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UmweltJournal Ausgabe 2019-03

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4 BIOÖKONOMIE

4 BIOÖKONOMIE UmweltJournal /Mai 2019 Projekt Austrian BioCycles Biobasierte Industrie als Bestandteil der Kreislaufwirtschaft Aktuell wird im Projekt Austrian BioCycles erhoben, welches Nutzungs- und Substitutionspotenzial es für Sekundärbiomasse in Österreich gibt. Zuerst werden die anfallenden Mengen für sekundäre Rohstoffe und Nebenprodukte erhoben und geografisch verortet. Dann wird anhand von vorhandener Infrastruktur ein logistisch optimiertes Netzwerk von integrierten Bioraffinerien erarbeitet. Das UmweltJournal sprach mit ÖGUT-Projektleiterin Erika Ganglberger. Foto: ÖGUT Für eine Umsetzung der Bioökonomie sind Reststoffströme und Nebenproduktnutzungen eine wichtige Grundlage. Erika Ganglberger, ÖGUT UJ: Wie wird das Projekt Austrian BioCycles helfen die Umsetzung „Bioökonomie“ in Österreich zu forcieren? Ganglberger: In dem Projekt wird die Ist-Situation der biogenen Reststoffe in Österreich beziehungsweise in angrenzenden Ländern erhoben. Erst wenn die Verfügbarkeit biogenen Materials mengenmäßig und örtlich geklärt ist, können verlässliche Aussagen über mögliche Nutzungswege und Substitutionspotenziale getroffen werden. Für eine Umsetzung der Bioökonomie sind Reststoffströme und Nebenproduktnutzungen eine wichtige Grundlage. Austrian BioCycles ist ein vom BMVIT beauftragtes einjähriges Forschungsprojekt. Gemeinsam mit alchemia-nova, Scenario editor und dem Institut für Produktion und Logistik der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) wird bis Frühjahr 2020 ein integriertes Bioraffinerienetzwerk für Österreich konzipiert und in einer Landkarte dargestellt. Grafik: Alchemia-Nova Im Projekt „Austrian BioCycles“ wird das Thema der sekundären Biomassen und der potenziellen Verwertung in Österreich in Kooperation von alchemia-nova (ALCN), scenario editor (SCED), Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) und dem Institut für Produktion und Logistik der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) behandelt. Die anfallende sekundäre Biomasse wird in einem detaillierten Mengengerüst erhoben und das theoretische Substitutionspotenzial herausgearbeitet. Nach der Erhebung vorhandener Infrastrukturen wird ein Logistikkonzept für ein integriertes Bioraffinerienetzwerk in Österreich entwickelt und in einer Landkarte dargestellt. In einer Gegenüberstellung werden herkömmliche Produktionswege biobasierter Materialien und integrierte Bioraffinerie-Kaskaden verglichen. Gibt es schon erste Ergebnisse und Trends, die erkennbar sind? Welcher Rohstoff zum Beispiel wird in dieser Betrachtung besonders wichtig sein? Das Projekt steht erst am Anfang, aktuell geht es darum ein Mengengerüst für Sekundärbiomasse zu erstellen und wichtige Massenströme zu identifizieren. Auf Basis dessen werden ökonomisch sinnvolle Verwertungswege entwickelt. Berücksichtigt werden vorhandene nicht (mehr) genutzte Infrastrukturen (zum Beispiel stillgelegte Zuckerfabriken) und Logistik- und Transporterfordernisse (wie Lagerstandorte, Anschlussbahnen). Was muss Ihrer Ansicht nach in Österreich ganz besonders berücksichtigt werden auf dem Weg zu einer kreislauforientierten, nachhaltigen Bioökonomie? Bioökonomie muss in Kombination mit Kreislaufwirtschaft gedacht werden, damit die verfügbaren Flächen optimal genutzt werden und sich die Konkurrenzsituation nicht zusätzlich verschärft. Aufgrund der begrenzten Landflächen greift bei der Umsetzung einer nachhaltigen Bioökonomie ein rein produktionsorientierter Ansatz zu kurz, denn bei intensiverer Nutzung bedarf es eines umfassenden Monitoring Systems, das den Erhalt der Bodenressourcen und -fruchtbarkeit, der Biodiversität und den Schutz vor Übernutzung gewährleistet. Nicht zuletzt braucht es eine gesellschaftliche Veränderung und eine Umstellung von Konsummustern, denn durch Flächenversiegelung und wachsenden Fleischkonsum (Anmerkung: von den fünf Milliarden Hektar der weltweit genutzten Agrarfläche werden etwa 3,55 Milliarden Hektar als Weideland genutzt) gerät die knappe Ressource Land weiter unter Druck. MULTISTAR ONE MOBILE STERNSIEBMASCHINE MIT ÜBERLÄNGENRÜCKFÜHRUNG Aufbereitung von Altholz und Biomasse mit höchster Effizienz. Durchsatz bis 200 m 3 /h. www.komptech.com

Mai 2019/ UmweltJournal BIOÖKONOMIE 5 BioKompass-Zukunftsbilder zeigen: Wie leben wir in der Bioökonomie der Zukunft? Bioökonomie – Ziele & Widersprüche Umweltmanagement Foto: Fraunhofer, BioKompass ZAPPAR HOLEN PDF ansehen Wegen des Klimawandels müssen wir alle fossilen Ressourcen durch Erneuerbare ersetzen. Eine Entwicklung zur Kreislaufwirtschaft ist ein Gebot der Nachhaltigkeit. Zu beiden Zielen soll die österreichische Bioökonomiestrategie beitragen. In der Abbildung sind die insgesamt sechs strategischen Zielfelder der Bioökonomiestrategie dargestellt. DI Rupert Christian „erneuerbaren“ Strom erzeugte Gase (H2, CH4). Damit soll die aktuelle Gasinfrastruktur aufrechterhalten werden. Wir haben aber weder genug erneuerbaren Strom noch ausreichend Biogas um damit Erdgas 1:1 zu ersetzen – und zwar schon gar nicht, wenn im (guten!) Sinne der Bioökonomiestrategie fossile Ausgangsstoffe durch biogene ersetzt werden. Es kann nicht Ziel der Bioökonomie- Nachhaltige gesellschaftliche Transformation fördern Erreichung der Klimaziele Arbeitsplätze sichern und schaffen Strategie Maßnahmen Bioökonomie Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Rohstoffen reduzieren Wie leben, wohnen oder ernähren wir uns zukünftig in einer nicht mehr auf fossilen Rohstoffen basierenden Wirtschaft? Dies diskutierten Experten aus Industrie und Forschung zusammen mit Jugendlichen beim zweiten BioKompass-Zukunftsdialog im Herbst vergangenen Jahres im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt. Daraus sind die BioKompass-Zukunftsbilder entstanden, die mögliche Varianten des Alltags in einer Bioökonomie des Jahres 2040 beschreiben. Um herauszufinden, wie das Leben in der Bioökonomie der Zukunft aussehen könnte, erkundeten über 50 Teilnehmende bei einem Zukunftsdialog im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt unterschiedliche Zukunftsszenarien. Diese Szenarien wurden zuvor unter Leitung des Fraunhofer ISI mit Experten entwickelt. Im Zukunftsdialog haben sich die Teilnehmer nun typische Alltagssituationen im Leben eines Menschen im Jahr 2040 vorgestellt und sind mittels der Storytelling-Methode in unterschiedliche Zukünfte einer Bioökonomie eingetaucht. Die vier Zukunftsbilder und Alltagsgeschichten zeigen konkret und leicht verständlich auf, wie sich der Alltag durch eine Bioökonomie verändern kann und regen zum Nachdenken über alternative Zukunftswelten an. Simone Kimpeler, die das Projekt BioKompass am Fraunhofer ISI leitet, unterstreicht dabei: „Es ist wichtig, Bürger und vor allem Jugendliche frühzeitig in die Entwicklung von Zukunftsvorstellungen über eine Bioökonomie einzubinden und damit die Möglichkeiten der Mitgestaltung der eigenen Zukunft aufzuzeigen. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Diskurs darüber, welche Bioökonomie wir uns wünschen, wie wir Nachhaltigkeit sicherstellen können und wie wir unser Konsumverhalten dafür ändern wollen.“ Von Kuh-Sharing bis Unkraut-Drohnen So beschreibt zum Beispiel ein Zukunftsbild, wie Oda (23) mit ihrem genügsamen Lebensstil eine Bioökonomie fördert, der die Grenzen des Planeten respektiert. Sie bezieht Bio-Milch und -Käse aus ihrem „Kuh-Sharing“, beteiligt sich über Mitgliedsbeiträge und Solidarpreise am Geschäftsrisiko der regionalen Landwirte, muss aber auf exotisches Obst und Gemüse verzichten. In einem anderen Zukunftsbild geht es um Beate (50), die Zuhause mit ihrem Heimbioreaktor experimentiert und damit einen Teil ihrer Lebensmittel selbst herstellt. Trotz ihrer Technikbegeisterung ist ihre Wohnung eine wilde Mischung aus High-Tech, Holz und biobasierten Materialien - Hauptsache recycel- oder kompostierbar und langlebig. Auch der fiktive Alltag eines Chemiefacharbeiters im Jahr 2040 und der einer Bio-Landwirtin wurden im Zukunftsdialog beschrieben. Letztere trinkt mit ihrer Freundin gerne Löwenzahn- Kaffee und behält dabei über ein Display ihren landwirtschaftlichen Betrieb im Blick. Nicht sie, sondern Drohnen entfernen das Unkraut. Die veröffentlichten Zukunftsgeschichten dienen als Anregung, sich selbst ein Bild von alternativen Ausprägungen einer Bioökonomie der Zukunft zu machen. Sie rufen ins Bewusstsein, wie unterschiedlich die Bioökonomie ausgestaltet werden kann und wie sehr eigene Konsum- und Lebensweisen das beeinflussen. Elna Schirrmeister vom Fraunhofer ISI betont: „Keines unserer Zukunftsbilder beschreibt eine rosarote Bioökonomie, es gibt in jedem Szenario auch Annahmen, die kritisch diskutiert werden. Während des Zukunftsdialogs wurde deutlich, dass sich die individuellen Bewertungen, wie wünschenswert ein Zukunftsbild ist, erheblich unterscheiden.“ Projekt BioKompass Angesichts von Klimawandel, Ressourcenknappheit, Umweltverschmutzung und Digitalisierung ist ein Umdenken in allen Teilbereichen der Gesellschaft notwendig. Die Entwicklung zu einer biobasierten Wirtschaftsweise könnte dazu beitragen, ihre konkrete Ausgestaltung ist jedoch noch offen. Die gesellschaftliche Beteiligung an diesem Transformationsprozess der Wirtschaft wird im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Projekt BioKompass durch unterschiedliche Methoden angeregt. Dazu gehören partizipative Szenarienentwicklung, interaktive Ausstellungsformate im Senckenberg Naturmuseum sowie Seminarkurse für Oberstufenschüler. Das Fraunhofer ISI ist verantwortlich für die Gesamtkoordination und leitet das Teilprojekt „Zukunftsvorstellungen Bioökonomie“. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) wird die Ergebnisse der Zukunftsdialoge im Projektverlauf für den Museumsbereich in diversen Medienformaten, Ausstellungsexponaten und Unterrichtsmaterialien weiterentwickeln. Wirtschaftliche Entwicklung fördern Abbildung 1: Strategische Zielfelder der österreichischen Bioökonomiestrategie Die Bioökonomiestrategie enthält gute Ansätze und Vorhaben. So sollen beispielsweise die Sustainable Development Goals, Ressourceneffizienz und weitere ökologische Kriterien durchgängig berücksichtigt werden. Angestrebt werden Kaskade, Fraktionierung und Kreislaufführung – jeweils mit thermischer Nutzung als letzter Stufe. Auch Aus- und Weiterbildung spielen eine wichtige Rolle, nicht nur beruflich. Das Verhalten der Konsumenten soll von Kaufentscheidungen (bis hin zu Suffizienz) bis zu höheren Sammelquoten beeinflusst werden. Ein anderes Ziel ist die Erhöhung der Sanierungsquote von Gebäuden auf zwei Prozent. Dazu sollen die biogenen Rohstoffe als Dämmmaterial einen Beitrag leisten. Da land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen – ganz im Sinne einer Bioökonomiestrategie – als Rohstoffquellen betrachtet werden, will die Strategie auch der stetigen Versiegelung Einhalt gebieten. Teilweise ist die Bioökonomiestrategie aber auch widersprüchlich. So wird etwa darauf hingewiesen, dass der Transport von Biomasse – wegen des hohen Wassergehalts – ein Kostenfaktor ist. Gleichzeitig geht man davon aus, dass Importe nötig sein werden, und zwar nicht nur von Früchten, Fischen et cetera, sondern auch von Rohstoffen für überregional große Anlagen beispielsweise zur Ethanol-Gewinnung. Ein besonders aktueller Punkt ist „Greening the Gas“, also die Produktion synthetischer, durch Innovation fördern Mobile Recyclingmaschinen Komplettlösungen aus einer Hand +49 4407 9133-0 sales@f-e.de | f-e.de Quelle: Bioökonomiestrategie strategie sein, die österreichischen Potenziale ohne Rücksicht auf ökologische und soziale Aspekte auszuschöpfen oder gar Raubbau zu betreiben – nur um dann festzustellen, dass wir erst wieder importabhängig sind. „Grünes“ Gas ist zu kostbar, um es für Raumwärme oder MIV zu verwenden. Die angestrebte Steigerung der Erträge birgt die Gefahr nicht nachhaltiger Vorgehensweisen – von Monokulturen und Kurzumtrieb über verstärkten Einsatz von Chemie bis hin zur Gentechnik – auch aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes ist das strikt abzulehnen. Beunruhigend ist in dieser Hinsicht auch, dass der Klimawandel negative Auswirkungen auf die Biomasseerträge haben wird. Die Bioökonomiestrategie ist demnach eine Sammlung von generellen Zielen. Was fehlt, sind konkrete Maßnahmen und Instrumente, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Und ein Zeitplan zur Umsetzung. Immerhin verweist die Bioökonomiestrategie auf den „Nationalen Aktionsplan Bioökonomie“, mit dessen Erstellung Anfang 2019 begonnen werden sollte. Der Aktionsplan soll die Implementierung der identifizierten Themen schnellstmöglich vorantreiben. Vielleicht entpuppt sich dieser ja tatsächlich als eine Strategie. DI Rupert Christian Umwelt Management Austria office@uma.or.at