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2-2022 REISE und PREISE

VANUATU Vanuatu:

VANUATU Vanuatu: schneeweiße, unberührte Traumstrände, donnernde Vulkanausbrüche und halsbrecherische Rituale, die selbst Queen Elizabeth II. schon das blaue Blut in den Adern gefrieren ließen. Der entlegene Pazifikstaat hat weitaus mehr als Kokospalmen-Romantik zu bieten. Vanuatu von oben: flache, grüne Eilande, von weißen Stränden gesäumt VON NORBERT EISELE-HEIN Hart an der Datumsgrenze, gute drei Flugstunden östlich von Australien, tauchen mitten im unendlich scheinenden Türkis der Südsee 83 weit versprengte Inseln auf. Smaragdgrüne Kleckse, umrahmt von leuchtenden Sandstränden und knallbunten Korallenriffen: ein Paradies für Taucher, Surfer und Segler. Sieben Inseln liegen direkt auf dem zirkumpazifischen Feuergürtel. Der Yasur auf der pechschwarzen Insel Tanna schleudert bis zu 500-mal täglich glühende Lava aus seinem gewaltigen Krater und gilt deshalb als fleißigster Vulkan der Erde. Für die Touristen ist er natürlich eine Attraktion. Aber bei weitem nicht die einzige: Beim Naghol auf Pentecost Island stürzen sich junge Männer vom Volk der Sa, gehalten nur von Lianen an den Fußgelenken, kopfüber von wackeligen, bis zu 20 Meter hohen Holztürmen, um eine gute Yams-Ernte zu erwirken. Sie riskieren dabei Kopf und Kragen, denn sie springen über Land ab und nicht über Wasser. »Ich war gerade 14 Jahre alt, als Queen Elizabeth II. im Februar 1974 unser Dorf Bunlap besuchte. Obwohl es eigentlich noch zu früh im Jahr war, wurde ihr zu Ehren eine Naghol-Zeremonie abgehalten. Anfangs ging alles gut, aber als John Mark ganz oben vom Turm sprang, riss eine der Lianen. John schlug kopfüber aus bald 20 Metern im Boden ein und war sofort tot. Königin Elizabeth wirkte für einen Moment wie versteinert und verließ dann abrupt und wortlos mit ihrer Entourage die Lichtung im Wald«, erzählt Silas Buli, als wäre es gestern geschehen. »Ein paar Jahre später kam dann ein junger neuseeländischer Student namens A.J. Hackett vorbei. Er nahm genau Maß und entfachte auf der Basis unseres Naghols den weltweiten Boom des Bungee Jumpings.« Früher wurde nur einmal jährlich gesprungen, damit die Götter eine reiche Yams-Ernte schenken. Heute wird gesprungen, sobald die Lianen saftig und stabil genug sind, meist zwischen April und Juni. Schon die kleinen Jungen drängt es an den Turm. Der Sprung ist ein Beweis ihres Mutes und ein Initiationsritus. Nach dem ersten Sprung von der untersten Plattform wirft die Mutter in einem symbolischen Akt das Lieblingsspielzeug des Sohnes weg. An den Sprungtagen herrscht reger Flugverkehr über der Pfingstinsel. Dutzende kleiner Propellermaschinen hoppeln dann über die bucklige Graspiste des Lonorore-Airports, der einzig aus einer windschiefen Bude besteht. Bebe, den hier alle nur »Doctor« nennen, nimmt die Besucher in Empfang. Er ist sowas wie logistischer Direktor, spiritueller Supervisor und oberster TÜV-Beamter in Personalunion. Er verteilt die Touristen auf die Pick-ups. Bestimmt, wer von wo springen darf und kontrolliert letztlich auch den ordnungsgemäßen Zustand des Turms. Der vom Dorf Rangsuksuk dürfte an die 20 Meter hoch sein. Die massiven Tropenholzknüppel werden nur von Lianen und Bastschnüren zusammengehalten. Gesprungen wird von sieben Plattformen, die Lianen baumeln bereits vor- Wildschweinkiefer sind wertvoll in Vanuatu bereitet herab. Im Steilhang, wo die Springer landen, wurde lediglich die Erde mit Spaten und Stöcken aufgelockert. »Nicht für viel Geld würde ich da runterspringen«, raunen sich die Touristen zu. Doch die Sa vertrauen auf ihr überliefertes Wissen, ihre faszinierende Materialkenntnis und vor allem den positiven Vibe der Geister. Tote gab es schon lange nicht mehr und wenn sich doch mal einer die Knochen bricht, sorgt Bebe für den Arzt und hilft der Familie über die Runden. Beim Lianenspringen mischen sich Tradition und Kommerz Vom heftigen Tropenschauer unbeeindruckt, postieren sich die Sa-Frauen hinter dem Turm. Oben ohne, nur mit einem Grasrock bekleidet, singen und tanzen sie mit wild wippenden Brüsten. Die Männer – alle nur mit Bipis, traditionellen Penisbinden aus Kokosblättern, bekleidet – stehen etwas abseits und stimmen mit ein. Der erste Springer, ein Novize von etwa zehn Jahren, erklimmt die unterste Plattform. Helfer fixieren die Lianen mit ihren aufgespleißten Fasern an seinen Knöcheln. Urplötzlich verstummt der Gesang. Der Junge verkündet lautstark sein gutes Gewissen und springt kopfüber von knapp fünf Metern in die Tiefe. Die Lianen spannen sich rechtzeitig, bremsen den Sprung noch in der Luft. Schon klatscht er in die vom Wolkenbruch matschig gespülte Erde des Steilhangs. Sofort eilen Helfer heran. Richten den Taumelnden auf. Leuchtend weiß strahlt sein Gebiss aus dem völlig mit Matsch verklumpten Gesicht. »Natürlich ist das Naghol mittlerweile kommerziell, und klar – es geht dabei um viel Geld und soziales Prestige. Aber das macht es kein bisschen weniger gefährlich oder gar ernsthaft. Die Tabus sind immer noch strikt«, erklärt Silas Buli und schlägt dabei mit der Handkante auf die geballte Faust. »Keine Frau darf sich dem Turm während des Baus nähern. Und Sex ist an den Tagen vor dem Sprung tabu. Wir Älteren glauben nicht, dass die Liane damals schuld an John Marks Tod war. Er kam damals schnell noch von einer anderen Insel, verbrachte die Tage vorher bei seiner Familie... mit seiner Frau... und er sprang in einer Badeshorts.« Fotos: Norbert Eisele-Hein PERFEKT GEPLANT MIT Ob Hotel, Flug, Mietwagen oder Pauschalreise. Wir weisen Ihnen den Weg zum günstigsten Anbieter. www.reise-preise.de/vanuatu 46 REISE-PREISE.de 2-2022

Stolz auf seine zwei Kätzchen ist dieses vanuatische Mädchen INSEL DER ABENTEUER 2-2022 REISE-PREISE.de 47

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