ON TOUR: Verfahrenstechniken Zerkleinern Die Halle bietet mehr als ein Fußballfeld zur witterungsgeschützten Lagerung und Verarbeitung sortengenauer Recyclingstoffe. Dazu kommen großzügige Bewegungsflächen zur direkten Lkw-Anlieferung. Gütersloher Wertstoffzentrum GmbH (GWG) Osnabrücker Landstraße 255 D-33335 Gütersloh Tel.: +49 (0)5241/21046-0 gwg@ug-hagedorn.de www.unternehmensgruppehagedorn.de Meter Breite und 12 Meter Höhe. Die 8.000 Quadratmeter große, geschlossene Halle ist in Boxen mit Nummern aufgeteilt und bietet u. a. große Bewegungsflächen zum Be- und Entladen von Lkw. Die Halle ist eine der Voraussetzungen, dass in Gütersloh neben mineralischen Massenabfällen auch große Mengen gefährlicher Materialien mit entsprechender Genehmigung nach BImSchG angenommen und verarbeitet werden. Die Gesamtlagerkapazität beträgt 112.000 Tonnen. Umfangreiche Kompetenz Nicht nur quantitativ, auch qualitativ hebt sich das GWG mit seinen Voraussetzungen daher von den Möglichkeiten anderer Entsorgungsunternehmen ab. Das gilt etwa für Dachpappe, die für eine thermische Verwertung besonders aufbereitet werden muss. Über einen Horizontalzerkleinerer Vermeer HG 4000 werden die möglichst sortenreinen Dachpappen in kleine Stücke konfektioniert und anschließend nochmals abgesiebt. Doch das ist nicht alles: Wegen des hohen Brennwerts sind hauptsächlich Zementwerke als Abnehmer interessant, die wiederum feste Liefermengen fordern, wie Geschäftsführer Alfred Winkelmann weiß: „Kleine Entsorger können das meist nicht kontinuierlich gewährleisten.“ Das GWG hingegen kann jährlich mehr als 20.000 Tonnen Dachpappe übernehmen. Deutschlandweit gibt es nur etwa ein halbes Dutzend Aufbereiter in dieser Größenordnung. So unterschiedlich wie die Abfälle, so groß ist auch der Aktionsradius des GWG. Während der klassische mineralische Bauschutt noch heute aus einem Umkreis von maximal 50 Kilometern in Gütersloh angeliefert wird, können bei den gefährlichen Abfällen auch schon mal Transporte bis aus Süddeutschland ihren Weg nach Ostwestfalen antreten. Dies gilt beispielsweise für die teerhaltige Dachpappe. „Je höher belastet die Abfälle sind, desto mehr Frachtkilometer lohnen sich“, weiß Alfred Winkelmann. Eine wesentliche Aufgabe im leistungsorientierten Recycling besteht daher auch im Aufbau eines zuverlässigen Kundennetzes – bei der Anlieferern ebenso wie bei den Abnehmern. Hierzu hat sich die Hagedorn-Unternehmensgruppe federführend an der Entwicklung der Schütt- 40 recycling aktiv 5/2020
Verfahrenstechniken Zerkleinern Über mehrere Etagen werden die verschiedenen Aufbereitungszustände bis zur endgültigen Absiebung – hier mit einer modernen Terex-Finlay-883 Mehrdecksiebanlage – abgearbeitet. Fotos: Bodo Wistinghausen; Archiv GWG flix-App eingebracht. Damit soll eine kundengerechte Vermarktung erleichtert werden. Eigene Anlieferungen der Hagedorn-Unternehmensgruppe machen heute nur noch etwa 10 Prozent am Gesamtumsatz des GWG aus. In Gütersloh werden jährlich etwa 350.000 t Abfälle und Baustoffe angeliefert, bis zu 200 Lkw-Touren pro Tag. Innovatives Spezialrecycling Einem besonders innovativen und ambitionierten Projekt hat sich das GWG als einer der federführenden Akteure an vorderster Stelle angeschlossen. Es geht um die Entsorgung von HBCD-belastetem Styropor, das zwischen den 1960er-Jahren und 2013 produziert wurde. In diesem Zeitraum wurde häufig das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) eingesetzt, das inzwischen als gesundheitsgefährdend eingestuft wurde und nicht mehr verwendet werden darf. Im Rahmen der europäischen Brancheninitiative PSLoop haben sich mehr als 70 Mitglieder und Unterstützer aus mehr als 18 europäischen Ländern zusammengeschlossen, um die Prozesskette vom Rückbau bis zum Recycling von Styropor grundlegend neu zu denken. Im Mittelpunkt steht ein physikalisches Recyclingverfahren, das aus dem belasteten Material ein hochwertiges, wiederverwertbares Polystyrol-Rezyklat gewinnt. Dieses kann erneut als Ausgangsstoff für kunststoffbasierte Dämmstoffe dienen. In einem weiteren Schritt wird das HBCD rückstandslos zerstört und das anfallende Brom zurückgewonnen. Damit schließt PSLoop gleich zwei Kreisläufe. Aktuell wird eine Pilotanlage im industriellen Maßstab im niederländischen Terneuzen errichtet. Sie soll ab Frühjahr 2021 pro Jahr 3.300 Tonnen HBCD-belastetes Styropor verarbeiten. Damit HBCD-belastete Abfälle in die Aufbereitungsanlage gelangen können, müssen diese zunächst fachgerecht gesammelt, vorbehandelt und transportiert werden. Das GWG der Hagedorn-Unternehmensgruppe ist aktuell einer von nur zwei Hubs in Deutschland, die die Sammlung und Aufbereitung aus einer Hand künftig übernehmen. „Wir beginnen ab Ende 2020 mit der Sammlung und Aufbereitung von HBCD-belastetem Styropor für PSLoop“, erklärt Frank Kramer, Geschäftsführer des GWG. „Damit bieten wir unseren Kunden deutschlandweit als einer der Ersten ein wirklich nachhaltiges Stoffstrommanagement für diese Abfälle.“ Mit einer innovativen Technologie wird das dann möglichst sortenreine Material in leicht händelbare Blöcke kompaktiert. Zuerst zerkleinert eine Spezialanlage über Reißmesserwellen das Styropor. Eine vollautomatische mobile Presse wird dann die Produktion von hoch verdichteten Blöcken ermöglichen. Hierbei wird eine Volumenreduzierung von bis zu 30:1 erreicht. Diese formstabilen Blöcke werden auf Paletten gestapelt und in die niederländische Anlage nach Terneuzen transportiert. Das GWG rechnet nach Angaben von Geschäftsführer Frank Kramer mit einem Durchsatz von etwa 250 bis 300 Tonnen HBCD-belastetem Styropor im Jahr. Der innovative Charakter von PSLoop wurde bereits mit dem Blue Tulip Award 2020 in der Kategorie „Klima“ ausgezeichnet. (bwi) recycling aktiv 5/2020 41
Laden...
Laden...
Laden...