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Taxi Times DACH - 2. Quartal 2020

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BERLINER WETTBEWERB

BERLINER WETTBEWERB Totgesagte leben länger UBER, BERLKÖNIG & CO. FAHREN WEITER Auch die Pseudo-Taxi-Anbieter versuchten, aus der Krise das Beste zu machen. Ob bloße Image-Aufbesserung oder staatlich unterstützte Krankenfahrten: Meist geschah es zum Schaden des Taxigewerbes. Der Berlkönig, betrieben von der Daimler-Tochter ViaVan und der BVG, erwirtschaftet Verluste, wie Uber. In der Krise fand er seine Notbestimmung. Er fuhr vom 25.3. an kostenlos medizinisches Personal. Am 17.4. teilte die BVG mit, man stelle den „Ridepooling- Service BerlKönig weiter in den Dienst des Berliner Gesundheitswesens“ und fahre „exklusiv und kostenlos ärztliches Personal, Pflegepersonal, medizinische Fachangestellte und Rettungskräfte.“ Eigentlich hatte der Dienst schon vor der Krise eingestellt werden sollen, da man nur mit 43 Millionen an jährlichen Steuergeldern weitermachen wollte. Moia, bisher ausschließlich von VW gesponsert, Anbieter in Hamburg und Hannover (in Berlin hatte man keine Genehmigung erhalten), hatte seinen Dienst zwar zunächst eingestellt, erfreute sich nun aber nächtlicher Fahrten in Hamburg. Der dortige Senat übernahm ab Anfang April die Kosten für Moia-Fahrten zwischen virtuellen Haltestellen von null bis sechs Uhr komplett und für Taxifahrten mit vier Euro Fahrgastbeteiligung. Uber, auf dessen Tür-Klebern neuerdings betont wird, man sei Vermittler und nicht selbst Beförderer, verkündete Mitte April: „Uber vermittelt 20.000 kostenfreie Fahrten für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Start am Donnerstag, 16. April 2020, in München; Berlin, Frankfurt/Main, Köln und Düsseldorf folgen“. Was das Taxi in einigen Städten – teils staatlich unterstützt, teils in selbstloser Eigeninitiative – bereits eingeführt hatte, entdeckte auch der amerikanische Milliardenkonzern für sich. EINE GUTE TAT – ZUMINDEST FÜR DEN RUF VON UBER Die Zahl von 20.000 Fahrten bezog sich offenbar auf alle genannten Städte zusammen. Die Fahrer erhielten laut Uber den vollen Fahrpreis – oder war das gemeint, was nach Abzug der ubertypisch hohen Vermittlungsmarge davon übrig bleibt? Taxi Times hat aus online verfügbaren Daten grob überschlagen, dass in den genannten Städten rechnerisch jeder zehnte Arzt oder Krankenpfleger einmal eine der kostenlosen Uber-Fahrten abbekommen könnte. Ubers Offensive erscheint damit nicht wirklich wie die Absicht, effektiv zu helfen. Wäre nicht alles eher traurig, könnte man von einem PR-Gag sprechen. So mancher Anbieter vollbrachte also medienwirksam „guten Taten“ – die die Not des Taxigewerbes weiter verschlimmerten. In Berlin sind seit März weniger Pkw auf den Straßen unterwegs, was auch für Taxis gilt. Gerade mittelständische Betriebe mit mehr als zehn Fahrzeugen haben aufgrund fehlender staatlicher Nothilfen zum Teil ihre kompletten Flotten eingemottet. Der Anteil an Free-Now-, Uber-, Berlkönig- und Clever-Shuttle-Fahrzeugen im Straßenverkehr hat aber nicht auffallend abgenommen. Sie alle verzeichnen zwar erhebliche Umsatzeinbußen, verfügen aber mit Ausnahme von Clever Shuttle über quasi unendlich liquide Geldgeber, die ausschließlich ihren profithungrigen Anlegern verpflichtet sind. Ebenfalls nicht gut lief es schon im letzten Jahr für Clever Shuttle, betrieben von der GHT Mobility GmbH, die zu 76 Prozent der Deutschen Bahn AG (und damit dem Staat) gehört und zu je zwölf Prozent dem Gründer-Trio und (seit letztem Oktober) dem japanischen Konzern Mitsui. In drei der acht Städte gab der Fahrdienst auf, doch in Berlin ging er einen ähnlichen Weg wie der Berlkönig und fuhr – laut Berliner Zeitung – für das Robert-Koch-Institut und die Charité, häufig erkennbar an den weiß-grünen Autos am Campus Mitte der Charité. ar FOTO: Axel Rühle / Taxi Times 6 2. QUARTAL 2020 TAXI - Regionalausgabe Berlin

BERLINER WETTBEWERB DIE NICHT GEMEINNÜTZIGE STUDIE Eine Studie soll Pooling-Dienste stärken und als sinnvolle ÖPNV-Ergänzung positionieren – dort, wo andere Verkehrsformen nur schlecht bedienen können. Tut sie das? Clever Shuttle und die Charité: fragwürdige Zweckgemeinschaft FOTO: Leszek Nadolski Ein Kommentar von Leszek Nadolski Wir, die Innung des Berliner Taxigewerbes e. V., melden uns anlässlich der Expansionspläne von Clever Shuttle und der hochgelobten WZB-Studie zu Wort. Dabei handelt es sich um eine im April 2020 erschienene Untersuchung zur Bedeutung von Pooling- Diensten, die vom Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) erstellt wurde, einer gemeinnützigen GmbH, die zu 75 Prozent dem Bund und zu 25 Prozent dem Land Berlin gehört. Interessant an der Studie ist, dass die Datenauswertung in sichtlich geringem Maße tatsächlich die formulierten Ziele stützt. Denn die Ergebnisse zeigen, dass der Fokus von Pooling-Diensten im Zentrum von Innenstädten liegt – wo das Angebot an Bus, Bahn und Taxi am höchsten und zeitlich am längsten in kurzen Intervallen verfügbar ist. Zudem liegt der Haupt-Nutzungszeitraum von Clever Shuttle zwischen 18:00 und 1:00 Uhr – sowohl in der Woche als auch am Wochenende. Innerhalb dieses Zeitraumes sind die Wartezeiten auf ÖPNV in Stadtzentren jedoch weder gering, noch fehlen sie. 55 Prozent der Befragten hätten Bus oder Bahn genutzt und nur knapp 10 Prozent das eigene Auto, wenn es Clever Shuttle nicht gegeben hätte. 20 Prozent hätten das Taxi genutzt. Dieses Ergebnis spricht deutlich gegen die Behauptung, dass der ÖPNV ergänzt würde. Insgesamt sprechen diese Befunde eher gegen die Ziele der Studie. Medial wird dies jedoch wie so oft etwas verschleiert. GELDER LASSEN SICH SINNVOLLER EINSETZEN Das Taxigewerbe, das ein Teil des öffentlichen Personennahverkehrs, also der Daseinsvorsorge ist, ist in der aktuellen Pandemie-Situation mit Umsatzeinbrüchen von schätzungsweise 80 bis 90 Prozent betroffen. Die gewährten Sonderzahlungen über die IBB und ähnliche Maßnahmen können die betriebswirtschaftlichen Verluste nur für eine sehr kurze Zeit abfedern. Die Fahrer sind bei einem Kurzarbeitergeld, in dessen Berechnung Zulagen für Nachtarbeit und Trinkgeld natürlich nicht einfließen, zusätzlich auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Da die Auswirkungen der Pandemie die Welt sicher noch sehr lange beschäftigen werden, möchten wir abermals unsere Gesprächsbereitschaft anbieten, denn das Steuergeld, das KuG und AlgII kosten, könnte man sinnvoller einsetzen, so dass ein Gewinn für die Bevölkerung durch Transportmöglichkeiten im Taxi entsteht. DASEINSVORSORGE WIRD NICHT ERNSTGENOMMEN Weiter hat das Gewerbe schon sehr frühzeitig angeboten, Krankenhauspersonal und Pflegepersonal zu einem besonders günstigen Tarif zu fahren. Damit könnte der Geschäftsbetrieb und somit die Daseinsvorsorge gegebenenfalls im Bereich der Mobilität durch gezielte Subventionen aufrechterhalten werden. Wie wir unlängst der Presse entnehmen konnten, ist der Regierende Bürgermeister von Berlin ein großer Verfechter der Daseinsvorsorge. Das könnte zu dem Gedanken führen, dass der Rest des Berliner Senats dieser Idee folgt. Bemerkenswert, dass dies in der Presse betont werden muss, da die Daseinsvorsorge ja ohnehin zu den Staatsaufgaben gehört, im Falle des Taxigewerbes aber offensichtlich nicht ernst genommen wird. Die Situation stellt sich also aktuell so dar: Von den ca. 8.000 Berliner Taxen steht eine nicht unerhebliche Anzahl von ca. 3.000 abgemeldet still. Die verbleibenden ca. 5.000 Fahrzeuge gewährleisten zwar die Daseinsvorsorge für verbliebene Fahrgäste, allerdings mit einem Stundenumsatz, von dem sich der Betrieb sehr deutlich nicht aufrechterhalten lässt. In diesem Zusammenhang müssen wir abermals aufs schärfste gegen das Gewährenlassen von ViaVan (Berlkönig) und der Deutschen Bahn (Clever Shuttle) in Berlin protestieren. PROBEWEISE GENEHMIGUNG GALT FÜR POOLING Wir fragen uns, wie die aktuelle Tätigkeit von Berlkönig und Clever Shuttle in Berlin mit dem Personenbeförderungsgesetz vereinbar ist. Zugelassen sind diese Verkehrsformen zur Erprobung des Pooling-Verkehrs nach § 2 (7) PBefG. Wie kann es sein, dass nun jeweils nur noch ein Fahrgast befördert wird, und das im Falle von Berlkönig, der seinen Dienst eigentlich zum 1.4. einstellen wollte, auch noch mit der Subvention durch den Berliner Senat? Eine Subvention, die erst im Februar abgelehnt wurde! Somit erbringen diese beiden Dienste keinen Verkehr mehr nach dem Erprobungsparagraphen des PBefG, sondern schlicht die Dienstleistung Taxi – diese erfordert aber eine Taxikonzession. Besonders ärgerlich ist, dass die Fahrzeuge von Clever Shuttle den Eindruck erwecken, sich unerlaubt bereitzuhalten, zum Beispiel an der Charité. Dies ist auch nach dem PBefG nur den Taxen gestattet! Die „Krise“, in die uns die Verbreitung des Coronavirus geworfen hat, bringt in vielen Bereichen ungelöste, unbearbeitete, ignorierte und ganz besonders auch falsch gehandhabte Aufgaben an den Tag. Wir fordern die zuständigen Stellen im Senat auf, ihren Teil an den „Aufräumarbeiten“ unverzüglich beizutragen und mit dem Taxigewerbe gemeinsam zu einer Lösung zu kommen. ln TAXI - Regionalausgabe Berlin 2. QUARTAL 2020 7

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