information & medizin Die Zukunft der Fortpflanzung?: Wege für die Reproduktionsmedizin EIZELLEN UND SPERMIEN AUS DER PETRISCHALE, VIELLEICHT SOGAR VON EIN UND DERSELBEN PERSON?! Thomas Kolbe Fachwissenschaftler für Versuchstierkunde, Ass.-Prof. für die Service-Plattform Biomodels Austria Veterinärmedizinische Universität Wien Info Katsuhiko Hayashi und Mitarbeiter (2012): Offspring from Oocytes Derived from in Vitro Primordial Germ Cell–like Cells in Mice. Science 338 (6109), 971-975. Spektrum der Wissenschaft: Ausgabe 10/2018, Seite 38 ff. Das Bild der Familie und der Erzeugung von Nachkommen hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Das Spektrum an Möglichkeiten ist größer geworden. Gesellschaftlich hat man sich an Patchwork-Familien gewöhnt, bei denen zwei getrennte Menschen neue Partner finden und ihre Kinder aus der früheren Beziehung in die neue Familie einbringen. Liberalere Gesetze erlauben auch gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die Adoption von Kindern. Die Reproduktionsmedizin unterstützt mit Techniken wie In vitro-Befruchtung und Embryotransfer. Durch Fremdsperma- und Eizell-Spende sowie Leihmüttern kann in gleichgeschlechtlichen Beziehungen zumindest einer der beiden Partner auch biologisch Eltern des Kindes sein. Ganz neue Perspektiven eröffnen sich nun durch eine Studie japanischer Forscher, die aus Stammzellen bei Mäusen Eizellen hergestellt, diese erfolgreich befruchtet und daraus lebende und fortpflanzungsfähige Jungtiere erzeugt haben. Solche Stammzellen lassen sich inzwischen aus beliebigen Körperzellen herstellen. Somit können gleichgeschlechtliche männliche Paare sowohl Eizellen als auch Spermien bereitstellen und damit leibliche Kinder bekommen. An der umgekehrten Variante, aus Stammzellen befruchtungsfähige Spermien zu produzieren und damit gleichgeschlechtlichen weiblichen Paaren dieselbe Möglichkeit zu bieten, wird noch gearbeitet. Bisher sind das nur rein experimentelle Tierversuche. Aber es zeigt, dass diese Methode prinzipiell funktioniert. Und andere Reproduktionstechniken haben den Sprung vom Tierversuch zur Anwendung am Menschen auch recht schnell geschafft (vom Embryotransfer bis zum Kernspindel-Transfer). Das Interesse an Methoden zur assistierten Reproduktion wächst in einer alternden Gesellschaft, in der der Zeitpunkt seinen Kinderwunsch zu realisieren immer weiter herausgeschoben wird und dann mit den biologischen Möglichkeiten nicht immer problemlos vereinbar ist. Andererseits hat diese Technik, aus vom eigenen Körper gewonnenen Stamm- Foto:© pixabay.com 42 | DEZEMBER 2018
information & bewusstsein Kopfsprung ins Herz – Als Old Man Coyote das Schulsystem sprengte Autor: Gerald Ehegartner Verlag: tao.de – Kamphausen zellen befruchtungsfähige Eizellen und Spermien zu gewinnen deutlich weitreichendere ethische und gesellschaftliche Implikationen: Es wäre dann auch möglich, von ein und derselben Person Eizellen und Spermien zu gewinnen und Nachwuchs mit nur einem Elternteil zu erzeugen. Das ist kein Klonen, die Nachkommen sind nicht erbgleich, da in den Keimzellen die Erbanlagen schon neu gemischt würden. Aber es kommen keine neuen Erbanlagen von einem zweiten Partner dazu. Das würde also extremer Inzucht entsprechen. Noch stärker als bei den in adeligen Familien früher vorgekommenen Bruder-Schwester-Ehen. SPRUCHKARTEN ZUM DOWNLOAD KLICK AUF DAS BILD Außerdem könnte jeder, der sich ein paar Körperzellen von einer anderen Person beschaffen kann, damit Nachwuchs erzeugen. Wie will man solchen Missbrauch verhindern? Welchen Stellenwert haben Kinder in einer Gesellschaft, in der sie auf beliebige Art und Weise gezeugt werden können? Noch ist das alles Zukunftsmusik. Aufgrund der hohen Kosten wären solche Techniken auch nur für einen kleinen Personenkreis verfügbar. Heutzutage haben wir aufgrund effektiver Empfängnisverhütung die Möglichkeit einer gezielten Nachwuchsplanung. Neben privaten treten auch immer mehr berufliche Gründe bei dieser Entscheidung in den Vordergrund. Vielleicht sollte es mehr in das Bewusstsein junger Paare rücken, dass die Biologie nur einen relativ engen zeitlichen Rahmen von ca. 2,5 Lebensjahrzehnten für die Familienplanung ermöglicht und die Reproduktionsmedizin trotz aller heutigen Möglichkeiten nur ein teurer und aufwendiger Notbehelf auf dem Weg zu einer glücklichen Elternschaft ist. 43 | DEZEMBER 2018
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