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cav chemie anlagen verfahren 10.2016

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TRENDTHEMA:

TRENDTHEMA: AUTOMATISIERUNG MODULARER ANLAGEN Neue Automatisierungskonzepte für die Prozessindustrie Modulare Anlagen auf dem Vormarsch Nur mit wandlungsfähigen, modularen Anlagen kann die Prozessindustrie schnell genug auf die sich ändernden Marktanforderungen reagieren. Klassische prozesstechnische Anlagen sind hierfür zu unflexibel und damit zu teuer. Zur Umsetzung eines modularen Anlagenbaus fehlt es derzeit aber noch an technischen Lösungen für die Automatisierung dieser Anlagen. Somit ist die Innovationskraft der Auto - matisierer gefordert. Denn sie dürfen nicht zum Hemmschuh bei der Realisierung neuer Anlagenkonzepte werden. Für die Prozessindustrie spielen Themen wie Digitalisierung, Vernetzung und Automatisierung eine zunehmend wichtige Rolle. Insbesondere die chemisch-pharmazeutische Industrie entwickelt daher Modularisierungskonzepte für ihre Prozessanlagen. Neben verkürzten Produkteinführungszeiten will man so die Flexibilität der Prozessanlagen steigern. Untersuchungen zeigen, dass die Modularisierung von Prozessen möglich ist und gewinnbringend für die chemische Industrie sein kann; ein Beispiel ist das öffentlich geförderte EU-Projekt f3 Factory (flexible, fast, future). Dass eine modulare Automatisierungstechnik in Sachen Anlagenflexibilität Vorteile gegenüber einer konventionellen Automatisierung hat, zeigen verschiedene Studien von Automatisierungstechnikherstellern. Mit dem Dima- Konzept wird der Spezialist für elektrische Verbindungstechnik und Automatisierung Wago hierbei zu einem der Vorreiter. Dima steht für „Dezentrale Intelligenz für modulare Anlagen“ und viele Experten glauben, dass dieser Ansatz den verfahrenstechnischen Anlagenbau revolutionieren kann. „Auf der Namur-Sitzung Autor Johannes Gillar Freier Journalist 2014 zeigte die Firma Wago das erste Mal den Prototypen eines Engineering-Systems für modulare Anlagen. Basierend auf diesem Ansatz haben sich unterschiedliche Arbeitskreise der Namur und der Arbeitskreis (AK) „modulare Automatisierung“ des ZVEI zusammengetan, um gemeinsam eine herstellerneutrale Beschreibung von Modulfunktionalitäten, das Modul Type Package (MTP), zu definieren“, berichtet Dr. Jens Bernshausen von der Invite GmbH in Leverkusen und Sprecher des AK 1.12 „Automatisierung modularer Anlagen“ der Namur. Denn nur mit einer einheitlichen Beschreibung sei eine Integration von Prozessmodulen über Herstellergrenzen hinweg möglich. Die Ergebnisse aus diesem Kreis werden laut Bernshausen auf der diesjährigen Namur- Hauptsitzung präsentiert. Flexibilisierung der Produktionsanlagen Die Gründe für die Automatisierung modularer Anlagen in der chemischen Industrie und damit auch die Nutzenpotenziale für den Anwender sind laut Dr. Eckhard Roos, bei Festo, vielfältig. „Diese reichen von einer Flexibilisierung der Produktionsanlagen durch den schnellen Austausch von einzelnen verfahrenstechnischen Modulen, über einfache Kapazitätserweiterungen der Produktion für steigende Nachfragen im Markt, bis hin zu einer Verringerung der Komplexität von Produktionsanlagen bei Engineering, Inbetriebnahme und Instandhaltung“, erklärt der Leiter Process Automation Management bei Festo. Dadurch erwarte man Produktivitätsschübe in allen Phasen des Lebenszyklus von Produk - tionsanlagen. Gleichzeitig seien jedoch die Anforderungen an Automatisierungssysteme neu. Dr. Roos: „Das heißt, es geht weg von einem zentralen Prozessleitsystem hin zu intelligenten Modulen mit eigenen Automatisierungsfunktionen und Steuerungen.“ Das Konzept sehe vor, dass die Automatisierungsfunktion durch den Modulhersteller bereitgestellt wird mit eigener Hardware und dass der Modulhersteller statische Strukturinformationen zur Darstellung des Moduls im überlagerten HMI mitliefert. „Die Leitebene muss natürlich alle Module überwachen und auch die Bedienung der Module sollte möglich sein“, so der promovierte Ingenieur. Und damit wird auch die Komplexität der Aufgabe klar, denn der Modulhersteller soll keine Vorgaben bekommen in Bezug auf zu verwendende Hardware und die Art der Darstellungen zum Beispiel von Messwerten in der Visualisierungsebene, der Anwender möchte natürlich die Darstellung von Messwerten in der Visualisierungsebene harmonisiert haben. Für Stephan Weidenfeller, Strategic Business Development Manager CEE bei Schneider Electric, gehören modulare Anlagenkonzepte in der Prozessindustrie mittlerweile zum A und O. „Anwender wollen generell schneller auf sich ändernde Marktbedingungen reagieren können – gerade wenn sie noch ausbauen oder hochskalieren wollen“, verdeutlicht er. Dies erfordere vor allem die Standardisierung der Schnittstellen zwischen den verschiedenen Automatisierungsmodulen. 14 cav 10-2016

Die Prozess industrie setzt zunehmend auf die Modularisierung ihrer Anlagen (Bild: Evonik) Numbering-up statt Scale-up Was genau muss man nun unter modularen Prozessanlagen verstehen und wie ordnet sich die Automatisierungstechnik in diesen Kontext ein? Es geht den Unternehmen der Prozessindustrie um ein verändertes Anlagendesign, das sich letztendlich hin zu modulbasierter Produktion entwickelt. Bei diesem Produktionskonzept wird die Kapazitätserhöhung der Anlagen nicht mehr durch den Bau kompletter, großer Anlagen, dem sogenannten Scaleup, verfolgt. Im Trend liegt das Betreiben bestehender Anlagen nach einem flexiblen Baukastensystem. Dahinter steckt das Konzept des sogenannten Numbering-up. Das Ziel von Numbering-up der Anlagen ist die Steigerung der Produktionsflexibilität durch parallel arbeitende Prozessanlagen, die nach dem Baukastensystem zugefügt oder entfernt werden können. Dabei steigt die Bedeutung für intelligente Automatisierungstechnik, denn sie unterstützt die Umsetzung dieses flexiblen Anlagenkonzepts. Wie bedeutend das Thema für die Branche ist, zeigen die bereits erwähnten Aktivitäten der Verbände Namur und ZVEI. So hat letzterer das Whitepaper „Modulbasierte Produktion in der Prozessindustrie – Auswirkungen auf die Automation im Umfeld von Industrie 4.0“ herausgegeben und einen Arbeitskreis „Modulare Automation“ ins Leben gerufen. Und hierbei arbeitet man intensiv mit der Namur zusammen, die ebenfalls einen Arbeitskreis „Automatisierung modularer Anlagen“ hat. Dieser beschäftigt sich im Rahmen eines Erfahrungsaustausches von Konzeptentwicklungen, der Formulierung von Anforderungen an Automatisierungslösungen und der Beteiligung an der nationalen und internationalen Normung unter anderem mit einer Vielzahl an Themen. Dazu zählen beispielsweise die Beschreibung der Anforderungen an die Automatisierungstechnik für modulare Anlagen aus Sicht der Namur, die Darstellung der Chancen, des Nutzens und des Aufwands einer Modularisierung aus Sicht der Automatisierungstechnik, die Untersuchung zum Stand der Technik mit Augenmerk auf fehlende oder zu erweiternde Bausteine hinsichtlich einer vollen Modularität sowie die Beschreibung einer Roadmap der notwendigen Entwicklungsschritte aus Sicht der Anwender im Bereich Automatisierungstechnik. Thematisiert werden dort auch die Positionierung der Namur hinsichtlich eines sinnvollen Maßes von Modularisierung der Automatisierung modularer Anlagen sowie die Förderung herstellerübergreifender Standards für die Modularisierung von Automatisierungssystemen und deren Schnittstellen. Beide Verbände stellen aus dieser Arbeit Anforderungen (Namur Empfehlung NE 148) an beziehungsweise geben Empfehlungen für die Automatisierungstechnik bei modulbasierter Produktion und leiten daraus verschiedene Thesen ab. Die Modularisierung verändert die Anforderungen an die Automatisierung Intelligente Module flexibel integrieren Basierend auf der NE 148 hat Wago mit seinem Dima-Konzept eine Lösung für die modulare Automation mit dezentralen Intelligenzen vorgestellt. Die wesentlichen Anwendernutzen liegen dem Automatisierungsspezialisten zufolge in der offenen Architektur des Systems. Auf diese Weise können intelligente Module im laufenden System flexibel integriert oder abgekoppelt werden. Ein weiterer Anwendernutzen ist das kostengünstige Engineering der Gesamtanlage. Dazu erfolgt die Kommunikation zwischen der übergeordneten Leitebene und dem dezentralen Modul über eine herstellerneutrale Semantik. Welche weiteren Vorteile bietet die modulare Automatisierungstechnik gegenüber einer konventionellen Automatisierung und was unterscheidet die beiden Ansätze? „Wenn wir über konventionell automatisierte Anlagen sprechen, müssen wir zunächst die Unterscheidung zwischen vollständig integrierter Automation und der konventionellen Integration von Package Units in ein Prozessleitsystem machen“, macht Bernshausen deutlich. Bei der vollständig integrierten Lösung seien alle prozessnahen Komponenten in ein zentrales Automatisierungssystem eingebunden. Der Operator habe Vollzugriff auf die Anlage. Gleichzeitig bedeute dies natürlich einen hohen Integrations- und Inbetriebnahmeaufwand nicht nur bei Erstinbetriebnahme, sondern auch bei nachträglichen Änderungen. „Die Integration von PUs, also dezentral automatisierten Komponenten mit einer proprietären Schnittstelle zur Integration, ermöglicht hier eine flexiblere Lösung“, verdeutlicht der Fachmann und fährt fort: „Leider verbietet dieser Ansatz den Zugriff auf die Feldebene.“ Die modulare Automatisierung versuche die Vorteile beider Ansätze zu kombinieren, ohne deren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. „Die einzelnen Prozessmodule werden eigenständig automatisiert. Durch geeignete herstellerunabhängige Schnittstellen können diese dezentral automatisierten Einheiten in ein übergeordnetes Prozessführungssystem integriert werden, in welchem die Prozessmodule orchestriert werden“, erklärt er. Diese (Bild: Festo) cav 10-2016 15

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