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LERNEN MIT ZUKUNFT Dezember 2018

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information & erziehung Erziehung ist (k)ein Kinderspiel: Schuldgefühle – Der arme Roland DIE ZUSAMMENARBEIT DER ELTERN UND ERZIEHER IST BESONDERS WICHTIG Mag. a Maria Neuberger- Schmidt Autorin und Gründerin Verein Elternwerkstatt www.elternwerkstatt.at Foto: Ingrid Perger Elternwerkstatt Rolands Mutter ist Alleinerzieherin. Sein Vater besucht ihn nur selten. Sie erzieht ihn partnerschaftlich und voller Wertschätzung, doch fordert sie dies umgekehrt nicht ein. Sie will ihn schließlich nicht unterdrücken. Er hat alle Rechte, sie alle Pflichten. In der kleinen Wohnung hat sie weder Raum noch Zeit für sich selbst. Roland hängt an seiner Mutter und ist mit 7 Jahren hilflos ohne sie. AUS MITLEID WIRD ALLES ENTSCHULDIGT Gleichzeitig ist er rücksichtslos und fordert sie immer öfter zum Machtkampf heraus. Sobald Roland ein Problem hat, wird sie weich. Er hat sich weh getan? „Du armes Kind!“ Er schlägt seine Mitschüler? „Man hat ihn schließlich provoziert“. Die Lehrerin tadelt ihn: „Sie sollte doch Verständnis haben, weil...“ Er hat keine Freunde? „Die sind egoistisch und böse“. Das Drama des Kindes: einerseits Ablehnung durch Vater, Großeltern, Freunde, andererseits falsche Kompensation durch die Mutter. Sie setzt ihm zu wenig Grenzen, löst all seine Probleme und nimmt ihn auch dann in Schutz, wenn er im Unrecht ist. HALT STATT NACHGIEBIGKEIT Wie kann sich die Mutter aus dieser „Teufelsspirale“ wieder befreien? Sie muss aufhören, sich für alles verantwortlich und zuständig zu fühlen. Sie muss sich abgrenzen und auch für sich selber sorgen. Roland braucht mehr Widerstand und Halt statt Nachgiebigkeit. Zwei Dinge gilt es zu unterscheiden: Es ist wichtig, Verständnis für das Kind zu haben und es nicht ins „böse Eck“ zu stellen. Kinder müssen immer die Solidarität ihrer Eltern spüren können, auch und gerade dann, wenn sie "schlimm" sind. Aber deshalb darf man die Dinge nicht verharmlosen, sondern muss sie beim Namen nennen und angemessen reagieren. Der 7-jährige Roland muss auch Kritik ertragen lernen (statt darauf mit „du Blöde“ der Mutter oder der Lehrerin gegenüber zu reagieren) und mit den Folgen seines Tuns konfrontiert werden, mit Konsequenzen und nötigenfalls auch mit Strafe. Wenn ihm die von Schuldgefühlen geplagte Mutter all das „ersparen“ will, nimmt sie ihn in Wirklichkeit nicht ernst und legt so erst recht den Grundstein für seine derzeitigen und künftigen Schwierigkeiten. KINDER ERMUTIGEN, DEN EIGENEN ANTEIL ZU AKZEPTIEREN Die Mutter muss Roland hinführen, auch die Bedürfnisse anderer und vor allem ihre eigenen zu respektieren und den persönlichen Anteil am jeweiligen Problem zu erkennen. Eine Möglichkeit wäre: „Erzähl mir, wie es dazu gekommen ist“ - offen und wohlwollend fragen, damit der Bub nicht in Abwehr geht, sondern die Möglichkeit hat, selber zur Einsicht zu gelan- Illustrationen: © Eugen Kment 28 | DEZEMBER 2018

gen. Weiters muss sie hinterfragen helfen („Kannst du dir erklären, warum die Lehrerin gerade dich zum Direktor geschickt hat?“) Die Mutter darf sich nicht mit „Weil sie mich nicht mag“ zufrieden geben, sondern muss weiter konfrontieren: „Was war denn der Anlass und was hast du dazu beigetragen?“ Sie muss solidarisch, aber auch konsequent sein, z.B.: „Komm, ich begleite dich, damit du die Angelegenheit mit der Lehrerin und dem Hans klären und die Dinge wieder in Ordnung bringen kannst.“ ELTERN UND LEHRER MÜSSEN ZUM WOHL DES KINDES ZUSAMMEN- ARBEITEN Wenn Roland kritisiert wird, darf die Mutter es nicht als ihr eigenes Versagen sehen, sonst reagiert sie wie er, mit Abwehr statt mit Einsicht. Sie sollte zwar um Verständnis für ihr Kind werben, ihm aber nicht die Verantwortung abnehmen und bereit sein, die erforderlichen Maßnahmen mit den anderen Bezugspersonen abzusprechen und durchzusetzen. Eine Familientherapie und begleitende therapeutische Maßnahmen für das Kind werden in schwierigen Fällen auch nötig sein. KONSEQUENT UND ERMUTIGEND SEIN Vor allem aber sollte die Mutter Vertrauen in ihr Kind haben: Es hat einen guten Kern und wird lernen, sich den Problemen und Herausforderungen seines Lebens zu stellen, wenn sie es zulässt. Ansonsten könnte es passieren, dass sie die Achtung ihres Kindes verliert und es so rücksichtslos wird, dass sie es bald selber beschimpfen und hassen wird. Und gerade das hat sich kein Kind verdient. SOS-Kinderdorf bedankt sich für die kostenlose Einschaltung! 29 | DEZEMBER 2018