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Taxi Times Berlin - Februar 2017

ANTRIEB Das

ANTRIEB Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in Mitte, Austragungsort der NIP-Konferenz IN ZUKUNFT ELEKTRISCH MIT WASSERSTOFF? Elektrisch fahren wäre toll, wenn die leidigen Batterien nicht wären. Sie reichen nicht weit und lassen sich nicht mit der gewohnten Schnelligkeit »betanken«. Ist die Wasserstoff-Brennstoffzelle die Lösung? Ohne Lärm und Gestank zu fahren, ist angenehm, aber mit einigen Nebentätigkeiten verbunden. Man kann nicht, wie gewohnt, einfach durch die Gegend fahren. Man muss seine Mobilität planen und organisieren. Wie weit komme ich? Kann ich dort laden? Wie lange dauert das? Wer elektrisch mobil sein will, muss das zu seinem Hobby machen. Genau das wollen die meisten Leute nicht. Sie wollen Auto fahren und kein neues Hobby. Nicht für Geld und gute Worte lassen sie sich von ihren Gewohnheiten abbringen. Weder die Kaufprämie noch mediale Stimmungsmache konnten daran viel ändern. Elektrische Autos kommen in Deutschland einfach nicht aus ihrer Nische heraus. Selbst im Taxigewerbe nicht, das ökologischen Experimenten immer sehr aufgeschlossen gegenüberstand, wenn sie sich wirtschaftlich darstellen ließen. Hybrid-Taxen gehen, batterieelektrische nicht. Jetzt hat Toyota mit seinem Mirai die Tür zu einer noch exotischeren Nische aufgestoßen. Das Auto fährt rein elektrisch. Es bezieht seinen Fahrstrom aus einer Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff betankt wird. Hier kommen nahezu die gewohnten Auto- Eigenschaften in Gestalt ganz anderer Technik daher. Dass wieder Toyota (Japan) den ersten Schritt getan hat, ist diesmal nicht besonderer technischer Fortschrittlichkeit geschuldet. Andere Hersteller verfügen ebenfalls über halbwegs serienreife Brennstoffzellen-Autos. Der Toyota Mirai ist nur die Spitze eines Eisbergs, der gerade auch in Deutschland ziemliche Ausmaße hat. Es gibt hier seit zehn Jahren schon ein Nationales Investitionsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP), ausgestattet mit 700 Millionen Euro. Gerade ist seine Fortsetzung bis 2026 beschlossen worden, ausgestattet mit weiteren 1,1 Milliarden Euro. Ohne dass die Öffentlichkeit groß Notiz davon genommen hätte, ist hier eine ganze neue Branche mit über 500 Firmen und Institutionen aus dem Boden gestampft worden. Es geht dabei nicht vordergründig um Autos, sondern um das ganze System aus Wasserstoffherstellung, -lagerung, -transport und alle Aspekte, die sich aus der Verwendung von Wasserstoff ergeben. Mitte Dezember hat in Berlin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eine zweitägige Ergebniskonferenz des NIP unter dem Titel „Saubere Mobilität mit Wasserstoff und Brennstoffzelle“ stattgefunden. Beeindruckend, wie viele Menschen sich mit diesem Thema befassen und welche Ergebnisse sie bereits erzielt haben. So ist zum Beispiel ein Betankungsstandard mit 700 bar Wasserstoff-Druck entwickelt und weltweit durchgesetzt worden. WASSERSTOFF-ÄRA IN BERLIN HAT BEGONNEN 2004 ist in Berlin die erste Wasserstofftankstelle eröffnet worden, damals für die 14 MAN-Wasserstoffbusse der BVG. Die hatten allerdings noch keine Brennstoffzelle nebst Elektroantrieb, sondern verbrannten den Wasserstoff direkt in ihrem Verbrennungsmotor. 2012 ist ein bundesweites 50-Tankstellen-Programm begonnen worden. Brennstoffzellen-Autos gibt es heute von vielen Herstellern: VW, Mercedes, BMW, Audi, Opel, Ford, Honda, Hyundai und Toyota verfügen darüber, teilweise in mehreren Typen. Rund 250 H2-Autos FOTOS: Wilfried Hochfeld / Taxi Times 28 FEBRUAR / 2017 TAXI

ANTRIEB Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt spricht auf der NIP-Konferenz. sind in Deutschland unterwegs, 140 davon werden von der Clean Energy Partnership (CIP) wissenschaftlich begleitet. 250 Autos sind natürlich keine Größenordnung, aus der sich eine Revolution der Mobilität herleiten ließe, aber ein Anfang, der engagiert vorangetrieben wird. Zurzeit wird über die Hälfte des Wasserstoffs noch durch Dampfreformation aus Erdgas hergestellt. Das ist ökologisch weniger überzeugend. In Zukunft soll Wasserstoff eine tragende Rolle in der Energiewende spielen. Strom aus regenerativen Quellen wird bekanntlich oft am falschen Ort zur falschen Zeit produziert. Zeitweilig überflüssiger Strom soll in Zukunft zur Elektrolyse (Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff) verwendet werden und der lager- und transportfähige Wasserstoff als Treibstoff für Brennstoffzellen in Autos und anderen Anwendungen eingesetzt werden. Das Streckennetz der Deutschen Bahn ist nicht einmal zur Hälfte elektrifiziert. Der größere Teil wird mit Diesel-Triebwagen befahren. Dies ist ein weites Feld für den Brennstoffzelleneinsatz mit Wasserstoff. Ein erster Zug mit dieser Technologie ist auf der letzten InnoTrans in Berlin vorgestellt worden. Möglicherweise ist der batterieelektrische Autoantrieb auch nur wieder als Brückentechnologie anzusehen. Wirklich große Reichweiten, die z. B. im Lkw-Fernverkehr gefragt sind, sind mit Batterien prinzipiell nicht zu machen. Mit der Kapazität (=Reichweite) steigt das Gewicht und sinkt die mögliche Zuladung. Fehlende Reichweite durch schnelles Laden auszugleichen, würde bei massenhafter Verbreitung bestehende Stromnetze an ihre Grenzen bringen. Schon jetzt zieht eine einzige Schnellladestation mehr Strom aus dem Netz, als ein Hausanschluss für ein ganzes Einfamilienhaus hergibt. Ein Taxibetrieb, der viele Elektrotaxis gleichzeitig durch schnelles Laden im kontinuierlichen Schichtbetrieb am Deutschland gestaltet die Antriebswende zur Elektromobilität. Laufen halten will, müsste für eine größere Anzahl Schnelllader ganz erheblich seinen Stromanschluss aufrüsten. Im Übrigen macht ständiges tiefes Entladen und schnelles Wiederaufladen mit hoher Ladeleistung Batterien kaputt – und das wäre zur Erzielung von Reichweite notwendig. Nicht ohne Grund geht die Fahrbatterie des Toyota Prius praktisch nie kaputt. Sie wird im Hybridbetrieb nie ganz entladen und nie voll aufgeladen, sondern nur in einem engen Kapazitätsbereich genutzt. All diese Probleme würden bei der Verwendung von Wasserstoff als Treibstoff für E-Mobile nicht auftreten. Allerdings ist der Umgang mit Wasserstoff alles andere als einfach. Gut handhabbar ist er erst unter hohem Druck bei niedrigen Temperaturen. H2 ist das kleinste Molekül überhaupt. Das geht überall durch und ist zudem sehr reaktionsfreudig. Wasserstoff stellt hohe Anforderungen an Material und Dichtigkeit. Mit diesen Schwierigkeiten hatten schon Fritz Haber und Carl Bosch vor 100 Jahren bei ihrer Ammoniak-Synthese zu kämpfen. Für deren Lösung in diesem Fall haben sie den Nobelpreis bekommen (Ammoniak braucht man zur Herstellung von Kunstdünger und Sprengstoff – Anm. d. Red.). Zugegeben, vieles hakt und klemmt noch in der Wasserstofftechnologie. Das einzige frei verkäufliche Brennstoffzellenauto ist noch viel zu teuer und die Versorgung mit Kraftstoff nicht gewährleistet. Aber der Ansatz klingt vielversprechend. Die deutsche Industrie scheint sich auf diesen übernächsten Schritt in die Zukunft zu konzentrieren, nachdem sie den näher gelegenen Schritt, nämlich den in die batterieelektrische Mobilität, weitgehend verschlafen hat. Die Chancen, es diesmal besser zu machen, stehen nicht schlecht. wh DIE TAXI TIMES APP DIE TAXIWELT IN IHRER HAND Mit der Taxi Times App haben Sie Zugriff auf alle Neuigkeiten aus der Taxiwelt. Wir versorgen Sie mit allem Wissenswerten und das topaktuell. Die Nachrichten sind in Deutsch, Englisch und Türkisch abrufbar. Die App gibt es zum kostenlosen Download für iOS und Android.

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