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Rotary Magazin 01/2023

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SCHWERPUNKT – ROTARY

SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – JANUAR 2023ROTARIER IM EINSATZKINDERN EINE ZUKUNFT SC26Erst kürzlich trafen sich SOS-Kinderdorf-Botschafterin MichèleBurkart und Tumi zum Gespräch via Zoom, um über Tumis Zeitim SOS-Kinderdorf und die Auswirkung auf ihr Leben als Erwachsenezu sprechen.Dass Itumeleng, genannt Tumi, einstihre Leidenschaft fürs Singen entdeckenwürde, hätte sie als Kind nie gedacht. Voreinigen Jahren jedoch stand sie sogareinmal in einem professionellen Tonstudioam Mikrofon. Ihre Hände wirbelten durchdie Luft, als aus dem Lautsprecher plötzlichihre Stimme erklang: soulig, stark undsamtig. Tumi nahm damals ihren selbstgeschriebenenSong auf. Das Ergebnis zaubertihr noch heute ein Strahlen aufsGesicht.Im Alter von neun Jahren lebte Tumimit ihren fünf Geschwistern und ihrerMutter in einem überfüllten Haus inMaseru, in dem Betrunkene ein- und ausgingen.Die Perspektiven verschlechtertensich, als die Mutter an Aids erkrankte unddie kleine Tumi allein für den Unterhaltder Familie sorgen musste. Sie verkaufteFrüchte und hütete die Babys andererFamilien, um ein bisschen Geld zu verdienen.«Es ging jeden Tag nur darum, irgendetwaszu essen zu haben», erinnert sichTumi. An Lernen, gemeinsames Spielenoder Dinge, die andere Neunjährigebeschäftigen, war nicht zu denken.Wenn sie heute die Kopfhörer aufsetzt,taucht Tumi ab: in ihre eigene Welt –und bei diesem ganz besonderen Songauch in ihre Vergangenheit. «Thank you»heisst er und handelt von ihrer Zeit imSOS-Kinderdorf von Maseru, der HauptstadtLesothos. «Ich habe den Songgeschrieben, um meine Dankbarkeit auszudrücken– ans SOS-Kinderdorf und analle, die in meinem Leben bisher eine Rollegespielt haben.»Ein gutes Leben, das weiss Tumi heute,beginnt mit einer sicheren Kindheit. Unddie ist nicht selbstverständlich. Als Tumi elfJahre alt war, starb die Mutter. Von einemTag auf den anderen war Tumi nicht nurHauptversorgerin der Familie, sondernauch komplett auf sich allein gestellt.In dieser Notlage wurden Tumi und ihreGeschwister vom SOS-Kinderdorf inMaseru aufgenommen. Sie bekamennicht nur ein Zuhause, sondern eineSOS-Mutter, die sich liebevoll um sie kümmerte.«Meine SOS-Mutter half mir, Vertrauenin andere Menschen zu fassen»,erinnert sich Tumi. Dank dem geregeltenSchulalltag und der Fürsorge durch dieFamilie konnte Tumi zum ersten Mal inihrem Leben alltägliche Sorgen und existenzielleBedürfnisse vergessen – und ihreBegabung entdecken.Erst kürzlich trafen sich SOS-Kinderdorf-BotschafterinMichèle Burkart undTumi zum Gespräch via Zoom, um überTumis Zeit im SOS-Kinderdorf und dieAuswirkung auf ihr Leben als Erwachsenezu reden. «Ich habe viele Chancen bekommen»,erzählt die 29-Jährige. «Niemalshätte ich als Kind gedacht, dass ich an eineUniversität gehen kann, und heute darf ichsogar von einem Doktorat träumen.»Inzwischen hat Tumi einen Master inBetriebswirtschaft in der Tasche und istMama geworden. Die Aufmerksamkeitund Liebe, die sie als Kind im SOS-Kinderdorferfahren hat, gibt sie weiter: Amliebsten singt sie nicht im Tonstudio, sondernin den Nachbarschaften von Lesotho,wo sie ihre grosse Leidenschaft für MusikTumi während der Aufnahme ihresSongs «Thank you» im Tonstudio

SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – JANUAR 2023HENKENPDG Magdalena Frommelt,Geschäftsführerin SOS-KinderdorfLiechtenstein«Mein schönster persönlicher Moment?Ich sehe lachende, spielende Kinderund Jugendliche im SOS-FeriendorfCaldonazzo. In Anbetracht der traumatischenVorgeschichte dieser Kinderein Moment, der zu Herzen geht. Zuwissen, dass unsere Arbeit das Lachenin die Kinderaugen zurückgebrachthat, berührt. Es zeigt auch, dass unsereAnstrengungen im Sinne der Solidaritätund Menschlichkeit fruchten. Ganzwie es Hermann Gmeiner einst sagte:«Gutes wächst nicht durch Reden,sondern durch Tun.» Meine grössteHerausforderung im beruflichen Alltagals Geschäftsführerin sind die vergessenenKonflikte weltweit. So habenwir zahlreiche Hilfsprogramme in Re -gionen, über die kaum berichtet wird.In Syrien etwa leiden die Kinder enorm:An 18 Stunden pro Tag gibt es keinenStrom, sie hungern, ein Schulbesuch isthäufig nicht möglich. Zudem gibt esimmer wieder kriegerische Handlungen.In der Öffentlichkeit wird das leiderkaum mehr wahrgenommen,SOS-Kinderdorf ist diesen meist traumatisiertenund elternlosen Kindernjedoch langfristig verpflichtet.»und Gesang mit Strassenkindern teilt.Genau wie Tumi damals, gibt SOS-KinderdorfKindern in den fünf FokusländernÄthiopien, Nicaragua, Niger, Nepal undLesotho ein liebevolles Zuhause. Mit Programmenfür Bildung, Gesundheit undEinkommensförderung befähigt die OrganisationKinder und Familien, ihre Zukunftselbst zu gestalten.Der Schwerpunkt von SOS-Kinderdorfliegt dabei auf der langfristigen Entwicklungjedes Kindes – Betreuung,Gesundheit und Bildung eingeschlossen.Einkommensfördernde Massnahmen undNothilfeprojekte sorgen zudem dafür,dass Familien in Not aus eigener Kraft fürdie Kinder sorgen können. Gemeinsammit den Begünstigten, lokalen Institutionenund Partnerorganisationen schafftSOS Kinderdorf stabile Sozialstrukturenvor Ort und trägt so zur nachhaltigen Entwicklungganzer Gemeinden bei. DieseArbeit ist wichtiger denn je. Die Coronapandemie,verheerende Naturkatastrophenund zuletzt der Ukraine-Krieg habenMenschen weltweit in extreme Armutgestürzt. Immer noch wächst eines vonzehn Kindern weltweit auf sich alleingestelltauf oder es läuft Gefahr, die eigeneFamilie zu verlieren.«EX-KIND»-KAMPAGNETRÄGT BOTSCHAFT IN DIESCHWEIZ HINAUSDieser Lage trägt auch die aktuelle«Ex-Kind»-Kampagne von SOS-KinderdorfRechnung. Egal, woher wir kommen, wiewir leben oder wer wir sind – wir habeneines gemeinsam: Wir alle waren einmalKinder und wissen deshalb, wie entscheidenddie ersten Jahre für ein selbstbestimmtesLeben sind. SOS-Botschafter wieMaria Walliser, Michèle und Manu Burkartoder Marco Wölfli zeigen sich in der Kampagneals Ex-Kinder, und sie fordern alssolche dazu auf, dass wir uns alle für Kinderin Not engagieren. Wie wichtig geradedie Kinder- und Jugendjahre sind, verdeutlichtdie Geschichte von Tumi aus Lesothoauf berührende Weise.Rot. Doris Albisser, PräsidentinSOS-Kinderdorf Schweiz undMitglied des InternationalenSenats«Einer der berührendsten Momentemeiner Projektreise nach Äthiopien:eine stolze Mutter, die es schafft, dankharter Arbeit und Selbstlosigkeit inder Gemeinde Anerkennung zu findenund andere Mütter zu unterstützen.Diese Frau, die früher unter demRegenschirm schlafen musste, weil dasWasser ins Haus sickerte, stellte unsstolz ihre Kinder vor, die gesundernährt die Schule besuchen; ihreTochter, die uns mit strahlenden Augenerzählte, dass sie Krankenschwesterwerden will. Die Pandemie, kriegerischeAuseinandersetzungen undNaturkatastrophen werfen mehrere100 Millionen Familien in die Armutzurück, darunter sehr viele Kinder undJugendliche. Ihnen eine selbstbestimmte,eigenständige Zukunft zuermöglichen, stellt unsere weltweiteOrganisation vor eine Herkulesaufgabe,der wir uns in unserer SOS-Kinderdorf-Föderation mit aller Kraftstellen.»K David Becker / red | A zvgSOS KINDERDORF27

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