14 Schwerpunkt Nachhaltigkeit Standortbestimmung Nachhaltigkeit der Asphaltbauweise Abbildung 1: Globale Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 (Quelle: Bundesregierung) Die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens ist derzeit größer denn je und wird vor allem erstmals auch einer breiten Mehrheit der Bevölkerung durch spürbare Einschnitte im täglichen Leben bewusst. Viele Industriezweige stehen dadurch aktuell vor enormen Herausforderungen, so auch die Bau- und Baustoffindustrie. Die Asphaltindustrie und damit die Asphaltbauweise ist dabei in einer vergleichsweise sehr guten Ausgangsposition, denn ein nahezu flächendeckendes Netz an Produktionsstandorten und 100%ige Wiederverwendbarkeit sind hervorragende Voraussetzungen für eine nachhaltige Baustoffproduktion und letztlich Bauweise. Die weitere Steigerung der Wiederverwendung bei gleichzeitiger Sicherstellung der Qualität, die Optimierung der Nutzungsdauer und die Erarbeitung von Umweltproduktdeklarationen sind nun die nächsten Meilensteine. Von André Täube 8|2022
Schwerpunkt Nachhaltigkeit 15 Begriffsbestimmung Kaum ein Begriff wurde in den letzten Jahren so inflationär gebraucht wie der der Nachhaltigkeit. Doch was ist Nachhaltigkeit überhaupt? Eine allgemeingültige, wissenschaftliche Definition des Begriffs existiert bislang jedenfalls nicht und ist auch nicht zeitnah zu erwarten. Die Ursprünge der Nachhaltigkeitsbestrebungen gehen auf Hans Carl von Carlowitz (1645–1714), einen Forstwirt, zurück. Nach ihm sollte in einem Wald nur so viel abgeholzt werden, wie in absehbarer Zeit auf natürliche Weise nachwachsen kann. Es sollte damit sichergestellt werden, dass ein natürliches System in seinen wesentlichen Eigenschaften langfristig erhalten bleibt. Dieses System der nachhaltigen Forstwirtschaft soll nun auf möglichst alle Bereiche unseres Lebens übertragen werden, was jedoch bei Prozessen, die nicht ausschließlich mit nachwachsenden Rohstoffen arbeiten, schnell an seine Grenzen stößt oder doch zumindest gewaltige Herausforderungen beinhaltet. Unter den inzwischen zahlreich zu findenden Definitionsversuchen des Begriffs Nachhaltigkeit scheint die folgende, im Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung von 1987 enthaltene, besonders treffend: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende.“ [1] An diesem hohen Anspruch werden künftig alle Industrien zu messen sein, so natürlich auch die Asphaltindustrie. Dass hierbei nationale Alleingänge nicht zielführend sein werden, liegt bei einer solch globalen Aufgabe nahe. Ebenso gilt es, ein ausgewogenes Verhältnis von Ökologie und Ökonomie zu erreichen und Verzerrungen des freien Wettbewerbs zu vermeiden. Globale und europäische Rahmenbedingungen Das öffentliche Bewusstsein für ökologische Belange sowie die Medienpräsenz dieser Themen hat in den vergangenen Jahren sehr stark zugenommen. Hierfür verantwortlich dürfte in erster Linie die Tatsache sein, dass der kaum noch bestreitbare Klimawandel und die zum Teil katastrophalen Konsequenzen inzwischen für die allermeisten Menschen aus nächster Nähe erlebbar und in ihrem Alltag angekommen sind. Mit der Agenda 2030 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Herbst 2015 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, sog. Sustainable Development Goals (SDGs), mit insgesamt 169 Unterzielen verabschiedet (Abb. 1). Seither wurde bereits einiges erreicht, aber es gibt auch noch große Herausforderungen. Der neueste Bericht zum Stand der Umsetzung der SDGs zeigt, dass aktuell noch längst nicht genug getan wird, um die 17 Ziele zu erreichen. Globale Krisen wie der Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie haben jüngst die Entwicklungsfortschritte nicht nur stagnieren lassen, sondern bei vielen Zielen sind sogar Rückschritte zu verzeichnen. Am 11. Dezember 2019 hat die Europäische Kommission den sog. European Green Deal vorgestellt. Es handelt sich dabei um ein Konzept, das das Ziel verfolgt, bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und damit als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Der European Green Deal soll zentraler Bestandteil der Klimapolitik der Europäischen Union werden. Einen Überblick der Ziele gibt Abbildung 2. Dabei greift der European Green Deal in sämtliche Wirtschaftszweige ein, von Bau und Verkehr über Energie, Landwirtschaft und Textil bis hin zu Branchen wie Stahl, Zement, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Chemie. Nationale Entwicklungen Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie In seiner Sitzung am 10. März 2021 hat das Bundeskabinett die „Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie“ beschlossen. Mit ihr sollen Wirtschaft und Gesellschaft „enkeltauglich“ gemacht, also auch für zukünftige Generationen lebenswert erhalten werden. Die Auswirkungen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auf den Straßenbau insgesamt und natürlich auch auf den Asphaltstraßenbau sind derzeit noch nicht vollumfänglich absehbar. Ausgehend von den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung lassen sich für den Straßenbau jedoch unter anderem der sparsame und effiziente Einsatz jeglicher Ressourcen, die Ausschöpfung der Potenziale der Wiederverwendung, die Verwendung von RC-Baustoffen sowie die Minimierung von Treibhausgasemissionen als wichtige Aufgaben ableiten. Selbstverständlich müssen hierbei auch der Zustand der Verkehrswege und deren möglichst hohe Verfügbarkeit berücksichtigt werden. „Asphaltmischgut wird in Deutschland in derzeit 535 stationären Asphaltmischanlagen industriell hergestellt. Diese im Vergleich zu anderen Ländern hohe Dichte … sichert kurze Transportentfernungen.“ Für die Asphaltindustrie ergeben sich mehrere Themenfelder. Zunächst sind dies die zu verwendenden Rohstoffe, hauptsächlich Gesteinskörnungen und Bindemittel, aber auch Zusätze wie Faserstoffe, Rejuvenatoren oder Mittel zur Viskositätsveränderung. All diese Stoffe sollten idealerweise nachwachsend oder aber zumindest ökologisch vertretbar herstell- und beschaffbar sein. Der nächste Themenkomplex ist eine möglichst emissionsarme Herstellung des Asphaltmischgutes, welche zukünftig mit möglichst niedrigen Herstellungstemperaturen sowie einem möglichst erneuerbaren Energieträger erfolgen muss. 8|2022
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