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Taxi Times Berlin - Dezember 2015

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ÜBERFALL ÜBERFALL Im

ÜBERFALL ÜBERFALL Im Sommer hing ihr Leben noch am seidenen Faden, jetzt fahren sie beide wieder Taxi. Thomas und Torsten haben nach den Überfällen wieder zurück in den Alltag gefunden – und sie haben beide eine Mission vor sich. SIE FAHREN WIEDER! FOTO: Name Name FOTO: FOTO: Name Name anthez Als wir den Kollegen Thomas für unser Telefoninterview erreichen, hat er gerade eine längere Tour hinter sich: „Von Weißensee ging es zuerst nach Moabit, dann direkt weiter Richtung Tempelhof. 43 Euro. Da habe ich gerade richtig Glück gehabt.“ Glück hat viele Facetten. Bei seiner letzten Nachtschicht am 11. Juni 2015 hatte Thomas auch Glück, als er einen brutalen Überfall überlebte, obwohl die Täter 32 Mal auf ihn eingestochen haben. Was danach folgte, waren eine Not operation, Reha- und Gymnastikmaßnahmen und viele therapeutische Gespräche: die Aufarbeitung dessen, was damals geschah, in der Nacht des 11. Juni. Ziemlich genau einen Monat später erlebte Torsten seine vorerst letzte Nachtschicht. Ein junges Pärchen stieg in der Neuköllner Sonnenallee in sein Taxi. In Mariendorf dann die plötzliche Messerattacke. Ohne das Geld zu verlangen, stachen die Jugendlichen auf Torsten ein. Diese pure Gewalt, das menschenverachtende Tötenwollen versteht Torsten bis heute nicht. Das hat er immer noch nicht verarbeitet. Trotzdem sitzt er – genauso wie Thomas – mittlerweile wieder im Taxi. Es ist die Geschichte vom unbedingten Willen zweier Taxifahrer, sich weder ihr Leben noch ihren Beruf nehmen zu lassen. EINGLIEDERUNG NACH DEM HAMBURGER MODELL Einfach war der Weg in die ersten Taxischichten der beiden nicht. Es waren behutsame Schritte in den Alltag. Thomas begann Ende September und fuhr in der ersten Woche zwei Stunden tags über. Dann wurden es schon vier Stunden, dann sechs, und nach vier Wochen saß er bereits acht Stunden hinter dem Steuer. Das war mit seinem Therapeuten so abgesprochen, der ihn seit dem Überfall betreute und der von der Berufsgenossenschaft beauftragt und bezahlt wurde. Diese langsame Eingliederung in den Arbeitsmarkt nach einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit wird als „Hamburger Modell“ bezeichnet und ist im § 74 des Fünften Sozialgesetzbuches verankert. Der Arbeitnehmer gilt während der Wiedereingliederungsmaßnahme weiterhin als erkrankt und arbeitsunfähig und erhält demzufolge auch weiterhin Krankengeld. „Meine Taxieinnahmen gingen in diesem Monat zu 100 Prozent an den Unternehmer“, erzählt Thomas. Torsten startete mit drei Tagen pro Woche, ebenfalls tagsüber. „Die Leute ändern sich nach Mitternacht“, sagt er. Während seiner ersten Schichten hatte er immer wieder Tränen im Gesicht, wenn die Erinnerung hochkam. „Bloß weg von hier“, lautet sein Motto, sobald es ihn Richtung Sonnenallee verschlägt. Niemals würde Torsten mehr in dem Viertel, in dem die verhängnisvolle Fahrt am 12. Juli startete, einen Winker aufnehmen. Er fährt fast nur noch Funkaufträge, „weil dort die Anrufer ihren Namen und die Adresse hinterlassen“. Auch Thomas ist vorsichtiger geworden. Bei ihm ist stets die Zentralverriegelung aktiviert. DIE TÄTER SIND NOCH NICHT GEFASST Am Halteplatz lässt er immer die Scheibe auf der Beifahrerseite einen Spalt offen. Bevor die Gäste einsteigen, fragt er sie nach dem Fahrtziel. Erinnern sie ihn vom Alter und vom Aussehen her an seine Täter, bleibt die Türe zu. So handhabt es auch Torsten. Die Ähnlichkeit genügt schon. Es ist nicht einmal die konkrete Angst, dass genau dieselben Typen noch einmal einsteigen könnten – was theoretisch möglich wäre, denn die Polizei konnte die Täter immer noch nicht fassen. Dabei hatte man im Fall von Thomas sogar ziemlich deutliche Videoaufnahmen der mutmaßlichen Täter von einer U-Bahn­ Überwachungskamera TAXI DEZEMBER / 2015 7

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