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Industrieanzeiger 21.2019

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Post-Lithium-Batterie

Post-Lithium-Batterie steht in den Startlöchern Schluss mit der Ära Lithium Batterietechnik | Wissenschaftler entwickeln aktuell eine umweltfreundliche und sichere Alternative zu Lithium-Ionen-Batterien. Der auf wässrigen Natrium- Ionen basierende Energiespeicher reduziert Herstellungskosten auf ein Fünftel. Brennende Akkus, auslaufende Batterien, aufwendige Entsorgung – das assoziieren heutzutage viele mit Lithium-Ionen-Batterien. Wissenschaftler arbeiten daher mit Hochdruck an alternativen Energiespeichern, sogenannten Post-Lithium-Batterien. Eine spannende Lösung sind Energiespeicher auf Basis wässriger Natrium- Ionen-Systeme: Davon erhoffen sich Hersteller in den nächsten zwei bis drei Jahren Produktionskosten von nur knapp 60 Euro pro kWh. Lithium-Ionen-Batterien werden aktuell für rund 300 Euro pro kWh produziert. „Ich denke, erst ab einer Produktion von etwa einer Gigawattstunde pro Jahr ist dieser anvisierte Preis realistisch. Aber die Technologie ist bereits jetzt eine echte Alternative“, sagt Prof. Karl-Heinz Pettinger, Dozent für Elektrische Energiespeicher und Leiter des Technologiezentrums Energie an der Hochschule Landshut. Der Chemiker und sein Team arbeiten als Entwicklungspartner des am Forschungsprojekt „HochNa“ beteiligten Unternehmens Blue Sky Energy an der Qualifizierung der Speicher-Alternative für den europäischen Markt. „Die neue Technologie bietet aufgrund ihrer Material - eigenschaften großes Potential für künftige stationäre Speicheranwendungen, vom Heimspeichermarkt bis zur elektrifizierten Schifffahrt“, so Pettinger. Um zu verstehen warum, muss man sich die Zusammensetzung der neuen Post-Lithium-Batterien genauer ansehen. Die Technologie ist nicht lösemittel- oder Feststoff-, sondern wasserbasiert. Wässrige Elektrolyte mit neutralem pH-Wert rechtfertigen den Stempel „umweltfreundlich“. Denn im Fall einer auslaufenden Batterie würde laut Pettinger weder der Grundboden aufgelöst, noch eine chemische Verunreinigung des Wassers oder unmittelbare Gesundheitsschäden drohen. Die Post-Lithium-Zelle ist nicht brennbar und somit absolut berührungssicher. Die Batterie sollte geringfügig belüftet werden, unterliegt aber sonst keinen Vorschriften bezüglich des Baus eines Batterieraumes. Der Transport obliegt auch nicht den Auflagen eines Gefahrenguts, was sich positiv auf den Versicherungsumfang auswirkt. Die Batterie nutzt das chemische Element Natrium als Ionenquelle. Im Gegensatz zu Lithium ist Natrium häufiger auf der Erde vorhanden: Salzbergwerke gibt es viele, die Ozeane sind angefüllt mit Natrium und die Vorkommen sind nicht mit den ethischen Bedenken des derzeitigen Lithium-Abbaus belastet – sei es aus Gründen der Geographie oder der Quantität. Zudem ist das Element in Form von Natriumchlorid, unserem häus - lichen Kochsalz, täglich leichter zu handhaben als Lithium, da sich überall Spuren davon finden. Für die Ver arbeitung von Lithium-Salzen sind komplexe Um gebungen nötig. „Die neue Post-Lithium-Technolo- 32 Industrieanzeiger 21.19

technik & wissen Wissenschaftler arbeiten mit Hochdruck an Alter - nativen zur Lithium-Ionen-Batterie. Eine ist der Post- Lithium-Energiespeicher auf Basis wässriger Natrium- Ionen-Systeme. Bild: ASDF/Fotolia gie ist eigentlich richtig schön simpel und zudem sicher und schnell. Ein interessanter Gegenpart zur High- Tech-Verliebtheit der aktuellen Debatten“, freut sich Pettinger. Die Zusammensetzung der verwendeten Rohmaterialien wie Natrium, Kohlenstoff, Titan, Phosphor ist ein wesentlicher Grund für den niedrigen Preis. Ressourcengefährdende Rohstoffe wie Kobalt oder Nickel finden sich nicht in Post-Lithium-Ionen. Ein weiterer Grund für den zu erwartenden Preissturz ist im Aufbau der neuen Technologie begründet: Im Gegensatz zur Lithium-Technik werden die Elektroden bei der Post-Lithium-Batterie mit sehr dicken Schichten versehen. Eine Zelle der Lithium-Technik ist mit etwa 200 Schichten versehen. Eine Post-Lithium- Zelle wird mit nur 15 bis 20 Schichten umgeben, die aber robuster sind. Außerdem kann die neue Batterie kurzfristig mit etablierten Verarbeitungsprozessen der Blei-Fertigung produziert werden. Weniger Kurzschluss-Gefahr mit Natrium-Ionen Dank ihrer Robustheit vertragen Post-Lithium-Ionen höhere Toleranzen. Sie müssen nicht auf den Mikro - meter genau positioniert werden, um die Kurzschluss - gefahr zu minimieren. Natrium-Ionen sind größer als Lithium-Ionen. Aufgrund der verringerten Diffusionsgeschwindigkeit bewegen sich Natrium-Ionen langsamer, so entstehen kleinere Kurzschlussströme. Die Folge: Es entwickelt sich wesentlich weniger Wärme und die benötigten Sicherungsmaßnahmen sind geringer. „Es ist erstaunlich, wie einfach eine vieldiskutierte Batterietechnologie wirken kann. Die einzelnen Zellen werden zu Türmen montiert, mit einem Stapler an den Ort der Montage gebracht und abgestellt. Dann können sie angeschlossen und sofort genutzt werden“, sagt Pettinger. Das Umfeld spielt dabei kaum eine Rolle, denn die Post-Lithium-Technik ist nicht feuchte - empfindlich. Zudem sind die Energiespeicher überladefest, das heißt es ist wesentlich weniger Schutzschaltung als bei Lithium Batterien nötig. Ihre Überladefestigkeit ist mit der eines Blei-Akkus vergleichbar. Beide nutzen das gleiche Ladeverfahren. Der aktuelle Entwicklungsstand fokussiert einen Arbeitstemperaturbereich von + 5° bis + 40° C, das sind typische Keller- oder Garagentemperaturen in unserem Breitengrad. Tieftemperaturfest sind die Batterien bisher nicht, aber mittelfristig werden auch angrenzende Temperaturbereiche folgen. Am Technologiezentrum Energie an der Hochschule Landshut testen Prof. Pettinger und sein Team das Verhalten von Post-Lithium-Speichern, beispielsweise deren Ladezyklen. Bild: Hochschule Landshut Die neuen Energie - speicher eignen sich für Anwendungen in Gewerbebetrieben und Gewerbeparks bis hin zu kleineren Einsatzorten wie dem klassischen Schrebergarten oder Heimspeichern. Bild: Hochschule Landshut Die Post-Lithium-Batterie eignet sich für viele Speicherarten: Vom Heimspeicher über Anwendungen in Gewerbebetrieben und -parks bis hin zum klassischen Schrebergarten. Oftmals werden hier Lithium-Ionen- Speicher eingesetzt, obwohl ihre Eigenschaften für die spezielle Anwendung gar nicht notwendig sind. Eine Lithium-Batterie kann in etwa 15 Minuten be- und entladen werden, was für mobile Anwendungen vonnöten ist. Stationäre Anwendungen benötigen dagegen oft einen wesentlich höheren Speicherhorizont. Fällt zum Beispiel bei einem Mobilfunkmast der Strom aus, wird dieser nur selten in einer Viertelstunde repariert werden; Mehrere Stunden wären hier sinnvoller. Industrieanzeiger 21.19 33

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