UMWELTjournal 3/2023 | S30 GREEN LOGISTIC Resilienz ist eine große Herausforderung Die Logistik-Welt erlebt derzeit eine gravierende Transformation. Im Interview gibt VNL-Obmann Franz Staberhofer Einsichten über die Bedeutung von ethischem Wirtschaften, den BMK-Masterplan Güterverkehr 2030, den Fachkräftemangel und über die Resilienz in unsicheren Zeiten. Politiker schaffen die Rahmenbedingungen unter anderem für die Wirtschaft und die Industrie. Dass diese nicht mit allem einverstanden ist, ergibt sich aus der Natur der Sache. Die Logistik wünscht sich meistens pragmatischere Zugänge zu verschiedenen Themen. VNL-Obmann Prof. Franz Staberhofer sagt, was er zu einigen logistikrelevanten Themen der heutigen Zeit denkt. Franz Staberhofer, Obmann VNL UJ: Herr Staberhofer, der VNL hat mit Complexity Science Hub Vienna, WIFO und Logistik FH Oberösterreich das neue Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) mitbegründet. Was ist die Zielvorgabe für dieses Institut und welche Vorteile können die VNL-Mitglieder bzw. die Logistik- Wirtschaft daraus ziehen? Franz Staberhofer: Globale, europäische und österreichische Produktions- und Logistiknetzwerke stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Die Krisen der letzten Jahre haben Schwachstellen in Lieferketten und Produktionsnetzwerken offengelegt, das führt zu einer Vielzahl von Fragen zur Gestaltung von nachhaltigeren, resilienteren Netzwerken. ASCII analysiert Wertschöpfungsnetzwerken, strategischen Abhängigkeiten und die Sicherstellung von Produktion und Versorgungssicherheit. Das Ziel ist, Entscheidungsträgern in Politik, Verwaltung und Wirtschaft solide Grundlagen zu liefern, um die österreichischen und europäischen Ziele einer sicheren Wertschöpfung und Klimaneutralität zu erreichen. Lieferketten proaktiv zu analysieren und daraus
die richtigen Schlüsse für die Politik, Wissenschaft und Industrie zu ziehen, wird erfolgsentscheidend für den Standort Österreich bzw. Europa sein. Ich freue mich, dass wir mit dem ASCII einen Beitrag zur nachhaltigen Absicherung von Lieferketten und Produktionsnetzwerken liefern werden. Der VNL ist das größte Netzwerk in der Logistik und Österreich, und wir werden unsere Verbindungen in die Industrie und Wirtschaft in das Supply Chain Intelligence Institut Austria einbringen. ASCII stellt Daten- und Wissensgrundlagen zur Verfügung und fungiert als erster Ansprechpartner für die Analyse, Bewertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen für zeitkritische und komplexe Fragestellungen im Zusammenhang mit Wertschöpfungsketten. Gefördert wird das ASCII vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft sowie dem Land Oberösterreich. UJ: Das Klimaschutzministerium BMK hat jüngst den Masterplan Güterverkehr 2030 präsentiert. Wie beurteilen Sie den Inhalt dieses Plans und welche Stärken und Schwächen sehen Sie darin enthalten? Staberhofer: Es sind wenig konkrete Projekte im Masterplan Güterverkehr (MGV). Zu meiner Überraschung wird der Einzelwagenverkehr im Schienengüterverkehr wieder unterstützt. Man weiß seit vielen Jahren, dass der Einzelwagenverkehr für die Eisenbahnen nicht wirtschaftlich darstellbar ist. Warum wird wertvolles Subventionsgeld/ Steuergeld vom Staat für die Unterstützung dieses unwirtschaftliches Verkehrssystems vergeudet? Dieses Geld wäre für eine Förderung von neuen, zusätzlichen Intermodalzügen, um ein breiteres Angebot am Markt zur Verfügung zu stellen, viel besser aufgehoben. Wenn der Modalsplit von 31 Prozent auf 40 Prozent gehoben werden soll, bedeutet das eine Erhöhung der Mengen um 30 Prozent. Wie sich das mit den verfügbaren Trassen, noch dazu mit der beabsichtigen Mobilitätsverlagerung im Personenverkehr von der Straße auf die Schiene ausgehen soll, ist mir nicht klar. Das Anführen von 45 Prozent Leerfahrten der österreichischen Unternehmer im Straßengüterverkehr ist inhaltlich irreführend. Wenn ein Straßentransportunternehmen im konventionellen Verkehr diesen Prozentsatz an Leerfahrtkilometer, und nur die sind relevant, haben würde, könnte dieser nicht überleben. Derartige Aussagen sind zu unterlassen, weil damit einfach eine völlig falsche Erwartungshaltung erzeugt wird. Leerfahrtkilometer plus 10 Prozent von der Gesamtleistung kann sich kein Transporteuer leisten, gute Unternehmen agieren deutlich unter 10 Prozent. Thema E-Mobilität: Folgende Widersprüche bzw. ungelöste Probleme sehe ich hier: Ein E-Lkw kostet heute mindestens den doppelten Preis wie ein herkömmlicher Verbrenner. Die AfA ist im KM-Peis (Fernverkehr) heute rund 30 Prozent. Verdoppelt sich der Kaufpreis des Lkw erhöht das den KM-Preis um 30 Prozent gegenüber einer KM-Kalkulation auf Basis Verbrenner. Kein Verlader bezahlt das aus Idealismus.
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