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mav 03.2020

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1. mav Innovationsforum Düsseldorf ▶ ANWENDUNGSSPEZIFISCHE FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG MIT BLICK AUF DAS DETAIL Smarte Lösungen für Werkzeugund Prozessentwicklungen Aufgrund steigender Anforderungen an die Qualität und Produktivität bei der Herstellung funktionaler Bauteile, bedarf es in der Produktionstechnik ständiger Anpassungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. In der spanenden Fertigung resultiert hieraus die Notwendigkeit, intelligente Lösungen für anwendungsspezifische Werkzeug- und Prozessentwicklungen zu erarbeiten. Im Rahmen diverser Forschungsaktivitäten beschäftigt sich das Institut für Spanende Fertigung (ISF) der Technischen Universität Dortmund maßgeblich mit Entwicklungen im Bereich der spanenden Produktionstechnik von der Schneide bis zum fertigen Bauteil. Der Autor Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Dirk Biermann, Leiter des Instituts für Spanende Fertigung, Technische Universität Dortmund. Bild: TU Dortmund Zur Anwendung der noch relativ jungen Verfahren der additiven Fertigung gibt es noch viele Stellgrößen, deren Einflüsse auf die Funktionalität nicht hinreichend bekannt sind. Um ein detailliertes Verständnis der Einflüsse und Abhängigkeiten von Parametern, Strategien und Randbedingungen in Bezug auf die Material- und Werkstückeigenschaften von additiv hergestellten und nachbearbeiteten Teilen in verschiedenen Anwendungen zu erreichen, arbeitet das ISF zusammen mit anderen Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Österreich, Belgien und der Schweiz im Verbundprojekt „Advanced Processing of Additively Manufactured Parts“ (kurz: Ad-Proc-Add). Präparation der Schneidkante Abbildung 1: Schematische Darstellung der Schneidkantenpräparation mittels [Tool]Prep. Da mit neuen Werkstoffen und steigenden Anforderungen an Bauteiloberflächen auch die Anforderungen an die Werkzeuge steigen, rückt die Schneidkantenpräparation von Zerspanungswerkzeugen stärker in den industriellen Fokus. Insbesondere die Verfahren Strahlspanen, Gleitschleifen und Bürsten, die jeweils gewisse Vorzüge haben, kommen hierfür zum Einsatz. Gemein haben die etablierten Präparationsverfahren, dass der Einsatz separater Maschinensysteme mehr Investitionen und aufwendigeres Produkthandling erfordern. Herausforderungen aus technologischer Sicht bestehen zudem in einer komplexen Prozess - entwicklung. Die erhöhten Handhabungsmaßnahmen und die ggf. notwendige manuelle Bestückung der Maschinensysteme sind ein Multiplikator für laufende Kosten. Bisherige Lösungsansätze zur Integration der Schneidkantenpräparation auf Werkzeugschleifmaschinen haben sich aufgrund einer komplexen Prozessführung und unzureichender Flexibilität nicht durchsetzen können. Ein neues, innovatives Verfahren, welches sich universell mit geringem Programmieraufwand auf nahezu jeder Werkzeugschleifmaschine einsetzen lässt und reproduzierbare Ergebnisse liefert, ist das sogenannte [Tool]Prep (Abb. 1). Im Rahmen des Beitrags wird das Verfahren erläutert und am Beispiel der Präparation von geschliffenen als auch nachgeschliffenen Werkzeugen vorgestellt. Hierbei wird anhand von Einsatzuntersuchungen mittels [Tool]Prep präparierter Einlippentiefbohrwerkzeuge das Potenzial des Verfahrens aufgezeigt. Prozessdynamik beeinflussen Die Produktivität spanender Fertigungsprozesse wird häufig durch das Auftreten dynamischer Effekte, wie dem regenerativen Rattern, 42 März 2020

1. mav Innovationsforum Düsseldorf Bild: TU Dortmund Abbildung 2: Beispiele mikrostrukturierter Fräswerkzeuge. Kühlschmierstoff (KSS) oder nehmen ihn nur mit konstantem Wärmeübertragungskoeffizient und/ oder Fluidtemperatur an. Bei der Vorhersage des KSS-Strömungsverhaltens mit Computational-Fluid-Dynamic-Simulationen (CFD) hingegen, werden die transiente Spanentwicklung und die beim Bohren auftretenden Temperaturgradienten in der Regel nicht berücksichtigt. Somit lassen sich auf Basis einer dieser Simulationsmethoden keine Wechselwirkungen zwischen festem Material, wie Werkstück, Werkzeug und Spänen, und dem flüssigen Kühlschmierstoff analysieren. Bild: TU Dortmund begrenzt. Im Stand der Technik werden fünf Möglichkeiten zur Beeinflussung der Prozessdynamik definiert: Maximierung der Steifigkeit des Produktionssystems, Maximierung der strukturellen Dämpfung des Produktionssystems, Optimierung der Prozessparameter, Maximierung der Prozessdämpfung und Störung des Regenerativeffekts. Etablierte Ansätze stellen große Herausforderungen z. B. für die Konstruktion oder Prozessauslegung dar und sind häufig nur prozessspezifisch anzuwenden. Der vorgestellte Ansatz sieht eine Dämpfung und Störung regenerativer Ratterschwingungen durch Einsatz einer gezielten Strukturierung der stirnseitigen Funktionsflächen eines Fräswerkzeugs und damit eine weitgehend universell anwendbare Lösung vor (Abb. 2). Entsprechend der Arbeitshypothese sollen diese Strukturen z. B. Querkräfte aufnehmen, die Schnittbewegung führen oder Rei- bungseffekte verursachen und somit dynamischen Auslenkungen entgegenwirken. Im Rahmen experimenteller Untersuchungen konnte das prozessstabilisierende Potenzial einer definierten Funktionsflächenstrukturierung aufgezeigt werden. Es konnte eine drehzahlunabhängige Steigerung der Prozessstabilität und Produktivität von bis zu 60 % erzielt werden. Ziel der beschriebenen Projektinitiative ist die grundlegende Erforschung der Wirkzusammenhänge zwischen der Strukturgestalt und der Prozessdynamik. Bedeutsame Simulation In der modernen Produktion gewinnt die Prozesssimulation zunehmend an Bedeutung und trägt entscheidend zu Prozessoptimierungen und Steigerung der Ressourceneffizienz bei. Spanbildungssimulationen auf Basis der Finite-Element-Methode (FEM) vernachlässigen den Einfluss von Abbildung 3: Modellierung der KSS-Strömung unter Berücksichtigung der Spanbildung. Analyse thermischer Wechselwirkungen Aus diesen Gründen wurde am ISF ein innovativer Simulationsansatz entwickelt, der es ermöglicht, die thermischen Wechselwirkungen während des Wendeltiefbohrens mit zusätzlicher Berücksichtigung der transienten Temperaturentwicklung des viskosen KSS als auch der transienten Spanbildung numerisch zu analysieren (Abb. 3). Die Temperaturen, die beim Wendeltiefbohren während der Bearbeitung entstehen, und die daraus resultierenden Spanformen wurden simuliert und mit Experimenten validiert. Hierbei wurden die Temperaturen mithilfe der thermischen FEM-Studie (Ansys Thermal) verifiziert und auf der übergeordneten Simulationsumgebung von Ansys mit der CFD gekoppelt. Mit diesem Simulationsansatz der Fluid-Struktur-Interaktion (FSI) können die Vorteile der FEM- und CFD-Simulation verbunden werden. Die detaillierte Darstellung des KSS-Verhaltens innerhalb der Kontaktzone bietet nicht nur ein tieferes Prozessverständnis, sondern trägt auch ein enormes, bisher nicht genutztes Potenzial zur ■ Werkzeugoptimierung. Institut für Spanende Fertigung (ISF) der TU Dortmund www.isf.de März 2020 43

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