E-TAXIS DOPPELINTERVIEW MIT DR. ANJES TJARKS UND DIRK RITTER Senator Dr. Anjes Tjarks (links) und Sachgebietsleiter Dirk Ritter (unten) »HAMBURG KNACKT DIE 200« In Hamburg sind innerhalb der letzten 14 Monate 200 E-Taxis in Betrieb genommen worden. Das macht vor allem den Senator und den Fachbereichsleiter der Behörde stolz. In einem ausführlichen Doppelinterview mit Taxi Times ziehen Dr. Anjes Tjarks, Hamburgs Senator für Verkehr und Mobilitätswende, und Dirk Ritter, Leiter des Sachgebiets Aufsicht und Genehmigungen, Bilanz. Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe der Taxi Times DACH sowie auf der Homepage erschienen. Jene Passagen, die auch für München interessant sind, fassen wir nachfolgend zusammen. TAXI TIMES: Herr Tjarks und Herr Ritter, sie haben unter dem Namen „Projekt Zukunftstaxi“ ein umfassendes Förderprogramm aufgelegt. Dabei fördern Sie nicht die Anschaffung eines Taxis, sondern die Mehrkosten. Wo ist da der Unterschied? DIRK RITTER: Wir fördern einen Ausgleich zum betrieblichen Mehraufwand, der durch den Einsatz von E-Taxen besteht, weil der Unternehmer sein Personal im Umgang mit den Fahrzeugen schulen und qualifizieren muss, weil man beim Laden der Elektromodelle mehr Zeit aufwenden muss, vielleicht auch eine Tour weniger macht oder auch mal eine Fuhre absagen muss. Damit wollen wir die Unternehmer nicht alleine lassen. DR. ANJES TJARKS: Während Verbrenner-Taxen schon werkseitig umgerüstet vom Band rollen, müssen E-Taxen nachgerüstet werden. Auch das ist zusätzlicher betrieblicher Aufwand, der teurer ist, als wenn man es gleich einbauen würde. Neben dem Finanztopf braucht es auch eine gut aufgestellte Behörde, um ein solches Projekt organisatorisch und verwaltungstechnisch zu stemmen. Wie war das bei Ihnen möglich? RITTER: Wir haben das ganze Verfahren bis hin zur Umsetzung der Auszahlung übernommen, das sind teilweise fünf Raten pro Jahr. Jede Zahlung muss einzeln händisch angestoßen werden. Das ist letztendlich eine Frage der Prioritäten und der Organisation. Im Rahmen der Digitalisierung, die wir im Laufe der letzten drei »Die Infrastruktur muss mit den Umstiegszahlen der Autos mitwachsen.« Dr. Anjes Tjarks bis vier Jahre erlebt haben, haben wir die Abläufe verbessern können. Zudem haben wir extrem motivierte und „lustreiche“ Mitarbeiter. Alle arbeiten lieber einen Tag mehr als einen zu wenig. Insgesamt wollen Sie 500 E-Taxis fördern, haben aber als Ziel auch ausgegeben, 30 exklusive Schnellladesäulen für Taxis zur Verfügung stellen zu wollen. TJARKS: Die Infrastruktur muss mit den Umstiegszahlen der Autos mitwachsen. Sie muss über die ganze Stadt verteilt sein, weil Taxen in der ganzen Stadt fahren. Vor dem Hintergrund ist es für uns wichtig, hier entsprechende Orte zu suchen, die ohnehin stark frequentiert sind, und dann Kooperationen mit Institutionen einzugehen. RITTER: Das Wesentliche ist: Wir haben uns vom Konzept verabschiedet, dass wir auf öffentlichen Plätzen nach weiteren geeigneten Plätzen suchen. Das würde dann auch in Konkurrenz zum grundsätzlichen öffentlichen Ausbau der Ladeinfrastruktur stehen, zumal solche öffentlichen Plätze in einer Stadt rar gesät sind. Also haben wir den Projektgedanken fortgedacht und gehen nun auf die Privatwirtschaft zu, indem wir diese mit Ladeinfrastrukturanbietern zusammenbringen. Spielt die Privatwirtschaft dabei mit? RITTER: Ja. Alle Infos zum Hamburger „Projekt Zukunftstaxi“ FOTO: Henning Angerer, Freie und Hansestadt Hamburg 10 3. QUARTAL 2022 TAXI
E-TAXIS Bei einer Diskussionsrunde zu E-Taxis in Stuttgart saß auch der Münchner Taxiunternehmer Gregor Beiner auf dem Podium. EINLADUNG ZUM RUNDEN TISCH Anders als in Hamburg tut sich das Taxigewerbe im Rest der Republik noch schwer mit dem Umstieg auf E-Taxis. Warum ist das so und was kann man besser machen? FOTO: VV Baden Nicht nur in München steigt die Zahl der Elektro-Taxis nur sehr langsam, auch in Stuttgart ist der Wille zum Umstieg noch sehr dürftig. Ein Landtagsabgeordneter der Partei Bündnis 90/Die Grünen hatte deshalb Anfang Juli zu einer Diskussionsrunde mit dem Taxigewerbe eingeladen. Man wollte die Probleme der Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Umsetzung der Umstellung der Flotte auf E-Mobilität herausarbeiten und Lösungsansätze aufzeichnen. Was in Stuttgart besprochen wurde, lässt sich größtenteils auch auf die Situation in München übertragen. Eingeladen waren dazu Iordanis Georgiadis von der Taxi-Auto- Zentrale Stuttgart sowie Gregor Beiner, Geschäftsführer des Münchner Taxi Zentrums und zudem im Vorstand des Bundesverbands Taxi und Mietwagen (BVTM) sowie im europäischen Taxiverband aktiv. Georgiadis warf seiner Stadtpolitik vor, durch unglückliche Entscheidungen den Taxiunternehmen keine Sicherheit und keine Perspektive geboten zu haben. Um den Wandel zu E-Taxis vornehmen zu können, brauche die Branche Aufträge und einen funktionierenden Markt. DAS GROSSE EICHPROBLEM Weitere hemmende Faktoren lägen in der nach wie vor geringen Anzahl an potenziellen Fahrzeugmodellen und an der Tatsache, dass diese Modelle viel zu lange Lieferzeiten hätten und darüber hinaus einen zu hohen Anschaffungspreis. Auf Letzteres ging auch Gregor Beiner ein. Obwohl die Betriebskosten eines E-Taxis geringer ausfallen (Beiner konnte dies anhand seiner seit vier Jahren eingesetzten E-Taxis belegen), kompensiere das nicht die Mehrkosten bei der Fahrzeuganschaffung. Die Politik sei daher nach wie vor in der Pflicht, finanzielle Anreize bei der Fahrzeuganschaffung zu bieten. Bei der anschließenden Diskussionsrunde wurde durch einen weiteren Teilnehmer auch das Eichproblem angesprochen: Seit der Überarbeitung des Eichgesetzes im Jahr 2016 benötigen Taxis eine Konformitätsbescheinigung. Somit muss der Fahrzeughersteller eine Erklärung abgeben, dass das Geschwindigkeitssignal aus dem Fahrzeug dem Eichrecht entspricht. Dieses Dokument wird von vielen Herstellern nicht zur Verfügung gestellt, sodass eine eichrechtkonforme Taxiumrüstung bei manchen Modellen nicht möglich ist. Viele Taxiunternehmer fahren deshalb mit ihren neu zugelassenen und umgerüsteten Taxis bis nach Bremen, weil die dortige Eichbehörde den Interpretationsspielraum des Eichrechts als einzige sehr taxifreundlich auslegt. Natürlich war auch das Laden ein großes Thema bei dieser Veranstaltung. Obwohl Baden-Württemberg die Anschaffung von Ladeinfrastruktur mit bis zu 10.000 Euro fördert, werden diese Mittel nur sehr wenig abgerufen. Aus dem Taxigewerbe kamen dazu einige Erklärungen: Probleme der Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Umsetzung der Umstellung der Flotte auf E-Mobilität herauszuarbeiten und Lösungsansätze vor allem mit Blick auf den Ausbau einer ausreichenden Infrastruktur zu erarbeiten. GEWERBE BRAUCHT EXKLUSIV-LADESÄULEN Es sei auch nicht hilfreich, wenn ein Energieversorger viele Ladeparks installiert, denn das Gewerbe brauche eigene Exklusiv-Schnellladesäulen genau dort, wo sich die Taxis auch hauptsächlich bewegen, sagte Beiner dazu. Er hält deshalb einen runden Tisch mit allen Protagonisten für unverzichtbar, „damit auch jeder versteht, was der andere braucht. Sich miteinander vernetzen und das Verständnis füreinander zu entwickeln, ist extrem wichtig“, sagte Beiner und machte zudem die Anbieter von Schnellladern darauf aufmerksam, dass die Taxibranche auch ein ernst zu nehmender Geschäftskunde ist: „So viel, wie wir laden, lädt kein anderer.“ jh TAXI 3. QUARTAL 2022 11
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