OCEAN7 2012-02

28 1 Was noch auffällt:

28 1 Was noch auffällt: Ein ganz anderer Baustil als die „typisch griechischen“ Kykladenhäuser. Ein krasser Gegensatz zu der kargen Architektur der kubischen, weiß-blauen Gebäude der nachbarinselgruppe. Viel üppiger, expressiver der Stil. Hier herrscht Buntheit vor. Klassizistischer Fassendenschmuck kontrastiert mit satten Farben und schindelgedeckten Giebeldächern. Gelegentlich steht Schwell herein. Gelegentlich liegt eine üppige Yacht neben uns. Wir verholen nach Pedi. Zeithaben auf Simi. Die Einfahrt in diese Bucht südlich von Simi-Stadt könnte beeindruckender nicht sein. Die vom Sommer ausgedörrten Hänge schwingen sich mal sanft, mal steil nach oben, um in krönenden Felsenklippen scheinbar gegen den Himmel zu streben. Ähnlich Eindruckvolles lässt sich von den Badebuchten südlich von Pedi, an der ostküste von Simi, sagen: eng umrahmt von steilen Felswänden. An den Buchtenscheiteln dagegen sanfte Sandstrände. Im Hintergrund das Echo der Schafe aus den tiefen Schluchten. Ihnen entströmt der Duft von mediterranen Kräutern. Salbei, thymian, rosmarin mischen sich zu einem wellenförmig herabschwebenden Potpourri der Düfte. Alle Strände sind von Simi aus nur per Boot erreichbar. Gut, dass wir eines dabei haben! In Pedi beginnt eine neue Zeitrechung für uns. Die tage fließen dahin. Wir sind scheinbar abgekoppelt von Zeit und raum. Hier inhalieren wir endgültig das Gefühl des Langfahrtenseglers in vollen Zügen. Zeit bekommt eine andere Dimension. Man ist nicht mehr Getriebener der Zeit, sondern teil von ihr. Zeit ist dann weder Selbstzweck noch Zwang. Das Vergehenlassen ist Bereicherung nicht Last. An der Wasserfront versprühen die alten Herrenhäuser den Glanz vergangener tage. Doch nicht überall bröckelt der Putz. Manche erstrahlen im bunten Glanz neuer Farben. Zumeist dann, wenn reiche Städter sich hier eingekauft haben. „Kaíki“ – ewig gültiges Bootsbau-Konzept. Eines tages entdecken wir ein alte Bootswerft. Auch dort scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Alte Handwerkskunst verlangt nicht nur nach der richtigen technik, sondern auch nach einem anderen umgang mit dem Faktor Zeit. In der Mittagspause, der griechischen Siesta, ruht die Werft still vor sich hin. Drinnen das kreative Chaos eines lang gedienten, aber gut eingespielten Handwerksbetriebes. Ein kleines Modell dient als ewig gültige Vorlage für ein ein ausgereiftes, tausendfach bewährtes Grundkonzept: Das Kaíki. Das griechische Fischer- und Arbeitsboot. Der flache Langkiel verleiht dem Bootstyp Führung und erlaubt

RevieR 29 Wir pendeln zwischen den Welten von Abendland und Morgenland 2 3 Dabei wird in Griechenland einfach auf das Einklarieren „vergessen“. unser Schiff führt ja das (damals umstrittene) griechische „Pleasure Craft traffic Document“ mit. In der türkei wachelt man dann wieder mit dem noch gültigen transit-Log. Wir ahnen noch nicht, dass dieser Küstenabschnitt einmal eine ganz heiße und scharf kontrollierte Außengrenze des Schengen-raumes und berüchtigte Schlepperroute werden würde und derartiges Vorgehen nicht mehr zur nachahmung empfohlen werden kann. Inzwischen wird hier auch viel schärfer kontrolliert und es häufen sich die Berichte von Yachten, die von der Küstenwache aufgebracht und mehr oder weniger scharf kontrolliert werden (näheres dazu im Infokasten „Kleiner Grenzverkehr“.). Wir entgehen so jedenfalls zweimal dem besagten Hafenkapitän in Simi Stadt. Simi ist wiederholt Dreh- und Angelpunkt unserer törns geworden. Vor allem, wenn sich diese in den Herbst erstreckten. Hier entscheidet es sich, ob man zurückfährt gegen norden, in den europäischen Herbst, oder weiter gegen osten. Dem Sommer nach. unglaublich lange dehnt sich der Sommer in den Herbst des ostmittelmeers hinein. das Aufsetzen auf flachen Stränden. Es ist die Formstabilität, die diesem Schiffstyp ein gewisses Maß an Seetüchtigkeit verleiht. Draußen liegen eine grobe Skizze, handgeschnitzte (!) Kurvenlineale und Zirkel auf dem Boden verstreut. Das Gerippe aus unbeplankten Stringern und Spanten erinnert an ein Walskelett. Vielleicht ist der Vergleich gar nicht soweit hergeholt. Vereint sich in beiden Konstrukten doch die optimierung von Formen für den Endzweck. Die letzte Insel. In Kastellorizo spielen wir ein ähnliches Spiel mit den Behörden wie in Symi. Korrekterweise müssten wir von Kas kommend in Griechenland einklarieren. Dem Vernehmen nach wird darauf in der Hochsaison auch entsprechend streng geachtet. Zu groß ist die Versuchung, sich hier kurz mal nach Griechenland reinzuschwindeln. Wir ankern in Limin Mandraki, der nachbarbucht des Haupthafens. Gemütlich schreiten wir jeden Morgen über den kleinen Sattel durch den fast menschenleeren ort und vorbei an einer Vielzahl verfallener Häuser zum Hafen. niemand scheint sich um uns zu kümmern. obwohl eine vierköpfige Familie, die plötzlich in einem dünn besiedelten ort auftaucht, für Aufsehen sorgen müsste, lässt man uns unbehelligt von bürokratischen Prozeduren. offenkundig scheinen wir die Staatssicherheit nicht ins Wanken zu bringen. Hübsch schmiegt sich die kleine ortschaft um die hufeisenförmige Hafenbucht. Viele der Häuser an der Hafenfront erstrahlen in frischem Glanz. toplage. top renoviert. Jeder Immobilienmakler hätte seine Freude an diesem Ensemble. Es wird reno- Scharfe Grenzen. Mehrmals schon diente uns die Bucht von Pedi als Fluchtpunkt beim ortsüblichen und unter Yachties weit verbreiteten „Pendeln zwischen den Welten“ – quasi zwischen Abendland und Morgenland, zwischen Griechenland und türkei. 1 WelTKulTurerbe. Schwammtaucherort Symi. 2 TYPiSch. Das innere einer Bootswerft. 3 GeriPPe. ein auf Kiel gelegtes Kaiki auf Simi.