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2009-4 REISE und PREISE

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JEMEN DIE REPORTAGE

JEMEN DIE REPORTAGE Sokotra INSEL DER GLÜCKSELIGEN 64 REISE & PREISE 4/2009

Jenseits des Trubels der Golfemirate lockt die Insel Sokotra mit menschenleeren Stränden, ausgedehnten Gebirgen, viel Natur und gastfreundlichen Menschen. Erst langsam erwacht Arabiens Geheimtipp aus dem Dörnröschenschlaf. TEXT & FOTOS: RETO KUSTER Mit welcher Leichtigkeit Mo - hammed mit nackten Füßen über die Felsen springt! Da - bei trägt er einen schweren Rucksack mit Proviant und Trinkwasser, und die Sonne brennt gnadenlos. Der hagere, wortkarge Beduine kennt die steilen Abhänge und tiefen Schluchten der Haghier-Berge auf 1.500 Metern Höhe wie seine Westentasche, und er weiß, wo die spektakulärsten Ausblicke zu finden sind. »Aia! Aiiaa!« In einiger Entfernung ruft ein Ziegenhirte seine Tiere und trägt ein Zicklein eine steile Granitflanke hinauf, auf dessen Kuppe Euphorbien und exotische kleine Bäume mit palmenartigen Blättern wachsen. Am Ende der anstrengenden Wander-Etappe gelangen wir zu einem kleinen Gehöft, ein unscheinbarer Steinbau. Rasch ist das Zelt aufgestellt. Beim letzten Tageslicht setze ich mich auf einen nahen Felsen mit grandioser Aussicht über die Bergketten. Eine mystische Leichtigkeit zieht auf, als durch die Winde Wolkenschwaden aus dem Tal heraufgeblasen werden und sich in den Spitzen der schroffen Granitgipfel verfangen. Zwei weiße Schmutzgeier gaukeln in den Aufwinden und zanken spielerisch. Wenn es einen Inbegriff von Ruhe und Freiheit gibt, dann hier. Bereits 1903 schrieb der Reisende Henry O. Forbes, dass die Schönheit des Haghier-Gebirges auf der Insel Sokotra schwer zu übertreffen sei. Sokotra – 125 Kilometer lang, 33 Kilometer breit und 400 Kilometer vom arabischen Festland entfernt im Indischen Ozean gelegen – war ein Fixpunkt auf den Routen der frühen Seefahrer. Diese liefen die Insel an, um Süßwasservorräte aufzufüllen und Weihrauch und Myrrhe einzukaufen. Die zwischen Afrika und Arabien strategische Lage der nach Madagaskar zweitgrößten Insel des westlichen Indischen Ozeans wussten nicht nur Handelsflotten, Kolonialmächte und später sowjetische Militärs zu schätzen: Mehr als 150 Zugvogelarten nutzen Sokotra als Rastplatz. Eine Nacht bei den Beduinen Mohammed organisiert unter Mondschein das Nachtessen: frisches Ziegenfleisch, Reis, einige Datteln und, als besondere Delikatesse, lokalen Honig. Stark gesüßter Tee wird aus einer Kanne in kleine Gläser gegossen. Gastfreundschaft wird bei den Beduinen großgeschrieben. Die beiden Frauen, welche in dem Gehöft leben, packen beim Nachtessen mit an, bleiben aber traditionsgemäß gegenüber Fremden auf Distanz. Nach dem Essen beginnt Mohammed unter dem klaren Sternenhimmel zu erzählen, vom harten Leben als Beduine, vom Stolz und der Unabhängigkeit in den Bergen, vom harschen Wetter während des Monsuns – und von seiner Hoffnung auf Touristen, die Bauern wie ihm einen Zusatzverdienst verschaffen. Am nächsten Mittag wartet Ahmed, unser Fahrer, wie verabredet unten auf dem wüstenartigen Diksam-Hochplateau. Wenn Ahmed mit Mohammed den neuesten Insel-Klatsch austauscht, dann klingt das seltsam: Die rund 50.000 Insulaner sprechen Sokotri, eine eigene Sprache, völlig anders als Arabisch. Überhaupt sind die Sokotri überaus stolz auf ihre ‘ Kinder in Qalansiya spielen auf den Fischerbooten ihrer Eltern (ganz oben). Im Gebirge zu Hause: Beduine in den Haghier Mountains (großes Bild) REISE & PREISE 4/2009 65

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