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KEM Konstruktion Automobilkonstruktion 01.2018

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Themenschwerpunkte: Fahrerassistenz, Elektromobilität, Antrieb, Fahrwerk, Karosserie, Produktion, Testen; KEM Porträt: Dr. Stefan Wolf, vorsitzender des Vorstands, ElringKlinger; KEM Perspektiven: Leichtbau - Start-Up entwickelt in nur vier Monaten einen Kfz-Prototypen

KAROSSERIE INNENRAUM

KAROSSERIE INNENRAUM Bild: Bertrandt/SGL Der Carbon Carrier macht zentrale Lastpfade sichtbar und CFK-Elemente erlebbar. Die größte Herausforderung für die Entwickler bestand darin, für jedes komplexe Bauteil die optimale Konfiguration aus Matrix- und Faserwerkstoff, Faserlänge, -anteil und -orientierung, Lagenaufbau und Prozesstechnik zu finden, die die verschiedenen Anforderungen erfüllt. Bestandteil des Karosserieentwurfs ist ebenfalls die Definition eines neutralen Montageträgers Gemeinsames Konzept für innovative Fahrzeugstrukturen in Leichtbauweise Moderner Materialmix im Innenraum Faserverbund-basierter Leichtbau und Funktionsintegration bieten dem Automobilbau zahlreiche Chancen – nicht zuletzt mit Blick auf ein geringeres Gewicht und damit mehr Reichweite bei E-Fahrzeugen. Konkret zeigen das Bertrandt und die SGL Group am Beispiel des Carbon Carriers, einem neuartigen Konzept für innovative Innenraumstrukturen, der alle wichtigen Funktions- und Verkleidungsteile einer klassischen Instrumententafel beinhaltet. Michael Hage, Fachbereichsleiter Entwicklung Karosserie/CAE, Bertrandt AG, Ehningen Mit dem sogenannten Carbon Carrier haben Bertrandt und die SGL Group in enger Kooperation einen Technologieträger für den Instrumententafelträger entwickelt, ein neuartiges Konzept für innovative Innenraumstrukturen. Der Carbon Carrier kombiniert Faserverbund-basierten Leichtbau und Funktionsintegration und ist ein Beispiel für den modernen Materialmix im Automobil. In einem ersten gemeinsamen Ansatz wurde dazu Carbon-Wissen gebündelt – mit dem Ziel, einen großserienfähigen Faserverbund-Technologieträger zu entwickeln, der neue Konfigurations- beziehungsweise Designmöglichkeiten bietet, aber auch bei ‚konservativen‘ Fahrzeugen angewandt werden kann. Die Faserverbundstruktur ermöglicht neue Designsprachen, insbesondere für E-Fahrzeuge. Änderungen in der Fahrzeugstruktur Die größte Herausforderung bei der Entwicklung des Carbon-Carrier war es, für jedes komplexe Bauteil die optimale Konfiguration aus Matrix- und Faserwerkstoff, Faserlänge, -anteil und -orientierung, Lagenaufbau und Prozesstechnik zu finden, die die verschiedenen Anforderungen erfüllt. In der Fahrzeugstruktur sind dazu Änderun- gen notwendig, um Energiespeicher vor Intrusion und zu hohen Beschleunigungen zu schützen. Package-seitig müssen Energieträger, wie Wasserstofftanks oder Batteriepacks, untergebracht werden, was zu höheren Bodengruppen und/oder Sitzpositionen führt und den Trend zu SUV und Van bestätigt. Bei sportlicheren Fahrzeugen sollen Speichermodule über das Fahrzeug verteilt werden und trotzdem als eine Batterie funktionieren. Der Wegfall von klassischen Aggregaten und vor allem Abgassystemen schafft gleichzeitig aber auch Platz, der für den E-Antrieb und die Speicherkomponenten genutzt werden kann, dann aber gegebenenfalls als Teil der Crash - struktur wegfallen muss. Technologieträger mit komplexer Materialstruktur Die Struktur des Carbon-Carriers ist profilintensiv ausgeführt, beschränkt sich aber nicht nur auf diese Technologie. Strukturell relevante Komponenten, wie die beiden Profilschalen des Instrumententafelträgers, die vorderen Z-Stützen, die beiden sichtbaren Längsträger und die für deren Anbindung an den Vorderwagen entwickelte Konsole bauen auf dieser Technologie auf. Durch Pultrusion lassen sich gekrümmte Kunststoffprofile herstellen. Die beiden in Fahrtrichtung ausgerichteten, geschwungenen Längsträger bestehen aus einem Hybridgeflecht aus Carbon- und Glas - fasern, die um einen offenporigen Polyurethan-Schaum geflochten werden, der zur Erhöhung der Steifigkeit im Bauteil verbleibt. Durch dieses Verfahren bleiben die Kohlefasern mit ihrer typischen Ästhe- 42 K|E|M Konstruktion Automobilkonstruktion 01 2018

INNENRAUM KAROSSERIE Das Projektteam von Bertrandt und der SGL Group präsentiert den Carbon Carrier. Dritter von links ist der Autor dieses Artikels, Michael Hage, Fach - bereichsleiter Entwicklung Karosserie/CAE bei Bertrandt Bild: Bertrandt/SGL Bild: Bertrandt/SGL tik ohne Nachbearbeitung sichtbar. Während die beiden Profile im Bodenbereich verschraubt werden, münden sie im vorderen Bereich in eine Kunststoffkonsole, die zwei Funktionen hat: • die Anbindung des Carbon-Carriers an die Karosseriestruktur mitsamt der Last einleitung sowie • das Unterbinden von Seitwärtsbewegungen der nicht parallel verlaufenden Profile. Bei diesem Bauteil werden, wie bei den Profilen im Tow-Preg-Verfahren, vorimprägnierte Fasern um die Profileinfassung aus Sheet Molding Compound (SMC), beziehungsweise Bulk Molding Compound (BMC) gewickelt. Die Funktionsintegration und Aussteifung erfolgt durch das Umspritzen und Verrippen von tiefgezogenen Fasermatten (Organoblechen). Diese Technologie wird vor allem bei der oberen Schale des Querträgers eingesetzt. Die Kooperationspartner Bertrandt und SGL Group nehmen hier den Wegfall unterschiedlicher Strukturen für Rechtsund Linkslenker vorweg. Die Integration von Klimakomponenten, Lenksäulenaufnahme und Airbags wird in einem spiegelbildlichen und hochintegrativen Strukturbauteil abgebildet. Die obere Schale Der Technologieträger kombiniert faserverbundbasierten Leichtbau und Funktionsintegration wird mit der nassgepressten Unterschale verklebt, dadurch geschlossen und seitlich über ein neu entwickeltes Hardware-Toleranzmanagement mit den beiden A-Säulen verbunden. Das Modell beinhaltet alle wichtigen Funktions- und Verkleidungs - teile einer klassischen Instrumententafel. Zudem wurde der Technologieträger um eine neu entwickelte Designsprache erweitert. So sollen für den Fahrer zentrale Lastpfade sichtbar und CFK-Elemente erlebbar gemacht werden. Auch die Strukturbauteile wurden neu gestaltet. Sie verleihen dem Interieur einen freien, leichten und schwebenden Eindruck. Eignung für die Großserie im Blick Bei der Entwicklung des Carbon-Carriers wurde darauf geachtet, dass die eingesetzten Bauteile, Technologien und Montage-Konzepte bereits heute oder in naher Zukunft großserienfähig sind. Besonders beim Elektroauto bedeutet weniger Gewicht mehr Reichweite. Der Technologieträger zeigt einen hohen Innovationsgrad und stellt dar, wie neuartige Strukturen in modernen Fahrzeugkonzepten zukünftig aufgebaut sein können. Als neuentwickeltes, integriertes Konzept für innovative Innenraumstrukturen kann er mit Groß - serien-OEM und Produzenten von Nischenfahrzeugen diskutiert und in deren Fahrzeugkonzepte überführt werden. Bertrandt und die SGL Group stellen mit dieser Projektarbeit die Möglichkeit vor, die wichtigsten Erkenntnisse und das Know-how beider Unternehmen für die Entwicklung und Produktion zusammenzuführen, um für die Kunden optimierte und fasergerechtere Bauteile und Gesamtsysteme entwickeln zu können. Das erarbeitete Wissen wird sowohl in weiteren gemeinsamen Projekten als auch in zukünftigen Kundenprojekten von Bertrandt und der SGL Group zum Einsatz kommen. www.bertrandt.com www.sglgroup.com Direkt zum Bertrandt-Leistungsspektrum Entwicklung Interieur: hier.pro/Eg3fK K|E|M Konstruktion Automobilkonstruktion 01 2018 43