Felix Thaler (Leseprobe)

Andrea Beaty
David Roberts
Felix
THaler,
Bildermaler
MIDAS

Für David
– A. B.
Für alle Illustratorinnen und Illustratoren,
die wie ich mit ihrer Kunst Geschichten erzählen.
– D. R.
1. Auflage 2022
ISBN 978-3-03876-218-8
Titel der Originalausgabe: Aaron Slater, Illustrator
Veröffentlicht bei Abrams Books for Young Readers,
einem Imprint von ABRAMS
Text Copyright © 2021 Andrea Beaty
Illustrationen Copyright © 2021 David Roberts
Felix Thaler, Bildermaler
© 2022 Midas Verlag AG
Deutsche Erstausgabe
Übersetzung und Neudichtung: Claudia Koch
Lektorat: Marietheres Wagner
Buchdesign: Heather Kelly
Satz: Ulrich Borstelmann
Projektleitung: Gregory C. Zäch
Printed in Europe
Alle Rechte vorbehalten
www.midas.ch

Felix
THaler,
Bildermaler
von Andrea Beaty
illustriert von David Roberts

Ganz hinten im Garten, dort unter dem Baum,
der Tag geht zu Ende – noch spürt man es kaum.
Die Blüten, sie duften, die Bienen, sie summen,
Felix Thaler schläft unter einer Decke mit Blumen.
Worte wie Musik, sie tanzen im Wind,
ein Sommerschlaflied für ein Sommerkind,
das ganz entspannt schlummert und lächelt im Traum –
ganz hinten im Garten, dort unter dem Baum.

Die Jahre kommen und gehen, das kennen wir,
es wird wieder Sommer und Felix wird 4.
Er hat ein kleines Beet mit einem Weg an der Seite,
den bemalt er täglich mit Straßenmalkreide.

Doch am liebsten mag Felix, ob drin oder draußen,
mit seinen Freunden Geschichten zu lauschen.
Und er sagt zu den Kindern unter dem Baum:
»Geschichten zu schreiben, das ist mein Traum!«

Zuerst muss er lesen, damit fängt alles an.
Denn schreiben kann nur, wer auch lesen kann.
Doch die Buchstaben purzeln, ergeben keinen Sinn,

und auch mit viel Hilfe bekommt er es nicht hin.
»Warum kann ich das nicht? Warum ist das so schwer?«
Also geht er wieder malen, denn das mag er auch sehr.

Endlich zur Schule – im knallbunten Shirt –
es ist voller Blumen, was niemanden stört.
Schon bei der Begrüßung ruft er voller Freude:
»Heute lerne ich lesen – im Schulgebäude!«

An dem Tag wurde es nix, auch nicht nach Monat oder Jahr.
Er kam zwar voran, doch bald wurde ihm klar,

so wie bei den Freunden wird’s bei ihm niemals gehen …
also beschloss er ab jetzt, wie alle auszusehen.

So sehen wir Felix in Klasse 2,
wie die anderen gekleidet, nichts Besonderes dabei.
Er will aussehen wie alle, möchte sich verstecken
und damit auch seine Gefühle verdecken.

Zuerst klappt das gut, denn die Lehrerin ist neu
und ziemlich überwältigt von dem ganzen Bohei.
Doch sie kommt schnell zurecht, Lehrerin Lilo Licht,
und in ihren Stunden versteckt man sich nicht.
»Schreibt eine Geschichte, jeder für sich allein«,
erklärt sie die Aufgabe. »Und spannend sollte sie sein.«

Felix schreibt also los wie die ganze Klasse 2,
schreibt an der Geschichte, ist mit Eifer dabei.
Er schreibt auch am Abend, selbst nachts ruht er nicht,
er schreibt und er schreibt bis zum Morgenlicht.
Dann schlurft er zur Schule, sein Schritt ist ganz schwer.
Ein Knoten im Bauch – er kann einfach nicht mehr.
Und voller Zweifel, der an ihm frisst,
fürchtet er, dass er bald an der Reihe ist.

Frau Licht ruft seinen Namen und Felix steht auf,
mit zitternden Händen nimmt er sein Blatt und schaut drauf.
Er will es vorlesen – doch groß ist der Schmerz,
denn alle Augen schauen direkt in sein Herz.

Er starrt auf den Boden, sieht bunte Socken,
dann schließt Felix die Augen und erzählt ohne Stocken:
»Es war einmal eine Blume …«, kurz muss er zaudern.
»Jetzt hab ich’s, ich weiß … die Blume konnte zaubern!«

So beginnt die Geschichte, sie war wirklich gut,
von einem kleinen Helden, doch ihm fehlte der Mut.
Der Tag ging vorüber, die Nacht brach herein,
der Mond ging auf und die Drachen flogen heim.

Und der Kleine lernte in den Morgenstunden,
Stärke kommt aus dem Herzen, ist nicht mit Zauber verbunden.
Dass Schönheit und Kunst, Liebe und auch das Hoffen
all jenen Mut geben, deren Herzen sind offen.

Felix Thaler liebt Geschichten und träumt davon, eines Tages selbst welche zu
schreiben. Doch beim Lesenlernen stellt sich heraus, dass die Buchstaben für ihn
tanzen und er mehr Mühe hat als andere Kinder. Als seine Lehrerin jedes Kind in der
Klasse auffordert, eine Geschichte zu schreiben, bekommt Felix kein einziges Wort zu Papier.
Sein Traum vom Geschichtenschreiber scheint plötzlich unerreichbar ... bis ihn die Inspiration
packt und Felix einen Weg findet, eine Geschichte auf seine ganz eigene Art zu erzählen.
Andrea Beaty und David Roberts widmen sich dem Thema Legasthenie auf ebenso
einfühlsame wie spannende Weise. Denn letztlich sind es die Stärken, die einen
Menschen ausmachen – und die haben wir alle.
www.midas.ch | € 18.00
ISBN: 978-3-03876-218-8