TAXI BERLIN TZB GMBH MYTAXI VOR GERICHT GESTOPPT Die im Interview angesprochene Rabattaktion, den Kunden 50 Prozent des Fahrpreises zurückzuerstatten, wenn diese per MyTaxi-App bestellen und mithilfe der Payment-Funktion bezahlen, wurde in Stuttgart vom Landgericht per einstweiliger Verfügung untersagt. Das Gericht stufte diese Geschäftspraxis als wettbewerbswidrig ein, da sie gegen das Personenbeförderungsgesetz verstoße. Eingereicht hatte die Verfügung die Stuttgarter Taxizentrale TAZ. Wenige Tage vorher hatte auch der Bundesverband BZP in einer Resolution den Daimler- Konzern aufgefordert, „die bisher verfolgte Marktstrategie des Tochterunternehmens MyTaxi zu überdenken und zukünftig auf einen finanziellen Verdrängungswettbewerb zulasten der Taxizentralen, wie z. B. Rabattaktionen auf reguläre Taxitarife, zu verzichten“. Der MyTaxi-Pressesprecher wehrt sich gegen solche Vorwürfe. Die Aktion diene nur dazu, den Kunden das Mobile Payment schmackhaft zu machen. Er kann und darf ja nichts anderes sagen. Das sind übliche Marktstrategien, um sich auf sehr aggressive Weise Marktanteile zu holen. Mobile Payment gibt es seit Kurzem auch bei Taxi Berlin. Warum erst so spät? Wir greifen im Taxigewerbe auf Dienstleister zurück, die nicht mit Millionen an Investitionsgeldern ausgestattet sind. Das lässt sich mit den Summen, mit denen Start-ups zur Entwicklung ihrer Apps unterstützt werden, nicht vergleichen. Natürlich hätte ich am liebsten schon 2010, als die ersten Taxi-Apps entwickelt wurden, eine solche Funktion gehabt, aber es war für eine Branche, die aus dem Mittelstand kommt, früher nicht möglich. Wie wird das Mobile Payment von Taxi Berlin und taxi.eu angenommen? Sehr gut. Etwa 8 000 Berliner Kunden haben sich in den ersten Wochen registriert und haben auch mindestens schon einmal bargeldlos bezahlt. Sowohl bei der App-Entwicklung als auch bei den Zusatzmodulen wie beispielsweise der Payment-Funktion kommt die Entwicklung vom Anbieter FMS/Austrosoft. Dadurch ist es für den Kunden möglich, mit einer Taxi-Berlin- App auch in anderen Städten Taxis zu bestellen. Trotzdem haben Sie 2011 zusätzlich die Bestell-App taxi.eu eingeführt. Warum? Uns wurde schon sehr früh klar, dass es nicht unser Ziel sein kann, dem Kunden mühsam zu vermitteln, dass er mit einer App, die Taxi Berlin heißt, auch in so vielen anderen Städten und Ländern ein Taxi bestellen kann. Also haben wir uns für eine Bezeichnung entschieden, die diese Bestellvielfalt bereits im Namen transportiert. Also eine App für Europa, die inzwischen aber auch schon über die Ränder Europas hinauswächst. 2011 bei der Namensfindung war noch nicht unbedingt die Perspektive gegeben, dass wir im Laufe der Zeit auch außerhalb Europas vermitteln würden. Heute scheint das allerdings machbar … … mit den kürzlich angekündigten Starts in Istanbul, Athen und Belgrad … … die alle noch im Mai über die Bühne gehen sollen. Was hat der Berliner Taxifahrer davon, wenn seine Fahrgäste mit der gleichen App auch in Belgrad bestellen können? Man muss das langfristig sehen. Lassen Sie es mich mal mit den Leihwagen vergleichen. Was ist aus den kleinen, nied FOTO: taxi.eu / Taxi 40100 14
TAXI BERLIN TZB GMBH EINE SAUBERE KAMPAGNE Während des Eurovision Song Contests (ESC) in Wien Ende Mai ist taxi.eu Event Supplier des Großereignisses gewesen Das App- Logo war auf 126 umweltfreundlichen Hybrid- und Elektrotaxis der Wiener Taxizentrale 40100 zu sehen, die extra für die Veranstaltung mit dem ESC-Branding beklebt worden waren. Die Modelle wurden hauptsächlich vom österreichischen Fernsehen ORF zur Beförderung der Delegierten, Journalisten und Gäste eingesetzt. Die Bestellungen liefen über die europaweite Taxi-Bestell-App taxi. eu, deren operativer Partner in Wien Taxi 40100 ist. Der ORF hatte in taxi.eu und 40100 den richtigen Partner gefunden, um eine attraktive und umweltfreundliche Ergänzung zum öffentlichen Verkehr anbieten zu können. lichen Autovermietern geworden, die regional tätig waren? Fast jede Kleinstadt hatte ihren eigenen Autovermieter. Heute sind diese Namen völlig verschwunden und der Markt wird von Avis, Sixt oder Europcar usw. dominiert. Den Taximarken wird es also genauso gehen? Das ist meine feste Überzeugung, weil eine jederzeitige überregionale Bestellung mit einer Vermittlungsplattform technisch längst möglich ist. In sieben bis acht Jahren wird der Kunde die regionalen Taximarken kaum noch kennen. Weil nicht mehr die Telefonnummer zählt, sondern nur noch der Knopfdruck auf das Smartphone? Vielleicht werden in acht Jahren schon 30 Prozent unserer Bestellungen über die App abgewickelt. Der Kunde lädt dann nur noch die Marken herunter, die in den App-Rankings ganz oben stehen. Und das werden die mit den großen und überregionalen Namen sein. Deswegen hat jeder Taxiunternehmer und -fahrer, der ein bisschen länger als nur die nächsten zwei Jahre vorausdenkt, mit taxi.eu eine Zukunft. Zu welchem Preis? Auf jeden Fall werden unsere Teilnehmer mit einer Marke zusammenarbeiten, die ihnen nicht mit Umsatzprovisionen von 20 bis 30 Prozent das vorletzte Hemd auszieht. taxi.eu zählt mittlerweile zu den Gründungsmitgliedern des Global IRU Taxi Service Quality Network (GTN). Was bedeutet das? Dieses Netzwerk ist eine Stärkung der gewerbenahen Apps, von denen ja nur wenige überregional agieren. Neben taxi.eu beispielsweise auch eCab oder innerhalb Deutschlands Taxi Deutschland. Aus Australien, Amerika und Russland sind mittlerweile weitere, regional agierende Appanbieter dem GTN beigetreten. Es ist wichtig, dass auch diese Apps aufgenommen werden und so von dem globalen Netzwerk profitieren. Seit Januar gibt es eine enge Zusammenarbeit mit der IsarFunk Taxizentrale in München. Auch hier stellt sich die Frage: Was nutzt das dem Berliner Taxifahrer? Er profitiert davon, dass wir uns bei den Auftragsspitzen gegenseitig aushelfen. Wenn in Berlin beispielsweise ein Unwetter die Nachfrage nach Taxis verstärkt, gehen die Kollegen von IsarFunk in die Leitung und nehmen unsere Bestellungen mit auf. Umgekehrt läuft es natürlich genauso. Jede Zentrale spart auf diese Weise Geld, weil man insgesamt weniger Personal braucht, um die Auftragsspitzen zu bedienen, die oftmals in den beiden Städten nicht identisch sind. Ist Taxi Berlin durch diese Kooperation die größte Taxizentrale in Deutschland? Sie gehört zumindest zu den zwei stärksten Taxizentralen in Deutschland. Trotzdem ist das noch nicht genug. Wenn es nach mir ginge, müssten sich alle Taxizentralen zu einem großen Vermittlungskonzern zusammenschließen und sich so den Herausforderungen der Zukunft stellen. Die Vision von der einen, großen Taxizentrale? Wir müssten eigentlich wie große Konzerne agieren, uns rationalisieren und so effektiv arbeiten, dass wir mit dem eingesparten Geld genau das so dringend nötige Marketing finanzieren können, das im Moment keiner bezahlen kann. Damit MyTaxi und Uber uns den Spaß an unserer Arbeit nicht nehmen können. Womit wir wieder bei unserer eingangs gestellten Frage wären. Sie gehen davon aus, dass es in zehn Jahren immer noch Spaß machen wird? Ja. Herzlichen Dank für das Interview. TAXI JUNI / 2015 15
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