POLITIK Abschlusspodium (v.l.n.r.): Hermann Waldner (Bundesverband Taxi und Mietwagen, Taxi Berlin), Andreas Schrobback (AS Unternehmensgruppe), David Wortmann (Energy Network e. V.), Christian Gräff (Moderator, MdA), Regine Günther (Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz), Thomas Schäfer (Stromnetz Berlin) und Christian Herrman (Busunternehmer) REGINE GÜNTHER WIRBT BEI DER CDU FÜR GRÜNE POLITIK Beim 5. Berliner Mittelstandskongress der CDU sorgt die Senatorin mit deutlichen Ansagen zu ihrer Verkehrspolitik für politischen Wirbel. Es gibt verschiedene Arten von Kongressen. In Fachkongressen treffen sich Fachleute und tauschen ihre Ergebnisse in ihrem Fachgebiet aus. Dort werden Entwicklungen vorangebracht und die Grundlagen für politische Entscheidungen gelegt. Die öffentliche Aufmerksamkeit tendiert gegen null. Andere Kongresse dienen der Selbstvergewisserung bereits laufender politischer Initiativen, wie etwa die demnächst wieder stattfindende Berliner „Hauptstadtkonferenz“. Dort feiert die Elektromobilität sich selbst. Eine interessierte Öffentlichkeit nimmt Anteil. Mit der dritten Art von Kongressen will der Veranstalter eher weniger mit dem Thema vertraute Teilnehmer durch Fachleute informieren lassen und mit ihnen diskutieren. Hier sind bekannte 22,90€ LERNBUCH UND APP Spezialatlas zum Taxischein für Berlin Das Standardwerk für P-Schein-Anwärter, Ausbilder und Prüfer zur Klärung von Fragen zur Ortskunde in Berlin Mehr Infos: www.spezialatlas.de Die Trainings-App (Android; iOS) zur Vorbereitung auf die P-Schein-Prüfung für Taxifahrer in Berlin. Neu: mit Prüfungssimulation Namen und Institutionen als Referenten gefragt. Dieser dritten Art ist wohl der Berliner Mittelstandskongress mit dem Thema „Mobilität in der Metropole Berlin – Chance oder Verhängnis für Unternehmer?“ zuzuordnen. Veranstalter war die Mittelstands- und Wirtschaftvereinigung der Berliner CDU. Die öffentliche Resonanz reichte bis in die Schlagzeilen. Zur Einstimmung fasste ein Professor mit sanfter Stimme in Worte, was jeder jeden Tag im Stadtbild beobachten kann, aus professoralem Mund aber mehr Gewicht hat: Morgens und nachmittags steht alle Welt im Stau. Keiner kommt vorwärts. Die Stauhauptstadt Deutschlands macht ihrem Titel Ehre. In der restlichen Zeit sind ganze Stadtviertel zugeparkt. Die Suche nach dem Parkplatz verursacht noch mehr Verkehr. Kurzum, der Besitz und die Fortbewegung eines jeden mit dem eigenen Auto ist in vielerlei Hinsicht Unsinn. „SIE STEHEN NICHT IM STAU, SIE SIND DER STAU.“ Die Fortbewegungsmittel stehen die meiste Zeit ungenutzt herum, und wenn sie sich fortbewegen sollen, stehen sie sich gegenseitig im Weg. Das sollte jedem kalkulierenden Mittelständler einleuchten, der zudem, je nach Branche, für sein Geschäft auf fließenden Verkehr angewiesen ist. Zur Lösung des Problems wurde auf den ÖPNV, das Car-Sharing und die Nutzung der neumodischen Fahrgelegenheiten verwiesen. Stichwort: intelligenter Einsatz aller möglichen Fahrzeuge durch digitale Vernetzung. Taxi kam wieder einmal nicht vor, obwohl es das geborene Sharing-Fahrzeug ist. Jeder kann es nutzen, einzeln oder zu mehreren (Kostenteilung!). Ein Taxi kann Dutzende privater PKW ersetzen, erspart so Platz und Parkplatzsuche, und FOTO: Wilfried Hochfeld / Taxi Times 28 MÄRZ/APRIL 2019 TAXI
POLITIK FOTO: Wilfried Hochfeld / Taxi Times das seit über hundert Jahren. Leider entspricht das Taxi, anders als die BVG, gerade nicht dem Lifestyle. Die BVG hat sich für teures Geld ein modernes Image verpasst, trotz gravierender Probleme und trotz ihres Alters. Die BVG wird in diesem Jahr 90. Die BVG, Uber und door2door durften als Verkehrsanbieter ein wenig Reklame für sich machen. Auch ein Seilbahnbauer durfte sich als Alternative empfehlen. Vom Taxigewerbe war kein Referent vorgesehen. Immerhin konnte in letzter Minute das Taxigewerbe in Person von Hermann Waldner auf dem Abschlusspodium (siehe Foto) platziert werden. Vor der abschließenden Diskussionsrunde hatte Senatorin Günther eine programmatische Rede gehalten, die an Deutlichkeit keine Wünsche offen ließ: Wir brauchen klare Zielkoordinaten für die Mobilität der Zukunft im Spannungsfeld zwischen globalen Anforderungen und lokalen Bedürfnissen. Das alte Mobilitätskonzept – die autogerechte Stadt – hat ausgedient. Ein neues Konzept muss her. Berlin ist die Stauhauptstadt. Das verursacht jährlich 1,7 Milliarden Euro Kosten. Hinzu kommen zu viel Parkplatzverbrauch, schlecht koordinierte Baustellen und Ampelschaltungen. Ziel muss sein, möglichst viele Autofahrer in ein zu schaffendes Verbundsystem des ÖPNV zu bringen, um die Straßen für diejenigen frei zu machen, die auf das Auto angewiesen sind. Dabei denkt sie vorwiegend an den Wirtschaftsverkehr, der ebenfalls effektiviert werden muss. In diesem Sinne hat dieser Umweltverbund im Mobilitätsgesetz und im Nahverkehrsplan Vorrang vor dem privaten Autoverkehr. In den kommenden 15 Jahren werden 28 Milliarden Euro für den Ausbau des ÖPNV aufgewandt. Durch Elektrifizierung der Busse, Tempo 30, Parkraumbewirtschaftung, Fahrverbote Verkehrssenatorin Regine Günther und freiwillige Nachrüstung vorhandener Autos soll die Luft verbessert werden. Straßen und Brücken werden instandgesetzt. Das Beharren auf der „Schwarzen Null“ hat zu hohen „Schulden“ in der Infrastruktur geführt. Um all diese Maßnahmen zu verwirklichen, wird die Verwaltung umstrukturiert. Es fiel auch der Satz: „Wir wollen, dass die Menschen ihr Auto abschaffen.“ Einige Herren in den hinteren Reihen konnten ihre Wut kaum im Zaum halten über das gerade Gehörte. Sie wähnten sich auf einem Parteitag der Grünen statt auf dem Mittelstandskongress der CDU. Die CDU verkürzte die Ausführungen der Senatorin tags darauf dann auch auf den Slogan „Bürger, die Grünen wollen euch eure Autos wegnehmen“. Generationen, die mit „Freie Fahrt für freie Bürger“ aufgewachsen sind, werden sich schwer tun mit einer anderen Mobilität. Immerhin soll nach über 20 Jahren Stillstand in Berlin wieder Verkehrspolitik stattfinden. IST DASEINSVORSORGE ETWAS ALTMODISCHES, DAS WEG MUSS? Das Taxigewerbe kann nur davon profitieren, wenn Taxis als Bestandteil des ÖPNV dereinst auf weniger verstopften Straßen GÜNTHERS GIFTLISTE Die Deutsche Umwelthilfe e. V. forderte ursprünglich, ein Diesel-Fahrverbot in Berlin für Euro-4-Wagen und älter bis Ende 2018 durchzusetzen, eines für Fahrzeuge der Norm Euro 5 sollte später in 2019 folgen. Stattdessen ist ein Diesel-Fahrverbot auf folgenden Straßennabschnitten vorgesehen: • Mitte, Leipziger Str. (zwischen Bundesrat und Charlottenstr.) • Mitte, Reinhardtstr. (zwischen Kapelleufer und Charitéstr.) • Mitte, Friedrichstr. (zwischen Dorotheenstr. und Mittelstr.) • Mitte, Brückenstr. (zwischen Köpenicker Str. und S-Bahnhof Jannowitzbrücke) • Moabit, Alt-Moabit (zwischen Gotzkowskystr. und Beusselstr.) • Moabit, Stromstr. (zwischen Bugenhagenstr. und kurz vor der Turmstr.) • Wedding/Reinickendorf, Kapweg (komplett) • Lankwitz, Leonorenstr. (zwischen Saarburger Str. und Kaiser- Wilhelm-Str.) besser voran kommen – falls es dann noch Taxis im heutigen Sinne gibt. Auch auf diesem Kongress wurden die Verfechter neumodischer Kommerzbeförderung wieder nicht müde, mit ihren positiv besetzten Schlagworten „fortschrittlich“, „digital“, „shared mobility“ und „weg mit der altmodischen Rückkehrpflicht“ Stimmung gegen das Taxigewerbe zu machen. Hermann Waldner auf dem Podium und einige Taxiunternehmer im Auditorium konnten dem mit ihren klugen Wortbeiträgen etwas entgegenwirken. Das Taxigewerbe hat sich gut präsentiert auf dem CDU-Mittelstandskongress, nicht zuletzt mit einem Informationsstand der „Innung“ direkt am Zugang. Das Taxigewerbe darf die öffentliche Wahrnehmung nicht den berufsmäßigen Lobbyisten überlassen, die gerne so jung, dynamisch, erfolgreich daherkommen, in der Neugestaltung der Mobilität aber nur ein Vehikel zum Reichwerden sehen. Mobilität ist ein Grundbedürfnis, dessen bezahlbare, allgemein verfügbare Befriedigung weiterhin geschützt werden muss vor ausufernder Kommerzialisierung. Taxis im Schutz des PBefG sind Daseinsvorsorge, zuverlässig, immer mit der fortschrittlichsten Technik, zum festen Preis und immer wieder modern – seit 120 Jahren. wh Sonnenallee 210 · 12059 Berlin 030 31 800 793 Kfz-Gutachten Öffentl. best. + vereid. SV. Ludwig Lehmann Der TAXI-Spezialist in Berlin Zertifiziert: DIN ISO IEC 17024 (IQ-Zert S391) Mobil: 0162 1791734 vom-lehmann@web.de www.kfz-sachverstaendigenbuero-lehmann.de Mindener Straße 8 · 10589 Berlin 030 38 30 55 50 TAXI MÄRZ/APRIL 2019 29
Laden...
Laden...