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UmweltJournal Ausgabe 2017-02

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4 NEWS

4 NEWS UmweltJournal /März 2017 Stärkung des Bestbieterprinzips im Vergaberecht (Teil 1) Noch ist nichts vergeben Das Vergaberecht in Österreich muss dringend novelliert werden, um diesbezügliche EU-Richtlinien zu erfüllen. Die Zeit drängt, denn die Rechtslage ist vor allem für die Auftragnehmer unsicher. Autor: Peter R. Nestler peter.nestler@sciam.at Die Bedeutung eines einheitlichen Vergaberechts wird spätestens dann klar, wenn die Staatsausgabenquote Österreichs beleuchtet wird. Das ist der Anteil der Ausgaben des Staates am Bruttoinlandsprodukt und er betrug in Österreich in den vergangenen Jahren mehr als 50 Prozent, was einer Größenordnung von jährlich mehr als 140 Milliarden Euro entspricht. Dies umfasst Ausgaben des Staates in der Form von Bund, Länder und Gemeinden sowie aller Gesellschaften, an denen diese Gebietskörperschaften einen Mehrheitsanteil halten. Leider fast nur Billigstbieter Eine der wesentlichsten Neuerungen im Bundesvergabegesetz war 2016 die verpflichtende Verankerung des „Bestangebotsprinzips“ (besser bekannt als „Bestbieterprinzip“) als Zuschlagsprinzip. Dieses gilt seit März 2016, ist aber bis heute umstritten. Denn oftmals hat es auf die potenziellen Auftragnehmer zu einem hohen Preisdruck geführt, womit sich das Bestangebotsprinzip meist zum „Billigstangebotsprinzip“ wandelte. Dieses führte wiederum dazu, dass in der Kette der ausführenden Unternehmen der Preisdruck bis zum letztlich Ausführenden weitergereicht wird und es schlussendlich zu Lohnund Sozialdumping kommt. Laut einer Studie des WIFO zu den Bestbietervergaben in Österreich gewichtet jede fünfte Bestbietervergabe den Preis mit mindestens 95 Prozent. In praktisch keinem anderen europäischen Land wird der Preis so stark gewichtet. In Österreich wird rund die Hälfte (54 Prozent) der Ausschreibungen im Oberschwellenbereich mittels Bestbieterprinzips vergeben. Daher wurden Kategorien von Vergabeverfahren aufgelistet, bei denen verpflichtend das reine „Bestangebotsprinzip“ zur Anwendung gelangen muss (etwa bei Bauaufträgen mit einem Auftragswert von mindestens einer Million Euro sowie bei geistigen Dienstleistungen). Zudem wur- de klargelegt, in welchen Konstellationen ausnahmsweise das „Billigstangebotsprinzip“ zulässig ist. Damit folgte der Gesetzgeber in Österreich zum Teil auch einem EU-Auftrag, wonach drei EU- Vergaberichtlinien bis spätestens 18. April 2016 in nationales Recht zu übernehmen seien. Rechtsvakuum bedeutet Unsicherheit Was bislang allerdings noch immer fehlt, ist die Umsetzung der beiden noch fehlenden EU- Vergaberichtlinien (Ausschreibungspflicht von Dienstleistungskonzessionen oder ehemals nicht prioritären Dienstleistungen sowie Richtlinie für die Sektorenauftraggeber). Damit entstand ein Rechtssetzungsvakuum, das zweierlei bedeutet: Zum einen treten damit automatisch die übergeordneten EU-Bestimmungen in Kraft und die korrespondierenden Bestimmungen im BVerG sind rechtsunwirksam. Zum anderen könnten sich sowohl Auftragnehmer als auch Auftraggeber auf diese Rechtslage berufen und zum Beispiel Aufträge doch nicht laut BVerG vergeben oder theoretisch wegen Verstößen gegen EU-Recht klagen. Forderungen der Industrie Passend zu der laufenden Diskussion zur überfälligen Novellierung des BVerG in Österreich hat der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) und der Fachverband der Metalltechnischen Industrie (FMTI) einige Forderungen erhoben. Neben der für alle Vergabeverfahren verpflichtenden Eignungsprüfung der Bieter anhand von Ratingzahlen (zum Beispiel nach dem KSV- Rating) sollten folgende wirtschaftspolitischen Maßnahmen umgesetzt werden, um den Standort Österreich zu unterstützen. Zur Stärkung des Bestbieterprinzips sollen bei der Wahl des technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebotes neben dem Preis verpflichtend mindestens zwei weitere Zuschlagkriterien zur Anwendung kommen. Zur Unterbindung der sogenannten „Feigenblattkriterien“ soll eine Mindestgewichtung preisfremder Kriterien oder eine Maximalgewichtung des Preises bei der Anwendung des Bestangebotsverfahrens gesetzlich festgeschrieben werden. Um die Auswahl an preisfremden Kriterien sachgemäß bewerten zu können, sollen Kataloge mit inhaltlich festgelegten Qualitätskriterien, jeweils für Bau-, Liefer- und Dienstleistungen, erstellt werden. Es wird spannend, wann die restlichen rechtlichen Lücken im Bundesvergabegesetz geschlossen werden. Zur Zeit ist die Rechtslage speziell für die Auftragnehmer unsicher, weil nicht klar ist, ob man sich an die Bestimmungen des österreichischen Rechts alleine verlassen soll oder auch die EU- Richtlinien in der Angebotslegung mitkalkulieren muss. Vor allem die Frage, welche Nicht-Preis-Kategorien erarbeitet werden, dürfte die beteiligten Interessengruppen noch beschäftigen. Fortsetzung folgt: In der nächsten Ausgabe des UmweltJournals geht es in einer Fortsetzung dieses Artikels um die zusätzlichen Vergabekriterien, die mit der Novellierung des Gesetzes festgeschrieben werden sollen. Performance 3 . aUf LaSTWecHSeL eInGeSPIeLT: DAS EFFIZIENTE TRIO FÜRS BELEBUNGSBECKEN. 28.–31. märz / Halle 4.2, Stand 302 Technische und bauliche Besonderheiten und der wechselnde Luftbedarf in den Belebungsbecken fordern die Belüftungstechnik jeder Kläranlage heraus. Folge: Extreme Energieverbräuche. Sie können bis zu 80 % der Gesamtkosten ausmachen. Lösung: Neuartige Kombinationen aus Blower-, Hybrid- und Turbogebläse von AERZEN. Sie bedienen die Grundlasten höchst energiesparend und fangen Versorgungsspitzen punktgenau ab. Ergebnis: Eine bisher nicht gekannte Effizienz im Gesamtbetrieb. 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März 2017/ UmweltJournal INDUSTRIE 4.0 5 Exklusivinterview mit dem deutschen Top-Industriedesigner Jürgen R. Schmid „Die Tragweite der Digitalisierung als Rätsel“ Ende vergangenen Jahres referierte der Top-Industriedesigner Jürgen R. Schmid zum Thema „Startschwierigkeiten bei Industrie 4.0“ bei der Fachtagung industry.tech16 in Zell am See. Im UmweltJournal-Talk schildert er den Status Quo Industrie 4.0 und betont die Bedeutung des Themas für Wirtschaft und Gesellschaft. Foto: Jürgen R. Schmid „Firmen, die sich um Industrie 4.0 nicht kümmern, sind erledigt.“ Jürgen R. Schmid, DT Design Tech Autor: Mag Alexander Kohl alexander.kohl@sciam.at UJ: Aus der Sicht eines Industriedesigners: Wie sehr hat sich ihre Arbeit mit dem Aufkommen des facettenreichen Themas Industrie 4.0 verändert? Schmid: Wir versuchen unsere Kunden mehr und mehr dafür zu begeistern – in einigen Branchen aber ist das gar nicht so einfach: Studien zeigen beispielsweise, dass 94 Prozent der Maschinenbauer das Thema Industrie 4.0 als wichtig einschätzen, aber nur 30 Prozent wissen, was das überhaupt ist und nur zwölf Prozent tatsächlich aktiv werden. Von diesen zwölf Prozent geben Firmen etwa 40.000 Euro aus. Das ist extrem wenig im Vergleich zu anderen Branchen und zeigt, dass die Digitalisierung im klassischen Maschinenbau noch total in den Kinderschuhen steckt. Und es gibt sehr viele für die das Thema noch gar nicht am Radar erscheint. Viele schlafen vor sich hin … da mache ich mir manchmal sogar Sorgen um den deutschen Maschinenbau. Wo sehen Sie die Gründe dafür, dass dem Thema noch nicht so viel Beachtung geschenkt wird? Nun, für die meisten offenbart sich die Tragweite der Digitalisierung noch als Rätsel. Mir hat vor Kurzem ein Firmeninhaber sein Leid geklagt. Er meinte: „Ich wüsste nicht mal, wie man zu dem Thema eine Roadmap schreibt!“ Dieser Mangel an Wissen, gepaart mit Fehleinschätzungen ist schon fast charakteristisch für das Thema Industrie 4.0 an sich – dazu kommt auch noch meistens ein Schuss Ignoranz. Viele warten, manche sind auch besorgt, aber die Entwicklungschancen sehen nur wenige. Wie würde nun die zielgerichtete Adaption auf Industrie 4.0 für ein Unternehmen aussehen müssen? Was wären die ersten Schritte? Die wichtigste und erste Frage ist: Was will ich damit erreichen? Da gibt es verschiedene Stufen. Ein Ansatz ist die Produktionssteigerung meines Unternehmens – vom Materialeingang über die Produktion zur Auslieferung. Also die komplette Umwälzung der eigenen Produktion. Die letzte Stufe ist dann: Wie werden meine Produkte selbst auch noch Industrie 4.0 tauglich. Das ist schon sehr speziell. Wir sind im Moment sehr mit der ersten Stufe beschäftigt. Wie zeigt man aber Unternehmern nun schnell und klar vor, dass sich Industrie 4.0 nun wirklich rechnen kann? Das ist gar keine Rechenaufgabe. Das ist eine Tatsache. So wie die Globalisierung, die auch ein amerikanischer Präsident nicht aufhalten kann. Alle kommunizieren heute mit allem, es gibt globale Netzwerke. Jeder ist mit jedem irgendwie verflochten. Das ist das Wesen der Globalisierung und in der Digitalisierung ist das nicht anders. Wenn man zukünftig existieren und Geschäfte machen will, muss man sich also mit Industrie 4.0 beschäftigen. Ich glaube auch, dass hier volkswirtschaftlich eine enorme Chance liegt … Warum? Weil wir durch effizientere Fertigung und Prozesssteuerung wieder viele Produktionsstandorte, die wir ans Ausland verloren haben, wieder zurück nach Deutschland holen können. Dazu gibt es auch bereits erste Beispiele, wie etwa Adidas, wo unter dem Aspekt der additiven Fertigung (3D-Druck – Anmerkung) Produktionsflächen wieder in den Zielmärkten aufgebaut werden. Industrie 4.0 ist letztlich auch die industrielle Chance der Losgröße Eins gerecht zu werden. Jeder Kunde hat die Möglichkeit ein hochindividuelles Produkt zu einem seriellen Preis zu bekommen – sofort verfügbar und hochqualitativ. Wäre diese Individualisierung der Produkte nicht auch ohne „Industrie 4.0“ möglich? Ich glaube, dass es vor allem die Daten und die Vernetzung der Produktionselemente braucht. Die Digitalisierung macht Industrie 4.0 ja erst möglich und erhöht letztlich erst die Produktivität – mit sämtlichen Auswirkungen auf Energiebedarf, Ökologie, Manpower … Stichwort Manpower: Es gibt häufig die Angst der Beschäftigten vor der menschenleeren Fabrik durch Industrie 4.0. Sind diese Ängste berechtigt? Ja, auf jeden Fall. Industrie 4.0 wird sehr viele Arbeitsplätze kosten. Nicht weil wir weniger Manpower benötigen, sondern weil manche Arbeiten einfach wegfallen. Aber neue werden auch entstehen. Ich vergleiche das gern mit unserem Smartphone. Das hat neben der Telefonfunktion eine Kamera, eine Stereoanlage, einen Taschenrechner, ein Diktiergerät … und niemand kauft sich heute noch einen Taschenrechner oder ein Diktiergerät. Diese speziellen Sektoren sterben langsam weg. Aber letztlich wurden auch wieder neue Arbeitsplätze geschaffen, weil durch das Smartphone die Absätze natürlich erheblich erweitert wurden. Und um diese Geräte sind ja auch wieder Märkte gewachsen. Designs, Wartungen, Energie, Recycling, et cetera. Da gibt es sicher viele Märkte, die auch durch Industrie 4.0 entstehen werden. Wenn sich nun ein Unternehmen dem Industrie-4.0- Trend völlig verweigert – worauf müsste es gefasst sein? Die Firmen, die sich um Industrie 4.0 nicht kümmern, sind erledigt. Das muss man so krass sagen. Das wäre so, wie wenn sich Ausbildung zum/zur Umweltmanagementbeauftragten (UMB) Details siehe www.wifiwien.at/482096 Kostenlose Info-Veranstaltung: Do, 16.3.2017, 18.00 Uhr WWW Besuchen Sie uns jetzt auf www.umweltjournal-online.at Ausbildung zum/zur Energieeffizienzbeauftragten Details siehe www.wifiwien.at/482256 Kursdauer: 11.5. – 2.6.2017 (32 Lehreinheiten) Ausbildung zum/zur abfallrechtlichen Geschäftsführer/­in Details siehe www.wifiwien.at/482196 Kursdauer: 24.4. – 7.6.2017 (48 Lehreinheiten) WIFI. Wissen Ist Für Immer. www.wifiwien.at/kontakt T 01 476 77-5555 Währinger Gürtel 97, 1180 Wien www.wifiwien.at www.facebook.com/WIFI-Oesterreich die Automobilindustrie nicht um autonomes Fahren und E-Mobilität kümmerte. Diese Unternehmen werden kleiner und weniger – das wird aber sicher nicht schlagartig passieren, denn wir reden ja von ganzen Industrienationen, die sich hier bewegen müssen. Und das geht, wie wir wissen, nicht immer ganz so schnell.