GEWERBE Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer löst mit seinen Plänen Protest aus und ist bei öffentlichen Auftritten von Demonstranten umringt. DIE DREI PUNKTE DES GRAUENS „Scheuers Eckpunkte müssen weg“ fordert der Bundesverband Taxi. Besonders existenzbedrohend für die Branche sind im Entwurf des Verkehrsministeriums drei Punkte. Wir erklären, warum. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat sogenannte Eckpunkte zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes erarbeitet und vorgelegt. Bevor es am Montag, dem 18. Februar, publik wurde, hatte man es am Freitag an ausgewählte Medien geschickt. Das Handelsblatt hatte dadurch am Sonntagabend seine Exklusivstory, inklusive der Statements der Betroffenen. Am Montag wurden die Inhalte dann der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bekanntgegeben. Deren Berichterstattung wiederum wird von vielen Medien in ganz Deutschland aufgegriffen. Das Eckpunktepapier hat insgesamt drei Seiten und konkretisiert die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien CDU/CSU und SPD in fünf Punkten. Punkt Nummer eins schlägt insgesamt sechs Maßnahmen zur „Modernisierung des PBefG unter dem Stichwort Digitalisierung“ vor. Drei davon lassen die bisherige Trennung zwischen Taxi- und Mietwagenverkehr derart verschwimmen, dass man sie aus Taxisicht als existenzbedrohend einstufen muss. So zum Beispiel Punkt d, „Abschaffung der Rückkehrpflicht für Mietwagen“. Wörtlich schlägt das Ministerium hierzu vor: „Um unnötige Leerfahrten zu verhindern, wird die in § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG normierte Rückkehrpflicht für Mietwagen aufgehoben. Gleichzeitig erscheint es sinnvoll, bestimmte Bereiche für den Taximarkt zu reservieren. Daher kann Mietwagenunternehmern von den zuständigen Genehmigungsbehörden für bestimmte fahrgastreiche Bereiche ein sog. „Aufstellverbot“ auferlegt werden (alt.: positive Definition des ‚Lizenzgebietes’), um in diesen Bereichen die Kundensuche vor Ort zu verhindern.“ Mit dieser Forderung will Andreas Scheuer die bisherige strikte Trennung zwischen Taxi- und Mietwagenverkehr aufweichen. Das Taxigewerbe versucht nun, mit seinen Argumenten gegenzusteuern. So werden durch eine Aufhebung der Rückkehrpflicht keine Leerkilometer verhindert, sondern verstärkt, denn Mietwagen werden auf der Suche nach Kunden – vornehmlich im Zentrumsbereich – umherkreisen. WER SOLL DAS ÜBERWACHEN? Die angesprochenen reservierten Bereiche für Taxis in Verbindung mit einem Aufstellverbot für Mietwagen klingen zunächst einmal positiv aus Taxisicht. Doch müssten solche Bereiche kommunal sowohl räumlich als auch zeitlich definiert und dann auch noch mit hohem personellem Aufwand kontrolliert werden, ob sich die Mietwagen tatsächlich daran halten. Die Definition der Rückkehrpflicht war bisher immer eng mit der Fahrtannahme am Betriebssitz verknüpft. Auch diese soll laut Vorschlag des BMVI gelockert werden. Unter Punkt „e: Digitale Erfassung der Eingänge von Beförderungsaufträgen beim Mietwagenverkehr“ heißt es: „Um Rechtsunsicherheiten in Bezug auf die Interpretation der Norm zu vermeiden, FOTO: Taxi Times 4 MÄRZ/APRIL 2019 TAXI
GEWERBE wird die in § 49 Abs. 4 S. 4 PBefG enthaltene buchmäßige Erfassung um die Möglichkeit einer elektronischen Erfassung von Auftragseingängen ergänzt. Auch App-basierte Auftragseingänge werden hierdurch expressis verbis ermöglicht.“ Würde sich Scheuer mit dieser Forderung durchsetzen, so wäre eine wesentliche Argumentation des aktuellen BGH-Urteils zum Verbot der App von UberBlack hinfällig. Das vom Taxigewerbe mühsam erstrittene Urteil wäre das Papier nicht mehr wert, auf dem es steht. Hinsichtlich künftiger Sammelfahrten und deren (digital gesteuerter) Durchführung wird in Punkt c „Aufhebung des Poolingverbots für Mietwagen“ folgendes vorgeschlagen: „Um auch außerhalb des ÖPNV eine reguläre Genehmigungsfähigkeit neuartiger Pooling-Konzepte sicherzustellen, wird die in § 49 Abs. 4 S. 1 PBefG normierte Pflicht zur Anmietung im Ganzen aufgehoben. Damit wird Mietwagenunternehmern grundsätzlich auch die Einzelsitzplatzvermietung ermöglicht. Ebenso wird die in § 49 Abs. 4 S. 1 PBefG enthaltene Vorgabe gestrichen, nach der der Ablauf der Fahrt vom Mieter bestimmt wird, um auch Algorithmus-gesteuerte Streckenführungen zu ermöglichen. Eine Genehmigung des Verkehrs mit Mietwagen kann zulässigerweise versagt werden, sofern die zuständige Verkehrsbehörde positiv feststellt und (bspw. im Rahmen der Nahverkehrsplanung) qualifiziert begründet, dass der beantragte Verkehr und die damit einhergehende Einzelsitzplatzvermietung einzelne ertragreiche Linien des Linienverkehrs oder ein Teilnetz aus einem vorhandenen Linienverkehrsnetz gefährdet und hierdurch die Funktionsfähigkeit des Linienverkehrs insgesamt bedroht wird. Auf diese Weise kann die Kommune den Mietwagenverkehr bei einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Linienverkehrs entsprechend steuern.“ TESTET SCHEUER NUR, WIE WEIT ER GEHEN KANN? Auswirkung dieser Forderung: Auch hier würde die Trennung zwischen Taxi und Mietwagen aufgeweicht, denn die sogenannte Einzelplatzvermietung war bisher nur Taxis gestattet. Soll heißen: Apps, die fremde Menschen mit ähnlichen Fahrzeiten und -zielen zu Sammelfahrten zusammenfassen, dürfen bisher nur von Taxis angewendet werden. Deshalb wurden Moia und andere Shuttle-Dienste bisher auch nur nach der sogenannten Experimentierklausel zeitlich befristet genehmigt. Fazit: Noch ist nicht klar, welche Durchschlagskraft dieses Eckpunktepapier auf die aktuell laufenden Beratungen zur Änderung des PBefG hat. Dass man damit bewusst an die Presse gegangen ist, wird von Polit-Experten als Testballon interpretiert. Vielleicht wollte Andreas Scheuer als verantwortlicher Minister ganz bewusst die ersten Reaktionen testen. Wie laut und heftig die ausfallen, hat das Taxigewerbe mit seinen Demonstrationen in Berlin und München schon gezeigt (siehe Seite 6-7 und 21). Von daher ist es gut, dass der Bundesverband Taxi unmittelbar nach Bekanntwerden des Papiers mit klaren Aussagen Stellung bezogen hat. Geschäftsführer Thomas Grätz spricht von einer Katastrophe für das Taxigewerbe, das mit solchen Änderungen „plattgemacht“ werde. jh HOFFNUNG FÜR VIER TAGE Am 22. März saß die Spitze des Bundesverband Taxi und Mietwagen zum Arbeitsgespräch mit Minister Scheuer zusammen. Der Austausch war vielversprechend, doch vier Tage später war alles wie vorher. FOTO: Taxi Times Scheuers Eckpunkte müssen weg“ lautet das Motto der vom Bundesverband Taxi (zu diesem Zeitpunkt noch BZP) organisierten Demos in Berlin und München. Entsprechend klar war die Forderung der Verbandsspitze beim Zusammentreffen mit Andreas Scheuer in dessen Ministerium. Und überraschend positiv hatten Präsident Michael Müller, seine beiden Vizes Hermann Waldner und Peter Zander sowie Geschäftsführer Thomas Grätz hinterher das Gespräch empfunden. Man habe den Eindruck gewonnen, „dass viele unserer Argumente im Verkehrsministerium endlich angekommen sind“, hieß es noch am selben Tag aus der Geschäftsstelle des Bundesverbands. Im intensiven Gespräch wurden „die Tragweite und die Konsequenzen im Falle eines Wegfalls der Rückkehrpflicht für Mietwagen noch einmal nachdrücklich erläutert“, berichtet Verbandspräsident Michael Müller. „Unser Gewerbe ist moderner und digitaler, als manche denken. Wir haben auch weitere Argumente noch einmal in aller Deutlichkeit platziert – und auch keinen Zweifel daran gelassen, dass das Gewerbe eine Lösung erwartet.“ Die Ernüchterung kam nur vier Tage später in Form einer E-Mail: „Lieber Herr Grätz“, schrieb ein hochrangiger Mitarbeiter des Ministeriums, „Wir haben die Gesamtthematik erneut hier im Hause besprochen und uns auch mit den Koalitionsfraktionen kurz ausgetauscht. Unser Eckpunktepapier wurde als Diskussionspapier erstellt, um zu einer Meinungsbildung innerhalb der Koalitionsfraktion zu kommen. Die Fraktionen haben uns zunächst gebeten, unseren Entwurf mit den Verbänden zu besprechen. Sie werden an diesen Gesprächen mit den Fraktionen teilnehmen und somit wird der intensive Austausch fortgesetzt. Wir werden danach unsere Gespräche fortsetzen. Beste Grüße.“ Michael Müller zeigte sich von dieser Hermann Waldner (links), Thomas Grätz und Michael Müller vor dem Verkehrsministerium Zurückhaltung enttäuscht und bezeichnete das aktuelle Statement als Zick-Zack-Kurs, den man sich nicht bieten lasse wolle. „Ich finde es empörend, dass er nach einem Arbeitsgespräch an einem Freitag, bei dem er selbst noch signalisiert hat, dass er vielleicht mit seinem Papier verkehrt liegen könnte, uns dann am Dienstag per Mail mitteilen lässt, dass sein Papier erstmal so bleiben soll. Das ist ein Skandal“, sagte Müller während einer Taxi-Demo in Hannover am 28. März. jh TAXI MÄRZ/APRIL 2019 5
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