MALEDIVEN INDIVIDUELL Postkarten-Idyll auf einer Resortinsel im Nordmale-Atoll Die Mehrheit der Malediver ist muslimischen Glaubens Die andere Seite vom Paradies Die meisten Maledivenurlauber sehen nur den Flughafen und ihre Resortinsel. Unsere Autorin hat einen Blick hinter die Kulissen des Inselreichs geworfen und den Alltag auf der Hauptinsel Male kennengelernt und sagt Ihnen, wie Sie das Inselreich auf eigene Faust entdecken. VON CHRISTINE DE VREESE 40 REISE & PREISE 1/2013
Einkauf in einem typischen Mini-Markt in Male Die Zukunft der jungen Malediver ist vom Anstieg des Meeresspiegel bedroht Das junge Pärchen in der Sitzreihe vor mir freut sich auf Flitterwochen im Paradies – und weiß über sein Urlaubsziel eigentlich nur, dass Alkohol in den Resorts der Malediven recht teuer sein soll. Stolz erklären die beiden ihrem Nachbarn, dass sie Vorsorge getroffen haben – zwei Flaschen Wodka haben sie eingepackt! Der klärt sie auf: »Die Einfuhr ist doch verboten – Muslime, versteht ihr!« Und fährt fort: »Ich hab dieses Jahr meine Cola-Dosen geimpft!« Doch auch dieser Trick ist den Zöllnern längst bekannt. Pünktlich zum Sonnenaufgang drücken wir uns die Nasen am Flugzeugfenster platt. Unter uns, im Tiefblau des Indischen Ozeans, tauchen sie auf, die von herrlichen weißen Stränden gesäumten Mini-Inseln mit ihren türkisfarben schimmernden Lagunen. Wo die Touristen vorwiegend von Gastarbeitern aus Bangladesch, Indien und Sri Lanka verwöhnt werden, auch mit Alkohol und Schweinefleisch. Eine Sünde in diesem zu 100 Prozent islamischen Staat. Mehr als 35 Jahre ließen sich die Sehnsüchte zahlungskräftiger Pauschaltouristen wunderbar mit der Aufrechterhaltung der Lebensweise dieses kleinen, streng muslimischen Volkes vereinbaren. Eine Trennung von touristischer und maledivischer Lebenswelt musste nicht einmal erzwungen werden. Das Meer fungierte als natürliche Grenze, Fährverbindungen zwischen den Inseln gab es kaum. Dazu kamen ein paar Reglementierungen (wie ein kompliziertes Einladungs- und Genehmigungsverfahren, wollte man auf eine der knapp 200 bewohnten Inseln reisen). So blieben Touristen und Einheimische weitgehend unter sich. Individualtouristen konnten lediglich die Hauptinsel Male und eine Handvoll weiterer Inseln besuchen. Das Ende jener »Apartheit« kam 2008 mit Mohammed Nasheed, dem ersten freiheitlich gewählten Präsidenten der Malediven. Seine Wahl beendete die 30 Jahre währende Diktatur seines Vorgängers Maumoon Abdul Gayoom. Die Hauptinsel Male hat einen Anbau bekommen Ein netter Malediver zückt sein Handy und ruft uns ein Taxi. Hochtourig rasen wir von Bremsschwelle zu Bremsschwelle. Der in die Jahre gekommene Nissan, der früher in Male verkehrsbedingt höchstens im zweiten Gang gefahren wurde, kann offenbar nicht mehr anders… Dafür nutzt Fahrer Mohammed jede Kurve dazu, den Blinker geschmeidig zu halten. Die breit geteerte Straße führt über einen 1,6 km langen Verbindungsdamm von der Flughafeninsel Hulhule nach Hulhumale, einer ehemaligen Sandbank, die vor den Toren der aus allen Nähten platzenden Hauptstadt lag. 15 Jahre und Abermillionen Kubikmeter Sand später ist die künstliche Insel heute mit knapp zwei Quadratkilometern ebenso groß wie Male, ragt aber rund einen Meter höher aus dem Meer empor. Kräftig arbeiten vor allem chinesische Investoren an der »Vision 2020«, 53.000 Menschen Wohn- und Beschäftigungsraum zu bieten. Und sollte sich der Meeresspiegel tatsächlich um einen Meter anheben, werden die Insulaner auf Hulhumale trockenen Fußes über ihr Land schreiten können – im Gegensatz zu den Bewohnern von Male und vielen weiteren Inseln des Archipels, die kaum mehr als ein bis zwei Meter über dem Meeresspiegel liegen. Die 10-minütige Fahrt endet vor unserem kleinen Hotel, in dem man uns Wie ein Westentaschen- Manhattan ragt Male aus dem Indischen Ozean heraus REISE & PREISE 1/2013 41
