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cav - Prozesstechnik für die Chemieindustrie 10.2018

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cav TREND MODERNE INSTANDHALTUNGSMETHODEN Im Forschungsprojekt Sidap unter Federführung der Technischen Universität München wird untersucht, inwieweit aus den großen Datenmengen einer Anlage sinnvolle Zusammenhänge aufgespürt, und wie darauf basierend neue Instandhaltungsstrategien entwickelt werden können. Dabei sollen auch Module entwickelt werden, die Expertenwissen einbinden. „Die Interaktion zwischen datengetriebenen Modellen und dem Menschen spielt eine enorme Rolle“, erklärt Prof. Dr. Birgit Vogel-Heuser, TU München, eine der Lektionen aus dem Sidap Projekt. „Das bisherige Ziel datengetriebener Analysen bestand meist darin, aus den Daten ein Ergebnis zu ermitteln und dieses auszugeben. In Zukunft müssen Modelle und Analyse mit dem Benutzer interagieren und auf benutzerspezifische Anforderungen reagieren.“ Solche kontext - sensitive Analysen ermöglichen zum einen das Wissen des Benutzers miteinfließen zu lassen und zum anderen die Ergebnisse effizient in Information umzuwandeln. Dazu ist natürlich eine geeignete Visualisierung notwendig. Denn es hat sich im Laufe des Forschungsprojekts herausgestellt, dass viele erkannte Fehler zwar durch Angaben in der Instandhaltung bestätigt werden konnten, aber auch, dass ein relativ hoher Prozentsatz an Fehlalarmen durch Anlagenanomalien oder instationäre Betriebsbedingungen ausgelöst wurde. Im Praxisbetrieb würden solche Fehlalarme das Vertrauen der Mitarbeiter in das System sehr schnell schwinden lassen. Menschliches Wissen bewahren Heute ist eine erfolgreiche Fehlersuche ohne digitale Unterstützung meist das Resultat aus Erfahrung, Fachwissen und der Kenntnis um die „Aktionen“ der Anlage vor dem Fehler. Denn auch wenn der Trend eindeutig Richtung Digitalisierung geht, so können noch so viele Daten und Algorithmen derzeit noch nicht das Wissen der Mitarbeiter ersetzen, die eine Anlage seit vielen Jahren betreuen und deren „Herzschlag“ spüren. Doch die Fluktuation der Mitarbeiter nimmt zu, eine ganze Generation an Werkern steht kurz vor dem Ruhestand, Nachwuchskräfte fehlen vielerorts. Die Angst vor dem Verlust dieses Know-hows ist ein wichtiger Treiber für die Digitalisierung in der Instandhaltung. Die Herausforderung für die Instandhaltung der Zukunft wird sein, das angesammelte Fachwissen, die Erfahrung der Mitarbeiter in die Dokumentation aufzunehmen und in digitaler Form der Software zur Verfügung zu stellen. Dazu ist es wichtig, die Techniker in der Anlage von der Bedeutung ihres Wissens und einer guten Dokumentation desselben zu überzeugen. Ebenso wichtig ist es, sie den Nutzen dieser Dokumentation für die praktische Arbeit erleben zu lassen und sie so zu motivieren. Im Rahmen des VDI-Forums Instandhaltung im Mai 2018 hat Stefan Palkoska, Senior Manager bei Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, von seinen Erfahrungen bei der Umsetzung eines Projekts zur predictive Maintenance berichtet. Eine wichtige Rolle NACHGEFRAGT: WAS DIE CHEMISCHE INDUSTRIE AUS SIDAP LERNEN KANN Bild: TU München Prof. Dr. Birgit Vogel-Heuser, Technische Universität München, Lehrstuhl für Automatisierung und Informationssysteme Im Forschungsprojekt Sidap wird dem Expertenwissen eine große Bedeutung zugemessen. Warum reichen die Daten aus einer Prozessanlage alleine nicht aus? Prof. Dr. Vogel-Heuser: Die Daten, die wir bisher aus den Anlagen gewinnen, erzählen nur einen Teil der Realität. Häufig fehlen wichtige Prozessgrößen oder Informationen zur Auslegung, Wartungsberichte liegen häufig nur in Papierform vor. Weiterhin treten z. B. beim konkreten Anwendungsfall einer Ventildiagnose sehr komplexe physikalische Phänomene wie Kavitation und Erosion auf. Diese Phänomene auf physikalischer Ebene korrekt zu beschreiben, ist bereits sehr anspruchsvoll, sie aus den bisher vorhandenen Daten korrekt zu extrahieren nahezu unmöglich. Wir betrachten zwar eine riesige Menge an Daten, betrachtet man aber die für die Datenanalyse relevanten aufgezeichneten Fehler von Ventilen, wird einem schnell klar, dass datengetriebene Analysen hier alleine nicht zielführend sind. Durch eine Kombination datengetriebener Analysen mit dem bereits vorhandenen Expertenwissen lässt sich die notwendige Datenmenge für die Analyse massiv verringern. So können wir auch auf Basis der vorhandenen Daten bereits sinnvolle Analysen durchführen, was sonst schlicht nicht möglich wäre. Gibt es eine grundlegende Erkenntnis aus dem Forschungsprojekt? Prof. Dr. Vogel-Heuser: In der Theorie haben wir alle Dinge zusammen, jedoch hapert es noch bei der praktischen Umsetzung. Die vorhandene Sensorik reicht für Diagnosezwecke oftmals nicht aus, das Nachrüsten ist oft mit enormem Aufwand verbunden. Hier benötigen wir zukunftsfähige Konzepte zur gezielten Nachrüstung von Bestandsanlagen. Aber auch den Wartungsprozess selbst müssen wir digitalisieren, um die Informationen aus der Vergangenheit direkt bei der Diagnose nutzbar zu machen. Wir mussten feststellen, dass gerade hier ein Großteil der wertvollen Informationen aufgrund von Dokumentation auf Papier und schlechter Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren verloren gehen. Und selbst dann sieht ein einzelner Betreiber nur einen kleinen Ausschnitt der Wahrheit – nur durch die Kombination verschiedener Datensätze und der Zusammenarbeit zwischen mehreren Betreibern von mehreren Anlagen, Herstellern und Datenanalysten lässt sich das wahre Potenzial heben. Wie kann sich nun ein kleines oder mittleres Unternehmen auf Predictive Maintenance vorbereiten? Prof. Dr. Vogel-Heuser: Man sollte versuchen, alle relevanten Informationen möglichst schon jetzt strukturiert und systematisch zu speichern. Das kann eine spätere Analyse deutlich vereinfachen. Hierfür muss man sich Gedanken machen, welche Daten später relevant werden, welche fehlen und wie man den Prozess zur Erhebung dieser gegebenenfalls schon jetzt anpassen kann. Bei anstehenden Nachrüstungen sollte man zusätzliche Sensoren direkt in Betracht ziehen. Die Daten müssen nicht unbedingt ins Prozessleitsystem, sind aber für spätere Analysen enorm wertvoll. 16 cav 10-2018

spiele dabei die Kommunikation der Beteiligten untereinander. Schlüssel zum Erfolg, so seine Erfahrung, sei eine gute und klare Moderation zwischen den „Parteien“ Instandhaltung und Datenanalyseexperten. Denn sowohl die Sprache als auch die Herangehensweise an Aufgabenstellungen der „Industrial Natives“ und der „Digital Natives“ sind sehr unterschiedlich. „Um die Menschen zu motivieren, ist eine offene Kommunikation das Wichtigste. Es geht darum, Verständnis zu schaffen, für die Arbeitsweise der unterschiedlichen Fachabteilungen. Der Erfolg eines Projekts steht und fällt damit, wie gut die beiden Parteien der Industrial und der Digital Natives zusammen arbeiten können”, erklärt Palkoska. Wachsender Markt Instandhaltung Für die Instandhaltung bedarf es Technologien, die sehr große Datenmengen sinnvoll miteinander in Bezug setzen, um aus den Ergebnissen Handlungsempfehlungen abzuleiten. Weitere Ansätze für die Instandhaltung sind Module, die Expertenwissen zur Fehlerbewertung heranziehen und selbstlernende Systeme. Auch diese müssen zuvor mit sehr vielen Daten trainiert werden. Die Daten und Messwerte kommen aus sehr unterschiedlichen Quellen: aus Produktionsplanungssystemen, den Sensoren an der Anlage, aus der Qualitätssicherung und einzelnen Aggregaten im Prozess, aus Lager, Einkauf und Wartungsdokumentation. Vielfach müssen für sinnvolle und zuverlässige Ergebnisse weitere Sensoren in der Anlage nachgerüstet werden, was derzeit noch mit einem hohen Aufwand verbunden ist. Solche inhomogenen Datenflüsse zu standardisieren und richtig zu interpretieren bedarf einer speziellen IT-Technologie und spezifischen Know-hows. Die Frage, inhouse instandhalten oder outsourcen und einen Dienstleister mit ins Boot zu nehmen, stellt sich somit für kleine und mittlere Unternehmen in Zukunft wohl nicht mehr. Daher wird dem Markt für Predictive Maintenance ein sehr hohes Wachstum vorhergesagt: Laut einer Analyse von IoT Analytics haben Unternehmen aus der ganzen Welt im Jahr 2016 rund 1,5 Mrd. US$ für Technologien im Bereich der vorausschauenden Instandhaltung ausgegeben. Im Jahr 2018 sollen sich die Investitionen auf zirka 3,0 Mrd. US$ und im Jahr 2022 auf fast 11 Mrd. US$ belaufen. Sollten diese Vorhersagen eintreffen, würde der Markt für Predictive Maintenance im Durchschnitt pro Jahr um 39 % wachsen. Die Kunst für die Anlagenbetreiber wird sein, selbst zu beurteilen inwieweit und mit welchem Aufwand sich das Fingerspitzengefühl ihrer Mitarbeiter digitalisieren lässt. Gewonnen hat in diesem Spiel, wer die richtige Balance zwischen Mensch, IT und Kosten findet. www.prozesstechnik-online.de Suchwort: cav1018instandhaltung AUTORIN: CHRISTINE KOBLMILLER Fachjournalistin ENDLICH EINE MASCHINE, DIE BEIDES KANN: PROZESSLUFT ERZEUGEN UND ENERGIE SPAREN. Prozessluft erzeugen, in unterschiedlich hohen, teils wechselnden Volumina und Drücken – das verbraucht jede Menge Energie. Und stellt einen enormen Kostenfaktor in Ihrem Produktionskonzept dar. Grund genug, diesen Prozessteil völlig neu anzugehen. Mit modernsten, hochflexiblen Drehkolbengebläsen und Schraubenverdichtern von AERZEN, unter ihnen die energieeffizienten Delta Screw Aggregate, die zudem noch die größte Typenvielfalt, die meisten Modifikationen und das breiteste Zubehörspektrum bieten. Jetzt auch mit integriertem Nachkühler und als Industrie 4.0 Maschine mit AERZEN Webview. www.aerzen.com cav 10-2018 17

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