SB_20968LP

2023
Abschlussbericht
DVS-Forschung
Modifizierter Betriebsfestigkeitsnachweis
von unbehandelten und
HFH-nachbehandelten
Schweißkonstruktionen
unter Berücksichtigung von
Kollektivform, Spannungsverhältnis
und
Kerbdetail

Modifizierter
Betriebsfestigkeitsnachweis
von unbehandelten und
HFH-nachbehandelten
Schweißkonstruktionen unter
Berücksichtigung von
Kollektivform,
Spannungsverhältnis und
Kerbdetail
Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben
IGF-Nr.: 20.968 N
DVS-Nr.: 09.3237
Hochschule München
Fakultät Bauingenieurwesen
Labor für Stahl- und Leichtmetallbau
Förderhinweis:
Das IGF-Vorhaben Nr.: 20.968 N / DVS-Nr.: 09.3237 der Forschungsvereinigung
Schweißen und verwandte Verfahren e.V. des DVS, Aachener Str. 172, 40223 Düsseldorf,
wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen
Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund
eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind online abrufbar
unter: http://dnb.dnb.de
© 2023 DVS Media GmbH, Düsseldorf
DVS Forschung Band 591
Bestell-Nr.: 170701
Kontakt:
Forschungsvereinigung Schweißen
und verwandte Verfahren e.V. des DVS
T +49 211 1591-0
F +49 211 1591-200
forschung@dvs-home.de
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Schlussbericht 20.968 N
Modifizierter Betriebsfestigkeitsnachweis von
unbehandelten und HFH-nachbehandelten
Schweißkonstruktionen unter Berücksichtigung von
Kollektivform, Spannungsverhältnis und Kerbdetail
Hochschule für angewandte Wissenschaften München
Labor für Stahl- und Leichtmetallbau
Ausgabedatum: 15.05.2024
Richard Schiller, M. Eng.
Prof. Dr.-Ing. Imke Engelhardt

Förderhinweis
Das IGF-Vorhaben „Modifizierter Betriebsfestigkeitsnachweis von unbehandelten und
HFH-nachbehandelten Schweißkonstruktionen unter Berücksichtigung von
Kollektivform, Spannungsverhältnis und Kerbdetail“, IGF-Projekt Nr. 20.968 N, der
Forschungsvereinigung Schweißen und verwandte Verfahren e.V. des DVS wurde im
Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung
(IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines
Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
ii

Notwendigkeit und Angemessenheit der geleisteten Arbeit
Zur Bearbeitung des Projektes wurden für die Forschungseinrichtung Hochschule
München insgesamt 30 Monate wissenschaftlich-technisches Personal (A1)
eingesetzt. Die Arbeiten wurden gemäß dem Forschungsantrag durchgeführt. Die für
das Forschungsprojekt geleisteten Arbeiten waren angemessen und zur Erreichung
des Forschungszieles notwendig.
Es wurden keine Geräte beschafft und keine Leistungen Dritter herangezogen.
iii

Angaben über gewerbliche Schutzrechte
Es wurden im Rahmen des vorliegenden Projektes keine gewerblichen Schutzrechte
erworben. Eine Anmeldung eines gewerblichen Schutzrechtes ist nicht beabsichtigt.
iv

Inhaltsverzeichnis /
Content
Inhaltsverzeichnis
Content
1 Einleitung / Introduction ...................................................................................... 1
1.1 Problemstellung und Motivation/ Problem definition and motivation ................ 1
1.2 Zielsetzung / Objective .................................................................................... 3
2 Stand der Technik / State of the art .................................................................... 5
2.1 Betriebsfestigkeitsuntersuchungen, Schadensakkumulation und
Schadenssummen ........................................................................................... 5
2.2 Ermüdungs- und Betriebsfestigkeit HFH-behandelter Schweißnähte .............. 8
2.3 Lebensdauerberechnung mit dem Kerbdehnungskonzept uns
bruchmechanische Konzepte unter CAFL ....................................................... 9
2.4 Lebensdauerprognose unter Betriebslasten .................................................. 11
3 Vorgehensweise und Versuchsplanung / Approach and design of
experiments ...................................................................................................... 12
3.1 Vorgehensweise / Approach .......................................................................... 12
3.2 Durchgeführte Untersuchungen / Conducted experiments ............................ 13
3.3 Herstellung der Schweißproben .................................................................... 19
3.4 Materialcharakterisierung / Material characterisation .................................... 23
3.5 Ermittlung der Proben- und Schweißnahtgeometrie ...................................... 27
3.6 Untersuchungen zum Schädigungsverhalten ................................................ 29
4 Bauteilversuche unter konstanter und varaibler Beanspruchung / Fatigue
tests under constant and variable amplitude loading ........................................ 35
4.1 Methode ........................................................................................................ 35
4.2 Lastkollektivgenerierung ................................................................................ 37
4.2.1 Allgemeines zu Beanspruchungszeitfunktionen, Zählverfahren
und Beanspruchungskollektiven .......................................................... 37
4.2.2 p(1/3)- p(2/3)Kollektiv .......................................................................... 39
4.2.3 Linear-Kollektiv .................................................................................... 39
4.3 Digitale Erzeugung der Beanspruchungszeitfunktion .................................... 40
4.3.1 Matrixverfahren ................................................................................... 41
4.3.2 Anwendung des Matrixverfahrens auf ein p(1/3)-Kollektiv .................. 42
4.3.3 Anwendung des Matrixverfahrens auf ein linear-Kollektiv ................... 43
4.4 Schwingversuche mit konstanter Lastamplitude ............................................ 43
4.5 Betriebsfestigkeitsversuche mit variabler Lastamplitude ............................... 46
4.6 Gegenüberstellung rechnerischer und experimenteller Lebensdauern ......... 49
I

Inhaltsverzeichnis /
Content
5 Zweistufige Lebensdauerberechnungen auf Basis lokaler Konzepte und
Vorschlag probabilistischer Methoden / Two-stage service life calculations
based on local concepts and proposal for probabilistic methods ...................... 59
5.1 Vorgehensweise ............................................................................................ 59
5.2 Anrisslebensdauerberechnung nach modifizierter FKM-Richtlinie
Nichtlinear/ ..................................................................................................... 61
5.2.1 Berechnung lokaler linear-elastischer Spannungen ............................ 61
5.2.2 Elastisch-plastisches Materialverhalten ............................................... 64
5.2.3 Schadensabschätzung und Schadensakkumulation ........................... 66
5.2.4 Anwendung auf unbehandelte Quersteifen mit R=-1 ........................... 69
5.3 Anrissberechnung nach dem ursprünglichen Kerbdehnungskonzept ............ 73
5.3.1 Rissinitiierungslebensdauer HFH-behandelter Quersteifen unter
R=-1 ..................................................................................................... 74
5.3.2 Rissinitiierungslebensdauer von unbehandelten und HFHnachbehandelten
Quersteifen unter konstanter und variabler
Beanspruchung mit R=0,1 ................................................................... 77
5.4 Rissfortschrittsberechnung mit der Bruchmechanik ....................................... 84
5.4.1 Spannungserhöhende Effekte aufgrund der Schweißnaht .................. 86
5.4.2 Einfluss der Risskonfiguration ............................................................. 92
5.4.3 Einfluss der Kollektive auf die Rissfortschrittsgeschwindigkeit ............ 93
5.5 Anwendung probabilistischer Methoden ........................................................ 94
6 Bewertung der Lebensdauerabschätzung/ Evaluation of the service life
estimation .......................................................................................................... 97
6.1 Schadensakkumulation auf Basis der Nennspannungen ............................... 97
6.2 Schadensakkumulation auf Basis des örtlichen Konzepts ........................... 101
6.3 Vorschlag zur Lebensdauerabschätzung / Suggestion for a lifetime
estimation .................................................................................................... 101
7 Zusammenfassung und Ausblick / Summary and Perspective........................ 102
8 Zusammenstellung aller Veröffentlichungen / List of publications related to
the project ....................................................................................................... 105
9 Literaturverzeichnis / Bibliography .................................................................. 106
10 Anhang/ Attachment ........................................................................................ 114
10.1 Abnahmeprüfzeugnis ................................................................................... 115
10.2 Schweißanweisung / WPS ........................................................................... 117
10.3 Härtemessungen der SLV München ............................................................ 118
10.4 Versuchsergebnisse .................................................................................... 124
II

Einleitung /
Introduction
1 Einleitung /
Introduction
Kurzfassung
Für eine wirtschaftliche Auslegung geschweißter Stahlkonstruktionen unter
Betriebslasten ist eine realistische und konservative Lebensdauerabschätzung
erforderlich. Zudem werden zunehmend über eine kerbdetailabhängige
Auslegung durch das Nennspannungskonzept hinaus, örtlich Konzepte zur
kerbdetailunabhängigen Auslegung vorgeschlagen. Es gilt zu untersuchen,
inwieweit diese Methoden für Bauteile unter Betriebslasten anwendbar sind
und inwieweit bekannte Schadensakkumulationsrechnungen zur sicheren
Abschätzung herangezogen werden können.
Abstract
A realistic and conservative service life estimate is required for an economical
design of welded steel structures under operating loads. In addition, beyond
the notch detail-dependent design based on the nominal stress concept, local
concepts for notch detail-independent design are increasingly being propose.
It is necessary to investigate to what extent these methods can be applied to
components under service loads and to what extent known damage
accumulation calculations can be used for reliable estimation.
1.1 Problemstellung und Motivation/
Problem definition and motivation
Die ermüdungssichere und zugleich wirtschaftliche Auslegung
betriebslastbeanspruchter, geschweißter Stahlbaukonstruktionen ist derzeit eine
zentrale Herausforderung für Planer und Konstrukteure. Maßgebend für die
Ermüdungsfestigkeit von Stahlbaukonstruktionen sind dabei die an den
Schweißnähten vorliegenden geometrischen Verhältnisse und lokalen
Randschichtzustände.
Die Auslegung unbehandelter Schweißkonstruktionen unter Betriebsbeanspruchung
erfolgt bei den derzeitigen Bemessungsverfahren im Baubereich sowie im Maschinen-
und Kranbau [18, 19, 29, 50] mit sogenannten schädigungsäquivalenten
Rechteckkollektiven auf Basis der linearen Schadenakkumulation mit einem
pauschalen Grenzwert für die Schädigungssumme von z.B. D=1,0 nach [19],
unabhängig von der Festigkeit und der Kollektivform. Mit dieser Methode bleiben
allerdings günstig als auch ungünstig wirkende Reihenfolgeeffekte aus einem realen
Betriebslastenkollektiv unberücksichtigt. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass
1

Einleitung /
Introduction
die einfach anwendbare lineare Schadensakkumulation der Miner-Regel teilweise
wenig zutreffend ist, u.a. [9, 92, 93]. In der IIW [78] und in der FKM-Richtlinie [29, 30]
wird daher bereits empfohlen, konservativ eine Schadenssumme von D=0,5 als
Grenzwert anzuwenden. Diese Reduzierung der Schadenssumme und
Vernachlässigung der positiven Effekte von Nachbehandlungsmethoden führt bei
maßgeblich durch Betriebslasten beanspruchten Konstruktionen mit hoher
Lastwechselzahl zu einer deutlichen Blechdickensteigerung und damit zu
unwirtschaftlicheren Konstruktionen. Zudem gibt es noch keine Richtlinien, welche den
Einfluss der Kollektivformen, der Mittelspannungen, des Kerbdetails und seiner
Kerbschärfe sowie der Einfluss von Nachbehandlungsmethoden auf die zulässige
Schadenssumme berücksichtigen. Für eine optimierte und wirtschaftliche Auslegung
von ermüdungsbeanspruchten geschweißten Stahlkonstruktionen ist daher die
Entwicklung von einfach anwendbaren Nachweisverfahren für standardisierte
realitätsnahe Betriebslastkollektive in Abhängigkeit von der Festigkeit der Stahlsorte,
Art und Qualität der Schweißnähte unerlässlich.
Wie bereits zahlreiche Untersuchungen in der Vergangenheit gezeigt haben [46, 65,
102], bieten mechanische Oberflächenbehandlungen von Schweißverbindungen die
Möglichkeit, die Ermüdungsfestigkeit von Stahlbaukonstruktionen zu verbessern und
gleichzeitig das Konstruktionsgewicht zu reduzieren. Eine verlässliche und
realitätsnahe Abschätzung des Einflusses der Betriebsbeanspruchung sowie der
Kerbschärfe und des Randschichtzustands nach mechanischer Nachbehandlung auf
das Ermüdungsverhalten geschweißter Konstruktionen kann schon bei der Bemessung
solcher Konstruktionen erheblich dazu beitragen, eine ressourcenschonende
Auslegung umzusetzen. Ermüdungsfestigkeiten und Wöhlerlinien für mit
höherfrequenten Hämmerverfahren (HFH) nachbehandelte Schweißverbindungen
wurden bisher aus Einstufenversuchen abgeleitet, vgl. z.B. [65, 102]. Dabei wurde die
Steigerung der Ermüdungsfestigkeit durch die HFH-Nachbehandlung durch den
Vergleich mit Versuchsergebnissen an unbehandelten Schweißproben ermittelt. Die
Wirksamkeit der HFH-Nachbehandlung unter realer Betriebsbeanspruchung wird
jedoch derzeit in Frage gestellt. Dieser Vorbehalt beruht in erster Linie auf der
Annahme, dass die erzeugten Druckeigenspannungen im Betrieb verringert werden
und ihre anfängliche Wirkung daher verlieren können. Außerdem ist bislang nicht
2

Einleitung /
Introduction
geklärt, wie die Wirkung solcher Nachbehandlungen in einem verlässlichen
Betriebsfestigkeitsnachweis berücksichtigt werden kann.
Gegenstand dieses Forschungsprojektes ist die Untersuchung des Einflusses von
Kollektivformen und veränderlichen Mittelspannungen von Konstruktionsdetails auf die
Betriebsfestigkeit und den Rissfortschritt von unbehandelten und nachbehandelten
geschweißten Stahlkonstruktionen im Zeitfestigkeitsbereich. Dabei soll unter
Anwendung eines versuchstechnisch verifizierten probabilistischen Modells auf Basis
zweistufiger Anriss- und Rissfortschrittsberechnungen ein Vorschlag für ein
Ingenieurmodell zur Auslegung von sicheren, wirtschaftlichen und
ressourcenschonenden Konstruktionen abgeleitet werden. Dies ermöglicht die
realitätsnahe Abschätzung der Lebensdauer geschweißter und ggf. nachbehandelter
Konstruktionen unter Betriebsbeanspruchung.
1.2 Zielsetzung /
Objective
Ziel war es, ein Ingenieurmodell zur realitätsnahen Abschätzung der Lebensdauer
geschweißter und ggf. nachbehandelter Konstruktionen unter Betriebsbeanspruchung
im Zeitfestigkeitsbereich zu entwickeln, um eine sichere, wirtschaftliche und
ressourcenschonendere Auslegung geschweißter Stahlkonstruktionen zu ermöglichen.
Um dieses Ziel zu erreichen, sollten Berechnungsansätze zur Berücksichtigung der
Einflussfaktoren auf die ertragbaren Betriebslasten von geschweißten und HFHbehandelten
Konstruktionen abgeleitet werden. Durch ein verifiziertes zweistufiges
Lebensdauermodell (Anriss- und Rissfortschrittsberechnung) für Schweißnähte sollten
die Kollektivform, Mittelspannungsveränderungen, die Kerbschärfe und der
Randschichtzustand nach mechanischer Nachbehandlung berücksichtigt werden.
Aufbauend auf systematischen Betriebslastversuchen und unter Anwendung der
bruchmechanischen Methoden, sollte mithilfe numerischer Simulation und
probabilistischer Berechnungsmethoden ein einfaches Berechnungsmodell abgeleitet
werden, mit dem die empirisch abgeleiteten Einflussfaktoren zur realitätsnahen
Abschätzung der Lebensdauer geschweißter und ggf. nachbehandelter Konstruktionen
unter Betriebsbeanspruchung einbezogen werden könnten.
Folgende Arbeitshypothese wurde aufgestellt:
Die Lebensdauer betriebslastbeanspruchter Schweißnahtdetails ist abhängig von der
Kollektivform, Mittelspannungsveränderungen, der Kerbschärfe sowie Veränderungen
3