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mav 03.2023

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SPECIAL Werkzeug- und

SPECIAL Werkzeug- und Formenbau in unseren Betrieben, und unseren Nachwuchs auch so unterstützen, dass unsere Fertigung zeitgemäß funktioniert. mav: Bei neuen digitalen Kommunikationstechniken beispielsweise, wo sie uns Älteren oft voraus sind? Seul: Das sind sie. Und ganz ehrlich: Wenn Sie sich ins Auto setzen, wissen Sie dann, wie und warum Ihr Navigationssystem funktioniert? Sie können sich das ungefähr vorstellen, aber sie benutzen es einfach wie ein Werkzeug, das intuitiv bedienbar sein muss. Und was rauskommt, muss eine hohe Trefferquote haben. Genauso muss beispielsweise eine CAD/CAM-Strategie funktionieren. Das bringt auch Veränderungen in den Berufsbildern mit sich. mav: Welche Unterstützung kann Künstliche Intelligenz leisten? Seul: Das sehe das ähnlich wie beim Navi. KI ist ein Werkzeug, das ich einfach vernünftig einsetzen muss. Und vor allen Dingen: Ich muss in der Lage sein, die Stimmigkeit des Ergebnisses zu beurteilen. Ich glaube, das ist auch eine wichtige Kompetenz. Das Fachwissen, gepaart mit einem guten Bauchgefühl, wird immer gefordert sein. Eine KI fällt ja schlussendlich auch keine Entscheidungen. mav: Neben Digitalisierung und Fachkräftemangel ist auch der anhaltende Preisverfall eine Herausforderung für die Werkzeugund Formenbau-Unternehmen. Der lässt sich wohl schwer umkehren ... Seul: Wohl wahr, aber auch da gibt es Strategien. Wie kann man neuartige Geschäftsmodelle entwickeln, um den Preisverfall entgegenzuwirken? Das diskutieren wir tatsächlich auch auf der Forschungsebene. Nicht umsonst haben sich ja einige Werkzeugmacher zusammengefunden und die Forschungsgemeinschaft Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (FDWF) gegründet. Dort ist die zweite Runde der Projektskizzen schon in der Abstimmung, und vieles davon bezieht sich auch auf neue Geschäftsmodelle und Erweiterung der bisherigen. mav: Zählen dazu auch Fertigungsplattformen und Ähnliches? Seul: Ja, zum Beispiel. Oder stellen Sie sich vor, dass ein Spritzgießunternehmen Werkzeuge least und nicht kauft. Der Lkw-Hersteller Scania hat uns das vorgemacht, der im Endeffekt Zugmaschine und Trailer verleast. Bei Pkw ist das ohnehin schon gängig, aber bei fertigungsrelevanten Produkten könnte das auch interessant sein. Man muss dann natürlich saubere vertragliche Strukturen schaffen. Dann wird z. B. das Werkzeug mit einer Grundgebühr pro Monat und pro Plattform für Werkzeug- und Formenbauer Auf der Moulding Expo 2023 kommen Werkzeug-, Modell- und Formenbauer, deren Kunden und Technologie-Zulieferer zusammen. Bild: Landesmesse Stuttgart Vom 13. bis 16. Juni 2023 bringt die Moulding Expo Werkzeug-, Modell-- und Formenbauer, deren Kunden sowie die Zulieferer unter einem Dach zusammen – im L-Bank Forum (Halle 1) der Messe Stuttgart. Mit kurzen Laufwegen können sich die Besucher ein Bild über die aktuellen Entwicklungen in den Bereichen Komponenten, Einbauteile und Zubehör für den Werkzeug-, Modellund Formenbau machen. Von Hydraulikzylindern über Normalien bis zum Heißkanalsystem, vom Spannmittel über Bearbeitungswerkzeuge bis zur Werkzeugmaschine und zur Software-Lösung: Auf der Moulding Expo verdeutlichen Zulieferer ihre Expertise auf allen Stufen der Wertschöpfungskette. Für die Technologiezulieferer bedeutet die Zusammenarbeit mit Werkzeug-, Modell- und Formenbau-Unternehmen, dass ihre Dienstleistungen und Produkte die hohen Anforderungen der Branche erfüllen und dass sie über Expertenwissen verfügen müssen. Die Moulding Expo bietet ihnen die Plattform, um dies unter Beweis zu stellen (www.messe-stuttgart.de/moulding-expo). produzierten Artikel über die Zeit abgerechnet. Das sind ganz interessante Ideen, die wir in unserer Forschungsgemeinschaft diskutieren. mav: Kann das auch mehr wirtschaftliche Sicherheit für die Betriebe bringen? Seul: Ja natürlich. Wenn Sie bei BMW oder Mercedes ein Auto leasen, wohin bringen Sie es zur Wartung? Zu Mercedes oder zu BMW, weil der Leasingvertrag das so vorgibt. Und damit habe ich auf einmal ein ganz anderes Geschäftsmodell, mit Instandhaltung etc. Ich habe dann nicht mehr einen Kunden über vielleicht drei Monate, sondern eine Kundenbindung über mehrere Jahre. Und wenn ein neues Produkt kommt, dann stehe ich parat, und der Kunde kennt mich. Ich mache einen guten Job, also habe ich immer einen Fuß in der Tür. mav: Was bedeutet der Umstieg auf E-Mobilität für den Werkzeug- und Formenbau? Sind dann andere, vielleicht größere Teile gefragt? Seul: Das Produktspektrum verändert sich in der Tat. Der Fahrzeuginnenraum wird wahlweise mehr zum Büro oder zum Wohnzimmer. Da brauchen wir Ambiente, Beleuchtung, Dekoration. Wir brauchen es schöner, angenehmer – und damit sofort ganz viele Kunststoff- und Metallbauteile. Da mache ich mir also keine Sorgen. Wenn ich natürlich Ottomotoren herstelle, habe ich ein Problem. Das ist der Vorteil des Werkzeugmachers: Dem ist es zunächst einmal egal, was am Ende aus der Form herausfällt. Hauptsache es ist ein Kunststoffoder Metallbauteil. Dadurch können wir uns dem Wandel eher anpassen. Unterm Strich werden Anzahl und Vielfalt der Bauteile ähnlich bleiben, weil andere Komponenten wie z. B. Steckerkontakte dazukommen. Da gibt es also noch genug zu tun für einen Werkzeugmacher. mav: Die ganzen Komponenten aus dem Antriebsstrang eines Verbrennermotors sind ja auch klassische Zerspanteile … Seul: Eben. Auch die Gesenkschmieden könnten ein Problem bekommen. Aber für den klassischen Umformer oder Spritzgießer wird es anders aussehen. Im Metallbereich kommen neue Materialien dazu, hochfest, schwerer zu zerspanen, schwerer umzuformen. Bei den Kunststoffen sind es sowohl 40 Juni 2023

Hochtemperatur- als auch biobasierte Werkstoffe. Darauf muss man sich einstellen. mav: Was sind künftig die technologischen Herausforderungen im Werkzeug- und Formenbau? Seul: Oberfläche, Präzision, Reproduzierbarkeit. Und immer kleinere Bauteile, das sind für mich die technologischen Treiber – ganz unabhängig davon, ob es nun um Schleifen, Fräsen, Drehen, Erodieren oder auch Additive Manufacturing geht. mav: Muss ein Werkzeugbauer künftig die Additive Fertigung selbst beherrschen, oder gibt er das raus? Seul: Additive Manufacturing ist mittlerweile ein erwachsenes Verfahren, das ich als Werkzeugmacher intelligent oder auch kooperativ in meine Fertigungsprozesse integriere. Für mich ist Additive Manufacturing ein integraler Bestandteil eines modernen Werkzeug-und Formenbaus, zumindest die Technologie und die Bauteile daraus – was nicht heißt, dass ich das Know-how selbst haben muss. Das kann ich auch zukaufen. mav: Das wäre wieder ein Fall für solche Ökosysteme, in denen die Kompetenzen verteilt sind? Seul: Richtig. Werkzeugmacher polieren ja auch nicht selbst die Kavität. Das geben sie weg zu einem, der das kann. mav: Wie sehen Sie die wirtschaftliche Zukunft Ihrer Branche? Prognosen zufolge könnten 20 bis 30 % der Betriebe in Deutschland in absehbarer Zeit verschwinden. Sind Sie auch so pessimistisch? Seul: Wenn ich das an unseren Mitgliederzahlen festmache, dann kann ich keinen großen Schwund von Austritten durch Insolvenzen oder Ähnliches erkennen. Was ich allerdings sehe ist, dass sich der eine oder andere konsolidiert, dass etwa Betriebe verschmelzen oder Verbünde gebildet werden. mav: Was würden Sie sich von der Politik an Unterstützung wünschen? Seul: Der Werkzeug- und Formenbau hat als Schlüsseltechnologie eine Systemrelevanz in Deutschland. Wir wünschen uns, dass das stärker wahrgenommen wird, auch von der Politik. Daran arbeiten wir. Was der Staat konkret machen könnte, zeigen Länder wie Kanada. Dort gibt man Ausfallbürgschaften, bis die letzte Rate des Werkzeugs gezahlt ist. Solche Modelle wären extrem hilfreich. mav: In anderen Branchen springt der Staat ja auch mit viel Geld ein ... Seul: Und das verzerrt den internationalen Wettbewerb! Wenn wir unsere Hightech- Branche in Deutschland halten wollen, die eine Schlüsselindustrie im Hinblick auf unseren Produktionsstandort ist, dann wäre eine Risikoentlastung eine ganz einfache Möglichkeit zu helfen – gerade weil die typischen Werkzeugmacher in Deutschland klein- und mittelständisch geprägt sind. ■ Toolmaker – Der unabhängige Entwicklungspartner für Werkzeughersteller KOMPETENZ UND KERNBEREICH ■ ■ ■ Kundenspezifische Auslegung und Fertigung von Wendeschneidplatten und Rohlingen Für jede Zerspanungsanwendung das richtige Hartmetall und die richtige Beschichtung Boehlerit steht für langfristige Partnerschaft Juni 2023 41 www.boehlerit.com

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