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Industrieanzeiger 13.2023

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TECHNIK » Statements

TECHNIK » Statements VDMA-Interviews: Unternehmen beziehen Stellung zum Chemischen Recycling Chemisches Recycling bietet Chancen – muss sich aber erst bewähren Chemisches Recycling als Wundermittel oder ein fauler Kompromiss auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft? Der VDMA hat dazu Geschäftsführer und Manager einschlägiger Firmen interviewt. Die Antworten sind kontrovers – zeichnen zusammen aber doch ein klares Bild. Wir bringen Auszüge mit den jeweils wichtigsten Statements. Die Onlinefassung bietet auch Links zu den Originalinterviews des Verbands inklusive Video-Statements: hier.pro/GfkDY. » Olaf Stauß, Redakteur Konradin Industrie Was stört daran? Möchte man Material von hoher Qualität haben, braucht man chemisches Recycling, um das Polymer in seine Bestandteile zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen. Sonst müsste man ölbasiertes Virgin- Material in die Kette einspeisen und käme nicht weg von fossilen Rohstoffen. Deshalb ist chemisches Recycling unverzichtbar für das End-of-Life-Handling von Kunststoffen. Klaus Lederer, Erema: Das Ziel muss sein, dass das chemische Recycling diejenigen Materialien verarbeitet, die mechanisch nicht recycelt werden können. Das sind zum Beispiel gemischte Kunststoffe wie Mehrschichtfolien oder faserverstärkte Kunststoffe. „Chemisches Recycling durch große Konzerne könnte die benötigte Infrastruktur in aller Welt durchsetzen.“ Jochen Schofer, Coperion Welchen Zweck soll ein chemisches Recycling von Kunststoffen erfüllen? Professor Manfred Renner, Fraunhofer Umsicht: Bei der Transformation zur Kreislaufwirtschaft ergänzen sich das chemische und das mechanische Recycling. Für chemisches Recycling gibt es vor allem zwei Einsatzgebiete: zum einen, wo das mechanische an seine Grenzen kommt. Wenn zum Beispiel der Aufwand für das Sortieren und Reinigen zu groß ist. Zum anderen kommt chemisches Recycling zum Zug, wenn Material bereits mehrmals mechanisch auf - bereitet wurde. Denn mit jeder dieser Aufbereitungen verkürzen sich die Polymerketten und oft reichern sich Additive im Rezyklat an. Bild: Coperion Stimmt es, dass das chemische Recycling sehr viel mehr Energie braucht als das mechanische? Manfred Hackl, Erema: Bei einer ehrlichen Prozessanalyse würde man sofort klar sehen, dass der Energieeinsatz beim chemischen Recycling höher ist. » Das chemische Recycling hat ein Riesenpotenzial. « Jochen Schofer, Coperion Im mechanischen Recycling braucht man 250 Grad für das Waschen und für das Extrudieren. Danach hat man fertiges Regranulat. Beim chemischen Recycling beträgt der Energiebedarf ein Vielfaches für das Zerlegen des Ausgangsmaterials in seine Grundbausteine und das anschließende Zusammenfügen der Bestandteile. 44 Industrieanzeiger » 13 | 2023

Bild: Erema Bild: OMV Downcycling Bild: Fraunhofer Umsicht Bild: Sutco Recycling „Der Energieeinsatz beim chemischen Recycling ist um ein Vielfaches höher.“ Manfred Hackl, Erema „Mit dem chemischen Recycling wollen wir die Lücke in der Kreislaufwirtschaft schließen.“ Beate Edl, OMV „Chemisches Recycling kommt dort zum Einsatz, wo das mechanische an seine Grenzen stößt.“ Professor Manfred Renner, Fraunhofer Umsicht „Eine produktbezogene Rezyklat - einsatz-Quote würde den Markt enorm ankurbeln.“ Michael Ludden, Sutco Recycling Ingemar Bühler, PlasticsEurope Deutsch land: Trotz großer Fortschritte ist der Energieaufwand beim chemischen Recycling viel höher als beim mechanischen Recycling. Das mechanische Recycling ist hocheffizient, so können PET- Flaschen beispielsweise mehrere Dutzend Mal mechanisch recycelt werden, bis die Polymerstrukturen keine weitere Nutzung mehr erlauben. Professor Manfred Renner, Fraunhofer Umsicht: Man kann die Energiebilanz nicht pauschal kritisieren. Je mehr unterschiedliches Material in ein chemisches Recyclingverfahren geht, desto mehr muss aufgetrennt werden. Folglich wird mehr Energie benötigt, wenn die Komplexität steigt. Das heißt aber nicht, dass der CO 2 -Footprint steigt. Wir haben zuletzt ein Pyrolyseverfahren mit verschiedenen Feedstocks bilanziert mit dem Ergebnis, dass sich der Carbon-Footprint gegenüber Virgin-Material um bis zu 50 Prozent reduzieren lässt. Chemisches Recyceln also nur, wo es nicht anders geht? Beate Edl, OMV: Wir wollen nicht in Konkurrenz zum mechanischen Recycling treten. Mit chemischem Recycling wollen wir die Lücke in der Kreislaufwirtschaft schließen. Daher beschäftigen wir uns mit Altkunststoffen, die mit den bestehenden Verfahren im mechanischen Recycling nicht verarbeitet werden können, weil sie beispielsweise einen zu hohen Verschmutzungsgrad aufweisen. Diese Stoffe gehen heute in die thermische Verwertung. Michael Ludden, Sutco Recycling: Die Crux liegt leider darin, dass sich das chemische Recycling im Moment nur mit der Aufbereitung von Polyolefinen, wie etwa Polypropylen und Polyethylen, befasst. Nun ist es aber so, dass Polyolefine sehr gut im mechanischen Recycling verarbeitet werden können. Wenn jetzt auch die chemischen Recycler das Material verwenden, das die mechanischen Recycler sehr gut verarbeiten können, kommt es zu einer Kannibalisierung der Stoffströme. » Chemische Rezyklate werden teurer als Neuware. « Klaus Lederer, Erema Wo macht das chemische Recycling dann Sinn? Michael Ludden, Sutco Recycling: Dort, wo es im mechanischen Recycling schwierig wird. Da bietet es sich an, die Kohlenstoffverbindungen aufzubrechen, zu reinigen und neu zu polymerisieren. Das passiert gegenwärtig aber nicht. Das Potenzial des chemischen Recycling liegt zwischen der mechanischen Aufbereitung und der energetischen Verwertung. Beim Verbrennen wird nur noch die Energie des Kunststoffabfalls genutzt, das Material selbst geht verloren. Es müsste dann also neues Material aus fossilen Ressourcen gewonnen werden. Ingemar Bühler, PlasticsEurope Deutsch land: Die Idee in der heutigen Gesetzgebung ist: Wir verbrennen die nicht mehr nutzbaren Polymere und gewinnen Energie daraus. Statt Verbrennen wäre es aus unserer Sicht viel besser, diese Polymere chemisch zu recyceln. Dabei setzt man im besten Fall kein CO 2 frei und führt den Kohlenstoff weiter im Kreis. Das chemische Recycling steht hier also nicht in Konkurrenz zum mechanischen Recycling, sondern zur Verbrennung. Industrieanzeiger » 13 | 2023 45

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