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Taxi Times Berlin - März / April 2019

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INKLUSION Stephan Berndt

INKLUSION Stephan Berndt (Taxi Times), Elisabeth Korsig (LAGeSo), Rolf Feja („Innung“), Elke Breitenbach (Senatorin), Richard Leipold (BTV), Franz Allert (LAGeSo) Jens Schmiljun (Taxi Berlin), Elisabeth Korsig und Franz Allert (LAGeSo), Hermann Waldner (Taxi Berlin) VOM ZUCKERBROT ZUR PEITSCHE? Sozialsenatorin Breitenbach ist auf der Suche nach Lösungen für den schnellen Aufbau einer Berliner Inklusionstaxi-Flotte. Am 6. März sprachen sie und der LAGeSo-Chef darüber mit dem Taxigewerbe. Die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Elke Breitenbach (Die Linke) und der Präsident des Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), Franz Allert, hatten Vertreter des Taxigewerbes in die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales bestellt, um zu „beraten, welche gemeinsamen Maßnahmen wir zur Erhöhung der Inanspruchnahme des Förderprogramms und damit zum Ausbau der Inklusionstaxi-Flotte Berlins unternehmen können.“ Wenige Tage später waren Allert und seine Mitarbeiterin Frau Korsig auch bei Hermann Waldner und Jens Schmiljun auf dem Gelände von Taxi Berlin zu Gast. Anlass beider Gespräche war die bisher mangelnde Resonanz im Taxigewerbe auf das Förderangebot des Landes Berlin für das Umrüsten bzw. die Anschaffung behinderten- und seniorengerechter Fahrzeuge. Bedauerlicherweise fehlten beim Gespräch in der Senatsverwaltung einige wichtige Akteure, die der Einladung nicht gefolgt waren, deren Mitwirken zur Lösung der bestehenden Aufgaben aber unbedingt benötigt wird. Dafür kamen Ewiggestrige zu Wort, die sich und das Taxigewerbe im Grunde längst beerdigt haben: mutlos, kraftlos und ideenlos zeichneten sie ein vernichtendes Bild des Taxigewerbes, das sie längst nicht mehr repräsentieren und für das sie auch nicht mehr sprechen dürften. So aber ließen die alten Herren, mit falschen Zahlen und persönlichen Meinungen, die Senatorin aufhorchen. Kann sie einem solchen Gewerbe vertrauen – bei einem Projekt, das auf Freiwilligkeit beruht? Glücklicherweise wurde dem dann aber noch Konstruktives entgegengesetzt. Es gibt bereits Unternehmen, die entschlossen sind, solche Taxis anzuschaffen, und die auch die Förderung bereits beantragt haben. Doch es könnten deutlich mehr sein, wenn grundlegende Fragen endlich geklärt wären. Und auch diese Anregungen nahm die Senatorin mit. Das Treffen sollte ja dazu dienen, Lösungen zu finden und entsprechende Hebel anzusetzen. Frau Breitenbach fasste das Gespräch zum Schluss in vier Punkten zusammen: 1. Die neue Fahrpreisverordnung, die jetzt bereits seit einem Jahr beantragt ist, muss unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse schnellstens beschlossen werden und Klarheit darüber bringen, wie und ob der Mehraufwand bei der Beförderung von Rollstuhlfahrer/innen vergütet wird (siehe Kasten unten rechts). 2. Mögliche Ängste von Taxiunternehmern, zu Projektbeginn mit den ersten Inklusionstaxis sehr lange Leerfahrten in Kauf nehmen zu müssen und damit nicht wirtschaftlich arbeiten zu können, müssen ernstgenommen und durch geeignete Maßnahmen kompensiert werden (z. B. direkte Folgeaufträge über die Taxivermittlung, Befreiung von Funkgebühren oder Regelungen über den neuen Taxitarif). Dazu müssen ggebenenfalls die nötigen finanziellen Mittel aus den Fördergeldern für Inklusionstaxis bereitgestellt werden. 3. Die Hürde, dass der Umbau nur von höchstens 12 Monate alten Taxis förderfähig ist, ist möglicherweise zu hoch und verhindert den schnelleren Ausbau der Inklusionstaxi-Flotte Berlins. Um mehr Interessenten zu gewinnen, muss darüber nachgedacht werden, den Umbau auch bei älteren Taxis zu fördern (es wurden Vorschläge gemacht, die Grenze auf drei Jahre anzuheben und mit einer Laufleistung von höchstens 150.000 km zu deckeln). 4. Das Gespräch hat gezeigt, dass sie „auch mit anderen Anbietern sprechen“ oder aber „Zwangsmaßnahmen beschließen“ müsse. Das „Zuckerbrot“ läge bereits auf dem Tisch, jetzt müsse womöglich die „Peitsche“ ausgepackt werden. Im Gespräch bei Taxi Berlin wurde darüber hinaus in Erwägung gezogen, die Informationen auch in türkischer Sprache zur Verfügung zu stellen. Drei wichtige Anliegen hat die Senatorin am Ende dann doch mitnehmen können – konkrete Möglichkeiten, dem Projekt Tempo zu verleihen. Der vierte Punkt wirkt allerdings bedrohlich: Sollte das Taxigewerbe einmal mehr eine Chance liegen lassen, so wie es sich schon für andere Aufgaben „zu fein“ war? Aus dieser Bequemlichkeit heraus sind bereits komplett neue Gewerbezweige, wie beispielsweise Kurierdienste, entstanden. Kann sich das Taxigewerbe das etwa leisten, gerade in Zeiten, in denen neue Anbieter immer mehr vom Kuchen abhaben wollen? Jetzt muss das Taxigewerbe schleunigst Farbe bekennen und beweisen, dass es ein verlässlicher Partner im Rahmen der Daseinsvorsorge im öffentlichen Personennahverkehr bleibt. Das sei ihm auch im ureigenen Interesse dringendst geraten. sb FOTOS: Danielo Baltrusch / „Innung“, Taxi Times 30 MÄRZ/APRIL 2019 TAXI

INKLUSION MOBILITÄT ZUM GLEICHEN PREIS FÜR ALLE Gerlinde Bendzuk, Harald Moritz und Fatoş Topaç Ebenfalls am 6. März fand bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin das Fachgespräch Inklusionstaxi statt. Fragestellung war die gleiche wie in der Sozialverwaltung. Auch beim Fachgespräch Inklusionstaxi, zu dem die Grüne Fraktion ins Abgeordnetenhaus eingeladen hatte, und das von der Sprecherin für Sozial- und Pflegepolitik Fatoş Topaç und dem Verkehrspolitischen Sprecher Harald Moritz moderiert wurde, ging es um die Frage, was noch getan werden muss, um die benötigte Anzahl Inklusionstaxis schnell auf Berlins Straßen zu bringen. Die Vertreter des Taxigewerbes wiederholten die bereits beim Treffen mit Senatorin Breitenbach gemachten Vorschläge: Sicherheit bei den Fahrpreisen, Kompensationsmaßnahmen, um Wirtschaftlichkeit auch für die „Pioniere“ zu gewährleisten und gelockerte Zugangsvoraussetzungen, Alter der förderfähigen Fahrzeuge in der Startphase. Besonders wertvoll waren in dieser Runde die Anregungen von den Betroffenen-Verbänden und von anwesenden Rollstuhlfahrer/innen. Gerlinde Bendzuck von der Landesvereinigung Selbsthilfe e. V. kritisierte die mangelnde Öffentlichkeitsarbeit. Das Förderprogramm sei doch kein „geheimes Projekt“ und müsse viel lauter publik gemacht werden, auch von der Verkehrsverwaltung. Zum Gelingen bedürfe es einer professionellen PR-Kampagne, für die Geld in die Hand genommen werden müsse. Auch die Homepage des LAGeSo müsse ansprechender gestaltet werden und das Angebot für Taxiunternehmen müsse mehrsprachig sein. FÖRDERUNG ZU WENIG BEKANNT LAGeSo-Chef Allert bot dem Taxigewerbe Gespräche an, um gemeinsam eine bessere Bewerbung der Förderung zu erreichen. Mit anderen Worten: Tu’ Gutes und sprich darüber, sonst merkt es am Ende keiner. Auch bei den Taxiunternehmen muss viel mehr für die Idee geworben werden. Dabei können auch die Funkzentralen helfen und bei ihren Funkteilnehmern Anreize schaffen. Was erneut absolut deutlich wurde und worüber bei allen Einigkeit besteht: dass die Tarife für alle Taxis gleich sein müssen und der Mehraufwand über die allgemeinen Taxitarife abgefedert werden muss. Ein Inklusionstaxi-Zuschlag, wie er im Antrag der Verbände gefordert wurde, sei diskriminierend und keine akzeptable Möglichkeit. Das sollten die Verbände in den anstehenden Gesprächen über neue Fahrpreise mit dem Senat unbedingt beherzigen. Fluggesellschaften hätten anfangs auch Zuschläge erhoben, wenn Sie Rollstühle mitnahmen und Passagiere tragen mussten. Dafür ernteten sie massive Kritik, die Zusatzkosten wurden längst in die normalen Ticketkosten eingepreist. Will das Taxigewerbe keine schlechte Presse für eine gute Sache, sollte das bei den Fahrpreisen berücksichtigt werden. sb UMLAGE STATT ZUSCHLÄGE – LÖSUNGSVORSCHLAG FÜR DAS DISKRIMINIERUNGS-DILEMMA FOTO: Stephan Berndt / Taxi Times Ein Zuschlag für Rolli-Transporte ist nicht die Lösung, um den Mehraufwand von Inklusionstaxis abzudecken. Ein positives Projekt wäre gefährdet, da in den Medien nur von Diskriminierung die Rede wäre. Ähnlich wie bei Fluggesellschaften müssen diese Kosten in den normalen Fahrpreis eingepreist werden. Allerdings kann, im Unterschied zu den Airlines, nicht jedes Taxi diese Transporte realisieren. Daher müssen die nicht inklusiven Taxis diesen Anteil am Fahrpreis in Form einer Umlage abführen. Wenn das über die Einschaltgebühr erfasst wird, besteht auch ein klares und eindeutig überprüfbares Maß für die Höhe der Abgaben. Jeder Taxameter speichert die Anzahl der durchgeführten Fahrten und damit die Einschaltungen. Somit ist die Höhe der Abgabe einfach und eindeutig zu bestimmen. Vorstellbar ist, dass das LAGeSo diesen Topf verwaltet und daraus an jedes Inklusionstaxi für jede Rollstuhlbeförderung fünf Euro auszahlt. Damit ist das Thema Rolli-Zuschlag vom Tisch und eine faire Lösung gefunden, die zudem einfach zu verwalten ist. Überschüssige Mittel können für die dauerhafte Förderung weiterer Umrüstungen genutzt werden. Mit dieser Maßnahme besteht auch die Möglichkeit, die in der Anfangsphase zu erwartenden langen Leerfahrten der zu Beginn wenigen, das Stadtgebiet nicht ausreichend abdeckenden Inklusionstaxis zu kompensieren, indem zu Beginn ein höherer Betrag je Rollstuhlbeförderung ausgezahlt wird. Denn die Betreiber der ersten Inklusionstaxis werden ohne diese Zusatzeinnahme kaum wirtschaften können. TAXI MÄRZ/APRIL 2019 31

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