Aufrufe
vor 4 Jahren

UmweltJournal Ausgabe 2017-06

8 ENERGIETECHNIK

8 ENERGIETECHNIK UmweltJournal /November 2017 Energiewanderung im Gitschtal Ich bau mir mein eigenes Kraftwerk! Johann Steinwender hat viele Berufungen: Als Landwirt verlässt er schon im Morgengrauen das Haus, als Gastgeber wünscht er um neun Uhr morgens seinen Gästen beim Frühstück einen schönen Start in den Tag, um sich am späten Vormittag seinem dritten Beruf – dem des Waldbesitzers zuzuwenden. Seit Mai dieses Jahres ist noch ein vierter hinzugekommen: Stromlieferant. Die Geschichte eines „Autarkiefans“. Autor: Martin Ögg martin.oegg@sciam.at Friedlich bahnt sich die Gössering ihren Weg durch das Gitschtal. Gerade einmal 22 Kilometer gluckst und plätschert sie von ihrem Ursprung durch eine malerische Waldlandschaft im Süden Kärntens, ehe ihre Wellen in der Gail verschwinden. Und dennoch ist sie kräftig genug, um ihre Energie von einem Wasserkraftwerk in Strom verwandeln zu lassen. Donnerstag. Zehn Uhr. Johann Steinwender schart eine Gruppe Hotelgäste an der Rezeption des Lerchenhofs um sich. Steinwender führt gerne in kleinen Wanderungen seine Gäste an die schönsten und interessantesten Winkel des Gitschtals. Seit heuer tut er es noch lieber, denn aus seiner Sicht ist das Tal um eine Attraktion reicher: Steinwender hat dem Lerchenhof nach zehnjähriger Nachdenk-, Planungs- und Bauzeit ein eigenes Kraftwerk spendiert. Daher steht nun donnerstags eine ganz spezielle „Energiewanderung“ auf dem Ausflugsprogramm – eine Tour zum hauseigenen Wasserkraftwerk. Bodenständig und nachhaltig Seit Steinwender vor 21 Jahren zusammen mit seiner Frau den elterlichen Betrieb übernommen hat, lässt ihn eine Idee nicht mehr los: Autarkie. Unabhängig sein von anderen. Nach und nach hat er alle Bereiche seines Hotels und seines Hofes auf Möglichkeiten hin abgeklopft, seinen Bedarf selbst zu decken. Die Landwirtschaft, die er neben seinem Hoteliers-Job immer noch betreibt, eröffnet ihm dazu viele Möglichkeiten. Fleisch, das im Restaurant auf den Teller kommt, hat er zu einem guten Teil selbst im Stall großgezogen. Hackschnitzel, die im Winter seine Gäste wärmen, hat er in seinem eigenen Wald gefällt. Und was Steinwender nicht selber machen kann, das besorgt er sich zumindest soweit wie möglich aus der Umgebung – seit zwei Jahren ist Steinwender mit seinem Lerchenhof Mitglied der „Slowfood-Travel-Region Gailtal/Lesachtal“. Wenn schon nicht komplett autark, dann zumindest nachhaltig und regional. Die Gössering und ihre Uferwälder kennt Steinwender seit seiner Kindheit wie seine Westentasche. Die erste Station auf der Kraftwerkstour ist ein Baumhaus. Stolz zeigt er es seinen Gästen: Seinerzeit eigenhändig errichtet von Steinwender junior and friends hat es die letzten 40 Jahre nahezu unbeschadet überstanden. Das war noch Qualität. Der Hotelier und Landwirt Johann Steinwender hat sich an der Gössering sein eigenes Kleinwasserkraftwerk gebaut. Steinwender denkt nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten. Anders wäre auch ein Kraftwerksprojekt nicht zu realisieren. Wer das schnelle Geld will, ist hier falsch am Platz. Die Idee zu einem Kleinwasserkraftwerk an der Gössering ist nicht neu. Schon in den 60er Jahren hat eine solche Konstruktion das ganze Dorf mit Strom versorgt. Doch dann kam die Energiepolitik der 70er und 80er Jahre und Kleinkraftwerke waren nicht mehr hui, sondern pfui. Erst vor zehn Jahren – dezentrale Energieversorgung war mittlerweile wieder en vogue – keimte in Steinwender die Idee, diese alte Tradition wieder aufleben zu lassen. Allerdings sollten andere Projekte, sein Hang zu detaillierter Planung und genauer Kalkulation, sowie die offiziellen Behördenwege den Herbst 2016 ins Land ziehen lassen, ehe er den Grundstein legen konnte. Umleitung Von einer Böschung aus kann man das Kraftwerk und den kleinen Stausee gut überblicken. „Schon ein arges Gefühl“ sei es gewesen, als Steinwender gleichsam vom Feldherrenhügel aus im September des vergangenen Jahres auf die vier Riesenbagger blickte, die in wenigen Wochen den Flusslauf kurzerhand um 15 Meter nach Süden verlegten. „Ist das nicht doch ein ziemlicher Eingriff in die Natur, bloß um ein kleines Hotel mit eigenem Strom zu versorgen?“ Steinwender scheint die Frage erwartet zu haben. Er winkt ab: Das Umweltverfahren sei kein Problem gewesen. Durch viele andere Projekte aus Land- und Forstwirtschaft war ihm klar, dass er alle Beteiligten frühzeitig einbinden sollte und so konnte er nach Alles sicher verbunden! Sichere Powerline-Kommunikation in Ihrem Stromnetz. Smart Metering Netzzustandsüberwachung Netzsteuerung Erneuerbare Energien E-Mobilität Unsere Produkte für Ihr Netz: Intelligente Stromzähler und PLC-Modems für die Nieder- und Mittelspannung. Mehr unter: www.devolo.at/smart-grid sg_key_gruen_anzeige_umweltjournal275x196-5_2017_06.indd 1 12.10.17 12:50

November 2017/ UmweltJournal ENERGIETECHNIK 9 Fotos: Ögg und nach von den Anrainern über diverse Kommissionen bis zu den Behörden alle überzeugen. Mit einer Bürgerinitiative musste er sich dennoch herumschlagen – gleich zu Baubeginn. Eine Verwechslungsgeschichte allerdings: Ziemlich zur selben Zeit sei ein zweites Kraftwerksprojekt an der Gössering im Raum gestanden. Für dieses Projekt hätte allerdings der Mühlbach, ein kleiner Nebenfluss der Gössering, stillgelegt werden müssen. So weit war es nie gekommen, aber Steinwender hatte gerade zu bauen begonnen und so hatte sich die Bürgerinitiative – nachdem sie schon einmal da war – einfach auf dieses Projekt gestürzt. Die Verwirrung war rasch aufgeklärt und Steinwender ist stolz darauf, dass er – auch als Land- und Forstwirt – auf die Schonung der Natur größten Wert gelegt habe: „Natürlich mussten wir ein paar Bäume fällen, aber die pflanzen wir bereits alle wieder nach und in zwei bis drei Jahren wird man außer der Wehranlage kaum noch sehen, dass das einmal anders war.“ Naturnah und respektvoll An dieser Wehranlage sind wir mittlerweile angekommen. Aus Beton und Stahl ist gerade so viel, wie technisch unbedingt nötig. Der Rest ist aus Holz – bloß nicht zu stark auffallen, scheint die Devise. Der kleine Stausee fügt sich tatsächlich bereits jetzt in die Landschaft, als wäre er schon immer da gewesen, und die Fische nutzen die bequeme Fischtreppe, die ihnen Steinwender auf ihrem Weg zum Ursprung der Gössering spendiert hat, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Auch die heimischen Kormorane machen keinen unglücklichen Eindruck. Stolz öffnet Steinwender das Vorhängeschloss am Schutzzaun, unterstreicht seine Sicherheitsinstruktionen mit Hinweisen auf tödliche Unfälle, die sich bei solchen Kraftwerken immer wieder ereignen würden und führt uns in sein neues Reich. Kraftwerksbetreiber zu werden, sei gar nicht schwer, erklärt er – wenn man einmal vom finanziellen Aufwand, den Behördenauflagen und den nötigen örtlichen Voraussetzungen absieht. Prüfung benötige man dafür keine. „Aber muss man nicht sehr genau wissen, wie man so ein Kraftwerk steuert und wartet?“ „Doch“, antwortet Steinwender, „wenn in der Wehrsteuerung bei Hochwasser hier was schief geht, dann steht Hermagor unter Wasser.“ Und das ist immerhin die Bezirkshauptstadt. Mit dem unbedingt Nötigen gibt sich Hans Steinwender aber ohnehin nicht zufrieden. Seit Jahren hat er sich über die technischen Möglichkeiten des Kraftwerkbaus, über hydraulische Wehrkonstruktionen, über Turbinentypen und das Wasserrecht informiert. Er hat nachgefragt, gelesen, gelernt. So, dass er am Schluss mit allen Lieferanten auf Augenhöhe verhandeln konnte. Die meisten von ihnen stammen ebenfalls aus der Region. Da geht noch so viel mehr! Unsere Wanderung hat uns zwischenzeitlich zum Generatorblock geführt: Entlang der DN1200 Druckrohrleitungen – die wir leider nicht sehen können, weil sie gut vergraben in der Erde liegen – und vorbei am Düker – der nötig war, um an einer Stelle die Gössering zu unterqueren. „Nach langem Hin und Her habe ich mich für eine Durchström-Turbine von Ossberger entschieden!“ Steinwenders Augen leuchten, wie bei jemandem, der sich gerade einen Lamborghini gekauft hat, als er uns das Herzstück der Stromerzeugung zeigt. Der Wasserstand in der Gössering schwankt häufig und stark. Bis zu 1.800 Liter pro Sekunde fließen durch die Turbine – das entspricht knapp zwölf Vollbädern und ist die absolute Höchstmenge; auch wenn der Fluss mehr Wasser führt. Der war nämlich drei Tage vor unserer Führung auf über 9.000 Liter pro Sekunde angestiegen. „Mit einer Durchström-Turbine kann ich immer Strom erzeugen. Sie hat zwei Kammern – eine große und eine kleine. Bei wenig Wasser verwendet die Turbine nur die kleine. Bei mittlerem Pegelstand die Große und wenn wir richtig viel Wasser haben beide!“ Noch fährt Steinwender im Probebetrieb. Die Installationsfirma sei täglich damit beschäftigt, das System zu optimieren und sich dem machbaren Wirkungsgrad anzunähern. Nur ein Drittel des Stroms aus eigener Erzeugung benötigt Steinwender derzeit für seinen Lerchenhof. Den Rest – in etwa 350.000 Kilowatt – kann er über 13 Jahre zu einem garantierten Tarif ins öffentliche Netz einspeisen. Eine Million Euro hat der Autarkiefan Steinwender in sein Projekt investiert, finanziert auf 20 Jahre. Über die Zeit nach der gestützten Einspeisung macht er sich derzeit noch keine Sorgen, wohl aber viele Gedanken. Ab einem Einspeistarif von rund viereinhalb Cent wäre die Anlage langfristig rentabel. Sollte sich der Preis anders entwickeln, könnte er ohne Weiteres mit seinem Überschuss umliegende Häuser mit Energie versorgen. Klappe auf; Schlamm raus! Daten auf einem Blick – selbstverständlich auch über Handy abrufbar. ENERGIE & UMWELT + Energieaudits (EN 16247 gem. EEffG) + Energiemanagementsysteme (EnMS) nach ISO 50.001 + Energiedatenerfassung und -management + Energiemonitoring + Schulung von Energiebeauftragten und MitarbeiterInnen - Akademie + + Energieberatung und Fördermanagement + Planung und Begleitung der Umsetzung von Energieoptimierungsmaßnahmen www.ConPlusUltra.com TECHNIK & RECHT + Compliance Management + Umwelt-, Anlagen- & Arbeitnehmerschutzrecht + Software Compliance +web + § 82b Prüfungen + Genehmigungsverfahren + Explosionsschutz + Lärm-, Luft- & Licht-Gutachten ConPlusUltra GmbH Tel. 05/98 98-201 office@conplusultra.com St. Pölten | Wien Wissen was geht. Tun was wirkt.