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NK 03_2019

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26 BRANCHE

26 BRANCHE NACHHALTIGKEIT IM DIREKTVERTRIEB Fotolia/© Creativa Images Man sollte meinen, der Direktvertrieb sei an sich eine nachhaltige Form des Handels, liegt doch die Widerrufsquote bei nur einem Prozent und sorgt somit für weniger Retouren, weniger Verpackungsmüll, weniger Fahrten von Zustellern durch die Stadt und somit zu weniger CO2-Verbrauch. Tatsächlich bedeutet „nachhaltig wirtschaften“ sehr viel mehr: umweltfreundlich produzieren und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Das kann auf vielen unterschiedlichen Wegen geschehen. Unternehmen sind heute mehr denn je gefragt, umweltbewusst und nachhaltig zu handeln. Die natürlichen Ressourcen werden knapp. Wissenschaftler fordern einen konsequenteren Um- sellschaften. Es geht also nicht um den Handel an sich, sondern um Produkte und die Optimierung der Logistikkette. In beiden Fällen hilft uns heute zunehmend die Digitalisierung der Welt. Hatten wir früher keine Ahnung, woher Ressourcen kommen und welche Auswirkungen sie auf die Umwelt, Gesellschaft und globale Wirtschaft haben, können wir das heute immer besser nachvollziehen. Eine grundlegende Technologie ist hierbei die Blockchain. Sie ermöglicht die lückenlose Rückverfolgung bis zum Ursprung. Dabei können in der begleitenden Information nicht nur die eigentlichen Produkteigenschaften gespeichert werden, sondern auch die Arbeitsbedingungen vor Ort. Kon- ma Nachhaltigkeit nicht mehr als Gängelung, sondern als etwas ganz Normales wahrnehmen. Wir sehen das sehr deutlich bei uns im Verband. Wir haben sehr viele junge E- Commerce-Unternehmen als Mitglieder. Alle diese Unternehmen handeln ganz selbstverständlich nachhaltig. Natürlich lernen sie auch immer noch dazu – das tun wir alle – aber es stellt sich ihnen grundsätzlich nicht die Frage. Auf Konsumentenseite können wir das auch sehr gut nachverfolgen: Ein Müsli wird online zum Beispiel bis auf die in ihm enthaltenen Blaubeeren recherchiert. Und da nicht nur, ob diese Blaubeeren ökologisch sind, sondern auch, ob der produzierende Betrieb eine faire Eltern- oder Altersteilzeit anbie- ist die Versandverpackung. Ist die Produktverpackung heute oft schon optimiert, gehen wir bei der Versandverpackung als Verband ganz klar einen Weg: „Die beste Verpackung ist keine Verpackung.“ Durch die zunehmende Möglichkeit Mehrweg- Versandverpackungen einzusetzen, ist das auch schon möglich, kann aber noch deutlich ausgebaut werden. Ein Interesse daran haben alle. Und das nicht nur wegen der damit verbundenen besseren Nach haltig keits bilanz, sondern auch, weil jede Verpackung weniger auch die Kosten reduziert. Nachhaltigkeit ist eben nicht nur gut für Umwelt, Soziales und die globale Entwicklung, sondern in aller Regel auch für die Kosten. Max Thinius: Das hängt tatsächlich vom Unternehmen ab. Mit recht wenig Aufwand kann man die Büro- und Produktionsumgebung mit einfachen nachhaltigen Produkten ausstatten, wie zum Beispiel LEDs statt Glühbirnen, Mehrweggetränkeflaschen zum Nachfüllen, Wärmerückgewinnung. Das ist auch wichtig, denn es bringt die Menschen, die dort arbeiten, direkt in Kontakt mit dem Thema und sie merken, dass ihnen durch eine Umsetzung von Nachhaltigkeit im Unternehmen keine Nachteile, sondern im Gegenteil sogar Vorteile entstehen. Das ist überhaupt das Wichtigste: Lange Jahre hat man uns vorgegaukelt, Nachhaltigkeit sei unbequem und würde zusätzliche Kosten er- weltschutz, wenn der fortschreitende Klimawandel noch aufgehalten werden soll. Der BDD sprach mit Max Thinius, Futurologist und Nachhaltigkeitsexperte über das Thema Nachhaltigkeit, wie Unternehmen heutzutage ökologisch, ressourcenschonend sumenten haben zunehmend eine Transparenz, die sie in dieser Form zuletzt in einer dörflichen Umgebung in Zeiten „vor“ der Industrialisierung hatten. Man kann also sagen, die industriellen Strukturen werden sich langsam wieder auflösen, zugunsten einer direkten und fairen Handelslandschaft, nur eben, dank Digitali- tet. Diese Transparenz ist zunehmend möglich und wird von den Kunden genutzt. Dabei hat jeder seine eigenen Kriterien was für ihn „okay“ ist. BDD: Können Sie ein Beispiel geben? Max Thinius: Ein Thema, bei dem alle gleich BDD: Wo setzen Sie an bei Unternehmen an, die sich mit Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit noch nicht ausführlich auseinandergesetzt haben, aber wissen, dass sie sich engagieren und die Zukunft positiv gestalten möchten? zeugen. Beides stimmt in der Regel heute nicht mehr. In einem nächsten Schritt kann das Unternehmen sich seine Produktionskette oder Handelskette anschauen und nach Möglichkeiten zur nachhaltigen Optimierung suchen. Dabei hilft der Austausch in unserem Netzwerk zu verschiedenen Punkten. Über und gesellschaftlich engagiert han- sierung, auf globaler Basis. ticken, unseren Verband können sich die deln können und warum sie es auch Das ist zugegeben noch etwas sehr Unternehmen in den Bereichen Lo- sollten. in die Zukunft gedacht, aber es ist gistik, Verpackung, Produktionsket- wichtig um zu verstehen, dass wir te in verschiedenen Branchen, Roh- BDD: Herr Thinius, seit 1988 befas- uns von den großen Multikonzernen stoffe, rechtliche Rahmenbestim- sen Sie sich mit dem Thema Nach- langsam verabschieden und zu klei- mungen etc. nicht nur informieren, haltigkeit und Handel. Wie kann neren Einheiten übergehen, die sondern vor allem „austauschen“, denn Handel, der grundsätzlich res- aber über flexible digitale Netz- also von der praktischen Erfahrung sourcenverbrauchend ist, überhaupt werke verbunden sein werden. anderer profitieren. nachhaltig sein? Das ist sehr wichtig, denn viele Max Thinius: Nun, zu handeln an sich BDD: Wie schreitet diese Auflö- Unternehmen nähern sich dem kann ja schon sehr nachhaltig sein. sung der Strukturen, von der Sie Thema Nachhaltigkeit über Audits Stellen Sie sich vor, wir würden welt- reden, voran? und Nachhaltigkeits-Checks mit weit auf Handel verzichten. Zu han- Max Thinius: Bereits heute haben dem Ziel, einen Nachhaltigkeits- deln ist grundsätzlich eine soziale und wir einen Stand erreicht, dass vor bericht zu erstellen. Um das zu er- eine existenzielle Sicherung von Ge- allem junge Unternehmen das The- reichen, geben sie dann noch eine 03.2019 AdobeStock/© Jürgen Fälchle

BRANCHE 27 Unmenge für Beraterhonorare aus. Kosmetik-Unternehmen Kontakt und BDD: Mit dem bevh haben Sie be- wird im Direktvertrieb anders arbei- Nutzung beim Kunden so optimiert In Zeiten der Digitalisierung funktio- war dort auch in der Beratung aktiv, reits Erfahrungen gesammelt. Wo ten. Aber Sie sehen: Alleine durch werden, dass möglichst wenig Ver- niert das zunehmend anders. Ein viele haben Patente auf bestimmte sehen Sie die Handlungsfelder eines die hier beschriebenen Maßnahmen lust entsteht. Eine gute persönliche Nachhaltigkeitsbericht wird besten- Zusammensetzungen, da ist das Verbandes, wenn es darum geht, gibt es weniger Verlust und die Be- Beratung kann ein langfristiges Be- falls von Investoren wahrgenommen, schwierig die Formel so einfach zu dass die Unternehmen nachhalti- ziehung zum Kunden kann noch per- wusstsein unterstützen. Entschei- ich habe noch keinen Kunden ken- ändern. Aber es findet sich immer ger wirtschaften? sönlicher werden. Ich bin gespannt, dend wird sein, wie neue Geschäfts- nengelernt, der sich damit ausein- ein Weg und der hat mindestens Max Thinius: In der Vernetzung und was Ihre Mitglieder daraus machen modelle unter Integration von Nach- andergesetzt hätte. Viel wichtiger ist neue Perspektiven im Markt beschert. in der Kommunikation. Der pragma- werden. Für den Direktvertrieb sehe haltigkeit und Digitalisierung im je- es daher, praktisch und nachvollzieh- tische Austausch auf Arbeitsebene ich da große Chancen. weiligen Bereich umgesetzt werden. bar das Thema umzusetzen und eine BDD: Die Mitglieder im BDD eint schafft den größten Erfolg für alle Wir können ja eine Wette starten gesunde Transparenz mit Kunden zu der Vertrieb auf direktem Weg, ihre Beteiligten. Und als Verband sorgen BDD: Was ist ökologischer, der On- und schauen, welcher Bereich sich pflegen, auch dahingehend, dass Produkte können jedoch vom Ther- wir dafür, dass das Thema in der Öf- line-Einkauf oder die Verkaufspar- man noch nicht perfekt ist, aber im momix bis zur schmückenden Hals- fentlichkeit und Politik entsprechend ty? offenen Austausch das Thema opti- kette nicht unterschiedlicher sein. wahrgenommen wird. Hierdurch ent- Max Thinius: Der digital opti- mieren möchte. Crowdsourcing ist Gibt es einen Bereich der Nachhal- stehen immer mehr Beziehungsge- mierte Einkauf – in dem auch im Bereich Nachhaltigkeit viel tigkeit, der alle eint? das Produkt, der lo- besser, als sich auf das Wissen Ein- Max Thinius: Der integrale gistische Weg zelner zu verlassen. Gedanke von Nach- und die Das Unternehmen, die Mitarbeiter, haltigkeit eint alle: die Kunden und die Handelspartner „Alles, was sollten alle langsam mit in diesen Prozess integriert werden und im Idealfall werden auch alle davon profitieren. BDD: Im BDD sind viele Unternehmen, die Accessoires und Kosmetik vertreiben. Marketingexperten behaupten, für eine Kundin sei die Lippenstiftfarbe kaufentscheidend und nicht, ob der Lippenstift „fair trade“ sei oder ohne Mineralöl hergestellt wurde. Was kann man solchen Mei- Fotolia/© bnenin nungen entgegnen, um die Unternehmen zu nachhaltigerem innerhalb von, sagen wir mal, zwei Handeln anzuregen? Jahren am besten entwickelt hat. Max Thinius: Wenn das so wäre, Das wäre auch sehr zum Nutzen wäre „The Body Shop“ nicht die des Verbrauchers. Sind Sie dabei? weltweit größte Drogeriekette und würden Bio-Kosmetik-Unternehmen Quelle: Bundesverband Direktvertrieb e. V. nicht mit einem bald exponentiellen www.direktvertrieb.de/Aktuell.126.0.html Wachstum brillieren. Im BDD ist das allerdings ein bisschen etwas anderes. Hier wird über die vertriebliche Nähe eine ganz andere Basis hergestellt. Es geht um viele Detailinformationen, die ein Produkt zu „dem“ ein Unterneh- Produkt in der Demonstration ma- men tut, sollte chen. Viele Anwenderprobleme, die Sie von anderen Produkten kennen, einen positiven Nutzwert für die Gesellschaft er- Fotolia/© auremar stehen dabei im Vordergrund. Dafür bieten Ihre Mitglieder konkrete Lö- zeugen.“ Denn wenn alle die Gesellschaft und Ressourcen immer wei- flechte, denen man nicht nur die in- VITA sungen an. Da kommt es im Einzelfall nicht mehr so sehr darauf an. ter ausnutzen, dann gibt es irgendwann weder das Eine noch das An- haltliche, sondern auch zunehmend die wirtschaftliche Stärke anmerkt. Max Thinius Andersrum: Wenn das jemand für dere und in der Folge auch keine Futurologist, Geschäftsleitung der sich entdeckt und konsequent um- Unternehmen mehr. Denn die kön- BDD: Wenn der Handel komplett international nachhaltigen Earthrise-Un- setzt, dann wird das womöglich ein nen auch nur in einer gesunden Ge- nachhaltig wird, läuft er dann in Zu- ternehmung & Sprecher der Nachhaltigkeitsinitiative des bevh (Bundes- neues Trendprodukt. Dabei muss man sellschaft prosperieren. Und dieser kunft nur noch über das Internet? verband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V.) & Mit- nicht unbedingt ein dogmatisches Zeitpunkt ist gar nicht mehr so weit Max Thinius: Man muss das trennen: autor des Weißbuches „Nachhaltigkeit im interaktiven Handel“. Bio- oder Fairtrade-Konzept fahren. weg. Zum Glück gibt es bereits viele Sicherlich wird es bald keine Han- Max Thinius ist einer von Europas führenden Futurologen mit einem Schauen Sie sich LichtBlick an, die Unternehmen, die nachhaltig bzw. delsform mehr geben, die nicht im Schwerpunkt auf Gesellschaft und Handel sowie Mitgestalter der produzieren seit 20 Jahren Ökostrom integral agieren. Rahmen der digitalen Möglichkei- Earthrise, einer Zukunftsgesellschaft für geistigen Klimawandel. Earth- und kämpfen für den Ausstieg aus ten läuft, bis hin zur Blockchain, de- rise arbeitet an Umsetzungen im trisektoralen Bereich und gestaltet der Kohle- und Atomkraft. Denken Sie BDD: Warum ist Nachhaltigkeit für ren Effekt vermutlich genauso groß, Konzepte mit gesellschaftlichem Mehrwert zwischen Zivilgesellschaft, nur an MyMuesli. Dieses Unterneh- alle Unternehmen relevant, unab- wenn nicht noch größer, als das In- Wirtschaft und Regionen. Seit 1988 ist er gleichfalls Experte für Fragen men ist komplett nachhaltig, verwen- hängig von der Größe und des Pro- ternet für die Gesellschaft und Wirt- der angewandten Nachhaltigkeit und hat die Idee eines „integralen“ det nur hochwertige Bio-Zutaten, dukts? schaft sein wird. Hier ist auf einmal Unternehmens, also eines Unternehmens, das seine Erfolge auch aus stellt das aber nicht als etwas Be- Max Thinius: Je mehr Menschen wir echtes Vertrauen direkt umsetzbar. dem gemeinsamen Erfolg mit der Gesellschaft zieht, maßgeblich sonderes heraus. Das Ergebnis ist, weltweit in einen gesunden Wirt- Natürlich wird es weiterhin Geschäf- mitentwickelt. Aus diesem Gedanken heraus hat er auch die MAMA dass viele Menschen hier eine bisher schaftskreislauf integrieren, desto te und den Direktvertrieb geben. Al- AG als nachhaltiges Tech-Investmenthaus mit aufgebaut sowie mit ungekannte Qualität kaufen und prospektiver für uns alle. Nachhal- lerdings wird dieser anders einge- der CarloFoundation, die erste nachhaltig orientierte Rating-Agentur diese auch honorieren. tigkeit (Umwelt UND Soziales) ist bunden sein; die Geschäftsmodelle für Finanzprodukte am Finanzplatz Liechtenstein mitentwickelt. Sicher ist auch, durch die zuneh- ein volkswirtschaftlich riesengroßer werden sich ändern. Zum Beispiel Neben diesen Tätigkeiten ist er Sprecher im FORUMLebensmittel des mende Transparenz und neue Mög- Hebel. Zusammen mit der Gesund- auch dahin, dass Creme-Tiegel den bevh und der Togal Werk München AG sowie Berater der Deutschen lichkeiten durch Digitalisierung wird heit von Menschen, die wiederum mit Füllstand und das Ablaufdatum kom- Post Tochter AllyouneedFresh.de und Miterfinder des „NextGeneration- das Thema immer mehr aufkommen. Nachhaltigkeit einher geht heutzu- munizieren können und möglicher- Food“ ThinkTanks. Es ist irgendwann eine langfristige tage, der vermutlich größte Hebel weise so der Nutzer die Berechti- www.maxthinius.de Ausrichtungs- und auch Risiko-Frage. für langfristig prospektive Gesell- gung erteilt hat, sich auch selbst- Dazu kommt: Ich habe mit einigen schaftsformen. ständig nachbestellen können. Man

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