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NK 02_2019

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20 TITELINTERVIEW

20 TITELINTERVIEW umzusetzen. Die Angst vor dem Scheitern ist letztlich nichts anderes als die Angst vor dem Tod. NK: Nun sind solche Lebensläufe nicht eben das Ideal von Recruitern. Felix Maria Arnet: Leider gilt bei der Personalauswahl und auch bei der Personalentwicklung immer noch: Eingestellt wird das Ebenbild des Recruiters, gefördert wird, wer stereotype Erwartungen erfüllt. Man kann daher nicht häufig genug betonen, dass Diversity Management nicht bloß heißt: mehr Frauen, mehr Menschen mit Behinderungen, mehr Menschen mit anderer Ethnizität, sondern mehr andere Menschen. Dass Unternehmen diese eingetretenen Pfade verlassen können, sieht man an mir. Ich bin als Coach ein Quereinsteiger, schon allein äußerlich ein bunter Hund und gehe außerdem offen damit um, als Unternehmer bereits einmal gescheitert zu sein. Warum sollten sich Führungskräfte von einem beraten lassen, der selbst mal nicht so gut beraten war? Weil genau das meine Stärke ist. Scheitern passiert, auch in Unternehmen überall, täglich, stündlich, jedem. Statt wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen oder gar zu leugnen, dass da eine Schlange ist, gilt es, die Schlange auszutricksen, zu hypnotisieren oder sie sich sogar zunutze zu machen. NK: Strategie ist das Stichwort: Was ist die Fail-forward-Strategie? Felix Maria Arnet: Sie ist die Methode persönlichen Wachstums. All unser Scheitern wäre vergebens, wenn es uns nicht daran erinnerte, was sein Wesen ist: Lernen. „Sometimes you win, sometimes you learn“, manchmal gewinnt man, manchmal lernt man – wie bereits beim Laufen lernen. Das heißt, in der intellektuellen Verarbeitung unseres Scheiterns dürfen wir kindlich vorgehen, mit Leichtigkeit sowie einer guten Portion (Selbst-)Ironie. Hingefallen? Wieder aufstehen und anders versuchen! Wieder nichts? Überlege: War der Versuch besser oder schlechter? Wieder versuchen! Es geht um konsequente Lernprozesse. Es geht um Lernprozesse, die Sie tatsächlich besser machen, nicht bloß vorsichtiger oder ängstlicher wie es bei Erwachsenen meist der Fall ist. Konsequent heißt in dem Falle auch bewusst und regelmäßig. Wir können uns dazu zwingen, uns unseren Niederlagen zu stellen, systematisch. Das ist der Kern der Fail-forward-Strategie. NK: Warum eigentlich Fail forward? Felix Maria Arnet: Nun, scheitere vorwärts, immer wacker voran-gescheitert, das klingt komisch, nicht wahr? Deshalb ziehe ich „fail forward“ vor, abgesehen von der schönen Lautgleichheit. Man könnte es übersetzen als „besser scheitern“, allerdings fehlt mir dabei der strategische Impetus. Vorwärts oder voran scheitern bedeutet, auf eine Niederlage zu reagie ren mit dem Vorsatz, einen Vorteil zu gewinnen. Am besten fängt man im Kleinen an. Das Zauberwort heißt Achtsamkeit. Achtsamkeit ist höchste Konzentration auf das Leben bei gleichzeitig maximaler Gelassenheit gegenüber seinen Überraschungen. Achtsamkeit kennt keine Routinen, Reflexe, Vorurteile; auch wenige Emotionen, außer einer generellen Freundlichkeit gegenüber allem und jedem. Das heißt: Hören Sie auf, sich über Petitessen zu ärgern. Beschimpfen Sie beispielsweise nicht den Autofahrer vor Ihnen, der die grüne Ampel nicht sieht. Hupen Sie nicht laut, sondern nur kurz freundlich, quasi ein Anstupser. Lassen Sie sich nicht von einem an der Netzkante hängengebliebenen Volley aus der Fassung bringen. Eventuell sogar so, dass der nächste Schlag auch misslingt. Denken Sie nach, was Sie falsch gemacht haben, üben Sie den Schlag trocken und nehmen Sie das Spiel wieder auf. Ich wette, jetzt klappt es. Oder eben beim nächsten Mal. Bleiben Fehler hartnäckig, hilft Visualisierung oder Verschriftlichung. Sind Sie ein Mensch, der in Bildern denkt oder Beispiele braucht, um etwas zu verstehen, malen Sie eine kleine Skizze. Sind Sie der verbale Typ, schreiben Sie es auf, eventuell in einem Bonmot oder Reim. Bringen Sie diese an Stellen an, wo Sie sie häufig sehen oder genau in dem Moment, da Sie sich daran erinnern lernen, was © Paul Königer nicht geht, aber sollten. Wenn Sie den Fehler © Roche heißt das: eine losgelöste und distanzierte sie zeigen auch, was gehen könnte und wie. Solche Fehler vergibt man, aber man vergisst sie niemals. Denn Sie sind uns hilfreiche Leitplanken auf unserem Weg voran. Das ist mehr als Fehlertoleranz. Es ist Fehlerkultur. Auf dieser Fehlerkultur bauen die erfolgreichsten Unternehmen der Welt auf. 3M, der US-amerikanische Multikonzern und nicht zufällig einer der beliebtesten Arbeitgeber der Welt, hat gar ein ganzes Manifest zu Fehlerkultur. Warum nicht wir? NK: Eine Manifest zur Fehlerkultur – Sind das Ihre beiden Bücher zum Thema? Felix Maria Arnet: Nein, die Bücher bewältigt haben, kann der Zettel verschwinden. Aber nicht wegwerfen! Schaffen Sie sich einen dieser altmodischen Zettelkästen an. Schleicht sich der Fehler wieder ein, wird der Zettel wieder aufgehängt. NK: Aphorismen und Zettelkästen oder die „Karte des Scheiterns“: Kann man so Managementprobleme lösen, Veränderungsprozesse kontrollieren, Organisationen neu aufstellen? Felix Maria Arnet: Im Berater-Sprech heißt das dann eben Scrum oder KVP, aber im Prinzip ist es ähnlich. Perspektive einzunehmen, den Helikopterblick, wie ich sage, und zu schauen, was man da unter sich sieht. Was zum Scheitern geführt hat, wo man sich befindet, welche Wege versperrt, welche noch gangbar sind, welche davon wünschenswert sind, wer oder was dabei helfen kann, sie zu bewältigen. Davon zeichnet man eine Karte. Auch hier geht es um Verinnerlichung durch Verschriftlichung und Visualisierung. Wenn Sie diese Methoden beherrschen, können Sie Ihre Fehlertoleranz andere Menschen lehren. Von der Selbstführung zur Menschenführung – ein sind maximal ein Plädoyer für Fehlertoleranz und Fehlerkultur. Anlass waren die Reaktionen auf meine Auftritte als Speaker. In den Wortmeldungen aus dem Publikum wurden immer wieder zwei Dinge deutlich: Erstens wünschten sich meine Zuhörer etwas Konkretes zum Mitnehmen aus dem Vortrag und zweitens wollten sie mehr über mich und meine Geschichte erfahren. Ich hatte schon zuvor geplant, meine persönlichen Niederschriften ggf. als Blog oder Kolumne zu veröffentlichen, aber der Hinweis auf irgendeine Webadresse ist keine gute Visualisieren oder verschriftlichen geradezu idealer Verlauf von persönlichem Handreichung für wissbegierige Sie die Fehler, die zum Scheitern geführt haben. Wenn Sie feststellen, dass Sie sie im Griff haben, kann die Notiz ganz hinten in Ihrem Zettelkasten oder an der Rückseite Ihres Whiteboards verschwinden. Erwischen Sie sich wieder bei diesem Fehler, kommt sie wieder hervor. Was bringt das? Sie lernen, wie oft Sie Fehler machen. Sie lernen, dass Sie sogar öfter Fehler machen als alles richtig. Sie lernen, dass man dies ändern kann. Aber nicht mit Wut, Druck oder Selbstbetrug, sondern mit intellektueller Verarbeitung, Geduld und Demut. Die „Karte des Scheiterns“ hingegen ist kein Tool für den Optimierungspfad. Sie ist ein Tool zur Bestandaufnahme und Lösungsfindung. Im Wesentlichen Wachstum für eine Füh- rungskraft. NK: Somit ist jeder Fehler etwas Gutes? Felix Maria Arnet: Es gibt Fehler und Fehler. Es gibt Fehler aus mangelnder Konzentration, mangelnder Motivation oder schlicht Überheblichkeit. Im Sport nennt man sie leichte Fehler; nicht weil sie weniger schädlich sind, sondern weil sie leicht zu vermeiden wären. Die gehören unbedingt abgestellt. Und es gibt Fehler aus Unerfahrenheit, aus Arglosigkeit, aus Emotionalität, aus zu hohem Arbeits- und Erwartungsdruck oder aus Mangel an Informationen oder Kenntnissen. Diese Fehler erfüllen eine Funktion. Sie lassen uns Vortragsbesucher. Da musste etwas Handfestes her und zwar schnell. So kam es zu meinem Erstling „Gescheit scheitern“, 90 Seiten, die in jede Hand- oder Manteltasche passen und selektiv und quergelesen werden können. Aber da war kein Platz für meine Story. Also habe ich mit „Brutal gescheitert“ nachgelegt. Wichtig war mir dabei, dass das Buch auf Augenhöhe bleibt und nicht überfordert. Das war nämlich eine Erfahrung in meiner Krise. All die dicken klugen Bücher haben mich umso ratloser zurückgelassen. Mein Buch ist, so sagt Vorwortschreiber René Borbonus, „wie ein Gespräch mit einem guten Freund“. Darauf bin ich durchaus ein wenig stolz. © Simon Stobbe

DIGITALISIERUNG 21 SMART LIVING – NICHT GANZ UNGEFÄHRLICH Das Licht per Sprachassistent abends ausschalten, das Wetter abfragen oder die Haustüre per App öffnen – Smart Home ist längst nicht mehr nur ein nettes Spielzeug für Techies. Smart Living bedeutet vor allem eines – alle Augen sollten auf den Nutzer gerichtet sein. Smart Home ist nicht länger nur ein Nischenprodukt für Technik-Fans. Früher vor allem für vernetzte Sicherheitssysteme bekannt, ist Smart Living mit intelligenten Heizungen und App-gesteuerten Lichtern auf dem Massenmarkt angekommen. Ikea macht es vor und kooperiert in China seit neustem mit dem Technologie-Riesen Xiaomi – die IoT- Plattform (Internet of Things) reiht sich neben Apple, Amazon und Google wie Lichtschalter in seinem Haus verbaut haben wollte. Doch nicht nur, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist, bleibt eine Herausforderung. Auch wenn jüngere Nutzer tendenziell aufgeschlossener sind, zieht sich ein weiterer Punkt durch sämtliche Generationen. Mit Ausnahme von Sicherheitssystemen für Eigenheime scheinen die meisten Menschen dem Internet of Things eher argwöhnisch bis misstrauisch gegenüberzustehen. Die Gründe dafür sind divers. Oft fehlt die Ahnung, wie das Produkt eigentlich genau funktioniert, da es nur schwer zu installieren und zu verstehen ist. Das wiederum führt zu Gefühlen von Kontrollverlust und des „nicht geheuer Seins“ – der User hat kein Vertrauen in das Produkt. Ohne überzeugende User Experience läuft nichts Ob Schlüssel oder nicht: Sein Zuhause in allen Facetten über ein Interface zu steuern ist nicht mehr nur ferne Zukunftsmusik, sondern bald unser Alltag. Mittlerweile stehen diverse etablierte Funkstandards und APIs zur Verfügung, durch welche sich ein neues Produkt nahtlos in das Ecosystem der Smart Home- Steuerung einbetten kann. Die Rollläden selbst öffnen und schließen? Nicht mehr notwendig. Die Musiklautstärke manuell regeln? Geschenkt. Marken müssen daher Produkte entwickeln, die Menschen unterschiedlichster technischer Expertise und Emotionen gegenüber den Anwendungen gleichermaßen ansprechen und zum Interagieren anregen. Wie integrieren? Auch eine logisch aufgebaute, intuitive Bedienung, mit der User jeden Alters etwas anfangen können, führt schnell ans Ziel. Dieses Erfolgserlebnis vermittelt den Usern ein positives Gefühl. Sie gewinnen nicht nur einen Mehrwert, sondern haben auch Spaß bei der Nutzung. Und dieses Gefühl bleibt bestehen. Die Konsequenz? Sie greifen erneut auf das Produkt zurück. Werden Anwendungen so konzipiert, dass sie nahtlos ineinandergreifen und individuell kombiniert werden können, bekommt der Nutzer das Gefühl, dass sein Alltagsleben dadurch einfacher und komfortabler ist. AdobeStock/© goodluz Amazon und Co. findet sich genügend weitere Konkurrenz. Unternehmen müssen deshalb ihre Markenpersönlichkeit nutzen, um mit einem starken und nachhaltigen Unterscheidungsmerkmal aufwarten zu können. Denn hinter jedem smarten Produkt www.cobeisfresh.com AdobeStock/© mast3r in das Smart Home-Portfolio ein. Smart Living-Produkte gewinnen dadurch im Alltag immer mehr an Bedeutung und sprechen mittlerweile auch Zielgruppen an, die nicht unbedingt zu den technisch versiertesten Menschen gehören. Welche Konsequenzen müssen daraus für die Entwicklung gezogen werden? Wie muss ein Produkt beziehungsweise eine Anwendung entwickelt werden, um den verschiedensten Zielgruppen einen Zugang zu ermöglichen? Ungeahnte Herausforderungen Was man wissen sollte, bevor man sich ans Entwickeln und Designen macht: Die Hemmschwelle, sich neue Produkte anzuschaffen und für deren Nutzung ein anderes Verhalten anzugewöhnen, ist hoch. Wer seine Lichter immer mit dem Schalter anund ausgeschaltet hat, braucht eine gewisse Zeit, um sich ein neues Muster anzutrainieren. Vor allem, wenn sich auf den ersten Blick keine klaren Vorteile ergeben. Beschäftigt man sich jedoch ein wenig mehr mit den neuen Gadgets, entdeckt man die Bandbreite hinter IoT. Und fragt sich, wieso genau man überhaupt noch Dinge Dies hängt auch damit zusammen, dass das übliche Feedback fehlt, welches man bei eigenständig ausgeführten Tätigkeiten hat. Wer seine Haustür mit dem Smartphone abschließt, hört kein beruhigendes, als absichernd empfundenes Klicken des Schlosses. Auch Datensicherheit spielt eine große Rolle. Dass die Gadgets Daten sammeln und verwerten, ist meistens unverständlich für die Nutzer. Darüber hinaus sind die Anwendungen meist immer online und die Gefahr, dass sie gehackt und abgeschaltet werden demnach immer präsent – das Wissen, dass auch Haustürschlüssel häufig verloren werden, hilft da nicht viel. in vielen Bereichen sind auch hier Apple, Google, Amazon und Co. bereits dabei, eine vollkommen reibungslose User Experience schaffen zu wollen. Doch was genau bedeutet „reibungslos“? Im Prinzip, dass die Anwendungen einen gewissen Wohlfühlfaktor bei der Nutzung aufweisen. Und diesen erhält man zum Beispiel, indem man den Nutzern entgegenkommt. Als Gewohnheitstier ist der Mensch das Klicken des Schlosses gewöhnt. Wieso also nicht diesen Punkt beim Design von Smart Living-Produkten berücksichtigen und ein akustisches Signal in der Anwendung Eine persönliche Bindung zu den Produkten schaffen Support im Alltag allein reicht jedoch nicht aus. Wichtig ist auch eine langfristige, emotionale Bindung zwischen Nutzer und Produkt, in welcher die smarten Gadgets mit positiven Erlebnissen verbunden werden. Gelingen kann das zum Beispiel durch die intelligente Verwendung von Nutzerdaten. Usern muss klar gemacht werden, dass das Speichern ihrer Daten Vorteile für sie birgt. Denn dadurch ist es den Anwendungen möglich, vom Nutzerverhalten zu lernen. Wenn sie wiederkehrende Muster und Routinen erkennen, daraus lernen und sich daran anpassen, können sie Usern ein personalisiertes Erlebnis bieten. Auch die pragmatische Qualität der Produkte oder Anwendungen darf nicht unterschätzt werden, denn ohne eine reibungslose, praktikable Integration in den Alltag nützt die innovativste Anwendung nichts. All diese Faktoren können Unternehmen dabei helfen, ein erfolgreiches Produkt auf den Markt zu bringen. Doch neben den Vorreitern Apple, Google, steckt ein Charakter. Smart Home- Anwendungen sollten mehr sein als bloße Produkte eines Unternehmens. Sie verkörpern dessen Markenwerte, führen sie weiter und regen den Nutzer zur Interaktion an. Smart Living funktioniert am besten im Hintergrund Bei der Gestaltung von Smart Living- Produkten sollten Marken also vor allem eines im Kopf behalten: Das Verhältnis zwischen Effizienz der Anwendung und positivem Erlebnis für den Nutzer bestimmt über Erfolg oder Scheitern. User dürfen nicht hinter dem Produkt hintenanstehen, da sie es sind, die im Fokus stehen – egal, wie beeindruckend und innovativ die neuen Gadgets auch sind. Die Konsequenz? Smart Living-Produkte müssen sich unauffällig in unseren Alltag integrieren – und das am besten nicht erst, wenn das Haus schon steht. Je mehr der Gedanke bereits in frühen Stadien durch Bauträger und Architekten geplant und gelebt wird, desto früher und fundamentaler wird sich Smart Home in unser Leben integrieren und dieses bereichern. Und desto natürlicher kommt Usern der Umgang mit den Anwendungen am Ende vor. AdobeStock/© Stanisic Vladimir

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