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cav - Prozesstechnik für die Chemieindustrie 10.2018

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cav TREND MODERNE INSTANDHALTUNGSMETHODEN Fotohinweis Lässt sich Fingerspitzengefühl digitalisieren? ZUKUNFT DER INSTANDHALTUNG Es könnte so einfach sein: Eine Anlage instand zu halten bedeutet, ihren funktionsfähigen Zustand durch die richtigen Maßnahmen zu sichern. Doch in Zeiten von Digitalisierung, Kosteneffizienz und hohem Wettbewerbsdruck spielen viele Faktoren eine Rolle. Das Ziel: Instandhaltung 4.0. Hierfür steht die Prozessindustrie vor der großen Herausforderung, Erfahrungs - wissen mit Messwerten und Daten zu verheiraten. 14 cav 10-2018

Früher ging der Mechaniker bei Wind und Wetter durch die Anlage. Ein anstrengender Beruf, gleichzeitig aber verantwortungsvoll, denn die Funktionsfähigkeit der Anlage hing von diesem Mitarbeiter ab. Sein Wissen, seine Kenntnis der Anlage war es, die bei großen und kleinen Betriebsunregelmäßigkeiten schnell zur Wiederherstellung des produktiven Zustands führte. Und heute? Heute sind Chemieanlagen deutlich komplexer, die Menge der Baugruppen und Bauteile die ausfallen könnten, hat zugenommen. Längst schon reicht es nicht mehr aus, mit dem Schraubenschlüssel in der Hand die Anlage regelmäßig zu inspizieren. Dabei ist in der chemischen Industrie eine suboptimale Instandhaltung nicht nur gleichbedeutend mit kostspieligen Stillstandzeiten, sondern vielmehr eine Frage der Sicherheit für Mensch und Umwelt. Durch eine gute Instandhaltung lässt sich die Betriebssicherheit verbessern, die Lebensdauer der Prozessanlage verlängern und die Anlagenverfügbarkeit durch effizient geplante und optimierte Betriebsabläufe einschließlich der geplanten Wartungsstillstände maximieren. Instandhaltung ist nach DIN-Norm DIN 31051 in vier Grundmaßnahmen strukturiert: Wartung, Inspektion, Instandsetzung, und Verbesserung. Die DIN EN 13306 unterscheidet hingegen nur noch zwischen vorbeugender und korrektiver Instandhaltung. Vorbeugende Instandhaltung In den 90ern galt die vorbeugende Instandhaltung als Stand der Technik. Hier wurden die Prozessanlagen nach Schwachstellenanalysen und dem Auswerten der Maschinendaten geplant heruntergefahren. In vorab definierten Zeitfenstern wurden Bauteile gewartet oder ausgetauscht, um unvorhergesehene Störungen zu verhindern. Unnötige Kosten verursachte diese Methode deshalb, weil häufig auch Bauteile getauscht wurden, die noch funktionsfähig waren. In den Folgejahren wurden verschiedene Konzepte zur Instandhaltung diskutiert: ausfallorientierte, vorbeugende oder zustandsorientierte Instandhaltung. Die Anlagenbetreiber stellten sich außerdem vielfach die Frage: Instandhaltung outsourcen oder lieber das Knowhow inhouse belassen? Heute sehen sich die Anlagenbetreiber auch in der Instandhaltung mit dem Thema Industrie 4.0 konfrontiert: Die Menge der zur Verfügung stehenden Daten als Basis für eine kostenoptimierte Instandhaltung nimmt massiv zu. Der Trend zur Digitalisierung mündet für die chemische Industrie unter anderem im sogenannten digitalen Zwilling einer Prozessanlage, der künftig eine kostenoptimierte Instandhaltung unterstützen soll. Digitaler Zwilling und digitaler Assistent Ein digitaler Zwilling ist ein virtuelles Modell einer Prozessanlage, das die reale und virtuelle Welt verbindet. Digitale Zwillinge verwenden reale Daten der im Prozess installierten Sensoren, zum Beispiel Temperatur, Durchfluss, Füllstand und Druck. Im digitalen Zwilling werden virtuelle und reale Welt gekoppelt. So können dort Daten analysiert und die gesamte Anlage überwacht werden. Unzulässige Betriebszustände lassen sich schon in der Entstehung verstehen und verhindern. Außerdem hilft ein digitaler Zwilling als digitaler Assistent ganz konkret dem Mitarbeiter in der Anlage. Das Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF zeigte auf der diesjährigen Hannover Messe solch ein Augmented- Reality-Assistenzsystem für die Instandhaltung, das auf dem digitalen Datenabbild der Anlage basiert. Die virtuelle Welt bietet via Tablet oder Brille Zugriff auf die Dokumentation und die Zustandsda- Bild:Fraunhofer IFF Intelligente Assistenzsysteme bieten Zugriff auf die Dokumentation und die Zustandsdaten der Anlage ten der Anlage. Das Datenmodell der Anlage informiert bei Störungen und hilft mit Erfahrungswissen – sofern dieses eingepflegt wurde. Dem Träger einer Mixed-Reality-Brille werden beim Blick auf die Anlage beispielsweise der aktuelle Betriebszustand einer installierten Pumpe angezeigt oder der verbleibende Abnutzungsvorrat prognostiziert. Bei Störungen können interaktive Handlungsempfehlungen aufgerufen werden. Videobasierte Anleitungen für die Werker sind eine weitere Anwendungsmöglichkeit dieser nicht ganz neuen, aber immer ausgereifteren Technologie. Der digitale Zwilling der Anlage entsteht im Idealfall direkt im Engineeringprozess. Doch das Fraunhofer IFF hat auch Lösungen zum nachträglichen Bereitstellen digitaler Zwillinge für Bestandsanlagen entwickelt. Wichtig ist hierbei, dass sich die Lösungen mit den Digitalisierungsansprüchen der Unternehmen erweitern lassen. Neben dem Fraunhofer Institut IFF bietet zum Beispiel auch Bilfinger Maintenance das auf der Achema vorgestellte Tool Pidgraph an, das basierend auf R&I-Schema eine Anlage digitalisieren kann. Das Tool soll ab Ende des Jahres verfügbar sein. Das Ziel ist Predictive Maintenance Um eine vorausschauende Wartung kostenoptimiert betreiben zu können, ist es erforderlich, sehr große Datenmengen strukturiert zu erfassen und richtig zu interpretieren. Daher lässt sich diese Art der Instandhaltungsstrategie deutlich von der reaktiven oder präventiven Wartung abgrenzen. Die präventive Wartung basiert auf Daten der Vergangenheit, während die Predictive Maintenance Daten nutzt, die in Echtzeit eingespeist werden oder durch Simulation gewonnen wurden. Auf Basis dieser Daten werden zukünftige Instandhaltungsmaßnahmen festgelegt. Zum Optimieren der Kosten und wirksamen Verhindern von Störungen ist es wichtig, den optimalen Zeitpunkt für die jeweilige vorausschauende Wartungsmaßnahme zu finden. cav 10-2018 15

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