2HintergrundBock | Dienstag, 25. März 2025Das Tor zureigenen Seeleöffnen lassenWas, wenn Schmerzen, Ängste oder unerfüllte Wünscheihren Ursprung in einer Vergangenheit haben, an diewir uns nicht erinnern? Carmen Trovatello begleitetMenschen mit Hypnose und Rückführungen dorthin, woHeilung beginnt und der eigene Weg wieder sichtbar wird.Carmen Trovatello bietet in ihrer Praxis zwei Behandlungsräume an. Hypnose und Rückführungen stehen dabei im Fokus.Bilder: Ronny BienGESUNDHEITSCHAFFHAUSENRonny BienManche Themen polarisieren, entziehensich dem rationalen Denken und werfenmehr Fragen auf als sie beantworten.Carmen Trovatello weiss das nur zu gut.Die Schaffhauserin ist ausgebildete Hebammeund arbeitet heute als Hypnosetherapeutinmit eigener Praxis. Die Affinitäterkannte sie, als sie mit ungefähr17 ihren Grossvater bei dessen Sterbeprozessbegleitete. Seit Jahren begleitetsie mit Hypnose und RückführungenMenschen, die in ihrem Leben nichtmehr weiterwissen. Was sie tut, berührtetwas in ihnen. Oft Unaussprechliches,Simon Stocker, StänderatDie letzten Wochenwar dasFulachtal sowohlin Bern als auch inSchaffhausen eingrosses Thema.In Bern, weil icheine Interpellation eingereicht habe,die sich mit der Frage befasst, wie dasim November abgelehnte Tunnelprojektin Schaffhausen besser mitden städtebaulichen und städtischenInteressen verbunden werden kann.Ziel ist es, ein qualitativ besseres Projektzu erreichen – und gleichzeitigdie Akzeptanz für Strassenprojekteim städtischen Raum zu erhöhen.Der Bund überprüft derzeit sämtlicheStrassen- und Schienenprojekte inder Schweiz, und Bundesrat Rösti hatin Aussicht gestellt, diese Anliegenaufzunehmen.Gleichzeitig geschieht auch in Schaffhausenselbst Entscheidendes. ImBereich Güterbahnhof prüft die SBBzusammen mit der Stadt die Errichtungeiner neuen Serviceanlage.Rund 60 neue Arbeitsplätze könntenhier entstehen.Für die Stadt ist das Gebiet Teil einesTransformationsraums mit grossemPotenzial. Im Zentrum einer Machbarkeitsstudiesteht deshalb die Frage,ob eine Kombination aus Wohnen,Gewerbe und Bahninfrastrukturmöglich ist. Und auch von andererSeite kommen Forderungen. DieFDP will mit einer Standesinitiativetief Verdrängtes oder schlicht Unerklärliches.«Manchmal klingt das schon einbisschen spooky», grinst Trovatello. Siekennt die Vorurteile, die ihrer Arbeit entgegengebrachtwerden. Für viele klingt esnach Esoterik oder gar nach Hokuspokus.Doch für sie ist es präzise Arbeit mitdem Unterbewusstsein, bodenständig,empathisch und mit grossem Wissenausgeführt. «Es ist keine Zauberei, wasich mache», betont sie. Vielmehr geht esdarum, Menschen an den Ursprung ihrerÄngste, Schmerzen oder Blockaden zuführen. Dorthin, wo sich die wahren Ursachenverstecken. Oft seien diese wedermedizinisch noch psychologisch zu erklärenund reichen weit zurück, manchmalbis in ein anderes Leben. TrovatelloGemeinsame lösung für dasFulachtal findenGASTKOLUMNESCHAFFHAUSEN/BERNerreichen, dass der Bund den Baueiner zweiten Fäsenstaub-Röhre anpackt.Im Fulachtal werden derzeitviele Interessen deponiert.Schon 2010, damals als Mitglied desStadtparlaments, habe ich eine Interpellationeingereicht, um zu erfahren,wie sich der Stadtrat die Zukunftim Güterbahnhofs-Areal vorstellt.Damals waren sich die Parteien einig:Man muss sich gemeinsam um diesesGebiet kümmern, um die Interessenaufeinander abzustimmen.Heute – 15 Jahre später – gilt dasmehr denn je.Jetzt braucht es eine Planung, dienationale Verkehrsprojekte im BahnundStrassenbereich mit den städtischenEntwicklungszielen verbindet.Wichtig ist dabei auch eine realistischeEinschätzung der Verkehrsentwicklungund der Mobilitätsbedürfnisseder Bevölkerung in der Region.Viele Menschen wünschen sich einenachhaltige Verkehrsplanung, die denöffentlichen Verkehr stärkt.Gleichzeitig gilt es, wirtschaftliche Interessenwie auch eine Verbesserungder Sicherheit zu berücksichtigen. Indiesem Zusammenhang ist auch derWunsch nach einer zweiten Fäsenstaub-Röhreweiterhin präsent.Die Chancen stehen gut. Der Momentist ideal. Doch es braucht denWillen aller Beteiligten, die eigenenInteressen abzugleichen.Wir sollten nun alle am gleichenStrick ziehen! Nur so entsteht im Fulachtalein Projekt, das für alle einenMehrwert enthält und das in einerVolksabstimmung auch eine Mehrheiterreicht.begegnet dieser sensiblen Arbeit mit Respektund klarem Fokus: «Es geht darum,die Schleier zu lüften und den Menschenzu helfen, sich selbst zu erkennen.»Unerfüllte KinderwünscheCarmen Trovatello arbeitet mit Menschen,die oft einen langen Leidensweghinter sich haben. «Das sind nicht die,die einfach nur aus Neugier vorbeikommen»,sagt sie. Besonders oft sitzenFrauen vor ihr, die sich seit Jahren einKind wünschen und trotzdem nichtschwanger werden. Als Hebamme kenntsie deren Geschichten nur zu gut. Inihrem Buch «Kinderwunsch: Darf sicherfüllen» zeigt sie auf, wie unbewussteBlockaden und alte Glaubenssätze denKinderwunsch verhindern können, oftgeprägt durch Erlebnisse aus früherenLeben. Mit Hypnose und Rückführungenhilft sie, diese Muster zu erkennenund aufzulösen, um neue Hoffnung zuschöpfen. Ihre Methoden haben bereitsvielen Paaren den Weg zum eigenen Kindermöglicht und schenken Mut, einenneuen Weg zu gehen. «Viele haben allesversucht: Hormone, Insemination,künstliche Befruchtung. Und trotzdempassiert nichts.» Für Trovatello liegtder Grund oft tiefer, verankert in altenMustern, Ängsten oder Erlebnissen ausanderen Leben. Frauen finden sich inihren Rückführungen als Ordensschwesternwieder, die ein Keuschheitsgelübdeablegten, oder sie sterben bei einer Geburt.«Solche Erfahrungen bleiben inunserem Unterbewusstsein verankert, obwir wollen oder nicht.» Genau dort setztsie an und löst diese Blockaden Schrittfür Schritt auf. Sie öffnet mit der HypnoseTüren zu Welten, die jenseits desGreifbaren liegen. «Das klingt schon unheimlich,ich weiss», sagt sie. Und dochtauchen ihre Klientinnen immer wiederin frühere Leben ein, weit zurück in derZeit. Alte Schuld, Verlust und Schmerzkommen dabei ans Licht und werdengreifbar. «Manchmal erkennen die Menschen,dass ihre Rückenschmerzen voneinem Speerwurf im Mittelalter stammen.»Solche Aha-Momente sind fürsie der Schlüssel zur Heilung. Vergeben,verstehen und loslassen, das ist ihr Ziel.«Denn jeder von uns hat schon mal Dingegetan, auf die er nicht stolz ist.»Weg von GlaubenssätzenPerfektionismus, Selbstzweifel und dasGefühl, nie gut genug zu sein, schleppenviele Menschen wie eine unsichtbareLast mit sich herum. Oft wurzeln dieseMuster in frühen Kindheitserfahrungen,lange bevor man sich bewusst daran erinnernkann. Wer als Kind um Anerkennungkämpfen musste oder sich ungeliebtfühlte, trägt diese Verletzungen weiterdurchs Leben. In der Hypnosearbeit begegnetCarmen Trovatello genau diesentief verankerten Prägungen. «Oft sitztda das kleine Kind, das sich verlassen,Um sich vollends auf eine Rückführung fokussieren zu können, ist eine vertraute, gemütlicheUmgebung essenziell. Mittlerweile finden Sitzungen auch online statt.wertlos oder schuldig fühlt», sagt sie.Und genau dort beginne die Heilung. Inder Arbeit mit dem inneren Kind führt sieMenschen zurück zu jenen Momenten,in denen das Selbstwertgefühl zerbrach.Was dabei geschieht, beschreibt sie als tiefberührend: «Besonders stark ist der Moment,wenn jemand begreift, dass er keineSchuld trägt.» Erst dann lösen sich oft diealten Glaubenssätze auf, die ein Lebenlang das Denken und Fühlen bestimmen.Denn wer versteht, dass die Eltern nichtaus Bosheit, sondern aus eigener Überforderungoder Prägung handelten, kannloslassen. «Viele unserer Themen sindnicht einmal unsere eigenen», erklärtTrovatello. «Wir übernehmen sie und tragensie weiter.» Besonders bei Menschenmit chronischem Selbstzweifel, ständigerAngst oder dem inneren Druck, immerperfekt sein zu müssen, öffnet sich durchdiese Arbeit eine Tür. Eine Tür zu mehrVerständnis, Selbstliebe und schliesslichzu innerer Freiheit.Im Juni Vortrag in WinterthurCarmen Trovatello spricht am21. und 22. Juni am Hypnosekongressin der AXA Arena Winterthur über dieRückführungstherapie als Ergänzung zurklassischen Hypnose. Sie zeigt, wie alteBlockaden und Erfahrungen aus vergangenenLeben unser heutiges Leben beeinflussenkönnen. Durch die Kombinationbeider Methoden entstehen tiefere Einsichtenund nachhaltige Veränderungen.Hypnose schafft den Zugang zum Unterbewusstsein,während die Rückführungtiefsitzende Muster sichtbar macht undauflöst. Trovatello betont, dass Rückführungstherapienicht nur spirituell oderesoterisch ist, sondern als therapeutischesWerkzeug genutzt werden kann. Besondersbei Ängsten, Traumata oder psychosomatischenBeschwerden kann dieMethode helfen, unbewusste Ursachenzu erkennen und zu verändern. Anhandkonkreter Beispiele aus ihrer Praxis zeigtsie, wie Rückführungen bei hartnäckigenThemen Durchbrüche bringen können.Der praxisnahe Vortrag richtet sich anHypnosetherapeuten, die ihr therapeutischesRepertoire erweitern und vertiefenmöchten.Seelenweg wiederfindenEs sind diese Momente, in denen sich allesverändert. Wenn Carmen Trovatello ihreKlientinnen und Klienten ins «Lebenzwischen den Leben» führt, öffnet sichein Raum, der kaum in Worte zu fassenist. «Dort oben gibt es keine Zeit, keineBewertungen, nur Erkenntnis», sagt sie.Es ist keine klassische Rückführung mehr,sondern vielmehr ein tiefes Eintauchen indie Zwischenwelt – dorthin, wo Seelenihre Erfahrungen reflektieren und sichauf eine neue Inkarnation vorbereiten.Manche Menschen kommen mit dem Gefühlzu ihr, völlig falsch zu sein auf dieserWelt. Sie wissen nicht warum, sie passeneinfach nicht hierher. Genau dann sei diesesZwischenleben oft der Schlüssel. Dortfinde man Antworten auf die grossen Fragendes Lebens: Warum bin ich hier? Waswollte ich eigentlich erreichen? Wo habeich mich verloren? Carmen Trovatello beschreibtdiese Begegnungen als berührendund gleichzeitig ernüchternd. Nicht seltenerfahren die Menschen, dass sie einstvoller Kraft und Klarheit gestartet sindund sich irgendwo im Leben verrannthaben. «Es geht nicht darum, Schuldigezu suchen, sondern den eigenen Seelenwegwiederzufinden», betont sie. Undmanchmal reicht genau diese Erkenntnis,um mit neuer Kraft weiterzugehen.AnzeigeIHR TOYOTA & LEXUSSPEZIALISTBeringen-Enge • 052 630 10 10 • engebrunnen.ch
Bock | Dienstag, 25. März 2025 3Literatur«Vorlesen ist fastwie Theater spielen»Für seine literarischen Werke wurde er mehrfach ausgezeichnet, seine Bücher wurdenin viele Sprachen übersetzt. Er war der erste «Friedrich-Dürrenmatt-Gastprofessor fürWeltliteratur» an der Uni Bern. Im Rahmen des Literaturfestivals «Erzählzeit ohneGrenzen» kommt der deutsche Autor David Wagner in die Region und liest aus seinemRoman «Verkin». Mit dem «Bock» spricht er über die Eigenarten von Lesungen.LITERATURSCHAFFHAUSEN / SINGENClaudia Riedel«Bock»: Können Sie sich noch anIhre erste Lesung erinnern?David Wagner: Das war 1998 im Literaturhausin Berlin. Ich war unglaublichnervös und habe mir den Text extra grossausgedruckt und sogar mehrmals überarbeitet.Das machen Sie inzwischenaber nicht mehr, oder?Wagner: Nein, heute lese ich direkt ausdem Buch. Aber ich gebe zu, dass ichmanchmal beim Lesen denke, dieses oderjenes hätte ich anders formulieren können.Es fällt mir daher leichter, Texte von anderenzu lesen als meine eigenen. Lesungensind für mich fast wie Theater spielen. Ichkomme mir vor wie ein Schauspieler, derden Autor spielt.Schreiben und vor Publikum lesen sind jaauch sehr unterschiedliche Tätigkeiten.Wagner: Genau. Am Schreibtisch denkeich nie an ein Publikum, da bin ich ganzbei mir und dem Text. Bei einer Lesungjedoch übernehme ich die Rolle des Darstellers.Es sind zwei verschiedene Rollen,die ich mit mir selbst spiele. Manchmalhabe ich sogar das Gefühl, das Buch, dasich lese, gar nicht selbst geschrieben zuhaben.Aber machen Sie es denn gerne?Wagner: Mir macht es grosse Freude.Und es gibt immer wieder spannendeErlebnisse. Ich hatte grossartige Lesungenin China und Teheran. Erst letztenMonat war ich in Indien und Pakistan.Und das darf man nicht vergessen: AlsSchriftsteller lebt man auch von solchenLesungen. Sie verschaffen mir die Freiheit,wieder ein Jahr am Schreibtisch zusitzen. Aber vermutlich ist es nicht füralle Autoren etwas.Wie wählen Sie die Texte, die sie vorlesen?Wagner: Das passiert meist am Nachmittagvor einer Lesung. Ich habe meinekleine Vorbereitungsroutine, machemir Notizen und überlege, welche Passagenich vorlesen möchte. Der Anfangbleibt oft gleich, aber ich variiere je nachLesung. Ich lasse mich dabei einfach vomGefühl leiten.Was kommt beim Publikum besser an,ernstere oder lockere Passagen?Wagner: Jedes Publikum ist anders, undjede Lesung ist eine Chance, das Publikumzu gewinnen. Das kann durch intensivesVorlesen, ein spannendes Thema oder auchmal durch etwas Kurioses passieren. Es istimmer eine Kommunikation zwischen mirund dem Publikum. Ich finde es schön,wenn das Publikum reagiert – aber es mussnicht bei jedem Witz laut loslachen.Muss es denn das Buch schon kennen?Wagner: Nein, das erwarte ich nicht. Aberich hoffe schon, dass man mir zuhört undsich nicht während der Lesung mit demNachbarn unterhaltet.Warum kommen die Leute an eine Lesung?Wagner: Die Gründe sind ganz unterschiedlich.Da kommt alles zusammen,das ist ja das Schöne. Manche kommen,weil die Veranstaltung im Dorf stattfindet,andere, weil sie gerne zuhören– im Grunde ist es wie ein Live-Hörbuch.Einige interessieren sich für dasThema oder mögen mich als Autor,wieder andere wollen sich einfach eineUnterschrift abholen.David Wagner übers Vorlesen: «Manchmal habe ich sogar das Gefühl, das Buch, das ich lese, garnicht selbst geschrieben zu haben.» Bild: Linda Rosa SaalHaben Sie Fans oder Verehrerinnen,die immer wieder kommen?Wagner: Da gibt es schon Fans, die kommen.Verehrerinnen wüsste ich jetzt nicht.Aber gerade Unterschriftenjäger sind zumBeispiel oft männlich.Gab es Momente an Lesungen, die Ihnennoch besonders in Erinnerung geblieben sind?Wagner: Oh, da gibt es viele. Sehr schönfinde ich immer, wenn Menschen aus weitzurückliegenderVergangenheit kommen.Wie einst eine alte Schulfreundin, mit der ichbis zur Siebten in einer Klasse sass. Ein anderesMal las ich eine Passage vor, die ich nochnie zuvor gelesen hatte. Und nach der Lesungstand genau der ehemalige Schulfreund vormir, von dessen Vater die Passage handelt.So ist das im besten Fall bei Lesungen. Ichspüre das Publikum, auch wenn ich denBlick die meiste Zeit aufs Buch richte.«Erzählzeitohne Grenzen»Das deutsch-schweizerische Literaturfestival«Erzählzeit ohne Grenzen»findet vom 29. März bis 6. Aprilstatt. Es ist bereits die sechzehnte Ausgabe.33 Autorinnen und Autorensind zu Gast. David Wagner liest am2. April ab 19 Uhr in der Mensa derGemeinschaftsschule in Steisslingenund am 3. April ab 18 Uhr im Saaldes Restaurants Gemeindehaus inWilchingen.Mehr Informationen zum Festivalunter: erzaehlzeit.com. (cr.)Schaffhausen - Singen: Erzählzeit ohne GrenzenBUCH-TIPPSCHAFFHAUSENSylvia BührerAuch dieses Jahr konnte für die Erzählzeiteine breite Palette an Autorinnen und Autorenaus dem deutschsprachigen Raum engagiertwerden. Drei davon werden hier vorgestellt.Das ganze Programm ist online auferzählzeit.com zu finden oder als Programmheftchenbei den Bibliotheken erhältlich.Montag, 31. März. Ramsen. BezhadKarim Khani. Als wir Schwäne waren.Anscheinend liebt Behzad Karim KhaniTiere: Der Titel seines Debütromans lautete«Hund, Wolf, Schakal», sein zweites Buchheisst «Als wir Schwäne waren». Doch erzählter in seinen Werken nicht von der Tierwelt,sondern von der ganz realen Männerweltder Gewaltbereiten und Abgehängten,der Kleinkriminellen, Drogendealer undVerurteilten – derjenigen, für die das Messereine rettende Kraft ausstrahlt: «Mindestenszwei Mal wird mich mein Messerdavor schützen, zum Krüppel zertrampeltzu werden», heisst es in «Als wir Schwänewaren». Die Schwäne sind dabei die metaphorischeDarstellung des Lebens in Iranund Deutschland: Reza, der Protagonist,erinnert sich an die scheuen Zugvögel amKaspischen Meer im Norden Irans, die er beieinem Ausflug im Winter mit dem Fernglasbeobachtete. Er vergleicht sie mit den trägenStadtschwänen an einem künstlich angelegtenSee in Bochum, die gefüttert werden undnicht fliegen können. Karim Khani setzt sichin seinem Buch mit Rassismus, Ausgrenzungund Diskriminierung in der deutschenGesellschaft auseinander. Um die «dunkle»Seite Deutschlands wiederzugeben, findeter kraftvolle Bilder und Ausdrücke. Erzähltwird das Ganze in drei spannende Akten, diejeweils in kurze scharfsinnige Episoden gefasstsind. Im ersten Akt ist der Ich-Erzählerneun Jahre alt und lebt in den 1990er Jahrenin einer Plattenbausiedlung in Bochum.Im zweiten Teil ist Reza Teenager, fährt mitseinen intellektuellen Eltern in den Sommerferienin das Konzentrationslager Buchenwald,inspiziert die Praline oder den Playboyund lernt seine erste Liebe Natalie kennen.Er raucht Joints und beginnt, mit Drogenzu dealen. Im dritten Teil ist er erwachsenund wird mit Drogen festgenommen. Erwird zu zweieinhalb Jahren auf Bewährungverurteilt, fängt in Berlin eine Therapie anund wird zwanzig Jahre später gefeierterSchriftsteller. Wie schon sein letzter Romanträgt auch dieser starke autobiografischeZüge. Karim Khani weiss genau, wovon erschreibt. Dass er auf den ersten Teil seinerBiografie nicht stolz ist und nichts Vergleichbaresfür seinen fünfjährigen Sohn wünscht,erwähnt er in einem Schreiben an diesen, mitdem der Roman «Als wir Schwäne waren»beginnt: «Ich will etwas Anderes für dich.»Was er ihm ans Herz legen will, ist kein Ort,sondern die von ihm erfahrene Tatsache,dass Gewalt keine Heimat ist.Dienstag, 1. April. Schlatt.Anna Katharina Hahn. Der Chor.Alice Pogge hat ihr Leben aufgebaut, sowie sie es sich als Kind erträumt hatte: Einguter Job, ein liebevoller Ehemann, eineschöne Altstadtwohnung und genügendFreizeit, um das Leben zu geniessen. Mittwochssingt sie in einem Frauenchor undhat sich dort mit einigen Frauen angefreundet.Als eines Tages eine neue Sängerindazukommt, die junge Studentin Sophie,ist Alice auf Anhieb von ihr fasziniert. Sieversucht eine Freundschaft mit ihr aufzubauenund von diesem Moment an, fängtdie Fassade ihres Lebens an zu bröckeln– bis am Ende nichts mehr ist, wie es amAnfang war. Mich hat die Geschichte sehrangesprochen. Der Aufbau ist gut und dieals Erzählungen eingefügten Anekdotenaus dem Leben der Protagonisten lockerndas Ganze angenehm auf.Donnerstag, 3. April. StadtbibliothekSchaffhausen. Dmitrij Kapitelman.Russische Spezialitäten.Dmitrij zieht als Kind mit seinen Elternvon Kyjiw nach Dresden. Sie sindrussisch-sprechende ukrainische Judenund eröffnen nach der Wende einen Laden.Hier verkaufen sie allerhand russischeAnzeigeWussten Sie, dass:Spezialitäten. Sie fahren jeweils nach Kyjiwum neue Vorräte anzuschaffen und bauensich bald eine Stammkundschaft auf.Dmitrij liebt die russische Sprache undversucht alles, um sie nicht zu verlieren.Bei jeder Gelegenheit «inhaliert» er sie.Als der Krieg ausbricht, geht es bald bergabmit dem Laden, zudem verfällt DmitrijsMutter der Propaganda im russischenStaatsfernsehen. Mutter und Sohn entfernensich immer mehr voneinander. Einletzter Versuch, die Beziehung zu retten,ist eine Reise Dmitrijs nach Kyjiw. Hiertrifft er alte Freunde und besucht mit IhnenKriegsschauplätze. Ob er damit seineMutter überzeugen kann, dass die Realitätanders aussieht als sie glaubt?Eine neue Freundschaft bringt das Leben vonAlice Pogge ins Wanken. Bild: Sylvia BührerMeister der Regulierung:Mit 28,5 % staatlich gelenkter Preiseführt die Schweiz 2024 die europäischeRangliste an. Zum Vergleich:Der EU-Durchschnitt liegt bei 11,9 %.Quelle: Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik
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