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Taxi Times Berlin - Oktober 2017

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ANTRIEB ES GIBT VIEL ZU

ANTRIEB ES GIBT VIEL ZU TUN – WARTEN WIR’S AB! Politik und Autoindustrie trafen sich zum „Diesel-Gipfel“. Warum jetzt, zwei Jahre nach dem Aufkommen des „Diesel-Skandals“, der in Deutschland schon fast unter den Teppich gekehrt war? Der Anfang der Geschichte ist bekannt. Eine US-Umweltbehörde hatte bei den dort erfolgreichsten Dieselfahrzeugen von Volkswagen im normalen Straßenbetrieb nachgemessen, was hinten rauskommt, und dabei festgestellt, dass dies ein Vielfaches an Schadstoffen war von dem, was dieselben Modelle auf dem offiziellen Rollenprüfstand von sich gaben. Schließlich musste VW zugeben, die strengen Schadstoffgrenzwerte auf dem Prüfstand nur mit Hilfe einer Schummelsoftware eingehalten zu haben. Die Empörung war groß, zumal Volkswagen in den USA horrende Strafen und Entschädigungen zahlen musste, während sich in Deutschland alle Verantwortlichen darin einig waren, dass ein Software-Update und der Einbau eines billigen Plastikteils alles wieder ins rechte Lot rücken würde. Nichts mit Strafen und Entschädigungen. VW habe sich nichts zuschulden kommen lassen, hieß es. Die Nachsicht deutscher Behörden und Politiker war beeindruckend – bis deutsche Gerichte nicht mehr anders konnten, als Fahrverbote für Diesel-Autos zu verfügen, wenn die Einhaltung verbindlicher Abgasgrenzwerte anders nicht eigehalten werden können. Als dann auch noch herauskam, dass sich deutsche Autobauer intern auf eine kostensparende, nur rudimentäre Abgasreinigung in ihren Autos geeinigt hatten, kam Hektik auf in Politik und Verwaltung. 22,90€ LERNBUCH UND APP Spezialatlas zum Taxischein für Berlin Das Standardwerk für P-Schein-Anwärter, Ausbilder und Prüfer zur Klärung von Fragen zur Ortskunde in Berlin Mehr Infos: www.spezialatlas.de Die Trainings-App (Android; iOS) zur Vorbereitung auf die P-Schein-Prüfung für Taxifahrer, Mietwagenfahrer und Krankenwagenfahrer in Berlin. Neu: mit Prüfungssimulation POLITISCHE ENTSCHLOSSENHEIT KURZ VOR DEM WAHLTERMIN Schummel-Software, qualitätsmindernde Absprachen, die nach illegalem Kartell riechen, und obendrein nicht mehr fahren dürfen mit den teuren Qualitätsprodukten – da musste etwas geschehen. Soviel Platz war unter dem größten Teppich nicht. Verstrickung in Machenschaften so kurz vor der Bundestagswahl, der Eindruck durfte gar nicht erst aufkommen. Die Politik zeigte Entschlossenheit und berief den Diesel-Gipfel ein. Mit großem Tamtam wurden noch größere Erwartungen geweckt, dass nun endlich das klärende Tribunal der rechtschaffenen Politiker gegen die tricksende Autoindustrie stattfindet. Daraus ist leider nichts geworden. Außer ein paar windelweichen Maßnahmen, die eine wirkliche Bereinigung der prekären Lage über den Wahltermin hinauszögern, ist nichts herausgekommen. Es war FOTO: Adobe Stock / cherezoff 28 OKTOBER/ 2017 TAXI

ANTRIEB FOTO: NOX ein bisschen so, als hätte Al Capone in schlimmsten Prohibitionszeiten die „Ehrenwerte Gesellschaft“ zu einem Kongress gegen die Ausbreitung des Alkoholmissbrauchs eingeladen. Alle haben gewusst bzw. hätten wissen können, was läuft, auch ohne aufgeflogene Schummelsoftware und Kartellgekungel. Abgasreduzierung im Straßenverkehr findet vorwiegend auf dem Papier statt. Die Abgas- und Verbrauchswerte vom offiziellen Rollenprüfstand zeigen nur einen Bruchteil der wirklichen Werte im Alltagsgebrauch, ganz legal. Der Gesetzgeber hat das so eingerichtet. Die Betriebsgenehmigungen für neue Autos erteilt das Kraftfahrtbundesamt nach diesen fiktiven Werten, inklusive der ausgedehnten „Temperaturfenster“, in denen die Abgasreinigung „zum Schutz des Motors“ abgeschaltet wird. Auch das ist ganz legal. Der Gesetzgeber hat es so eingerichtet. Der Vergabe von Umweltplaketten für das Befahren von Umweltzonen und den Flottenemissionsgrenzwerten, zu denen sich einzelne Autobauer verpflichtet haben, werden ebenfalls die fiktiven Papierwerte zugrunde gelegt. Alles legal, alles so eingerichtet. DIE HEUCHELEI DER POLITIK Wenn Politik und Verwaltung jetzt über die böse Autoindustrie lamentieren, die die Gesetzeslücken weidlich ausnutzt, ist das eine ziemliche Heuchelei. Die Gesetze, die das ermöglichen, haben sich der Gesetzgeber und die Autolobby in trauter Gemeinsamkeit und teilweise in Personalunion selbst geschrieben. Hat sich nicht mal einer stolz „Autokanzler“ genannt? Das war nur einer von zahlreichen Autoministern. Vergessen wir nicht, das ganze dient dem Wohle des Volkes, denn die Autoindustrie ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Blöd nur, dass das Volkswohl nicht nur im Portemonnaie der Menschen stattfindet, sondern auch in der Luft, die sie atmen. Und da versagt die Papierfiktion. Die Einhaltung der Abgasgrenzwerte, zu der sich auch Deutschland in internationalen Abkommen verpflichtet hat, wird auf der Straße gemessen und nicht auf dem Rollenprüfstand. Allein dieser Umstand reicht, um die wackelige Konstruktion aus schönen Werten auf dem geduldigen Papier zum Einsturz zu bringen. Der Diesel-Skandal kommt in den Fahrverbotsurteilen gar nicht vor. Er hat der verfahrenen Situation nur eine neue Dynamik verpasst. Was nun? Die deutsche Autoindustrie, nicht nur der skandalgeschüttelte VW-Konzern, hat eilends ein neues Software-Update für Diesel-PKW versprochen, das die Abgaswerte senken soll. Das erstaunt, da doch die Autoindustrie zuvor vollkommen im Einklang mit den Gesetzen war. Kostenpflichtige Verstöße gab es nur in den USA, wollte man uns weismachen. Außerdem bieten die Autobauer „Abwrackprämien“ in beachtlicher Höhe für alle gar nicht so alten Diesel-PKW, wenn man bei ihnen ein neues Auto kauft. Ob diese neuen Autos dann tatsächlich kaum noch Schadstoffe von sich geben? Man weiß es nicht. Die Rollenprüfstandwerte sind bestens wie immer. Wirklich nachgemessen auf der Straße hat schon wieder keiner. Man muss wohl davon ausgehen, dass die deutschen Autobauer auf Teufel komm raus weiter mit dem altbewährten Diesel-Motor Geld verdienen wollen. Das ist wie mit einer alten Taxe, die bezahlt ist. Sie verdient Geld. DIESELVERBOTE GEHEN GAR NICHT Politisch kommt die alte Gangster-Weisheit zum Einsatz: Die Androhung eines Übels wirkt genau so wie das Übel selbst. Allein die Diskussion über mögliche Fahrverbote hat schon bewirkt, dass die Zulassungsrate von Diesel-Pkw in den Keller gehen, dass gebrauchte Diesel wie Blei bei den Händlern stehen. So kriegt man die Diesel-Rate runter, ohne sich groß aus dem Fenster zu lehnen. Abwarten nach der Methode Merkel – damit kann man sogar die Luft verbessern. Was heißt das für uns, das Taxigewerbe? Sollen wir darauf vertrauen, dass Frau Merkel auch nach der Wahl keine Fahrverbote Der öffentliche Druck auf die Bundesregierung wächst. will? Einiges spricht dafür, dass allgemeine Fahrverbote für Diesel gar nicht gehen. Ein zusammenbrechendes Taxigewerbe wäre für die Allgemeinheit vielleicht noch verkraftbar. Aber der Güterverkehr fährt fast ausschließlich mit Diesel. Versorgung und Entsorgung ist gegenwärtig ohne Diesel nicht zu machen. Saubere Luft und nichts zu essen kann keiner wollen. Andererseits können die Gerichte gar nicht anders, als Fahrverbote zu verfügen, wenn andere Maßnahmen nicht greifen. Was das für Maßnahmen sein können, wird seit geraumer Zeit schon auf allerlei Zukunftsforen diskutiert, Stichwort neue, smarte Mobilität. Konkret gibt es für uns, das Taxigewerbe, wenig Spielraum. Wer unbedingt ein neues Auto braucht, ist mit Erdgas und Hybrid halbwegs sicher. Die Auswahl ist allerdings dünn. Elektro kann noch nicht das, was wir brauchen, und/oder ist zu teuer. Am besten, wir machen es wie Frau Merkel: Warten wir’s ab. wh DIE WICHTIGSTEN TAXITHEMEN Damit Sie nichts verpassen, schicken wir Ihnen jede Woche die aktuellen Neuigkeiten aus der Taxibranche als Newsletter. Jetzt anmelden! www.taxi-times.taxi/newsletter TAXI OKTOBER/ 2017 29

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