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Departures Germany Summer 2021

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Jay Gatsby mag einige

Jay Gatsby mag einige Schwächen gehabt haben, aber mit seiner Vorliebe für helle Hosen und leuchtende Krawatten wusste er offensichtlich das ein oder andere über das tadellose Sommeroutfit. F. Scott Fitzgerald beschreibt seinen tragischen Helden dann auch, wie er in Anzügen in strahlendem Rosa und blendendem Weiß auf Long Island residiert und nach Ansicht von Daisy Buchanan die schönsten Hemden trägt, die sie je gesehen hat. Es lohnt sich also, auf der Suche nach der richtigen Kleidung für Hochzeiten im Juli bis hin zu Gartenpartys Anfang September Spezialisten aufzusuchen, die sich der Kunst des Schneiderns von Sommerbekleidung verschrieben haben. Es liegt nahe, dass Italien in diesem Bereich allen anderen überlegen ist, denn die Stiefelbewohner stellen enorm hohe Ansprüche an die berüchtigte Sprezzatura – das Talent, scheinbar mühelos gut auszusehen. „Seit mein Großvater Gennaro Rubinacci 1932 erstmals einen Blazer für den König von Savoyen in seine Einzelteile zerlegte, um daraufhin einen ähnlichen Stil für seine neapolitanische Kundschaft zu entwerfen, haben wir uns einen Namen für Sommerbekleidung gemacht“, so Luca Rubinacci, der in dritter Generation das in Neapel ansässige Bekleidungshaus führt. Die Stadt ist quasi per se untrennbar 46 DEPARTURES Von links: Chic aus Down Under von P. Johnson; Ralph Lauren verströmt den Glamour des Jazz Age mit hochwertigen leichten Anzugsstoffen verbunden. Um der kampanischen Hitze etwas entgegenzusetzen, hat sich ein Stil entwickelt, bei dem leichtere Schulterpartien beim Jackett und höher angesetzte Armlöcher ein Knittern des Stoffes an der Frontseite reduzieren. „Wir haben unsere Jacketts mit einer leichten und schlichten Konstruktion so perfektioniert, dass sie sich wie eine zweite Haut anfühlen. Ein echtes Sommervergnügen“, so Rubinacci. Die Ästhetik mag bei marineblauen Kaschmirblazern, braun karierten Anzügen und edlen Zweireihern traditionell wirken, letztlich ist es aber das in den Herstellungsprozess eingebrachte Fingerspitzengefühl, das Rubinacci zur Nummer eins in diesem Bereich macht – ein Blazer ohne Futter ist weniger strukturiert, das Gewebe kann besser atmen, aufgesetzte Taschen und weiche Schultern sorgen für einen informelleren Look. Einen ähnlichen Weg geht auch die florentinische Bekleidungsinstitution Liverano & Liverano, deren Geschicke bis heute von einem der beiden apulischen Brüder geleitet werden, die das Haus einst gründeten. Ihre Wurzeln in der sonnenverwöhnten Region sollten ihr Alleinstellungsmerkmal prägen: die goldene Mischung aus Geradlinigkeit und Leichtigkeit. Die Fertigkeiten des Hauses im Umgang mit Stoffen sind ohnegleichen. Alle Kleidungsstücke werden nur einen Steinwurf vom Ufer des Arno von Hand gefertigt, eines der cremefarbenen Jacketts zum Beispiel aus Seersucker, dem luftigsten und atmungsaktivsten Material. Der Fokus liegt auf superleichten Poloshirts, die VON LINKS: © P JOHNSON, STEVEN PAN; VORHERIGE DOPPELSEITE IM UHRZEIGERSINN VON LINKS: © FAVOURBROOK, © OFFICINE GENERALE, ROBERT SPANGLE, © SAMAN AMEL

© DOLCE & GABBANA sich im Sommer eher zur Kombination mit dem Jackett anbieten als etwa Hemden. Domenico Dolce durchlief früh die Schule des traditionellen Schneiderhandwerks in Süditalien, und sie war es auch, die den in Sizilien geborenen und aufgewachsenen Dolce dazu veranlasste, in das Bekleidungsunternehmen der Familie einzusteigen. Es ist genau die dort vermittelte Sensibilität für maskuline Eleganz, die heute die Anzüge von Dolce & Gabbana auszeichnet: edle Nadelstreifen, schmale Taille und betonte Schulterpartie. Zusätzlich zum traditionellen Anzugsortiment, das auch in Der Pate nicht fehl am Platz wirken würde, begeistert das Label auch mit einer Reihe an „Cocktail-Anzügen“ zwischen gediegener Eleganz und Laissez-faire-Attitüde: leicht und luftige Jacketts und Hosen, die nicht zu nah am Körper anliegen und in Farbtönen daherkommen, die an den Hafen von Portofino denken lassen. Auf der anderen Seite des großen Teichs wird in Amerika schon seit Langem ein Couture-Stil gepflegt und verfeinert, der einem sportlich-dynamischen Ideal seine Reverenz erweist. Das zurückgenommene Auftreten in akademischen Kreisen war das ausschlaggebende Moment für Ralph Lauren, sein Fashion-Augenmerk auf die adretten Aspekte zu legen – und auch nach 50 Jahren steht das amerikanische Powerhouse synonym für einen lässigsommerlichen Stil, den auch Gatsby goutieren würde. Die weißen Anzüge der Purple-Label-Linie zum Beispiel sind der reinste Jazz-Age-Glamour. Dolce & Gabbana gilt als Inbegriff der Sprezzatura Auch wenn das Label etwas stärker in der Gegenwart verankert sein mag: Beim kultigen, vom Designer Angel Ramos gegründeten Bekleidungshaus 18th Amendment aus New York ist ein Old-School-Charme allgegenwärtig. Hier löst man sich von festgefahrenen Marken-Assoziationen. Ramos ist ein Meister im Umgang mit Farbe und arbeitet bei seinen Jacketts mit Bisquit-, Elfenbein- und Tabaktönen anstelle der gängigen Farben Schwarz und Navy. Außerdem bietet er eine gute Auswahl an Slippern. Wie jeder Kenner des Schneiderhandwerks bestätigen wird, lohnt sich ein genauerer Blick auf das Angebot von Nischenlabels aus aller Welt, die sich der lokalen klimatischen Gegebenheiten wegen ganz dem Thema Sommerbekleidung widmen. „Wir sind auf leichte Bekleidung spezialisiert – für uns als Australier die natürlichste Sache der Welt. Nicht nur des Klimas wegen, sondern auch aufgrund unserer Lebens- und Arbeitsphilosophie“, umreißt Designer Patrick Johnson das Konzept seines in Sydney ansässigen Labels P. Johnson, das aus seinem Bedürfnis nach Kleidung erwuchs, die den schweißtreibenden Temperaturen zu trotzen vermag. „Unsere Jacketts werden in der Regel mit superleichtem Canvas und Zwischenlagen aus Leinen, Seide oder Baumwolle gefertigt.“ Diese Zwischenlagen sind das entscheidende technische Detail. Hierbei wird eine Einlage zwischen der äußeren Schicht und dem Futter eingebracht, sodass selbst ein Stoff wie knitteranfälliges Leinen seine Form bewahrt. „Es ist das perfekte Textil für formelle Anlässe, denn es ist leicht und atmungsaktiv“, bestätigt Oliver Spencer die Eigenschaften des Gewebes. Der Gründer von Favourbrook in London ergänzt: „Die von uns verarbeiteten Sorten eignen sich gut für unstrukturierte Jacketts, und der Faltenwurf wirkt sehr elegant.“ Einen solchen Ansatz verfolgt auch der Stockholmer Maßschneider Saman Amel, der gemeinsam mit Dag Granath das nach ihm benannte Atelier gründete. Er sieht in dem Bedarf an Eleganz und Leichtigkeit ein großes Experimentierfeld: „Anzüge für den Sommer und formelle Kleidung eröffnen uns unzählige Möglichkeiten, den klassischen Anzug mit einer pfiffigen Note zu versehen. Materialien wie Leinen und Baumwolle haben einen lässigen Appeal, der, wird er auf den Schnitt von Anzügen übertragen, heute absolut relevant ist“, so Granath. Die Fokussierung auf neutrale Farben wie Beige-, Salbei- und Taupetöne verstärkt den Eindruck des für Skandinavien typischen bequemen Minimalismus. Einer ähnlichen Technik bedient sich Pierre Mahéo mit seinem in Paris ansässigen Label Officine Générale, das formelle Anzüge in Oliv-, Grau- und Karamelltönen führt. Neben eher klassischen Formen lässt sich Mahéo auch von Arbeitskleidung inspirieren; ein Jackett kann da in Form und Stil schon einmal eher an ein Workerhemd erinnern als an den klassischen Einreiher. Diese reduzierte Herangehensweise an formelle Kleidung ist, so Mahéo, charakteristisch für die Pariser Denkweise: „Man trägt zwar ein Jackett, kombiniert das aber mit einem Jeanshemd oder Chinos. Es ist ein Stilmix, ein frischer Ansatz.“ Der Kniff funktioniert auch in die andere Richtung. WW Chan ist eine Institution in Hongkong und hat die strenge Form von Anzughosen auf Shorts übertragen, sie mit Bundfalten, seitlich verstellbarer Bundanpassung und schicken Linien versehen und so eine veredelte Interpretation eines Freizeitklassikers geschaffen. Wie bei den anderen Labels zeigt sich, dass der Stil einer jeden Garderobe sich mit der Sonne immer noch zu weiteren Höhen aufschwingen kann. 47 DEPARTURES

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