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LERNEN MIT ZUKUNFT März 2019

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e r aber lig. istiker

e r aber lig. istiker information & pädagogik Bitte wieder mehr Humboldt: Co-kreative Prozesse DARAUS KÖNNEN GEMEINSAME NEUE IDEEN ENTSTEHEN DI (FH) Nadja Hillgruber Naturpädagogin Redaktionsleiterin für das digitale Fachblatt »Infothek Waldkinder«, Vorstandsmitglied Projektleiterin Naturprojekte bei der Feuervogel Genossenschaft für Naturpädagogik in der Schweiz www.feuervogel.ch Das genetische Erbgut ist zwar Foto: © Archiv feuervogel.ch nicht perfekt, aber 18 | MÄRZ 2019 immer einmalig. Helmut Glaßl Letztens habe ich eine Szene zwischen zwei Kindern beobachtet, als sie zusammen im Sandkasten waren. Ein Junge baute aus Sand ein Ufo. Neben ihm baute ein Junge ebenfalls aus Sand ein Ufo. Als sie fertig waren, sagte der eine zum anderen völlig entrüstet: «Hey, das hast du mir nachgemacht!» Der andere Junge schürzte die Lippen und schaute betreten mit gesenktem Kopf auf den Boden. Grundsätzlich ist es doch so, dass die Menschen durch Nachahmen voneinander lernen. In der Wissenschaft spricht man auch vom Nachahmungslernen, Imitationslernen, Beobachtungslernen und Modelllernen. Als entscheidende Grundlage und wichtiges Beispiel für soziales Lernen, ist Nachahmungslernen auch eine essentielle Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung von Kultur. Sowohl Tiere als auch Menschen beobachten ihre Umgebung und auch die eigenen Artgenossen und deren Verhalten. Erweist sich ein bestimmtes Vorgehen als erfolgreich, so wird es oftmals von einem anderen Lebewesen nachgeahmt. Das Lernen durch Nachahmung findet sogar über Generationen statt, das Wissen wird so übertragen. Damit Nachahmung funktioniert, setzt es intensives beobachten voraus. Es ist doch ein Geschenk an die Menschen, die beobachten, dass sie nachgemacht werden. Dass sie sehen, wer mir was nachmacht oder wie sie die Idee weiterentwickeln. Der Junge, der die Idee für das Ufo nachgemacht hat, könnte doch auch wertschätzend zu dem anderen Jungen sagen: «Ja, ich fand deine Idee so toll, dass ich das nachgebaut habe. «Nur schau!», würde er sagen, «Ich habe zwei Ausgänge gebaut, da kann der andere Ausgang als Fluchtweg benutzt werden.» Der Junge könnte offen zugeben, dass er das nachgemacht hat und die Idee toll fand und sie sogar weiterentwickelt hat. Wenn Konkurrenzdenken schwindet oder sogar gänzlich verschwindet, ist das eine Win-win Situation für alle! Ich bringe jemandem etwas bei, der macht es nach. Wenn das Bewusstsein dahingehend ist, dass es dann sichtbar geschätzt wird, dann bestärkt mich das in meinem Tun. Dadurch entwickle ich mich weiter und ich kann durch die Weiterentwicklungen meiner Nachahmer wieder dazulernen. Dann haben alle etwas davon, denn wir haben nie ausgelernt. Ich wünsche mir, dass wir weitaus verbundener miteinander unterwegs sind, anstatt das Konkurrenzdenken, «Wie viel, wer vom Kuchen abbekommt», zu fördern.» Denn wir sind alle gemeinsam auf der Reise. Es geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn Nachahmer dazu ermutigt werden, ihren Weg zu gehen und sie dabei auch mal energisch daran erinnert werden, ihre Vorbilder und Vorzeiger wertschätzend zu erwähnen, dass sie sogar darin bestärkt werden, ihren authentischen Weg zu gehen. Das gibt doch ein ganz anderes Gefühl. Daraus können gemeinsame neue Ideen entstehen. Man schliesst sich zusammen, entwickelt zusammen und schaut gemeinsam, wie die Idee verbessert werden kann. Diese Entwicklung der Nachahmung ist für mich Co-Creation, im Kreativprozess mit mehreren Personen eine neue Form der Wertschöpfung zu entwickeln. Genau an diesem Punkt meiner Gedanken bin ich Alexander Freiherr von Humboldt (1769-1859) zu Dank verpflichtet, er sagte: «Die Natur muss gefühlt werden, wer sie nur sieht und abstrahiert, kann….Pflanzen und Tiere zergliedern,

information & & pädagogik forschung er wird die Natur zu beschreiben wissen, ihr aber selbst ewig fremd sein.» Alexander von Humboldt praktizierte damals schon Co-Kreation mit Johann Wolfgang von Goethe. Sie beflügelten einander zu kreativen Höchstleistungen, die unsere Kultur nachhaltig entwickelt hat. Humboldt gab Goethe wieder einen Lebenssinn. Wir wüssten heute nicht das, was wir wissen, hätte es Humboldt und Goethe nicht gegeben. Das ist besonders anschaulich in dem Buch «Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur» nachzulesen und lädt zum Nachahmen bei. Man könnte auch sagen: Bitte wieder mehr Humboldt. Humboldt interessierte sich für viele Details, aber anders als andere Naturforscher seiner Zeit beliess er es nicht dabei. Er sammelte nicht nur naturgeschichtliche Objekte, sondern Ideen und schuf so ein neues Verständnis für die Natur. Seine wichtigste Erkenntnis lautete: "Alles hängt mit allem zusammen." In zahlreichen Briefen, Schriften und in Vorträgen sorgte er für die Verbreitung seiner Gedanken. Sie machten ihn zu einem weltweit verehrten Star der Gelehrsamkeit. Das Weltbild Humboldts prägte viele Gedanken, die für Umweltschützer heute selbstverständlich sind, auch wenn viele nicht wissen, auf wen das "ganzheitliche" Naturverständnis zurückgeht. 19 | MÄRZ 2019