ESSAY WIR SIND, WAS WIR

ESSAY WIR SIND, WAS WIR FEIERN Wir alle feiern – aber warum und wie? Land Rover feiert 70 Jahre Fortschritt. Aus diesem Anlass stellen wir die Frage, inwieweit Feiern Auskunft über unser Leben und Netzwerk, unsere Religion und unser Land gibt. TEXT A M I T A I E T Z I O N I ILLUSTRATION A D R I A N & G I D I Blättern Sie doch einmal den Kalender durch. Fast scheint es, als sei jeder Tag als ein besonderes Datum markiert. Das kann ein privater Termin sein, etwa ein Geburts- und Hochzeitstag. Oder der Tag, an dem wir mit dem Rauchen aufgehört haben. Oder auch ein öffentlicher Feiertag. Die Anlässe, die wir feiern, sagen viel über unser Privatleben, unsere Gemeinschaft, unseren Glauben und sogar unser Land aus. In den USA beispielsweise ist der Himmel am 4. Juli hell erleuchtet von all den Feuerwerken, mit denen die Unabhängigkeit begangen wird. In Indien feiern Hindus den Beginn des Frühlings, indem sie tanzen, singen, essen und sich gegenseitig mit Farbe beschmieren. In Deutschland hat sich das Oktoberfest aus Festlichkeiten zur Vermählung von Kronprinz Ludwig und Prinzessin Therese entwickelt. Sogar Halloween ist inzwischen vielerorts zu einer Art Fest geworden. Soziologen werten Feiertage als Gelegenheit, sich auf geschätzte Werte rückzubesinnen. Zum Ausdruck kommen kann das in Spendenwilligkeit zur Weihnachtszeit oder guten Vorsätzen zum Jahreswechsel, etwa dem regelmäßigeren Besuch des Fitnessstudios. Beim Vesakhfest zünden Buddhisten zu Ehren Buddhas Kerzen an, treffen sich zu Tempelritualen, tun Gutes und entsagen weltlichen Genüssen, um alle zu einem edelmütigen wie auch bescheidenen Leben gemäß dem Dharma zu ermahnen. In unserer globalisierten und immer besser vernetzten Welt hat die Zahl der Feiertage zugenommen. Durch Migration und offene Grenzen verschwimmen die Trennlinien zwischen Gemeinschaften, Religionen und Traditionen zusehends. Ob man im Nahen Osten oder in England lebt, die Chancen stehen gut, dass man das islamische Opferfest oder Weihnachten feiern kann – oder beides zusammen. Jede Strömung, jede Gemeinschaft bereichert den Festtagskalender. In den USA wurde der mexikanische Feiertag Cinco de Mayo von der Bevölkerung mit Freude als weitere Gelegenheit zum Feiern übernommen. Wie eine Gesellschaft mit Festtagen umgeht, sagt auch viel aus über ihre Haltung gegenüber Einwanderern und Minderheiten – und über unsere Selbstwahrnehmung. Letztlich verbindet uns mehr, als uns trennt. Ob wir zu einer religiösen Anbetung gehen oder einen Nachmittag im Einkaufscenter verbringen, stets eint uns das Gemeinschaftsgefühl. Gleichzeitig sind Feiern Marker wichtiger Dinge. Geburtstage erinnern uns daran, dass die Zeit vergeht und wie weit unser Leben fortgeschritten ist. Sie veranlassen uns, zurückzublicken und zugleich nach vorn zu schauen. Aber ganz egal, was, wie und wann wir begehen, Feiern bieten die Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten zu treffen und den Augenblick zu genießen. Und wenn wir Glück haben, gibt es sogar Kuchen. AMITAI ETZIONI lehrt an der George Washington University. Zusammen mit Jared Bloom hat er das Buch We Are What We Celebrate herausgegeben, das im Verlag New York University Press erschienen ist. 90

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