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2012-4 REISE und PREISE

MOSAMBIK DIE REPORTAGE

MOSAMBIK DIE REPORTAGE Afrika für Fortgeschrittene Zwischen Aufbruch und Verfall: Mosambik ist im Aufwind. Die fantastischen Strände und Tauchgebiete ziehen bereits viele Touristen an, nun sollen auch Nationalparks und Kolonialstädte wieder aufblühen. Es bleibt viel zu tun. VON FLORIAN SANKTJOHANSER 8 REISE & PREISE 4/2012

K leine Schilder an den frisch gestrichenen Villen zeigen, wer jetzt den Ton angibt in Mosambiks Hauptstadt Maputo: In die Art-déco-Bungalows hinter Palmen im Vorgarten sind Banken, Versicherungen, Werbeagenturen eingezogen. »Während des So zialismus hatte keiner Geld für ihre Renovierung«, erklärt Walter Tembe, 32, Student der Architektur. Doch nun ströme das Geld der Chinesen und anderer ausländischer Investoren in die Hauptstadt und verwandle sie. Mosambik boomt. Und Mosambik ist bettelarm. Ein Land zwischen Aufbruch und Verfall. Die Reise durch dieses schöne, widersprüchliche Land im Südosten Afrikas beginnt in Maputo. Die Hauptstadt liegt ganz im Süden der 2.700 Kilometer langen Küste und ist doch das Zentrum von allem. Maputo führt jenes Mosambik vor Augen, das Wirtschaftsblätter gerade weltweit bejubeln. Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft um 7,2 Prozent. Innerhalb der kommenden zehn Jahre soll Mosambik einer der größten Kohleexporteure der Welt werden. Und im äußersten Norden, an der Grenze zu Tansania, wurden unter dem Meer Gasfelder gefunden, vielleicht die gewaltigsten Afrikas. Walter Tembe sieht den Aufschwung zwiespältig. »Seit fünf Jahren werden immer mehr kleine Häuser abgerissen für Bürotürme«, sagt Tembe. Er fürchtet, dass Maputo irgendwann aussehen wird wie Nairobi oder Dar-es-Salaam. Dass gesichtslose Zweckbauten die bunten Villen der portugiesischen Kolonialherren verdrängen. Aber noch gibt es viele Art-déco-Häuser und Meisterwerke moderner Architektur zu sehen. Etwa das »Haus des Drachens«, entworfen vom portugiesischen Maestro Pancho Gue- des. Oder den viktorianischen Bahnhof von Gustave Eiffel, den manche zu den schönsten der Welt zählen. Tofo: Hot Spot für Walhaie und Mantas Allein wegen der Architektur Maputos kommt aber kein Reisender nach Mosambik. Es sind die Inseln und die langen Sandstrände, die Touristen aus Südafrika, Europa und Amerika anziehen. Und das, was im Meer davor schwimmt. Im Falle von Tofo: Walhaie und Mantas. Das Dorf an der Ostseite der Halbinsel von Inhambane, acht Stunden Busfahrt nördlich von Maputo, ist einer der wenigen Orte auf der Erde, wo das ganze Jahr über Walhaie zu sehen sind. »Als ich vor 17 Jahren nach Tofo kam, gab es kein fließendes Wasser und keine Elektrizität«, erzählt John Pears. Er sitzt im Halbschatten der Pergola vor seiner Tauchschule Tofo Scuba, wo der Blick über die kilometerlangen Sanddünen und den breiten Strand schweift. Eine Lodge im nahen Barra hatte den Südafrikaner damals eingeladen, um nach Tauchplätzen zu suchen. Also markierte er auf einer russischen Unterwasserkarte alle Punkte, die flacher als 30 Meter waren, und tauchte sie ab. »Ich blieb 16 Tage, schlief im Zelt, aß viel Fisch und Reis und starb fast an Malaria«, sagt Pears und lacht dröhnend. Er fand the office, giant’s castle und manta reef, heute legendäre Spots. Er sah Walhaie, Mantas und enorme Fischschwärme. Ein Jahr später kam er zurück und eröffnete die erste Tauchschule. Mittlerweile gibt es vier Tauchcenter in Tofo, zwei in Barra und vier ein Stück südlich in Guinjata. Zu viele? »Ich gab Besuchern lange eine Garantie«, sagt John Pears. »Wenn ihr keinen Walhai oder Manta seht, bekommt ihr das Geld zurück. Vor drei Jahren musste ich das erste Mal zahlen.« Jetzt würde die Garantie Pears ruinieren. In den vergangenen Jahren lassen sich immer weniger der friedlichen Riesen hier blicken. »Wir wissen nicht, warum«, sagt Hannah Darrin. Die junge Meeresbiologin aus New York arbeitet für die Stiftung Marine Megafauna, sie erforscht die Unterwasserwelt Mosambiks. Tofo sei der drittgrößte Hot Spot für Walhaie auf der Erde, erklärt sie. Der Indische Ozean ist hier voller Plankton, das die bis zu 14 Meter langen Giganten aus dem Wasser filtern. Doch seit 2005 seien die Sichtungen der Walhaie um 65 Prozent zurückgegangen. Ein Grund dafür könnte der zunehmende Tauchtourismus sein. Ihr Kollege Simon Pierce habe in einer Studie festgestellt, dass die Walhaie bei zwei Drittel der Begegnungen Schnorchler meiden: Sie drehen ihnen den Rücken zu und tauchen ab. Verhaltensregeln sollen nun verhindern, dass die Walhaie dauerhaft vergrault werden. Der Tourismus schützt die Natur Reinhüpfen, sich in zwei Gruppen teilen, Walhai durchschwimmen lassen, Abstand halten, drei Meter vom Kopf, vier Meter vom Schwanz. So haben es die Schnorchler eben im Video gelernt, bevor sie in die Gummiboote geklettert sind, die jetzt über die Wellen jagen. Vor den Booten fliegt ein Ultraleichtflugzeug, um die Riesen aufzuspüren. Alle auf dem Boot haben ihre Flossen übergezogen und tragen die Büffelherde im Gorongosa- Nationalpark (links und großes Bild). Gigant der Meere: Mit bis zu 14 Metern Länge sind Walhaie die größten Fische der Welt (oben) REISE & PREISE 4/2012 9

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