. Eine Retroperspektive<br />
13. 12.–1. 4. 24<br />
MÜNCHEN, Lenbachhaus: Günter Fruhtrunk. Die Pariser Jahre (1954–1967)<br />
21. 11.–7. 4. 24<br />
BONN, Kunstmuseum: Günter Fruhtrunk, Retrospektive 1952–1982<br />
16. 11.–10. 3. 24<br />
ESSEN, Museum Folkwang: Wir ist Zukunft – Visionen neuer Gemeinschaften<br />
24. 11.–17. 3. 24<br />
KATHRIN<br />
LINKERSDORFF,<br />
AUS DER SERIE<br />
FAIRIES,<br />
2021 – ONGOING<br />
© 2023 KATHRIN<br />
LINKERSDORFF<br />
KATHRIN<br />
LINKERSDORFF<br />
WORKS<br />
27. OKTOBER 2023 – 21. JANUAR <strong>2024</strong><br />
PHOXXI. HAUS DER PHOTOGRAPHIE TEMPORÄR<br />
51| <strong>kulturnews</strong><br />
PARTNER DER DEICHTORHALLEN<br />
KULTURPARTNER
Bühne<br />
Silvester im Theater<br />
Auf die größte Party des Jahres haben viele Leute gar keine Lust, zu viel Rummel,<br />
und die aufgesetzte gute Laune! Da ist es doch wunderbar, wenn die Theater<br />
des Landes ein Alternativprogramm anbieten: unterhaltsam ohne zwanghaften<br />
Spaß, zum Mitsingen, auch mal ernster. Wir haben ein paar Ideen für den<br />
Theaterbesuch am letzten Tag des Jahres zusammengestellt. Und gute Vorsätze<br />
sind hier auch kein Muss – außer, das nächstes Jahr noch mal zu machen.<br />
CABARET<br />
Frankfurt, The English Theatre<br />
Something Rotten!:<br />
die Ode an Musicals<br />
Hamburg, Ohnsorg Theater<br />
Dat Frollein Wunner: musikalische<br />
Reise durch das Nachkriegs-Hamburg<br />
Schauspiel Frankfurt Dracula:<br />
eine Studie unserer sich<br />
radikalisierenden Gesellschaft<br />
Kabarett Distel Berlin Im Hinterzimmer<br />
der Macht – Eine schwindelige<br />
Bundestags-Revue: groteske Revue<br />
mit illustrem Bundestagspersonal<br />
Schauspiel Leipzig Cabaret:<br />
der Klassiker aus der Welt der<br />
Kabaretts und Travestieshows<br />
Münchner Kammerspiele<br />
A scheene Leich: Erblastkomödie<br />
mit Gehard Polt und den<br />
Well-Brüdern<br />
A SCHEENE LEICH<br />
Foto: Rolf Arnold<br />
Foto: Chris Gonz<br />
IM HINTERZIMMER DER MACHT –<br />
EINE SCHWINDELIGE BUNDESTAGS-REVUE<br />
Foto: Maurice Korbel<br />
Foto: Thomas Rabsch<br />
Umweltfreundlich<br />
DÜSSELDORF Mit Ibsens Peer Gynt hat am 12. 1. eine klimaneutrale<br />
Inszenierung am Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere. Dies sei, so<br />
das Theater, noch ohne Vorbild und sei für alle Betetiligten ein großes<br />
Abenteuer, erfordere es doch „kreative, spielerische, fantasievolle und<br />
unerwartete künstlerische Lösungen“. Das aber ist, so dachten wir,<br />
ja sowieso der Anspruch an jedwede Bühneninszenierung ... ?!<br />
Foto: Michael Diekmann<br />
Mensch/ Maschine<br />
BERLIN Ein Lustspiel von Bertolt<br />
Brecht, gibt es auch nicht so oft. Der<br />
Untertiel zu Mann ist Mann von 1926<br />
lautet: „Die Verwandlung des Packers<br />
Galy Gay in den Militär baracken von<br />
Kilkoa im Jahre neunzehnhundertfünfundzwanzig“.<br />
Und genau darum geht<br />
es: Gezeigt wird am Berliner Ensemble<br />
die Ver wand lung des Packers Galy Gay<br />
in eine menschliche Kampfmaschine<br />
durch ein paar Soldaten. Brecht will<br />
sagen: Die menschliche Identität entsteht<br />
erst durch den sozialen Kontext.<br />
Premiere ist am 13. 1.<br />
52 | <strong>kulturnews</strong>
Bühne<br />
SCHNELLCHECK<br />
GE<br />
ABEND BILL<br />
LINGER<br />
& SCHULZ<br />
Foto: Armin Smailovic<br />
Was? „Wolf unter Wölfen“ nach Hans Fallada<br />
Wo? Thalia Theater, Hamburg<br />
Wer? Regie von Luk Perceval<br />
Wann? Premiere am 18. Januar<br />
19. 1. 21. 1.<br />
TANZPERFORMANCE<br />
Geteilter Abend ist eine Spurensuche nach den Lücken in<br />
der Erzählung, den Rissen im eigenen Porträt und Brüchen<br />
in der Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Generation.<br />
<br />
<br />
<br />
Das FFT wird gefördert durch die Landeshauptstadt Düsseldorf<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Nordrhein-Westfalen. Florian Foto: © Krauß<br />
Foto: Sigrid Reinichs<br />
Tanzen und küssen<br />
DÜSSELDORF A Kiss to the World, was brauchte es nicht dringender<br />
in unseren Zeiten. Choreografin Dominique Dumais geht mit ihrer den<br />
Körper erforschenden Bewegungssprache in den Dialog mit den<br />
Tänzer:innen und spürt dem nach, was ein Kuss alles bedeutet – ist<br />
er doch unendlich universell und beginnt und beendet unser Leben,<br />
vom ersten Kuss der Mutter bis zum letzten Kuss des Todes.<br />
Dazwischen kreisen wir unaufhörlich umeinander, um zwischen<br />
Beginn und Ende so viele Küsse wie möglich zu bekommen und zu<br />
geben. Uraufführung des Balletts ist am 20. 1.<br />
CHINA<br />
AGIR<br />
L<br />
Texte: vs<br />
53| <strong>kulturnews</strong>
Klubs + Konzerte<br />
Der 17-Jährige aus Wien gilt als der Wonderboy der Indieszene. Jetzt geht Oskar Haag mit Songs zwischen<br />
bodenloser Verzweiflung und kompromissloser Zartheit auf seine erste große Tour.<br />
Oskar, als 15-Jähriger bist du 2021 beim Popfest in Wien zum<br />
allerersten Mal aufgetreten – und dann gleich vor Hunderten<br />
von Leuten.<br />
Oskar Haag: Tatsächlich war ich wenig aufgeregt und habe mich<br />
nur extremst gefreut. Ich bin schon sehr bühnenaffin und habe<br />
diese Coolness, da relativ unbekümmert rauszugehen, weil ich das<br />
von Kindesbeinen an gewohnt bin. Als Dreijähriger habe ich mit<br />
dem Tanzen angefangen, und ich bin auch immer wieder bei Theater -<br />
projekten dabei gewesen, denn mein Vater ist Musiker und Schau -<br />
spieler und meine Mutter arbeitet als Kostüm- und Masken -<br />
bildnerin. Andererseits habe ich beim Popfest aber noch gar nicht<br />
so richtig realisiert, was da eigentlich los ist – und das war auch<br />
irgendwie ganz gut so.<br />
Nun ist dein Vater ja auch nicht irgendwer, sondern Sänger<br />
und Kopf von Naked Lunch. Nervt es, wenn das in Bezug auf<br />
deine Musik ständig Thema ist?<br />
Haag: Ach nein, damit habe ich überhaupt kein Problem. Wir<br />
haben ein super Verhältnis, und ich bin ein großer Fan von dem,<br />
was er als Künstler macht.<br />
Und er hat dir mit seiner Geschichte ja auch eine<br />
Skepsis gegenüber der Musikindustrie eingeimpft<br />
und dir dabei geholfen, eine größtmögliche<br />
Unabhängigkeit zu erhalten, oder?<br />
Haag: Nach dem Popfest haben sich unsagbar<br />
viele Leute gemeldet, und da war ich einfach froh,<br />
dass ich meinen Vater an meiner Seite gehabt<br />
habe. Bookingagenturen, Managements, Labels –<br />
er ist bei jeder wichtigen Entscheidung dabei<br />
gewesen. Er kennt sich einfach aus und hat selbst<br />
so viel falsch gemacht, dass er ganz genau weiß, wer die<br />
Halsabschneider sind. Jeder will mit dir Geld verdienen, aber es<br />
gilt, diejenigen zu finden, die das, was du machst, gleichzeitig<br />
auch wirklich cool finden.<br />
Nun gehst du mit deinem Debütalbum auf Tour, was du ja<br />
auch gleich mal selbst produzierst hast. Wenn ich die<br />
Dramaturgie betrachte, ist „Teenage Lullabies“ in der zweiten<br />
Hälfte um einiges düsterer …<br />
Haag: Stimmt, aber das ist nicht bewusst passiert. Die Hälfte der<br />
Songs ist noch ohne den Gedanken an ein Album entstanden. Ich<br />
habe einfach meine besten Stücke ausgewählt und dann an verschieden<br />
Enden weiterentwickelt. Von daher ist es dramaturgisch<br />
keine Reise in die Dunkelheit. (lacht) Mit „Starry Eyes“ steht ja<br />
auch schon ein härterer und ganz anders produzierter Ausreißer in<br />
der Mitte des Albums.<br />
Mit diesen Stücken stehst du jetzt aber schon ganz anders auf<br />
der Bühne als mit den Vorgaben beim Theater.<br />
Der Shakespeare-Schutzschild fehlt …<br />
Haag: Es braucht schon Mut. Allein in Österreich gibt<br />
es unendlich viele 16- oder 17-Jährige, die mindestens<br />
genauso talentiert sind wie ich. Aber sie<br />
haben einfach nicht das Glück, das machen zu<br />
können. Oder sie trauen sich nicht, weil natürlich<br />
die Gefahr besteht, dass man verurteilt<br />
wird. Man ist da auf der Bühne schon sehr<br />
nackt. Die Musik, die ich rausbringe, ist das<br />
Persönlichste, was ich jemandem von mir zeigen<br />
kann. Intimer wird’s nicht.<br />
Interview: Carsten Schrader<br />
22.1. Düsseldorf, zakk<br />
23.1. Münster, Pension Schmidt<br />
24.1. Haldern, Haldern Pop Bar<br />
25.1. Köln, Die Wohngemeinschaft<br />
27.1. Mainz, Schon Schön<br />
28.1. Heidelberg, Karlstorbahnhof<br />
30.1. Ulm, Roxy<br />
31.1. Frankfurt, Ponyhof<br />
1.2. Hamburg, Nochtwache<br />
2.2. Berlin, Monarch<br />
3.2. München, Milla<br />
9.2. Stuttgart, Im Wizemann<br />
10.2. Nürnberg, Club Stereo<br />
Foto: Christoph Liebentritt<br />
54 | <strong>kulturnews</strong>
Klubs + Konzerte<br />
Foto: Chris Petrus<br />
Foto: Manfred Pollert<br />
Beach<br />
Fossils<br />
Mit ihrem verhangenen<br />
Indie rock waren die Beach<br />
Fossils lange Zeit stilprägend<br />
für den leicht selbstmitleidigen<br />
Indieboy-Style<br />
der 2<strong>01</strong>0er-Jahre. Zum<br />
Glück haben die vier New<br />
Yorker rechtzeitig die Trend -<br />
wende erkannt und einfach<br />
mal eine sechsjährige<br />
Schaffens pause eingelegt.<br />
Denn was gibt es langweiligeres<br />
als Musiker:innen, die<br />
ewig verkrampft an ihrem<br />
angestammten Sound festhalten?<br />
Mit „Bunny“, dem<br />
ersten Beach-Fossils-Album nach der langen Pause, hat sich die Band<br />
nun neu erfunden, ohne ihre melancholische Ader zu verraten: So<br />
wechselt sie stets stilsicher zwischen reduziertem Dreampop, großen<br />
Arrangements und düsterem Postpunk. Und Songs wie „Don’t fade<br />
away“ verweisen angenehm entstaubt auf die große Zeit des Indierock.<br />
27. 2. Hamburg, Knust | 1. 3. Berlin, Festsaal Kreuzberg<br />
2. 3. Köln, Gebäude 9<br />
Christian Steiffen<br />
8. 6. Leipzig,<br />
Täubchenthal Open Air<br />
13. 7. Hamburg,<br />
Open air am Fernsehturm<br />
20. 7. Köln, Tanzbrunnen<br />
26. 7. Erfurt,<br />
Festwiese Petersburg<br />
27. 7. Dresden,<br />
Jungle Garden<br />
10. 8. Berlin,<br />
Kulturbrauerei Open Air<br />
17. 8. Rostoc,<br />
IGA Park<br />
„Worte können mich und<br />
dieses Album nicht beschreiben.<br />
Der Begriff ,Gott of<br />
Schlager‘ kann nur ein Versuch<br />
sein, wird aber für immer<br />
eine Krücke bleiben...“<br />
Christian Steiffen augenzwinkernd über sein<br />
aktuelles Album „Gott of Schlager“<br />
<br />
GIORA FEIDMAN<br />
& FRIENDS<br />
<br />
CORNELIA<br />
JAKOBS<br />
<br />
THE<br />
GODFATHERS<br />
<br />
CASEY LOWRY<br />
<br />
CHRIS<br />
JAMES<br />
<br />
MARIA MENA<br />
<br />
MIKE MASSÉ<br />
<br />
ALESSANDRA<br />
<br />
MASEGO<br />
<br />
FAROON<br />
<br />
REVELLE<br />
<br />
SON MIEUX<br />
<br />
YOUN<br />
SUN NAH<br />
<br />
NORMANDIE<br />
<br />
KIEFER<br />
<br />
EMLYN<br />
<br />
DIE UDO<br />
JÜRGENS<br />
STORY<br />
<br />
FOX STEVENSON<br />
<br />
HEINZ<br />
ERHARDT<br />
PROJEKT<br />
<br />
ADAM FRENCH<br />
<br />
VIENNA TENG<br />
<br />
NATHAN<br />
EVANS<br />
<br />
THE ROSE<br />
<br />
BERNHOFT<br />
<br />
NILS WÜLKER &<br />
ARNE JANSEN<br />
<br />
DIIV<br />
<br />
IRISH<br />
HEARTBEAT<br />
<br />
OLIVER POCHER<br />
<br />
YUNG GRAVY<br />
<br />
TOM HENGST<br />
<br />
SASHA<br />
VELOUR<br />
<br />
MOTHER<br />
MOTHER<br />
<br />
CLOUDY JUNE<br />
<br />
THOMAS<br />
QUASTHOFF<br />
QUARTETT<br />
<br />
MAGNUM<br />
<br />
SLASH<br />
<br />
TAKIDA<br />
<br />
AKUA NARU<br />
<br />
FLETCHER<br />
<br />
KASALLA<br />
<br />
NOVO AMOR<br />
<br />
VIKTORIA<br />
TOLSTOY<br />
<br />
YELLOW<br />
DAYS<br />
<br />
REA<br />
GARVEY<br />
<br />
LOTTO<br />
KING KARL<br />
<br />
I PREVAIL<br />
<br />
ALTIN GÜN<br />
<br />
BUKAHARA<br />
<br />
LENA<br />
<br />
TROYE<br />
SIVAN<br />
<br />
ALICE COOPER<br />
<br />
LENNY<br />
KRAVITZ<br />
<br />
TOTO<br />
<br />
DIANA<br />
KRALL<br />
<br />
EROBIQUE<br />
<br />
THE DIRE<br />
STRAITS<br />
EXPERIENCE<br />
<br />
RONAN<br />
KEATING<br />
<strong>kulturnews</strong> | 55<br />
TICKETS: KJ.DE
Klubs + Konzerte<br />
Foto: Frank Dursthoff<br />
1. 2. Berlin, Lido | 2. 2. Hamburg, Gruenspan | 3. 2. Köln, Kantine<br />
7. 2. Wiesbaden, Schlachthof | 9. 2. Stuttgart, Im Wizemann<br />
17. 2. München, Backstage | 18. 2. Nürnberg, Hirsch<br />
20. 2. Münster, Sputnikhalle | 21. 2. Hannover, Musikzentrum<br />
Any Given Day<br />
Wer aus Gelsenkirchen kommt, dem ist das Arbeiten,<br />
das Ackern, das Malochen in die Wiege gelegt. Und so<br />
hat die Stadt im Herzen des Ruhrpotts auch musikalisch<br />
ein Aushängeschild, das ganz wunderbar zur<br />
rauen Bergbautradition passt. Als sich die Metal band<br />
Any Given Day im Jahr 2<strong>01</strong>2 in Gelsenkirchen gegründet<br />
hat, war wohl kaum abzusehen, dass ihr harter<br />
Metal- und Deathcoresound knapp zehn Jahre später<br />
auf den größten Metal- und Rockfestivals der Welt spielen<br />
und auf europaweite Touren gehen würde. Auch<br />
wenn Any Given Day unter Kritiker:innen sogar als<br />
Slipknot des Ruhrpotts gelten, konzentrieren sich die<br />
Gelsenkirchener lieber auf ihren eigenen Sound und<br />
sparen sich die Maskerade – die würde in der Heimat<br />
sowieso nur ein lakonisches „Wat soll dat denn?!“ hervorrufen.<br />
DIIV<br />
CHECK-BRIEF<br />
Skinny Lister<br />
Daniel Heptinstall Hauptgesang, Gitarre<br />
Scott Milsom Bass, Gesang<br />
Tim Hillsden Schlagzeug<br />
Lorna Thomas Gitarre, Ukulele, Gesang<br />
Max Thomas Mandoline, Gesang<br />
Foto: Pit Lad<br />
Guter Indierock zeichnet sich durch Brüche mit dem eigenen Genre aus.<br />
Richtig guter Indierock bricht selbst noch mit diesen Brüchen. Das New<br />
Yorker Indierockquartett DIIV wurde mit dem Debütalbum „Oshin“<br />
(2<strong>01</strong>2) gleich zur großen Hoffnung alternativer Indiefans erklärt. Der in<br />
Brooklyn gereifte DIY-Style der vier Jungs war so schön sperrig und plärrig,<br />
so anders als der poppige Indierock der 2<strong>01</strong>0er-Jahre. Inzwischen<br />
hat DIIV den inneren Indierock fast gänzlich auseinandergenommen und<br />
auf der aktuellen EP „Sometime/Human/Geist“ zu einem rauen Mosaik<br />
aus britischem Gitarrenpop, deutscher Psychedelia sowie wütendem<br />
Metal und rumpelndem Shoegaze zusammengesetzt.<br />
7. 3. Hamburg, Mojo | 8. 3. Berlin, Huxleys Neue Welt<br />
GENRE Folkpunk<br />
FÜR klassische Celtic Punks, Shantyfans und Randale-Rocker:innen<br />
DEBÜTALBUM „Forge & Flagon“ (2<strong>01</strong>2)<br />
AKTUELLES ALBUM „Shanty Punk“ (2023)<br />
THEMEN Liebe, Klopperei und Alkoholats<br />
FREUNDESKREIS Flogging Molly, Frank Turner, Dropkick Murphys<br />
FUNFACT spielen manchmal Boot-Konzerte auf der Themse<br />
LIVE 27. 1. Köln, Luxor | 28. 1. Frankfurt, Das Bett<br />
29. 1. Stuttgart, Im Wizemann | 2. 2. München, Ampere<br />
6. 2. Dresden, Beatpol | 7. 2. Berlin, Hole44<br />
8. 2. Hamburg, Knust<br />
Foto: Karsten Jahnke<br />
56 | <strong>kulturnews</strong>
Klubs + Konzerte<br />
Foto: Wizard Promotions<br />
Eagle Eye Cherry<br />
Eagle-Eye Cherry ist „Back on Track“. Sein Name klingt<br />
zwar wie eine Figur aus einem billigen 60er-Jahre-<br />
Western, doch ist Eagle-Eye Cherry nach Abba der wahrscheinlich<br />
erfolgreichste schwedische Musikexport: Mehr<br />
als ein Vierteljahrhundert ist seit seinem so erfolgreichen<br />
Debütalbum „Desireless“ und dem Welthit „Save tonight“<br />
vergangen. Nun hat der schwedisch-amerikanische<br />
Singer/Songwriter sein fünftes Studio album veröffentlicht.<br />
Mit „Back on Track“ befreit sich Cherry von plagender<br />
Trauer und Liebeskummer.<br />
11. 2. Stuttgart, Im Wizemann<br />
13. 2. Berlin, Säälchen<br />
14. 2. Hamburg, Bahnhof Pauli<br />
<strong>kulturnews</strong> | 57
Klubs + Konzerte<br />
„Just a whole damn world<br />
And it’s a fucking mess<br />
Should be starting a riot<br />
But I’m too depressed“<br />
Sharon Kovacs auf „Not scared of Giants“<br />
von ihrem neuen Album „Child of Sin“<br />
Foto: Ben Wolf<br />
Florian Künstler<br />
AnnenMayKantereit haben es vorgemacht, wie aus Straßen -<br />
musiker:innen in kürzester Zeit Superstars werden können – und auch<br />
Florian Künstler ist nah dran, diesen Traum zu leben. Wer durch die<br />
harte Schule der Straßenmusik gegangen ist, den:die kann so schnell<br />
nichts mehr erschüttern: Obwohl der Karrierebeginn des Singer/<br />
Songwriters aus Lübeck durch die Pandemie ausgebremst wurde,<br />
dachte Florian Künstler nie ans Aufhören – und diese Hartnäckigkeit<br />
hat sich gelohnt. Inzwischen hat er Millionenhits auf Spotify, und speziell<br />
seine neueste Single „Kleiner Finger Schwur“ ist ein voller Erfolg.<br />
18. 4. Hannover, Musikzentrum | 19. 4. Bremen, Schlachthof<br />
20. 4. Kiel, Pumpe | 26. 4. Kassel, Theaterstübchen<br />
27. 4. Frankfurt, Sankt Peter | 28. 4. Saarbrücken, Garage<br />
30. 4. Freiburg, Jazzhaus | 1. 5. Ulm, Roxy<br />
4. 5. Dresden, Alter Schlachthof<br />
Foto: A.S.S. Concerts<br />
7. 3. Dresden, Reithalle<br />
8. 3. Frankfurt, Batschkapp<br />
9. 3. Hamburg, Kent Club<br />
11. 3. München, Muffathalle<br />
12. 3. Köln, Club Volta<br />
Kovacs<br />
Foto: Ida Fiskaa<br />
Moyka<br />
Vielleicht sollten wir unser durchs Kino geprägte Bild von<br />
der gemeinen, buckligen, kinderverspeisenden Hexe noch<br />
einmal überdenken. Immerhin nennt sich Altpopsängerin<br />
Moyka selbst die Pop Witch. Klar, die junge Norwegerin<br />
kommt aus dem Wald des Hallingdal-Tals und ist zwischen<br />
Mythen und Folklore groß geworden, doch ansonsten hat<br />
sie nichts etwas mit einer bösen Hexe gemein. Nicht mal<br />
fliegen kann sie, dafür zaubern ihre von Robyn, Yaeji und<br />
Son Lux inspirierten Synthies ganze mystische Universen<br />
aus dem Nichts. Vielleicht wäre Moyka aber auch gar nicht<br />
so enttäuscht darüber, als eine Hollywoodhexe verstanden<br />
zu werden. Schließlich ist ihr aktuelles Album „Movies,<br />
Cars & Heartbreak“ ein Konzeptalbum, das sich vor allem<br />
um Filme und unsere Imagination dreht.<br />
5. 2. Berlin, Kantine am Berghain<br />
6. 2. Hamburg, Turmzimmer (Uebel & Gefährlich)<br />
58 | <strong>kulturnews</strong>
Klubs + Konzerte<br />
Foto: Katie Silvester<br />
Foto: Patricio Cassinoni<br />
Komplexität und Einfachheit: Schon immer oszillieren Flyte zwischen<br />
diesen beiden Polen. Immerhin hat sich das englische Duo<br />
nach einer Figur in Evelyn Waughs „Wiedersehen mit Brideshead“<br />
benannt – ganz unverkopft sind Will Taylor und Nick Hill also nicht.<br />
Tatsächlich war ihr Indiefolk gerade am Anfang ihrer Karriere für<br />
seine Vielschichtigkeit bekannt, nicht nur textlich, sondern auch<br />
musikalisch. In letzter Zeit allerdings sind Flyte immer direkter<br />
geworden, ihre Texte immer ehrlicher. Das neue Album des Duos<br />
stellt den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung da, was schon<br />
der Titel deutlich macht: Er lautet ganz einfach „Flyte“.<br />
15. 2. Hamburg, Nochtwache<br />
17. 2 Köln, Artheater | 18. 2 Berlin, Privatclub<br />
Soda Blonde<br />
Flyte<br />
Wer sich selbst irgendwo zwischen Air, Massive Attack, Eurythmics,<br />
U2 und Empire Of The Sun verortet, hat ein gesundes Ego oder einfach<br />
große Träume. Und so ist es nur konsequent, dass die irische<br />
Altpopband Soda Blonde ihr neues Album „Dream big“ genannt hat.<br />
Obwohl man sich bei dem mysteriösen Quartett nie so ganz sicher<br />
sein kann, was nun ernst oder ironisch gemeint ist, was poetische<br />
Freiheit oder biografische Realität ist. Kryptisch hält es die Band auch<br />
mit der Beschreibung ihres zweiten Albums, das auf das gefeierte<br />
Debüt „Small Talk“ folgt: „,Small Talk‘ war unser Versuch zu entschlüsseln,<br />
ob etwas alles oder nichts bedeutet. Mit ‚Dream big‘ sind wir an<br />
dem Punkt angekommen, wo wir wissen, dass es etwas bedeutet“,<br />
sagt Gitarrist und Produzent Adam O‘Regan.<br />
20. 1. Hamburg, Nochtwache | 21. 1. Berlin, Prachtwerk<br />
07.<strong>01</strong>. PAUKEN & PLANETEN<br />
08.<strong>01</strong>. AXEL HACKE<br />
LIEST UND ERZÄHLT<br />
12.<strong>01</strong>. BOOMER PARTY<br />
PARTY-MIX: 70ER– 90ER<br />
13.<strong>01</strong>. THE BUSTERS<br />
18.<strong>01</strong>. INA REGEN &<br />
PHIL SIEMERS<br />
19.<strong>01</strong>. BERNARD ALLISON,<br />
ALLEY VENABLE,<br />
KATIE HENRY<br />
20.<strong>01</strong>. POHLMANN<br />
21.<strong>01</strong>. RANDALE<br />
23.<strong>01</strong>. VKB BAND<br />
VICKIKRISTINABARCELONA<br />
JANUAR<br />
AUSWAHL<br />
24.<strong>01</strong>. HOAXILLA<br />
25.<strong>01</strong>. CHE SUDAKA<br />
26.<strong>01</strong>. BLOND<br />
29.<strong>01</strong>. PIPPO POLLINA<br />
31.<strong>01</strong>. SPIDERGAWD<br />
03.02. HAMBURGS GROßE<br />
ü40 PARTY<br />
08.02. X AMBASSADORS<br />
11.02. UNTER MEINEM BETT<br />
17.02. 29. HAMBURGER<br />
BLUES CELEBRATION<br />
18.02. KAFFEEBREWDAS<br />
KAFFEESHOW<br />
23.02. THE GARDENER &<br />
THE TREE<br />
24.02. PAUL YOUNG<br />
29.02. ADAM ANGST<br />
Alle Termine und aktueIle Informationen<br />
zu unseren Veranstaltungen im Web:<br />
FABRIK.DE<br />
BARNERSTR. 36 · 22765 HH · TEL: 39 10 70<br />
<strong>kulturnews</strong> | 59
Klubs + Konzerte<br />
Foto: Constantine Spence<br />
Holly<br />
Humberstone<br />
Die britische Singer/Songwriterin ist während der Pandemie<br />
zum absoluten Shootingstar avanciert: Ihre Debüt-EP<br />
„Falling asleep at the Wheel“ schreibt sie in ihrem Eltern -<br />
haus, einer heruntergekommenen Dienstbotenvilla. Der<br />
morbide, gruselige Ort wurde zur perfekten Inspirations -<br />
quelle für ihre entwaffnenden Coming-of-Age-Erzählungen,<br />
die auf ihrem ersten Album „Can you afford to lose me?“ in<br />
wunderschönem Pop aufgegangen sind. Mit „Paint my<br />
Bedroom black“ hat die gerade einmal 23-jährige<br />
Humberstone bereits ihr zweites Album veröffentlicht, mit<br />
dem sie ihren kompromisslosen Weg weitergeht. Kaum<br />
auszumalen, wie die Alben der mit dem BRIT Rising Star<br />
ausgezeichneten Mittzwanzigerin dann erst in zehn Jahren<br />
klingen sollen.<br />
19. 2. Hamburg, Knust | 20. 2. Berlin, Hole44<br />
24. 2. München, Strom | 28. 2. Köln, Gebäude 9<br />
2. 3. Frankfurt, Nachtleben<br />
3. 3. Köln, Luxor<br />
5. 3. Dortmund, FZW<br />
6. 3. Hannover, LUX<br />
7. 3. Hamburg, Kent Club<br />
9. 3. Berlin, Tempodrom<br />
kleine Arena<br />
10. 3. Leipzig, Naumanns<br />
11. 3. München, Strom<br />
„Warum<br />
glaubst du,<br />
dass es<br />
wichtig ist,<br />
was ich<br />
trage oder<br />
wen ich<br />
gerade fick?“<br />
Foto: Sascha Wernicke<br />
Kati K<br />
„Bei mir verschmierst du Mascara/Bei ihr verschmierst du<br />
den Lippenstift“, singt Kati K auf ihrer aktuellen Sigle<br />
„Mascara“ und lässt ihre Fans am Schmerz teilhaben, den<br />
ein seelischer Betrug auslöst. So ehrlich hat sich die deutsche<br />
Popsängerin selten gemacht: ein „Liebesbeweis“ – wie sie<br />
selbst ihre anstehende Tour nennt –, gerichtet an sich und an<br />
ihre Fans.<br />
Foto: Wolfgang Zac<br />
Deine Cousine<br />
Deine Cousine in<br />
„Girls just wanna have Fun“<br />
12. 4. Müchen, Backstage<br />
13. 4. Stuttgart, Im Wizemann<br />
19. 4. Berlin, Hole 44<br />
20. 4. Frankfurt, Batschkapp<br />
25. 4. Köln, Live Music Hall<br />
26. 4. Oberhausen, Turbinenhalle<br />
27. 4. Hannover, Musikzentrum<br />
28. 4. Leipzig, Täubchenthal<br />
60 | <strong>kulturnews</strong>
Klubs + Konzerte<br />
Foto: Leistungsfotografie<br />
The Gardener & The Tree<br />
Ihr Indiefolk ist längst zu einem der erfolgreichsten Musikexporte der<br />
Schweiz geworden. Nun gehen The Gardener & The Tree auf „Silver<br />
Lining Tour“ – und einiges ist neu: neue Musik, neue Band zusammen -<br />
setzung. Doch keine Sorge, ein stilistischer U-Turn ist dennoch nicht zu<br />
erwarten. Schließlich ist Frontsänger Manuel Felder mit seiner unverkennbar<br />
rauen Stimme immer noch an Deck, und so haben selbst die<br />
brandneuen Songs den einzigartigen The Gardener & The Tree-Charme.<br />
15. 2. München, Backstage Werk | 21. 2. Dresden, Beatpol<br />
22. 2. Berlin, Festsaal Kreuzberg | 23. 2. Hamburg, Fabrik<br />
26. 2. Köln, Kantine | 28. 2. Frankfurt, Zoom<br />
29. 2. Stuttgart, Im Wizemann Halle<br />
Foto: Marco Klahold<br />
Patrice<br />
Patrice hat sein im November erschienenes neuntes Album schlicht<br />
„9“ genannt. Doch das sollte nicht den falschen Eindruck erwecken,<br />
dass der Musiker einfallslos ist – das Gegenteil ist der Fall. Seit er<br />
2000 sein Debütalbum „Ancient Spirit“ veröffentlicht hat, sucht er<br />
sich seinen eigenen Weg: zwischen Reggae, Soul und HipHop, zwischen<br />
Köln, Paris, Berlin und Jamaika. Und so hat auch der Album -<br />
titel einen tieferen Sinn: Patrice bezieht sich damit auf seinen<br />
Geburtstag am 9. Juli – denselben Tag, an dem sein Großvater verstorben<br />
ist. Seine Eltern haben Patrice daher den Namen Batabunde<br />
gegeben, was so viel heißt wie „die Rückkehr des Vaters“. So schließt<br />
sich der Kreis zu seiner Geburt, aber auch zum Debütalbum.<br />
19. 2. Heidelberg, Karlstorbahnhof | 25. 2. Nürnberg, Hirsch<br />
26. 2. München, Ampere | 28. 2. Berlin, Columbia Theater<br />
1. 3. Hamburg, Mojo Club | 2. 3. Köln, Gloria<br />
3. 3. Essen, Zeche Carl | 4. 3. Frankfurt a. Main, Zoom<br />
Lucinda Williams<br />
Andere Menschen stellen ihr Leben nach einem Schlag -<br />
anfall auf den Kopf, schalten einen Gang zurück. Lucinda<br />
Williams geht hingegen auf Tour: Ende 2020 musste die<br />
Americana-Songwriterin fünf lange Wochen auf der<br />
Intensivstation verbringen. Resignation? Schock? Über -<br />
mäßige Vorsicht? Fehlanzeige. Bereits im Sommer 2021 ist<br />
Williams wieder mit ihrem Album „Good Souls better<br />
Angels“ auf der Bühne herumgeturnt, und seitdem hat die<br />
mittlerweile 70-jährige Grande Dame des Americana und<br />
Blues eine Autobiografie, ein Livealbum und ihr neuestes<br />
Studioalbum „Stories from a Rock’n’Roll Heart“ nachgelegt.<br />
Foto: Danny Clinch<br />
5. 3. Hamburg, Markthalle<br />
6. 3. Berlin, Huxleys Neue Welt<br />
8. 3. Köln, Carlswerk Victoria<br />
11. 3. München, Werk7<br />
<strong>kulturnews</strong> | 61
Klubs + Konzerte<br />
Foto: Jan Haller<br />
3. 2. Bielefeld, Stadttheater (KulturGala)<br />
16. 3. Freepsum, Kultur-Gulfhof<br />
18. 3. Aachen, Domkeller<br />
20. 3. Ulm, Gold Club<br />
21. 3. Donaueschingen,<br />
KuBa Kulturbahnhof<br />
22. 3. München, Milla<br />
23. 3. Karlsruhe, NUN Kulturraum<br />
24. 3. Offenbach, Hafen 2<br />
27. 3. Hamburg, Knust<br />
3. 4. Leipzig, Horns Erben<br />
4. 4. Berlin, Berghain Kantine<br />
19. 4. Essen, Grend<br />
20. 4. Recklinghausen,<br />
Altstadtschmiede<br />
22. 4. Münster,<br />
Pension Schmidt<br />
26. 4. Bielefeld, Forum<br />
Mina Richman<br />
„Meine Mom hat mal gesagt: ,Eines Tages solltest du dich niederlassen und einen<br />
reichen Mann heiraten.‘ Ich habe gesagt: ,Mom, ich bin ein reicher Mann.‘“ Das<br />
Cher-Zitat aus einem Interview von 1996 ist längst legendär. Dass Mina Richman<br />
sich davon zu ihrem Pseudonym hat inspirieren lassen, zeigt deutlich, worum es<br />
der deutsch-iranischen Künstlerin geht: Sie steht für Feminismus, Mut und<br />
Direktheit. Mit dem Song „Baba said“ hat sie sich mit den Protesten im Iran solidarisiert<br />
und so viele neue Fans gefunden. Doch Mina Richman kann nicht nur<br />
kämpferisch, wie ihr Debütalbum „Grown up“ beweist: Darauf geht es auch um<br />
ihre Kindheit, Schönheitsideale und Freundschaften. Das alles präsentiert Mina<br />
Richman mit einem Soulpop, der sicher auch Cher gefallen würde. Und vielleicht<br />
sogar ihrer Mutter – wäre sie nicht 2022 verstorben.<br />
CHECK-BRIEF<br />
Thomas Day<br />
HERKUNFT Brentwood (Tennessee)<br />
GENRE Singer/Songwriter-Pop<br />
FÜR Gen-Z-Boys und -Girls und alle, die sich<br />
gerne das Herz zerreißen lassen<br />
ALBEN „Love me for another Day“ (2023)<br />
THEMEN Liebe, Verlust und Heilung<br />
VORBILDER Lewis Capaldi, Sam Smith, Bruno Mars<br />
ERSTE SCHRITTE im Musical Theater<br />
BEKANNT durch „America’s got Talent“<br />
FUNFACT wäre fast Profifußballer geworden<br />
VERWECHSLUNGSGEFAHR mit Thomas D<br />
LIVE 14. 2. Berlin, Hole44<br />
15. 2. Hamburg, Bahnhof Pauli<br />
17. 2. Köln, Bürgerhaus Stollwerck<br />
Foto: Robbie Wheeler<br />
Maria Mena<br />
Foto: Ida Bjorvik<br />
Maria Menas jüngerer Bruder heißt Tony – na, klingelt da was? Genau,<br />
ihre Eltern haben die Geschwister nach dem zentralen Pärchen in<br />
Leonard Bernsteins „West Side Story“ benannt, denn beide haben<br />
einen musikalischen Hintergrund. Was zu inzestuösen Spannungen<br />
hätte führen können, hat stattdessen auch in der kleinen Maria eine<br />
Begeisterung für die Musik angelegt. Schon als Kind hat die<br />
Norwegerin Songs geschrieben, ihren internationalen Durchbruch<br />
hatte sie 2005 mit „Just hold me“. Seitdem hat sich Mena einen<br />
Namen durch Popsongs gemacht, die zwischen Leichtigkeit und Tiefe<br />
balancieren. 2023 hat sie ihr neues Album „And then came you“ veröffentlicht,<br />
doch nicht nur das: Sie hat auch ihr Schauspieldebüt in<br />
der norwegischen Krimiserie „Furia“ gegeben. Vielleicht wird sie ja in<br />
nicht allzu ferner Zukunft auch die Hauptrolle in „West Side Story“<br />
übernehmen …<br />
22. 1. Köln, Gloria | 24. 1. Hamburg, Mojo<br />
62 | <strong>kulturnews</strong>
Klubs + Konzerte<br />
Foto: James Deary<br />
Jack Curley<br />
Manche Musiker:innen scheuen das Rampenlicht, graben sich am<br />
liebsten im Studio ein und werden dann auf die Bühne geschoben,<br />
weil das eben dazugehört. Bei Jack Curley ist es umgekehrt: Schon<br />
seit seiner Kindheit träumt der Brite davon, seine Songs vor tausenden<br />
jubelnden Menschen zu performen. Darauf hat er unermüdlich<br />
hingearbeitet, indem er in Manchester als Straßenmusiker begonnen<br />
hat. Nach den Straßen kamen die Pubs, dann die lokalen Festivals –<br />
und mittlerweile hat Curley, obwohl er erst 25 ist, Millionen Streams<br />
auf Spotify. Das hat er wohl vor allem seiner prägnanten Stimme zu<br />
verdanken, aber auch seinem unverstellten Songwriting. Und natürlich<br />
freut sich Jack Curley über jeden Stream, jeden Spin im Radio<br />
und jeden Fernsehauftritt. Doch sein wahrer Traum ist derselbe wie<br />
als Kind. Und auf seiner aktuellen Tournee kann er ihn sich einmal<br />
mehr erfüllen.<br />
17. 3. München, Ampere | 18. 3. Frankfurt, Brotfabrik<br />
19. 3. Köln, Helios37 | 20. 3. Stuttgart, Im Wizemann (Studio)<br />
21. 3. Leipzig, Naumanns | 23. 3. Berlin, Privatclub<br />
24. 3. Hamburg, Nochtspeicher<br />
<strong>kulturnews</strong> | 63<br />
Geschenktipp zu Weihnachten<br />
n<br />
10.04.24 Essen<br />
Lichtburg<br />
11.04.24 Aschafffenburg<br />
Stadthalle am Schloss<br />
Kirchner Saal<br />
12.04.24 Limburg Stadthalle<br />
13.04.24 Bielefeld<br />
Stadthalle<br />
03.06.2406 München<br />
Circus Krone<br />
06.06.24 Bünde<br />
Stadtgarten<br />
07.06.24 Duisburg Theater am Marientor<br />
08.06.24 Wetzlar Stadthalle<br />
09.06.24 Fulda<br />
Esperantonhalle<br />
29.08.24 Stade<br />
Stadeum<br />
30.08.24 Bremen Metropol Theater<br />
31.08.24 Marburg Stadthalle<br />
<strong>01</strong>.09.24 Bonn<br />
Oper Bonn<br />
04.09.24 Recklinghausen Congress Zentrum<br />
Ruhrfestspielhaus<br />
05.09.24 Neu Isenburg Hugenottenhalle<br />
07.09.24 Zwickau Neue Welt<br />
08.09.24 Erfurt<br />
Alte Oper<br />
11.09.24 Bad Orb Konzerthalle Bad Orb<br />
12.09.24 Hagen<br />
Stadthalle<br />
13.09.24 Wuppertal Historische Stadthalle<br />
14.09.24 Krefeld<br />
Seidenweberhaus<br />
23.11.24 Beverungen Stadthalle<br />
24.11.24 Mannheim Capitol<br />
25.11.24 Mannheim Capitol<br />
26.11.24<br />
24<br />
Stuttgart Th<br />
heaterhaus h (am Pragsattel)<br />
28.11.24 Berlin<br />
Admiralspalast<br />
29.11.24 Lübeck Musik- und Kongresshalle<br />
30.11.24 Flensburg Campushalle<br />
<strong>01</strong>.12.24 Kiel<br />
Wunderino Arena<br />
03.12.24 Hamburg Barclays Arena<br />
04.12.24 Hannover Theater am Aegi<br />
05.12.24 Hannover Theater am Aegi<br />
07.12.24 Dortmund Westfalenhalle / Halle 2<br />
08.12.24 Duisburg Theater am Marientor<br />
Tickets für die letzte Runde gibt es unter<br />
www.nuttenkoksundfrischeerdbeeren.de<br />
sowie allen bekannten VVK-Stellen.
Klubs + Konzerte<br />
BB & The Blues Shacks<br />
Seit 1989 mischt diese Band die Musikszene mit authentischem Blues<br />
auf. Der Name der Gruppe soll dabei die Nähe zu einem der drei Kings<br />
des elektrischen Blues zeigen: B.B. King. Kein Wunder, dass sie mit ihrer<br />
Leidenschaft für diese Musikform ein eigenes jährliches Blues-Festival in<br />
ihrer Heimatstadt Hildesheim veranstalten.<br />
19. 1. Hamburg, Nochtspeicher<br />
Foto: Felix Engel<br />
Dustbowl Revival<br />
Das selbsternannte achtköpfige Roots-Orchester Dustbowl<br />
Revival könnte der Grund für ein großes Americana-Revival werden.<br />
Schließlich entwickelt es etwa mit Brian Joseph, dem<br />
Toningenieur von Bon Iver und Sufjan Stevens, stets kleine<br />
Kniffe, um den angestammten Roots-Sound zu erweitern.<br />
Inzwischen reicht ihre Fangemeinde von Dänemark bis China –<br />
außergewöhnlich für eine Americana-Band.<br />
Foto: DBR<br />
29. 1. Hamburg, Nochtwache<br />
NICHT<br />
VERPASSEN<br />
Foto: Wizard Promotions<br />
OMD<br />
„Wir können die schrägsten und angriffslustigen Lieder<br />
schreiben – nur kippen wir dann einen ganz dicken<br />
Zucker guss darüber. Bis dieses Prinzip alle verstanden<br />
hatten, sind eine Menge Jahre ins Land gezogen“, hat<br />
uns Paul Humphreys von OMD in einem Interview zu<br />
„Bauhaus Staircase“, dem aktuellen Album der britischen<br />
Popband, verraten. Doch auch wenn die<br />
Liverpooler Schulfreunde mittlerweile über 60 sind und<br />
das Publikum eine Formel entdeckt haben mag, ist die<br />
angriffslustige Pop- und New-Wave-Musik immer noch<br />
mitreißend und hin und wieder sogar herausfordernd.<br />
Wir geben nur einen Anspieltipp „Anthropocene“.<br />
2. 2. Hamburg, Sporthalle<br />
Pop Seasons: Dave Hause<br />
Muss gute Kunst immer authentisch sein? Kann die Fiktion nicht viel mehr auslösen<br />
als das wirkliche Leben? Der US-amerikanische Singer/Songwriter Dave<br />
Hause hat sich mit seinem aktuellen Album „Drive it like it’s stolen“ von den<br />
wahren Geschichten abgewandt. Denn er weiß: „Mein Leben wird immer uninteressanter.<br />
Ich will beständig sein, Baseball trainieren oder meine Kinder zum<br />
Turnen bringen.Ich will nicht die ganze Zeit in den Abgrund starren und versuchen,<br />
mein existenzielles Gewicht zu bestimmen.“ Dennoch könnte sein Album<br />
kaum realer sein, voll postpandemischer Gegenwart eines gespaltenen, gestörten<br />
Amerikas,<br />
27. 1. Hamburg, Christianskirche<br />
Foto: Jesse Deflorio<br />
64 | <strong>kulturnews</strong>
Foto: Rahel Täubert<br />
NICHT<br />
VERPASSEN<br />
Klubs + Konzerte<br />
Frank Göhre: Hamburg Crime City<br />
In erster Linie ist Frank Göhre ein herausragender Krimiautor mit der Gabe, in<br />
dunkle Milieus einzutauchen und jede Ecke authentisch auszuleuchten: von<br />
kleinkriminellen Bagatellen bis zur organisierten und politischen Kriminalität.<br />
Beinahe beiläufig zeichnet Göhre dabei eine alternative Stadtgeschichte<br />
Hamburgs, und so wird aus Kriminalliteratur eine liebevolle Gesellschafts -<br />
studie. Seinen runden Geburtstag feiert der 80-jährige Göhre gemeinsam mit<br />
dem Schauspieler Michael Weber und einigen Weggefährten wie etwa Zoë<br />
Beck, Simone Buchholz und Tobias Gohlis.<br />
25. 1. Hamburg, Nochtspeicher<br />
Eric Fish & Friends<br />
Musik, die unter die Haut geht – das beschreibt den Sound<br />
dieser Band. Seit 1988 macht Eric Fish Musik, die Leute in<br />
den Bann zieht. Die neue Platte „Untiefen“ ist aber vor allem<br />
eins: ein Aufruf zum Handeln, eine Ode an die<br />
Menschlichkeit. Persönlich, authentisch und tiefgründig. Ein<br />
Album, gefüllt mit sanften Melodien und rockigen<br />
Rhythmen, das zum Nachdenken anregt.<br />
20. 1. Hamburg, Bahnhof Pauli<br />
Foto: Etienne Hiekisch-Hildebrand<br />
How long can we go?<br />
Eine Reihe zur Klimakrise<br />
Foto: Vitor Aguiar<br />
What to do angesichts der Klimakrise? How low can we go? And how do we<br />
go low? Während uns das Polareis unter dem Stuhl wegschmilzt und wir<br />
Ratgeber über Ratgeber studieren, sind wir uns in einem Punkt sicher: Die<br />
über greifende Reorientierung, die wir rasch brauchen, kann nur kollektiv<br />
gelingen. Kampnagel kreiert mit „How low can we go?“ eine Reihe zur ästhetischen<br />
Verstärkung des Wake-up-Calls, um Einblicke in wenig beachtete<br />
Aspekte und Orte der Klimakrise zu gewährend, sozialen Klimakleber herzustellen,<br />
Mut zu machen und endlich den Abschied vom westlichen<br />
Lebensstandard zu feiern. Mit hybriden, künstlerisch-aktivistischen Zugriffen<br />
adressieren wir die wahrscheinlich langfristigste politische Megakrise unserer<br />
Zeit. Im Fahrwasser westlicher Luxuspsychose beginnt die Reihe „How long<br />
can we go?“ Ende Januar auf einem Kreuzfahrtschiff. Die Wiener Performance -<br />
gruppe God’s Entertainment hat gerade noch eine Handbreit Wasser unterm<br />
Kiel und nimmt das Publikum mit auf See. Mit rechter Klimaleugnung und<br />
dem Atlantis-Mythos beschäftigen sich Theunert und Aloni. „Amazonia<br />
2040“ von der Choreografin Martha Hincapié Charry reflektiert aus indigener<br />
Perspektive die menschliche Beziehung zur Natur. Zusätzlich entstehen<br />
Debatten zu den Rechten der Natur und über klimaaktivistische Strategien.<br />
25.–27. 1. Hamburg, Kampnagel<br />
<strong>kulturnews</strong> | 65
Klubs + Konzerte<br />
Tina Dico & Helgi Jonsson<br />
Beyoncé und Jay-Z, Johnny Cash und June Carter, ASAP Rocky<br />
und Rihanna: Es gibt genug Liebespärchen aus dem oberen<br />
Regal der Musikindustrie, die ganz wunderbar harmonieren –<br />
oder zumindest lange harmoniert haben. Und mit Tina Dico<br />
und Helgi Jonsson kommt nun ein weiteres hinzu. In ihrer<br />
Heimat Dänemark ist die Singer/Songwriterin Dico längst ein<br />
Star und ihr Mann auf dem besten Wege dorthin. Lange Zeit<br />
war Jonsson Auftragsmusiker für isländische Größen wie Sigur<br />
Rós, deutsche Popstars wie Philipp Poisel und eben für seine<br />
Frau. Nun tritt der bescheidene Isländer jedoch aus dem<br />
Schatten ins Licht: „Seit einiger Zeit wuchs der Drang, wieder<br />
eigene Songs zu schreiben und aufzunehmen“, so Jonsson.<br />
Und da ist es doch nur konsequent, das gemeinsam mit seiner<br />
fantastischen Frau zu tun.<br />
Foto: Manh Bi<br />
Trong<br />
Foto: Marino Thorlacius<br />
20. 3. Köln, Theater am Tanzbrunnen<br />
21. 3. Frankfurt, Vilco Bad Vilbel | 22. 3. Berlin, Metropol<br />
Es ist eine filmreife Geschichte: In den frühen 90er-Jahren wächst der<br />
Popsänger und Tänzer Trong mit seinen vietnamesischen Eltern in einer<br />
bayrischen Flüchtlingsunterkunft auf. Im Jahr 2000 dann die Schock -<br />
nachricht: Der Familie droht die Abschiebung. Mitten in diesen Jahren<br />
der Unsicherheit tanzt sich der Deutsch-Vietnamese bei der deutschen<br />
und europäischen Meisterschaft Dance4Fans in die Herzen tausender<br />
Zuschauer:innen. Als er schließlich bei Sat.1 auf Britney Spears trifft,<br />
wird die Geschichte seiner Familie publik, und über 6 000 Bürger:innen<br />
setzen sich erfolgreich für den Verbleib seiner Familie in Deutschland<br />
ein. Seitdem ist Trong davon getrieben, es allen zu beweisen. In der Heimat<br />
seiner Eltern ist er längt als German Hot Boy zum Superstar geworden.<br />
Und der Karriere in Deutschland steht nun auch nichts mehr im Wege.<br />
16. 2. Frankfurt, Brotfabrik | 17. 2. Remscheid, Teo Otto Theater<br />
21. 2. München, Ampere | 22. 2. Dresden, Alter Schlachthof<br />
1. 3. Berlin, Frannz Club | 2. 3. Hamburg, Kent Club<br />
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66 | <strong>kulturnews</strong>
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