GEWERBE Rund 1.000 Demonstranten kamen zu der vom Bundesverband Taxi und Mietwagen kurzfristig organisierten Demo am Verkehrsministerium. TAXI-DEMO MIT ÜBERRASCHUNGSGAST Rund 1.000 Taxiunternehmer und -fahrer waren zu der vom Bundesverband Taxi organisierten Demonstration am 21. Februar gekommen. Unangekündigt trat dort auch Minister Andreas Scheuer auf. Der kurzfristig organisierte Protest richtete sich gegen das am Montag, dem 18.2., bekannt gewordene Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Unter dem Motto „Bleibt fair“ forderte der Verband, dass Scheuers Eckpunkte weg müssen. „Wer die Axt an unsere Existenz, unsere Arbeitsplätze und unsere Rolle für die Mobilität der Zukunft legt, muss spüren, dass wir uns wehren. Wir rufen dem Verkehrsminister zu: Nicht mit uns!!!“ Die Veranstaltung fand in Berlin am BMVI statt. So hatte der angesprochene Minister einen kurzen Weg und nutzte die Gelegenheit prompt, um als Überraschungsgast bei der Kundgebung zu erscheinen. Empfangen wurde Scheuer mit Buhrufen der wütenden Taxifahrer, die auch während seiner Ansprache immer wieder aufkamen und immer mehr von „Uber raus“-Rufen ersetzt wurden. Gleich zu Beginn seiner Ansprache betonte der Minister, dass er im Dezember mit den Verbandsvertretern in sehr sachlicher Atmosphäre über die Herausforderungen der Zukunft gesprochen habe. Eine damalige Forderung im Bereich der Elektromobilität konnte er dabei bereits als umgesetzt vermelden: Die Förderquote für kleinere und mittlere Unternehmen werde angepasst, so dass die Förderungen nun voll ausgenutzt werden können. EINIGKEIT, DASS DAS PBEFG NOVELLIERT WERDEN MUSS? Anschließend kam Scheuer auf das Eckpunktepapier für eine Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zu sprechen, die eins von vielen Themen in der Zukunft der Mobilität sei. Man sei sich doch auch mit dem Taxigewerbe einig, dass man das PBefG anpassen und novellieren müsse. Die Zuhörer sahen das wohl anders, denn auf diese Aussage folgte ein gellendes Pfeifkonzert. „Werden Sie auch pfeifen, wenn ich Ihnen sage, dass Taxifahren unverzichtbar zur Daseinsvorsorge gehört?“, wollte Scheuer daraufhin wissen. „Werden Sie auch pfeifen, weil wir die Attraktivität [der Personenbeförderung] steigern wollen, damit mehr Menschen umsteigen, z. B. auf das Taxigewerbe?“ Man habe sich immer bemüht, die Anliegen der verschiedenen Ressorts und der verschiedenen Bereiche abzubilden. „Das haben wir bei der letzten Anpassung auch gemacht, als wir sechs Jahre lang diskutiert haben“. Scheuer spielte damit auf die letzte große Novelle des PBefG an, die 2013 in Kraft trat und etliche Paragraphen zum Linienverkehr regelte, so dass ein Marktzugang der Fernbuslinien möglich wurde. Scheuer war damals als Staatssekretär mit diesem Thema befasst. „Wer hätte vor 15 Jahren gedacht, dass Taxis jetzt digital bestellt werden? Wer hätte vor sechs Jahren gedacht, was die Entwicklung bietet?“, fragte Scheuer das Publikum. Deshalb stehe nun eine weitere Novelle des PBefG an, weil es mit der Digitalisierung neue Mobilitätschancen gibt. Die Taxibranche könne doch nicht abstreiten, dass es diese neuen Chancen auch für sie gäbe. Er versprach, dass keiner das Taxigewerbe verdrängen wolle und dass alle einen fairen Wettbewerb wollen. Die FOTO: Taxi Times 6 MÄRZ/APRIL 2019 TAXI
GEWERBE Taxifahrer und Unternehmer skandierten daraufhin fast drei Minuten lang „Uber raus“. Als Scheuer dann wieder zu Wort kam, betonte er, dass man mit dem Eckpunktepapier eine Diskussionsgrundlage für das Parlament vorgelegt habe – und mit den Verbänden. Auf die klare Forderung des Verbands, dass dieses Eckpunktepapier wieder weg müsse, ging Scheuer ebenso wenig ein wie auf die Rückkehrpflicht. Stattdessen betonte er, dass man nichts beschränken und in dieser Gesetzesnovelle einen gerechten Ausgleich für die Taxi-Interessen bringen wolle, dass man aber auch neue Mobilitätsformen, welche die Branche mit ihren Unternehmen ja auch nutzen würden, offen diskutieren müsse. DENN ER TUT NICHT, WAS ER SAGT „Wir wollen doch mehr Menschen zum Umstieg auf Taxis und Personenbeförderung bringen, damit nicht noch mehr Autos in die Innenstädte fahren, sondern ihr Gewerbe davon profitiert. Neben dem ÖPNV und dem Bustransport sind die Taxis eine wichtige Säule in der Mobilität. Das ist unstrittig“, beschwichtigte Scheuer die Zuhörer. Im neuen PBefG wolle man die Grundlagen schaffen, dass Kommunen die Möglichkeit bekommen, „bestimmte fahrgastreiche Bereiche den Taxis exklusiv vorzuhalten“. Scheuer nannte als Beispiele im Eckpunktepapier erwähnte „Wink- und Wartebereiche“. „Daher kann Mietwagenunternehmern von den zuständigen Genehmigungsbehörden für bestimmte fahrgastreiche Bereiche ein sogenanntes Aufstellverbot auferlegt werden (alt.: positive Definition des ‚Lizenzgebietes’), um in diesen Bereichen die Kundensuche vor Ort zu verhindern.“ Dieses Exklusiv-Zugeständnis wird in der Taxibranche allerdings sehr skeptisch gesehen. Scheuer hingegen ist überzeugt, dass der Raum zu einer modernen Personenbeförderung geschaffen werde, wenn Kommunen es selber organisieren, dass die Personenbeförderung passgenau auf jede Kommune angewendet werden kann. Nach einer weiteren Unterbrechung durch „Uber raus“-Rufe fasste der Minister Andreas Scheuer hatte den Mut, zu den Demonstranten zu treten und zu ihrem Anliegen Stellung zu nehmen. das oberste Ziel der künftigen Mobilität zusammen: Weniger Verkehr durch weniger Privatfahrten, gelockt durch neue Mobilitätsformen – „in fairen Wettbewerbsbedingungen, mit hohen Sozialstandards und mit ganz klaren Regeln“ wünscht sich Scheuer. „Eine vollständige Liberalisierung an dieser Stelle kann es und wird es nicht geben.“ jh MUTIG – ABER NICHTSSAGEND Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat sich mit seinem Auftritt bei der Taxidemo Respekt verdient. Mehr aber auch nicht, denn seine Ansprache vor über 1.000 Demonstranten war eine verpasste Chance. FOTOS: Taxi Times Andreas Scheuer hat überrascht. Mit seinem unangekündigten Auftritt während der Taxi-Demo hat er zweifellos Mut bewiesen. Sich den über 1.000 wütenden Taxifahrern und -unternehmern zu stellen, verdient Respekt. Der wurde ihm auch gewährt, obwohl zu Beginn die Buh-Rufe das nicht haben vermuten lassen. Trotzdem muss man in der Nachbetrachtung die Kritik anbringen, dass Herr Scheuer zwar mutig geredet, aber zu zaghaft argumentiert hat. Das, was er sagte, wird keineswegs dazu reichen, die Taxibranche zu beruhigen. Vor allem dann nicht, wenn man sich bewusst macht, was er alles NICHT gesagt hat. Scheuer hat beispielsweise nicht ein einziges Mal das Wort „Uber“ in den Mund genommen, obwohl er seine Ansprache diverse Male wegen „Uber raus“-Rufen unterbrechen musste. Damit hat er eine große Chance verpasst. Schließlich geht es hier um ein Unternehmen, das seit Jahren den Beförderungsmarkt wettbewerbswidrig angreift. Ein demokratisch gewählter Politiker hätte durchaus den Mut aufbringen dürfen, Unternehmensphilosophien kategorisch abzulehnen, die nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien in Einklang zu bringen sind. Stattdessen betonte Scheuer dreimal, dass neue Mobilitätsformen ihren Platz in der Mobilität der Zukunft finden sollen. Michael Müller, Präsident des Bundesverband Taxi, hatte darauf die passende Antwort: „Nur, weil jemand permanent an der Ampel das Rotlicht missachtet, darf man doch nicht rote Ampeln abschaffen.“ Scheuer schob die Verantwortung für die fehlende Bestrafung der Rechtsbrecher (zurecht) auf die kommunale Ebene, speziell auf die Berliner Landespolitik. Warum dann aber in seinen Eckpunkten ausgerechnet die Kommunen, die schon mit der Durchsetzung der aktuellen Gesetzeslage überfordert sind, künftig auch die neuen Mobilitätsanbieter regulieren sollen, ist unter diesem Aspekt völlig unverständlich. Machen wir uns nichts vor: Der Verkehrsminister will zwar keine komplette Liberalisierung des Personenbeförderungsmarktes, aber er will auf jeden Fall die neuen Anbieter berücksichtigen. Die Verantwortung dafür, dass trotzdem auch das Taxi und der Linienverkehr ihre Daseinsvorsorge erfüllen, wird an die Kommunen abgeschoben. Anstatt die Kommunen zu stärken, bestehende Regelungen praxisgerecht kontrollieren zu können, stülpt man ihnen ein wahres Bürokratiemonster auf. Das kann nicht funktionieren. Ein Kommentar von Jürgen Hartmann TAXI MÄRZ/APRIL 2019 7
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