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UmweltJournal Ausgabe 2017-02

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18 MOBILITÄT |

18 MOBILITÄT | TRANSPORT UmweltJournal /März 2017 Semmering-Basistunnel: Deponie Longsgraben 6,2 Millionen Kubikmeter Tunnelausbruch Im Rahmen der Errichtung des Semmering-Basistunnel fällt Tunnelausbruch und sonstiges Aushubmaterial im Ausmaß von 6,2 Millionen Kubikmeter an, das wiederzuverwenden, zu verwerten oder ordnungsgemäß zu entsorgen ist. Um dadurch bedingte Transportbewegungen auf ein Minimum zu begrenzen, wird für den Großteil der erwarteten Aushubmassen eine Deponie gebaut. Diese wurde im Longsgraben, einem unbewohnten Seitengraben des Fröschnitzgrabens, errichtet. Autoren: DI Gernot Nipitsch, ÖBB-Infrastruktur AG DI Martin Nipitsch, ZT Bilek & Krischner Der rund 27,3 Kilometer lange „Semmering-Basistunnel“ sorgt künftig für eine schnellere und effizientere Verbindung zwischen Wien und Graz entlang der neuen Südstrecke. Die Fahrtzeit zwischen Wien und Graz wird sich um eine halbe Stunde verkürzen. Zudem bedeutet der Bau des „Semmering-Basistunnels“ eine Verkehrsentlastung und Ergänzung der Weltkulturerbe-Bergstrecke über den Semmering. Die Hauptelemente des gesamten Tunnelsystems stellen die zwei eingleisigen Streckenröhren mit den beiden Portalen in Gloggnitz und Mürzzuschlag dar, Querschläge deren Abstände zueinander höchstens 500 Meter betragen sowie eine Nothaltestelle, deren Ereignisfalllüftung über zwei rund 400 Meter tiefe Lüftungsschächte mit der Oberfläche verbunden ist, ergänzen das Projekt. Reihe von baubegleitenden Maßnahmen Neben dem eigentlichen Tunnelbauwerk sind für die Realisierung des Vorhabens eine Reihe von bauvorbereitenden und baubegleitenden Maßnahmen, wie die Errichtung von Baustraßen, Wasserversorgungsanlagen, einer lokalen Deponie, die Adaptierungen der Bahnhöfe Gloggnitz und Mürzzuschlag und der Bau der beiden Bahnstromversorgungen in Niederösterreich und der Steiermark, erforderlich. Das Vorhaben ist in fünf Bauabschnitte – die beiden Portalbereiche Gloggnitz und Mürzzuschlag sowie die drei Zwischenangriffe in der Göstritz, im Fröschnitzgraben und in Grautschenhof; diese fünf Bauabschnitte umfassen jeweils mehrere Baulose – unterteilt, um eine effiziente, technisch und wirtschaftlich zweckmäßige Herstellung zu gewährleisten. Baulose Gloggnitz, Fröschnitzgraben und Grautschenhof Das seit 2015 in Bau befindliche Baulos „SBT1.1 Tunnel Gloggnitz“ besteht aus den beiden Portalvortrieben in Gloggnitz und den Vortrieben des Zwischenangriffs in der Göstritz. Dieser ist für das Auffahren der „Schlaglstörung“ (Verlängerung des Mur-Mürz-Störungssystems) zwischen den wasserführenden Karbonatstöcken des Grasbergs und des Großen Otters erforderlich. Dazu wird seit 2016 ein rund 1.000 Meter langer Zugangstunnel vorgetrieben und über Kavernen zwei rund 250 Meter tiefe Schächte bis auf Tunnelniveau abgeteuft. Vom Schachtfuß aus wird in beide Richtungen gearbeitet. Im steirischen Fröschnitzgraben haben die Vortriebsarbeiten bereits im Jahr 2014 begonnen. Im Baulos „SBT2.1 Tunnel Fröschnitzgraben“ müssen zunächst zwei über 400 Meter tiefe Schächte bis auf Tunnelniveau abgeteuft und am Fuß der Schächte Kavernen und Stollen für die zukünftige Nothaltestelle ausgebrochen werden. Von dieser aus erfolgen dann die Tunnelvortriebe Richtung Gloggnitz und Mürzzuschlag. Der fallende Vortrieb in Richtung Gloggnitz erfolgt mittels zweier Tunnelvortriebsmaschinen (TVM), der steigende Abschnitt (Durchörterung der Deckengrenze) wird im zyklischen Vortrieb aufgefahren. Die Deponie Longsgraben stellt einen weiteren wesentlichen Bestandteil dieses Bauloses dar. Westlich davon schließt das Baulos „SBT3.1 Tunnel Grautschenhof“ an. Dort wird seit 2016 ein weiterer Zwischenangriff im Ortsgebiet von Spital am Semmering ausgeführt. Über zwei rund 100 Meter tiefe Schächte, die bis auf Tunnelniveau reichen, erfolgen jeweils zwei zyklische Vortriebe nach Osten und Westen. Deponie Longsgraben In der Deponie Longsgraben wird Tunnelausbruch aus sämtlichen Zwischenangriffen sowie dem Portalbereich Mürzzuschlag abgelagert. Ausbruchmaterial aus dem Portalvortrieb in Gloggnitz wird aufgrund der geografischen Voraussetzungen mit der Bahn weggeschafft. Die Anlieferung des Tunnelausbruchs aus den benachbarten Baulosen auf die Deponie Longsgraben erfolgt per LKW über im Vorfeld eigens errichtete Baustraßen. Innerhalb des Bauloses erfolgt der Transport des Schuttermaterials von der Baustelleneinrichtungsfläche (BE- Fläche) am Fröschnitzgraben über ein etwa 2,3 Kilometer langes Förderband in die Deponie. Mehr zum Baulos „SBT2.1 Tunnel Fröschnitzgraben“ Bei diesem Baulos handelt es sich im Hinblick auf den Tiefbau um eine der größten Einzelvergaben in der Zweiten Republik. Ein Spezifikum stellt der imposante Umfang des Bauloses dar, der nicht nur den eigentlichen Tunnelbau beinhaltet. Die zwei eingleisigen Streckenröhren, sowie Hangsicherung, Versorgungsschächte und eine Nothaltestelle sind ebenso in das Los inkludiert, wie 26 Querschläge, sämtliche Betriebsgebäude und die Deponie Longsgraben. 58.000 Kubikmeter Bewehrte-Erde-Stützkonstruktionen zur Umlegung des Longsbachs und 100.000 Quadratmeter Geogitter wurden verarbeitet. Eine weitere Besonderheit stellt auch die lange Errichtungszeit dar, die in der Ausschreibung mit einer maximal zulässigen Gesamtbaudauer von 3.870 Kalendertagen, mehr als 10,5 Jahren, verankert wurde. Der Baubeginn erfolgte am 7. Januar 2014. 6,2 Millionen Kubikmeter Tunnelausbruch Im Rahmen der Errichtung des „Semmering-Basistunnels“ fällt Tunnelausbruch und sonstiges Aushubmaterial im Ausmaß von etwa 6,2 Millionen Kubikmeter (fest) an, das wiederzuverwenden, zu verwerten oder ordnungsgemäß zu entsorgen ist. Um dadurch bedingte Transportbewegungen auf ein Minimum zu begrenzen, wurde für den Großteil der erwarteten Ausbruch- beziehungsweise Aushubmassen die Deponie Longsgraben errichtet. Sie wird etwa 4,25 Millionen Kubikmeter (eingebaut) fassen und ist in einem unbewohnten Seitengraben des Fröschnitzgrabens gelegen. Sie besteht aus einem Bodenaushub- und einem Baurestmassenkompartiment. Das Deponiebauwerk selbst besteht aus zwei – durch einen zirka 50 Meter hohen Damm getrennten – Ablagerungsbereichen und weist nach Ende der Ablagerungsphase bei einer Gesamtfläche von 20 Hektar eine Länge von 960 Metern und eine Breite von 250 bis 300 Metern auf; die Schütthöhe beträgt 50 bis 60 Meter. Eine Basisabdichtung und das zugehörige Sickerwassersystem werden nur für das Baurestmassenkompartiment errichtet. Das Sickerwasser wird in einer eigenen – im Bereich des Deponiekörpers in einem Kollektor verlaufenden – Sickerwasserleitung abgeleitet. Besonderheiten der Deponie Longsgraben Ein besonderer Aspekt beim Betrieb der Deponie Longsgraben liegt im Umstand, dass darin nicht nur Schuttermaterial aus dem „eigenen“ Baulos SBT2.1 sondern auch Tunnelausbruch aus den übrigen Baulosen des Semmering-Basistunnels abgelagert wird. Daraus resultieren Schnittstellen hinsichtlich des Anfalls des angelieferten Materials und dessen Aufbereitung sowie der Abrechnung. Der Einbau des Ausbruchmaterials hat auf Basis der angebotenen Vortriebsgeschwindigkeiten der insgesamt zwölf Tunnelvortriebe, der prognostizierten technischen und abfallchemischen Eigenschaften des Tunnelausbruchs und

März 2017/ UmweltJournal MOBILITÄT | TRANSPORT 19 Grafik: 3DSchmid Der Verlauf des Semmering-Basistunnels und seine Bauabschnitte unter Berücksichtigung der Witterungsverhältnisse in rund 1.200 Meter Seehöhe zu erfolgen. In der Ausschreibung war daher eine Prognose für den zeitlichen Anfall des gesamten Tunnelausbruchs in den Nachbarbaulosen zu berücksichtigen sowie der erforderliche stetige Einbau unter Berücksichtigung der Witterung in der Höhenlage der Deponie. Der Materialeinbau in der Deponie wird nach der tatsächlich eingebauten Kubatur im verdichteten Zustand abgerechnet. Die Feststellung dieser Kubatur erfolgt durch eine jährliche Vermessung der Deponieoberfläche. Für die monatlichen Zwischenabrechnungen werden die mittels geeichter Waagen ermittelten angelieferten Massen mit einem in der Ausschreibung festgelegten Faktor umgerechnet. Kampfmittelerkundung und Archäologische Untersuchungen Um mit der Errichtung der Deponie Longsgraben beginnen und in weiterer Folge zeitgerecht den Deponiebetrieb mit dem ersten Anfall von Ausbruchmaterial aufnehmen zu können, waren zahlreiche Vorarbeiten und sonstige Maßnahmen erforderlich: Vor Baubeginn waren in Bereichen von Trattenbach und im Fröschnitzgraben ab dem Jahr 2012 Kampfmittelerkundungen durchzuführen, da die Region Semmering gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Schauplatz intensiver Kämpfe zwischen deutschen und sowjetischen Truppen war und der Streckenverlauf die letzte Hauptkampflinie quert. Es bestand erhöhtes Kampfmittelrisiko (blind gegangene, versprengte und abgelegte Munition), welche noch teilweise in Tiefen von null bis zwei Metern unter der Geländeoberkante (GOK) liegen kann. Seit 2012 erfolgten auch archäologische Untersuchungen. Am Eingang des Longsgrabens wurde die Gebäuderuine eines abgekommenen Gehöfts untersucht, dessen erste urkundliche Nennung von 1542 stammt. Mit zahlreichem neuzeitlichen Fundmaterial (16. bis 20. Jahrhundert) aus dem Gehöft sowie der Dokumentation des Peterbauern-Stollens (neuzeitlichen Erzabbau) konnten die Untersuchungen rechtzeitig vor Baubeginn abgeschlossen werden. Baulos „Trinkwasserversorgungsanlage Spital am Semmering“ Das Baustraßennetz quert in Steinhaus das Wasserschutzgebiet der Erzkogelquelle, das einen Teil der bestehenden Trinkwasserversorgung der Gemeinde Spital am Semmering darstellt. Aufgrund der Gefahr einer qualitativen und quantitativen Beeinträchtigung der Erzkogelquelle in der Bau- und Betriebsphase der Baustraße Steinhaus erfolgte im Zeitraum zwischen März 2012 bis August 2013 vor der Bauherstellung dieser Straßenverbindung die erforderliche Adaptierung der Trinkwasserversorgungsanlage. Die Arbeiten umfassten die Verlegung von rund 2.400 Meter Wasserleitungsrohren, den Bau des Hochbehälters Spital mit einem Fassungsvermögen von 400 Kubikmetern, die Ertüchtigung von bestehenden Hochbehältern der Gemeinde sowie technische Ausstattungen. Zudem wurde im Auftrag der Gemeinde Spital am Semmering eine Verbindung der bestehenden Trinkwassernetze der Ortsteile Steinhaus und Spital am Semmering mit der Verlegung von rund 4.200 Metern Wasserleitungsrohren realisiert. Darüber hinaus wurde im Rahmen dieses Bauvertrags die künftige BE-Fläche des Bauloses im Fröschnitzgraben mit rund 3.800 Metern Wasser und Abwasserleitungsrohren an das Ver- und Entsorgungsnetz der Gemeinde angebunden. Baulos „Baustraßen und Vorarbeiten Deponie Longsgraben“ Um zur BE-Fläche Fröschnitzgraben und in die Deponie im Die Deponie Longsgraben wird etwa 4,25 Millionen Kubikmeter Bodenaushub- und Baurestmassenkompartiment fassen. Longsgraben zu gelangen, war es erforderlich eine temporäre Baustellenzufahrt von der S6 Semmering Schnellstraße im Bereich Steinhaus zu errichten. Jeweils am Beginn der beiden Anschlussrampen wurden automatische Schrankenanlagen angeordnet, um sicherzustellen, dass nur Berechtigte die Baustellenzufahrt nutzen. Im Bereich dieser temporären Baustellenzufahrt ist auch ein Umladeplatz für Sondertransporte, zum Beispiel von Teilen der Tunnelvortriebsmaschinen, vorgesehen. Als ein Ergebnis der Behördenverfahren wurde für die Umfahrung des Ortsgebiets Steinhaus eine rund 1.650 Meter lange und sechs Meter breite Baustraße über den sogenannten Schmelzriegel in Steinhaus in bituminöser und im Bereich des Wasserschutzgebietes der Erzkogelquelle in Betondeckenbauweise errichtet. An der Baustraße Steinhaus schützen rund 500 Meter Lärmschutzwände die bestehenden Wohnobjekte. Zur Erschließung der Deponie Longsgraben wurde das bestehende Forstwegenetz für die Baustraße ausgebaut. Um eine frühestmögliche Deponierung von Tunnelausbruchmaterial zu gewährleisten, waren aber zahlreiche weitere Vorarbeiten erforderlich. Diese umfassten eine abschnittsweise Verlegung des Longsbachs mittels Bewehrte- Erde-Stützkonstruktionen auf einer Länge von rund 1.150 Metern von der derzeitigen Tiefenlinie des Longsgrabens an den zukünftigen Deponierand auf der orographisch linken Talflanke. Für die Wartung des umgelegten Longsbachs wurden zwei Bauzufahrten sowie eine Begleitberme errichtet. Die Bewehrte- Erde-Stützkonstruktionen für die Bachverlegung weisen eine Höhe von maximal zehn Meter (50 Meter über Talsohle) auf und dienen als talseitige Begrenzung für den hochgelegten Longsbach. Bei einer Bauzufahrt beträgt die Höhe der Bewehrte-Erde-Stützkonstruktion bis zu 25 Meter. Insgesamt wurden rund 58.000 Kubikmeter Bewehrte-Erde- Stützkonstruktionen (eingebautes Dammvolumen) hergestellt und rund 100.000 Quadratmeter Geogitter verarbeitet. Des Weiteren wurde der, die Deponie im Eingangsbereich begrenzende Basisdamm mit einer Kubatur von rund 16.000 Kubikmetern geschüttet, der als Schutzdamm bei außergewöhnlichen Hochwasserereignissen oder Muren dient sowie Vorarbeiten zur Herstellung der Betriebseinrichtung der Deponie vorgenommen. Für die ordnungsgemäße Entwässerung der Quellzutritte und Hangwässer im Deponiebereich ist für die Ablagerungsphase ein eigenes, auf der Sohle eines Kollektorgangs geführtes Entwässerungssystem zu installieren, das auch in der Nachsorgephase der Deponie beibehalten wird. Im Bereich des Basisdamms erfolgte in der derzeitigen Tiefenlinie des Grabens die Errichtung von 15 der insgesamt 46 Abschnitte des Kollektorbauwerks zu je 15 Metern Länge. Auf der orographisch rechten Talseite entlang der Deponieaußenbegrenzung erfolgte die Herstellung eines Fanggrabens mit Begleitberme und Ableitungskanal in den Longsbach, um das außerhalb des Deponieareals anfallende Oberflächenwasser abführen zu können. Für eine ordnungsgemäße Ableitung der Oberflächen- und Deponiesickerwässer der Deponie Longsgraben in den Fröschnitzbach wurden zudem jeweils eigene Ableitungskanäle und zwei Gewässerschutzanlagen errichtet. Transportbewegungen auf ein Minimum begrenzt Im Rahmen der Errichtung des „Semmering-Basistunnels“, der als Teil des Baltisch-Adriatischen Korridors eines der wichtigsten Projekte an der neuen Südstrecke darstellt, fällt also eine ganze Menge Tunnelausbruch an, der wiederzuverwenden, zu verwerten oder ordnungsgemäß zu entsorgen ist. Die Deponie vor Ort – im Longsgraben – garantiert, dass diese Entsorgung und die dadurch bedingten Transportbewegungen auf ein Minimum begrenzt werden.