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LERNEN MIT ZUKUNFT September 2019

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Impulsmagazin für Erwachsene, Anregungen zum Nachdenken

information & erziehung

information & erziehung Schönbrunner Schule Teil 1: 100 Jahre ERZIEHUNG IST EIN BERUF, NOCH DAZU EINER DER SCHWIERIGSTEN (Max Adler, 1924) Dr. in Karin Steiner zuständig für pädagogische Entwicklungen und Bildungskooperationen bei den Wiener Kinderfreunden Foto: Felix Zangerl GF Christian Morawek, Dr. in Eva Unterweger Julya Rabinowich Bereits 1919, als in der Schule noch der Rohrstock auf Kinder schmerzvoll niedersauste, viele Kinder in Fabriken arbeiteten und Bildung für sie maximal Schreiben, Lesen, Rechnen bedeutete, postulierte der Kinderfreunde-Pädagoge Otto Felix Kanitz, dass Bildung und Erziehung die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt stellen müssen. Ihm und anderen führenden Kinderfreunde-PädagogInnen war klar, dass ErzieherInnen mit dem höchsten und modernsten Wissen ausgebildet werden sollten. Mit der Schönbrunner ErzieherInnen-Schule und dem angeschlossenen Kinderheim in 84 Sälen des vom Adel verlassenen Schlosses Schönbrunn boten sie eine neue humanistische ErzieherInnen-Ausbildung an und führten das Kinderheim nach ihrer Maxime: Bildung und Kultur für alle Kinder, Hinwendung zum Kind als zukünftiger „neuer Mensch“ auf Augenhöhe, gewaltfreie Erziehung ohne Autorität und Mitbestimmung der Kinder in allen sie betreffenden Belangen. Mit dem ganzen Enthusiasmus ihrer Zeit und Jugend versuchten Kanitz, Alfred, Max und Jenny Adler, Hermine Weinreb und der Schönbrunner Kreis Kindern aus bescheidensten Verhältnissen das Recht auf Bildung als Grundbedürfnis zu ermöglichen. Sie waren überzeugt, dass nur eine offene, demokratisch gebildete Gesellschaft eine auch für Kinder bessere Lebenswelt schaffen kann. Die Schönbrunner Schule bildete 3 Jahrgänge an ErzieherInnen aus, die ausschließlich in Kinderfreunde-Tagesheimen (entspricht heutigen Kindergär- ten und Horten) tätig waren. Mangelnde Ressourcen und ab 1934 das Verbot der Kinderfreunde während des Austrofaschismus und unter den Nazis, unterbrachen das Wirken der SchönbrunnerInnen und ihre reformpädagogischen Bestrebungen. Nach dem Krieg wurde Kanitz‘ Pädagogik in Skandinavien und Deutschland wieder aufgegriffen und war die Wurzel der antiautoritären Bewegung und Emanzipationspädagogik (kritische Pädagogik). Obwohl er dort auch in die Lehrbücher der Pädagogik Einzug hielt, wird in Österreich die Erziehungswissenschaft erst in den letzten Jahren auf die Bedeutung dieses reformpädagogischen Ansatzes aufmerksam. Warum der Status Quo unserer Gesellschaft den Ansatz der Schönbrunner Schule heute nötiger denn je hat, wurde beim Fachsymposium „100 Jahre Schönbrunner Schule“ der Kinderfreunde am 14. Juni in Schönbrunn von namhaften Fachleuten beleuchtet:

schönbrunner erzieherschule UNTERSTÜTZENDE BEZIEHUNG FÖRDERT DAS LERNEN Den neurobiologischen Aspekt erörterte die Psychologin und Psychotherapeutin Dr.in Eva Unterweger, Professorin an der PH Wien (im Ruhestand). Sie erklärte, dass die Ideen von Kanitz und dem Schönbrunner Kreis mittlerweile neurobiologisch und psychologisch untermauert wurden. Man weiß heute, dass Wahrgenommen werden, Anerkennung und Sympathie die Ausschüttung motivationsfördender körpereigener Botenstoffe verstärken. Und dass Beschämung und Ausgrenzung körperliche Schmerzen, Angst, Aggression und Depression hervorrufen. Unterweger: „Kanitz und Alfred Adlers Blick auf das Kind war respektvoll und betonte die Bedeutung einer nährenden Beziehung in der Pädagogik. Ihre pädagogischen Prinzipien waren zu Zeiten gewaltsamer unterdrückender Erziehungsmethoden revolutionär und sind nach wie vor aktuell, Lernen und Bildung brauchen nährende Beziehungen. Diese damals völlig neuen pädagogischen Ansätze wurden in der Schönbrunner Erzieherschule und in den Institutionen der Wiener Kinderfreunde in die Praxis umgesetzt. Mittlerweile sind sie in unserer Gesellschaft angekommen. Dennoch müssen unterstützende Beziehungen und die Kinderrechte hier und jetzt weiterhin wachsam gehütet werden.“ Impressionen: Schönbrunner Erzieherschule | rechts: Kanitz, der junge Doktor, ca. 1922 Wie aktuell die Pädagogik der Schönbrunner Schule in gesellschaftlicher und soziologischer Hinsicht ist, finden Sie in der nächsten Ausgabe von Lernen mit Zukunft. Fotos:© Archiv Wiener Kinderfreunde 39 | SEPTEMBER 2019