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mav 10.2019

TRENDFamilienbetriebe

TRENDFamilienbetriebe bringen müssen, um die Geschicke des Unternehmens mitbestimmen und -gestalten zu können. „So sichert man vor allem bei einer Nachfolgeregelung, dass das Unternehmen im Sinne der bisherigen Unternehmer qualifiziert und kompetent weitergeführt wird“, sagt dazu Jochen Schmigalla. Darüber hinaus legt die Charta fest, welche Institutionen und Spezialisten in Krisensituationen und bei Uneinigkeit einen Kompromiss oder eine anderweitige Lösung herbeiführen helfen. Auch gründen Familienunternehmer häufig eine Holding oder sie trennen mit einer Inhaber- und einer Betriebsgesellschaft die Vermögensverwaltung vom operativen Geschäft. An Letzterem werden oft Familienmitglieder beteiligt, die nicht operativ tätig sind. Darüber hinaus gibt es in zahlreichen Familienunternehmen einen Beirat, der finanzielle Entscheidungen vorbereitet sowie für das operative Geschäft Informationen sammelt, aufbereitet und bereitstellt. Mit diesen Strukturen sichern Familienunternehmen zum einen den Interessenausgleich innerhalb der Familie, zum anderen bewahren sich die im operativen Geschäft tätigen Unternehmer den erforderlichen Handlungsspielraum. Speziell bei einer Nachfolge können klare, eindeutig vereinbarte Regeln wesentlich dazu beitragen, den Fortbestand des Familienunternehmens zu sichern. Im sozialen und politischen Umfeld behaupten Familienunternehmen wirtschaften zwar überwiegend sehr erfolgreich, sie müssen dafür allerdings erhebliche finanzielle und persönliche Belastungen stemmen. Nicht selten arbeiten die im Betrieb operativ tätigen Familienmitglieder weit über das durchschnittliche Maß hinaus. Für viele gehören Wochen mit 60 Stunden Arbeitszeit zum üblichen Pensum. Davon berichtet unter anderem Theodor Wanner. In den ersten Jahren nach seiner Unternehmensgründung im Jahr 1992 habe es für ihn persönlich oft kein freies Wochenende, dagegen aber viele schlaflose Nächte gegeben. Darüber hinaus berichten Familienunternehmer wie Michael Mager und Thomas Theodor Wanner, Sensopart GmbH in Wieden: „Durch die regionale Anwesenheit entsteht Verbundenheit und Verantwortungsbewusstsein bezüglich der Familien der Mitarbeiter, der Gemeinden, der Infrastruktur, der Umwelt und nicht zuletzt der Gesellschaft.“ Bild: Sensopart Burger von hohen finanziellen Belastungen. Dies betrifft einerseits Investitionen, für die speziell Banken und Finanzinstitute meist Sicherheiten bis ins private Vermögen der Familienunternehmer hinein verlangen. Als belastend genannt werden aber auch die vom Staat geforderten Steuern auf kommunaler, auf Landes- und auf Bundesebene. Je nach Struktur des Unternehmens werden Unternehmerfamilien mit Gewerbe-, Umsatz-, Ertrags- und Einkommenssteuern mehrfach belegt. Summarisch haben sie oft die überhaupt höchstmögliche Steuerbelastung zu tragen. Auch die Weitergabe an eine Folgegeneration konfrontiert speziell Familienunternehmen mit erheblichen finanziellen Aufwendungen (Erbschaftssteuer). Dem können sie begegnen, indem sie die Übergabe an Nachfolger entsprechend dem steuergesetzlichen Rahmen gestalten. Um den gesellschaftlichen, betrieblichen und politischen Forderungen gewachsen zu sein, pflegen Familienunternehmen ein weitläufiges Netzwerk an Kontakten. Sie organisieren sich – wie andere Interessengruppen auch – in spezifisch ausgerichteten Verbänden. Dazu gehört der überregional tätige Verband ‚Die Familienunternehmer e.V.‘. Mit derzeit mehr als 6000 Mitgliedern befasst er sich mit den Interessen und Sorgen von etwa 180 000 Familienunternehmen. Das betrifft insgesamt über acht Millionen Beschäftigte in Deutschland. Förderliche Zusammenarbeit Regional speziell in Baden-Württemberg engagiert sich der Wirtschaftsverband Badischer Unternehmer (WVIB) in Freiburg gezielt für Familienunternehmen, die industriell tätig sind. Mitglieder bezeichnen die Zusammenarbeit als besonders förderlich. In Erfahrungsgruppen tauschen Unternehmer, die in jeweils unterschiedlichen Branchen tätig sind, Meinungen und Informationen aus. Über ähnliche Vorteile berichten die im Verband der Deutschen Drehteile-Industrie (Düsseldorf) organisierten Unternehmer, unter anderem Kathrin Heinrichs. Anlässlich der halbjährlichen Verbandstagungen kann sie mit weiteren Familienunternehmern über situativ passende Vorgehensweisen und Entscheidungen diskutieren. Aus ihrer Sicht kann ein Familienunternehmer sehr von Netzwerken profitieren. „Es ist wichtig, mal rauszukommen“, ergänzt sie. Sie betont auch, dass man so Impulse von außen ins Unternehmen holen kann. Ein Fachverband kann branchenrelevantes Know-how vermitteln. Andere Vereine, Verbände und Netzwerke können den Blick über den Tellerrand schärfen. Wie Kathrin Heinrichs empfiehlt, sollten besonders „Junioren“ in Familienunternehmen solche Netzwerke nutzen. Sie selbst beteiligt sich in Diskussionen bei den Wirtschaftsjunioren, bei der IHK und in regionalen Initiativen. Sie erhält daraus wertvolle Ideen und Impulse. ■ Die Familienunternehmer e.V. www.familienunternehmer.eu Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden e.V. www.wvib.de Verband der Deutschen Drehteile-Industrie www.dreh.info 24 Oktober 2019

Zahlen und Fakten zu Familienbetrieben in Deutschland Weniger als zehn ■■■■■■ Mitarbeiter hat ein durchschnittlicher Familienbetrieb. Insgesamt sind ihnen aber rund 57 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigtenverhältnisse in Deutschland zuzurechnen. Quelle: Stiftung Familienunternehmen Der historische Kupferstich zeigt das Werk der Siegener Verzinkerei Actiengesellschaft in Geisweid, Siegen, im Jahre 1909. Im Hintergrund ist die Einmauerung des Verzinkungs - kessels dargestellt. Bild: The Coatinc Company Holding GmbH 517 Jahre, bis ins Jahr 1502, reichen die Ursprünge des ältesten deutschen Familien - unternehmens zurück – der Verzinkerei The Coatinc Company aus Siegen. Quelle: Stiftung Familienunternehmen 25 VON 500 DER GRÖßTEN DEUTSCHEN FAMILIENUNTERNEHMEN WURDEN VOR 1800 GEGRÜNDET. Quelle: Stiftung Familienunternehmen 46,81 MILLIARDEN Euro an Ertragssteuern zahlten Familienunternehmen nach Schätzungen im Zeitraum 2009 bis 2013 durchschnittlich pro Jahr. Das entspricht 41,7 % des gesamten Ertragssteueraufkommens in Deutschland. Quelle: Stiftung Familienunternehmen 150 000 ■■■■■■ Familienunternehmen stehen schätzungsweise im Zeitraum 2018 bis 2022 zur Übergabe an. Quelle: IfM Bonn Beschäftigte in Deutschland (in Millionen) Die Entwicklung der Inlands - beschäftigung der 500 größten Familienunternehmen und der 27 nicht-familienkontrollierten DAX-Unternehmen von 2007 bis 2016 im Vergleich. Bild: Stiftung Familienunternehmen MEHR ALS 90 % aller deutschen Unternehmen im privaten Wirtschaftssektor werden von Familien kontrolliert – 86 % auch von diesen geführt. 52 Prozent Quelle: Stiftung Familienunternehmen ■■■■■■ des Gesamtumsatzes aller Privat - unternehmen in Deutschland wurden 2017 von Familienbetrieben erwirtschaftet. Quelle: Stiftung Familienunternehmen Oktober 2019 25

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