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UmweltJournal Ausgabe 2018-06

20 THEMENREIHE:

20 THEMENREIHE: UMWELT*PROTAGONISTEN UmweltJournal /November 2018 Hintergrundinterview zum neuen Erfolgs-Lehrgang „Lernraum Natur“: „Natur ist einfach lässig“ Im Oktober startete der neue Lehrgang „Lernraum Natur“, der dieses Jahr erstmals unter anderem von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik angeboten wird. Prof. Willi Linder ist einer der Lehrenden und zuständig für Naturvermittlung, Outdoorpädagogik und Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Das UmweltJournal hat sich mit ihm im Garten der Hochschule im 13. Wiener Gemeindebezirk getroffen: UJ: Herr Prof. Linder, der neue Lehrgang „Lernraum Natur“ wurde fast überrannt – was sagen Sie zu diesem großen Interesse? Linder: Ich persönlich bin etwas überrascht, aber natürlich sehr begeistert, dass dieser Lehrgang, der uns allen sehr am Herzen liegt, so gut angenommen wird. Wir konnten aufgrund der vielen Buchungen sogar einen zweiten Lehrgang starten. Das heißt, es gibt ganz offensichtlich ein echtes Bedürfnis in der Bevölkerung nach diesem Thema. Wir alle wissen, dass der Kontakt von Kindern zur Natur in den letzten Jahrzehnten dramatisch abgenommen hat. Die Natur hat zwar weiterhin ein positives Image, sie ist für Jugendliche und Kinder schützenswert, aber sie ist ihnen fremd geworden. Um es pointiert zu sagen: ‚Früher ist man hinausgegangen um etwas zu erleben, heute geht man ins Zimmer und in virtuelle Räume, um etwas zu erleben.‘ Das ist ein globales Phänomen. Natürlich kann man jetzt fragen: Was ist das Problem dabei? Der Kontakt ist aber eine wesentliche Grundlage für Umweltbewusstsein, das belegen Studien. ‚Was man kennt, das liebt man; was man liebt, das schützt man‘ - dieser Satz hat nach wie vor Gültigkeit. Daher war es uns allen ein großes Anliegen, mit dem neuen Lehrgang dem Trend der Naturentfremdung entgegenzuwirken. Was wird nun im Lehrgang genau vermittelt? Wir wollen, dass Kinder letztlich von der Natur und mit der Natur lernen. Dieses Lernen sollte aber strukturiert gestaltet, die Vermittlungsarbeit professionalisiert werden. Das Ganze soll Spaß machen und das Ziel ist, dass Menschen letztlich selbst die Natur wieder besuchen. Dazu gibt es viele Zugänge: Forschendes und entdeckendes Lernen, spielerisches Lernen, erfahrungsorientiertes Lernen. Mit diesen Lernarrangements schafft man gute Möglichkeiten, in der Natur zu lernen. Ein Beispiel? Man macht mit einer Schulklasse einen Ausflug in die Natur. Dann fährt man zuerst einmal eine halbe Stunde mit dem Bus - und dann lässt man alle aussteigen und will sie gleich mit Naturwissen „vollpauken“. Das wird nicht funktionieren. Aber da gibt es interessante Möglichkeiten, wie man echte Aufmerksamkeit erzeugen kann. Zum Beispiel die Kinder vorerst etwas Bewegungsorientiertes machen zu lassen und mit Fragen, mit selbständigen Aufgaben anstatt mit Vorträgen zu arbeiten. Vorträge gehören in Klassenräume, draußen in der Natur steht das Beobachten, das Erkunden im Mittelpunkt. Wir wollen den Teilnehmern zeigen, wie sie selbst Lernangebote in der Natur entwickeln und gestalten können. Können auch trockene Lernfächer mit Natur vermittelt werden? Natürlich (lacht). Und sei es nur mit einer zehn-minütigen Pause in der Natur. Wir wollen auch Lust machen, darüber nachzudenken, wie man Lernfächer „Es war uns allen ein großes Anliegen mit dem neuen Lehrgang ‚Lernraum Natur‘ dem Trend der Naturentfremdung entgegenzuwirken.“ Prof. Willi Linder, Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik mit der Natur in Verbindung bringen kann. Zum Beispiel Sprachenlernen: Bezeichnungen von Pflanzen in anderen Sprachen erzählen oft sehr interessante Geschichten. Oder Geographie und Geschichte: historische Hintergründe werden in einer Landschaft sichtbar, technische und wirtschaftliche Veränderungen prägen eine Landschaft: denken Sie einfach an die Semmeringbahn, wo vorher „Wildnis“ war, wurde ein Erholungsgebiet. Auch Chemie und Mathematik werden in der Natur lebendig, denken Sie an die berühmte Fibonacci-Folge. Das wichtigste Motiv aber, das wir bestärken wollen, ist: ‚Natur ist einfach lässig, spannend, interessant. Und je mehr ich über Natur weiß, umso mehr kann ich entdecken. Wenn ich keine Pflanze, keinen Baum kenne, kann ich mich auch gut erholen beim Wandern. Aber es ist doch spannend, ein G‘schichtl über eine Baumart oder eine Blume zu kennen. Drüber nachzudenken, was da für Zusammenhänge sind, auf Fragen zu stoßen, die einen beschäftigen. Diese Art der Erfahrung und Naturbegegnung den Menschen zu ermöglichen, das ist mir ein persönliches Anliegen. Was wird in Ihrem Programmteil auf die Studenten warten? Ich leite das Modul ‚Zugänge zur Naturvermittlung‘ und stelle unterschiedliche Annäherungsmöglichkeiten zur Natur vor: Wie kann ich Menschen dafür begeistern, die Natur zu entdecken? Wie kann ich Emotionen wecken? Dafür gibt es viele Methoden, Spiele, Forschungsaufgaben ... Die vielen Methoden können aber nicht beliebig eingesetzt werden, es braucht ein Konzept, einen „roten Faden“ wie bei einem Menü: Schokoladensoße und Braten sollten auch in einer bestimmten Abfolge serviert werden. Infos unter: www.agrarumweltpaedagogik.ac.at www.facebook.com/Hochschule1130 TECHNIK + RECHT ENERGIE + UMWELT + Compliance Management + Umwelt-, Energie-, Anlagen- und Arbeitsschutzrecht + Datenschutzrecht - DSGVO + EHS Software Compliance+web + § 82b GewO Prüfungen und Audits + Begleitung Anlagengenehmigungsverfahren + Ausbildungen und Schulungen + Energieaudits (nach EN 16247 bzw. 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November 2018/ UmweltJournal THEMENREIHE: UMWELT*PROTAGONISTEN 21 Interview mit Carl-A. Fechner zum Erscheinen seines Buches „Power to Change – Die Energierevolution ist möglich!“ „Wir dürfen uns wehren“ Carl-A. Fechner, der sich nach einer eher angepassten Jugend bei der Bundeswehr verpflichtet hatte, dann zum Rebellen und Umweltaktivisten wurde und heute ein international-renommierter Dokumentarfilmer ist, kämpft für ein Umdenken in Energiefragen. In seinem Buch „Power to Change“ beschreibt er konkrete Positivbeispiele, Handlungsvorschläge und Maßnahmen, die jeder Einzelne ergreifen kann, um die Zukunft dieser Erde positiv zu verändern. Jeder müsse sich die Frage stellen: „Bin ich Teil des Problems, oder bin ich ein Teil der Lösung?“, so Fechner. Foto: privat „Die Entscheidung fällt in diesem Jahr! Wir befinden uns in einer Situation, in der wir gezwungen sind, radikale Veränderungen umzusetzen.“ Carl-A. Fechner Ihr Film „Power to Change“– Die Energie- Rebellion avancierte im Jahr 2016 zum erfolgreichsten politischen Dokumentarfilm. Nun erscheint Ihr Buch zur Erfolgsdokumentation. Fechner: Richtig. Ich freue mich, dass „Power to Change“ vom Publikum so enthusiastisch aufgenommen wurde, und dass der Film nahtlos an meinen ersten Kinodokumentarfilm „Die 4. Revolution“ anschließen konnte. Die Film-Tour zu „Power to Change“ führte mich dann durch mehr als 110 Städte in Deutschland. Bei den Diskussionsrunden und Gesprächen nach den Screenings kamen immer wieder Fragen nach den technischen Hintergründen, den Daten, Fakten und Studien hinter der motivierenden Botschaft der Umsetzbarkeit der Energiewende auf. So wurde die Idee geboren, ein Buch zum Film zu schreiben. US-Atomwaffen in Deutschland als grundfalsch empfand. Doch als ich meine Tochter zum ersten Mal im Arm hielt, war mir klar, dass ich mich viel stärker für eine lebenswerte Zukunft für sie einsetzen wollte und musste. Aus dem Krankenhaus fuhr ich direkt zur Tuttlinger Friedensinitiative und schloss mich verbindlich der Bürgerbewegung an. Niemand dort wusste, dass ich Soldat war und welche Konsequenzen dies nach sich ziehen sollte. Wie hat die Bundeswehr auf Ihr Engagement bei der Friedensinitiative reagiert? Erst einmal wusste mein damaliger Arbeitgeber nichts davon, mein Engagement war für mich Privatsache. Doch einige Monate später überreichte ich für die Initiative eine Erklärung zum „atomwaffenfreien Tuttlingen“ an den damaligen Bürgermeister Heinz-Jürgen Koloczek. Die Lokalzeitung, der Gränzbote, veröffentlichte anschließend ein Foto der Aktion, auf dem ich auch ohne Uniform klar zu erkennen war. Ich erhielt einen strengen Verweis – eine Disziplinarmaßnahme, die vom Kommandeur vor allen Offizieren des Bataillons ausgesprochen wird. Erst zwei Jahre später entschied das Bundesverwaltungsgericht in Berlin, dass die Disziplinarmaßnahme unrechtmäßig war. Politisches Engagement als Bürger in Uniform müsse sogar für den Chef einer Kampfkompanie erlaubt sein! So war ich rehabilitiert. ZAPPAR HOLEN Video ansehen weite Auseinandersetzungen und klimatische Veränderungen, die das Antlitz unseres Planeten für immer entstellen werden? Wenn wir nichts tun, werden die Ressourcen knapp, die Meeresspiegel werden unaufhaltsam ansteigen und die Desertifikation wird fortschreiten. Gnadenlose Ressourcenkriege, Flüchtlingsbewegungen und unvorstellbares humanitäres Leid wären die Folgen. Das ist keine lebenswerte Zukunft für mich. Keine düstere zukünftige Welt, die ich meinen Kindern und Enkeln hinterlassen möchte. Das klingt alles andere als hoffnungsvoll ... Das ist nur die eine Seite. Die andere Seite Wie viel Zeit bleibt uns? Die Entscheidung fällt in diesem Jahr! Wir befinden uns in einer Situation, in der wir gezwungen sind, radikale Veränderungen in dieser Welt anzustoßen und umzusetzen. Hier sind die Industrienationen gefragt, die nun konsequent handeln müssen. Wollen wir dramatische weltqualityaustria Umweltforum 2018 29. November 2018 | Wien können Sie sowohl in meinem Buch als auch in meinen Filmen erfahren. Ja, wir stehen an einem entscheidenden Wendepunkt. Aber wir dürfen uns wehren. Wir dürfen uns entscheiden. Jeden Tag aufs Neue. Die Vielzahl von Möglichkeiten ist faszinierend: Ernährung, Mobilität, Energieversorgung, Freizeit, politisches Engagement bis hin zu Blockaden. Ja, es ist schon kurz nach zwölf, aber wir können das Ruder noch herumreißen! Es gibt technische sowie wirtschaftliche Möglichkeiten, eine lebenswerte Zukunft für nachfolgende Generationen zu sichern. Das ist das Ende von Geldgier und Profitsucht – von verkrusteten Mentalitäten einer früheren Zeit. „Ja, es ist schon kurz nach zwölf, aber wir können das Ruder noch herumreißen!“ Was ist für Sie die Quintessenz des Buches? Mein Buch bereitet viele Fakten zur Energiewende nachvollziehbar auf und thematisiert, was Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aber auch jeder Einzelne zu Hause einfach besser machen könnte. Es bietet darüber hinaus auch Aufschlüsse über meinen ganz persönlichen Change. So enthält es Teile meiner Biografie, über die ich bisher noch nie gesprochen habe. In einem Satz: Für mich ist „Power to Change – Die Energierevolution ist möglich!“ ein motivierender, kurzweilig zu lesender Ratgeber mit biographischen Einschüben, der den Weg zu einem persönlichen wie auch gesellschaftlichen Wandel hin zu erneuerbaren Energien aufzeigt. Ihr bewegtes Leben thematisieren Sie in drei Kapiteln des Buches. Was war der entscheidende Wendepunkt in Ihrem Leben – Ihr persönlicher Change-Milestone? Das war die Geburt meiner Tochter Amelie, am 10. August 1983. Bereits vorher hatte ich außerhalb der Bundeswehr erste Kontakte zur Friedensbewegung geknüpft, da ich den NATO- Doppelbeschluss mit der Stationierung von Carl-A. Fechner Was treibt Sie besonders um, wenn Sie an die aktuelle Weltlage denken? Seit der Existenz des menschlichen Lebens auf diesem Planeten haben sich Wärme- und Kältephasen immer wieder abgewechselt. Wir wissen aber, dass sich seit Jahrhunderten alles in einem engen Temperaturkorridor zwischen plus/minus ein Grad abgespielt. Doch die Ausbeutung der Erde durch den Menschen hat in diesem Jahrhundert und insbesondere in den letzten von Habsucht geprägten Jahrzehnten solch ungeheure Ausmaße angenommen, dass natürliche Regulierungsprozesse nicht mehr greifen. So leben wir nun in einer bedrohlichen Zeit, die einem Experiment gleicht, in das wir uns selbstverschuldet hineinmanövriert haben und dessen Ausgang ungewiss ist. Die Herausforderungen dieser Zeit sind größer als sie jemals waren. Die plus/minus ein Grad-Schwankungen, selbst große Weltkriege haben immer nur Teile der Menschheit erfasst. Die jetzigen Klimaveränderungen betreffen aber uns alle – die gesamte Menschheit. Hunger, Landflucht, Kriege – all die furchtbaren Dinge stehen in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Frage nach den Energiequellen. Die drohende Erderwärmung von zwei bis drei Grad wird die Menschheit vor existenzielle Probleme stellen. Stellen wir die richtigen Weichen! Unser Klima, unsere Energie, unser Lebensraum – Experten diskutieren den eingeschlagenen Weg Österreichs: Wie können Wirtschaft und Gesellschaft ihren Beitrag zur Kohlendioxidreduzierung leisten? Wie und bis wann ist der Ausstieg aus fossilen Energieträgern möglich? Wir freuen uns auf einen regen Austausch zu diesen und vielen weiteren Themen mit Ihnen! Jetzt anmelden! www.qualityaustria.com/umweltforum2018 Umweltjournal_135x196_UForum2018.indd 1 20.08.2018 09:41:00