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Ausgrenzung, Stigmatisierung, Exotisierung - Urbane Lebenswelten von Roma / dérive - Zeitschrift für Stadtforschung, Heft 64 (3/2016)

Wer mit halbwegs wachem Geist in Europa lebt, weiß, dass Roma diskriminiert werden, ihnen mit rassistischem Hass und Gewalt begegnet wird; und doch scheint die Verdrängungsleistung in Bezug auf die untragbare Situation groß. Als ausgegrenzte und stigmatisierte europäische Minderheit trifft die Roma die neoliberale Stadtentwicklung der letzten Jahrzehnte besonders hart. Seien es die Privatisierung von kommunalen Dienstleistungen, die Kommodifizierung von Wohnraum oder die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. Die Sommerausgabe von dérive greift all diese Punkte auf und setzt sich mit klassischen Vorurteilen wie dem Nomadentum oder dem Betteln auseinander. Darüberhinaus gibt es einen ausführlichen Beitrag über den Städtebau in Brasilien. Das Heft kann hier https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/products/heft-64 bestellt werden.

Wer mit halbwegs wachem Geist in Europa lebt, weiß, dass Roma diskriminiert werden, ihnen mit rassistischem Hass und Gewalt begegnet wird; und doch scheint die Verdrängungsleistung in Bezug auf die untragbare Situation groß. Als ausgegrenzte und stigmatisierte europäische Minderheit trifft die Roma die neoliberale Stadtentwicklung der letzten Jahrzehnte besonders hart. Seien es die Privatisierung von kommunalen Dienstleistungen, die Kommodifizierung von Wohnraum oder die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. Die Sommerausgabe von dérive greift all diese Punkte auf und setzt sich mit klassischen Vorurteilen wie dem Nomadentum oder dem Betteln auseinander. Darüberhinaus gibt es einen ausführlichen Beitrag über den Städtebau in Brasilien.
Das Heft kann hier https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/products/heft-64 bestellt werden.

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Juli — Sept <strong>2016</strong><br />

N o <strong>64</strong><br />

<strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>Stadtforschung</strong><br />

<strong>dérive</strong><br />

<strong>dérive</strong><br />

AUSGRENZUNG,<br />

STIGMATISIERUNG,<br />

EXOTISIERUNG<br />

<strong>Urbane</strong> <strong>Lebenswelten</strong> <strong>von</strong> <strong>Roma</strong><br />

ISSN 1608-8131<br />

8 euro<br />

<strong>dérive</strong>


Editorial<br />

Wer mit halbwegs wachem Geist in Europa lebt, weiß, dass<br />

<strong>Roma</strong> diskriminiert werden, ihnen mit rassistischem Hass und<br />

Gewalt begegnet wird; und doch scheint die Verdrängungsleistung<br />

in Bezug auf die untragbare Situation groß. Im Februar<br />

1995 wurden Josef Simon, Peter Sarközi, Karl und Erwin<br />

Horvath im burgenländischen Oberwart durch einen rassistisch<br />

motivierten Bombenanschlag getötet. 2008/09 wurden<br />

in Ungarn sechs <strong>Roma</strong> <strong>von</strong> Rechtsextremisten heimtückisch<br />

ermordet, 55 weitere teils schwer verletzt. Am 18. April <strong>2016</strong><br />

wurde der 17jährige Rom Mitko Yonkov im bulgarischen<br />

Ovchepoltsi fast zu Tode geprügelt, weil er postulierte, dass<br />

<strong>Roma</strong> und die bulgarische Mehrheitsbevölkerung gleich sind.<br />

Der 24jährige Täter Angel Kaleev filmte seinen Gewaltakt<br />

und veröffentlichte das Video im Internet. Diese Taten bilden<br />

die Spitze eines Eisbergs aus tagtäglicher Diskriminierung,<br />

<strong>Ausgrenzung</strong> und <strong>Stigmatisierung</strong>. Bemühungen auf EU-<br />

Ebene, durch Initiativen wie der <strong>Roma</strong>-Dekade (2005 – 2015),<br />

der Diskriminierung und Benachteiligung eine Ende zu bereiten<br />

oder durch unterstützende Aktionen zumindest eine<br />

Trendwende einzuläuten, haben wenig bewirkt. Wir haben uns<br />

daran gewöhnt, dass <strong>Roma</strong>, die in West- und Nordeuropa<br />

seit mehr als einem halben Jahrtausend leben, als Bürger zweiter<br />

Klasse behandelt werden und tun kaum etwas gegen<br />

dieses Unrecht. Gilda-Nancy Horvath schreibt in ihrem Beitrag<br />

<strong>für</strong> diesen Schwerpunkt zu Recht: Wir lassen es zu.<br />

Als diskriminierte und stigmatisierte europäische Minderheit<br />

– wobei nicht vergessen werden sollte, dass diese<br />

Minderheit in Europa aus 14 Mio. Menschen besteht – trifft die<br />

<strong>Roma</strong> die neoliberale Stadtentwicklung der letzten Jahrzehnte<br />

besonders hart. Ein Beispiel da<strong>für</strong> ist die Privatisierung <strong>von</strong><br />

kommunalen Dienstleistung in bulgarischen Städten. Sie hat,<br />

wie Rosalina Babourkova in ihrem Artikel <strong>für</strong> diesen Schwerpunkt<br />

schreibt, nicht nur dazu geführt, dass die Lebensqualität<br />

<strong>von</strong> <strong>Roma</strong> stark beeinträchtigt wurde, sondern auch dazu,<br />

dass sie durch speziell gegen sie gerichtete Maßnahmen öffentlich<br />

stigmatisiert werden und ihr Stellenwert als Stadtbürger<br />

und -bürgerin im Sinken begriffen ist. Ein anderes Beispiel ist<br />

der Zugang zu Wohnraum. Die Redakteurin des Schwerpunkts,<br />

Anna Kokalanova, schildert gemeinsam mit Diana<br />

Botescu am Beispiel Berlin wie sich die Privatisierung des<br />

Wohnungsmarktes auf die Erlangung <strong>von</strong> Wohnraum <strong>für</strong> neu<br />

zugewanderte <strong>Roma</strong> auswirkt. Auch hier sind <strong>Roma</strong> <strong>von</strong> der<br />

allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung am schnellsten und<br />

härtesten betroffen. Zur grundsätzlichen Schwierigkeit eine<br />

leistbare Wohnung zu finden, gesellen sich rassistische Vorurteile<br />

und eine oftmalige Nicht-Anerkennung <strong>von</strong> EU-Bürgerrechten.<br />

Somit sind ankommende <strong>Roma</strong> auf ein Marktsegment angewiesen,<br />

das <strong>von</strong> diesen Ausschlüssen profitiert und im Geschäft<br />

mit der Armut horrende Preise <strong>für</strong> sogenannte Schrottimmobilien<br />

lukriert.<br />

Ein drittes Beispiel ist die Verdrängung <strong>von</strong> unerwünschten<br />

Personen aus dem öffentlichen Raum, der mittlerweile<br />

umindest in zentralen städtischen Lagen als Konsum- und<br />

Eventzone weitgehend ökonomisiert ist. Ferdinand Koller,<br />

Aktivist der Bettellobby Wien, hat diesen Umstand zum Anlass<br />

genommen, einerseits die Kriminalisierung des Bettelns im<br />

öffentlichen Raum und andererseits die verstärkte (mediale)<br />

Wahrnehmung <strong>von</strong> Bettlern als <strong>Roma</strong> und infolge dessen<br />

<strong>von</strong> <strong>Roma</strong> als Bettler zu analysieren. Denn die Zuschreibung<br />

verschleiert die tatsächlichen Verhältnisse, haben die allermeisten<br />

<strong>Roma</strong> (in Österreich) doch noch nie gebettelt und leben<br />

ein an die Mehrheitsbevölkerung angepasstes, durchschnittliches<br />

Leben. Der unterschiedliche Stellen-wert in der Gesellschaft<br />

erschließt sich also auch über die Sichtbarkeit. Die seit Generationen<br />

und Jahrhunderten in Österreich lebenden <strong>Roma</strong> werden<br />

zumeist nicht als solche wahrgenommen, ganz im Gegensatz<br />

zu den neu Zugewanderten bzw. den (Armuts-)MigrantInnen,<br />

die zwischen Rumänien, Bulgarien und Westeuropa pendeln<br />

und <strong>von</strong> denen Michael Hieslmair in seinem Bericht über eine<br />

Busreise <strong>von</strong> Sofia nach Wien erzählt.<br />

Das Thema Pendeln leitet zu einem weiteren Vorurteil<br />

über, mit dem <strong>Roma</strong> ständig konfrontiert sind und das in<br />

der Rede vom fahrenden Volk Eingang in den Sprachgebrauch<br />

gefunden hat. Andre Krammer lotet das Spektrum zwischen<br />

der Figur der modernen, <strong>von</strong> Termin zu Termin jettenden<br />

Nomadin, des auf Jack Kerouacs Pfaden wandelnden Hobos,<br />

des Flaneurs und schließlich der immer wieder aufs neue<br />

verdrängten und vertriebenen <strong>Roma</strong> aus.<br />

Manfred Russos Serie zur Geschichte der Urbanität<br />

macht diesmal Pause, was aber nicht heißt, dass es diesen<br />

Sommer keinen Lesestoff <strong>von</strong> Russo gibt. Wir dürfen nämlich<br />

erfreut vermelden, dass die Geschichte der Urbanität unter<br />

dem Titel Projekt Stadt – Eine Geschichte der Urbanität als<br />

knapp 450 Seiten starkes Werk jüngst bei Birkhäuser<br />

erschienen ist. Dem brasilianischen Städtebau und seinem<br />

Verhältnis zur Moderne, widmet sich der Berliner Stadtforscher<br />

Martin Gegner in einem ausführlichen Artikel im<br />

Magazinteil dieser Ausgabe.<br />

Noch ein wichtiger Hinweis in Sachen Lesestoff:<br />

In unserem neuen Online-Kiosk auf www.derive.at gibt es<br />

vergriffene <strong>dérive</strong>-Schwerpunkthefte wie Smart Cities, Stadt<br />

selber machen, Urbanität durch Migration, Modell Wiener<br />

Wohnbau und andere mehr jetzt als PDF zu erwerben –<br />

geht ganz einfach und schnell!<br />

Und ganz zum Schluss locken wir noch mit einem sensationellen<br />

Angebot zur Festival-Flanerie: <strong>2016</strong> geht urbanize!<br />

erstmals auf Wanderschaft und ist in Kooperation mit Planbude<br />

St. Pauli, ctc – curating the city, dem Kunsthaus Hamburg<br />

und dem Gängeviertel 10 Tage in Hamburg zu Gast (Housing<br />

the Many, 23.9 – 2.10). Anschließend setzen wir Segel und<br />

gehen mit dem Festivaltanker und jeder Menge hamburgischem<br />

Stadt selber machen im Gepäck <strong>für</strong> 5 Tage Diskussion,<br />

Wissensproduktion und Programm in Wien vor Anker<br />

(Die Stadt der Vielen, 12. – 16.10.). Alle Infos zum Festival-<br />

Programm <strong>2016</strong> demnächst auf www.urbanize.at.<br />

Einen schönen Sommer und auf bald in Hamburg,<br />

Wien oder anderswo!<br />

Christoph Laimer<br />

01


Internationales Festival <strong>für</strong><br />

urbane Erkundungen<br />

<strong>dérive</strong><br />

urbani7e!<br />

Artwork — Christoph Schäfer<br />

HOUSING THE MANY —<br />

DIE STADT DER VIELEN<br />

23. September — 2. Oktober <strong>2016</strong>, HAMBURG<br />

12. Oktober — 16. Oktober <strong>2016</strong>, WIEN<br />

www.urbanize.at


Inhalt<br />

01<br />

Editorial<br />

Schwerpunkt<br />

CHRISTOPH LAIMER<br />

04 — 09<br />

URBANE Räume VON und FÜR <strong>Roma</strong><br />

Das Sprechen über eine<br />

unmögliche Notwendigkei<br />

ANNA KOKALANOVA<br />

10 — 14<br />

IDENTITÄT, ILLEGALITÄT und INFRASTRUKTUR<br />

<strong>Roma</strong> als moderne Stadtbürger<br />

ROSALINA BABOURKOVA<br />

15 — 19<br />

Sind Bettler ROMA, sind ROMA Bettler?<br />

Kritik einer einseitigen Wahrnehmung<br />

FERDINAND KOLLER<br />

20 — 25<br />

ZUGANG zu Wohnraum <strong>für</strong> bulgarische und<br />

rumänische BÜRGERiNNEN in Berlin<br />

Formen des informellen Wohnens in der<br />

Ankunftsphase<br />

DIANA BOTESCU & ANNA KOKALANOVA<br />

26 — 31<br />

Die GEISTER zwischen den STÜHLEN<br />

Anmerkungen zur psychogeographischen<br />

Rolle moderner Nomaden und der sich<br />

fortschreibenden Leidensgeschichte der <strong>Roma</strong><br />

ANDRE KRAMMER<br />

37 — 39<br />

WIR lassen ES ZU<br />

Die Verantwortung des Nichthandelns und<br />

die Bedeutung der Selbstrepräsentation<br />

GILDA-NANCY HORVATH<br />

40 — 44<br />

SOFIA–Express<br />

Alltag am Verkehrskorridor<br />

Magazin<br />

MICHAEL HIESLMAIR<br />

45 — 54<br />

Die BRASILIANISCHE Stadt –<br />

zu modern <strong>für</strong> das 21. Jahrhundert?<br />

MARTIN GEGNER<br />

Besprechungen<br />

55 — 59<br />

Die Stadt ins Werk setzen<br />

Henri Lefebvre und das Recht auf Stadt S.55<br />

Ein Buch <strong>für</strong> ein Haus S.56<br />

Memory takes place.<br />

Erinnerungskulturen in Mexiko-Stadt und<br />

Buenos Aires im Vergleich S.57<br />

Schnecke, Pilz, Zylinder S.58<br />

Räume des Phantastischen und Grotesken S.60<br />

68<br />

IMPRESSUM<br />

Kunstinsert<br />

32 — 36<br />

Angelika Krinzinger<br />

Mäder<br />

–<br />

<strong>dérive</strong> – Radio <strong>für</strong> <strong>Stadtforschung</strong><br />

Jeden 1. Dienstag im Monat <strong>von</strong><br />

17.30 bis 18 Uhr in Wien auf ORANGE 94.0<br />

oder als Webstream http://o94.at/live.<br />

Sendungsarchiv: http://cba.fro.at/series/1235


Anna Kokalanova<br />

URBANE<br />

Räume<br />

VON und FÜR <strong>Roma</strong><br />

Das Sprechen über eine<br />

unmögliche Notwendigkeit<br />

<strong>Roma</strong>, <strong>Roma</strong>politik, <strong>Roma</strong>forschung, Diskriminierung,<br />

Selbstrepräsentation, Vertreibung,<br />

Segregation, Bürgerrechte, Neoliberalisierung<br />

Ehemaliges Wohnheim <strong>für</strong> vietnamesische<br />

VertragsarbeiterInnen in Sofia, das jetzt als Sozialunterkunft <strong>für</strong> <strong>Roma</strong> dient.<br />

Foto — Anna Kokalanova<br />

04<br />

<strong>dérive</strong> N o <strong>64</strong> — <strong>Ausgrenzung</strong>, <strong>Stigmatisierung</strong>, <strong>Exotisierung</strong>. <strong>Urbane</strong> <strong>Lebenswelten</strong> <strong>von</strong> <strong>Roma</strong>


Am 19. April dieses Jahres, nur elf Tage nach dem Internationalen<br />

<strong>Roma</strong> Tag 1 , verbreitet sich im Internet ein Video, in<br />

dem der 17-jährige Rom Mitko aus Ovchepoltsi in Bulgarien<br />

brutal <strong>von</strong> einem 24-Jährigen verprügelt wird. Grund <strong>für</strong><br />

diese Aggressivität ist eine Aussage, die Mitko vor der Kamera<br />

macht: »We are equal.« Dieser einfache Satz kostete ihn fast<br />

das Leben. Eine solche Aussage ist offenbar bei vielen Menschen<br />

heutzutage Anlass genug <strong>für</strong> kaltblütige Brutalität. Der<br />

mittlerweile <strong>von</strong> der Polizei verhaftete Täter filmte sogar den<br />

Gewaltakt mit seinem Handy und brüstete sich mit seiner<br />

Tat in einem Interview mit dem Sender BTV (Zahariev <strong>2016</strong>).<br />

Eine Tat wie diese, mit all ihrer unfassbaren Brutalität,<br />

ist nicht spezifisch <strong>für</strong> Bulgarien, ihre Ursache ist aber Teil<br />

unserer gesellschaftlichen Verfasstheit. Sie zeigt, dass im heutigen<br />

Europa die Überzeugung, dass es Menschen gibt, denen<br />

keine Menschenrechte zustehen, immer noch existiert. Sie<br />

zeigt auch, dass viele Menschen eine enorme Angst vor dem<br />

Anderen, vor dem Fremden haben und bereit sind, unfassbare<br />

Gewalt auszuüben, um das Eigene zu schützen.<br />

In komplettem Widerspruch zu dieser Haltung gilt der<br />

provokative Pop-Folk-Sänger Azis als populärste Person Bulgariens.<br />

Als eine Mischung aus George Michael und Madonna,<br />

<strong>von</strong> bulgarischen DurchschnittsbürgerInnen liebevoll Vasko<br />

der Schwule genannt, verweist Azis kokett und stolz auf seine<br />

ethnische Identität als Rom. In Interviews erzählt er immer<br />

wieder, dass er im Frauengefängnis <strong>von</strong> Sliven zur Welt<br />

gekommen ist und dass die einzige Berufschance, die er als<br />

junger Rom in Bulgarien gehabt hätte, Friseur gewesen wäre.<br />

Sein Auftritt und seine Musik sind eine Provokation par<br />

excellence <strong>für</strong> die gesamte bulgarische Gesellschaft. Azis versammelt<br />

alle Vorurteile – tief verankert in der postsozialistischen<br />

bulgarischen Seele – auf sich und treibt sie auf die<br />

Spitze. Durch diese <strong>Exotisierung</strong> seines medialen Images ist er<br />

zu einer beliebten Ikone des Fremden in Bulgarien geworden.<br />

Das Bild der <strong>Roma</strong> und der gesellschaftliche Umgang<br />

mit diesem Bild schwanken zwischen diesen beiden Polen –<br />

Aggressivität und <strong>Exotisierung</strong>. Das betrifft nicht nur Osteuropa<br />

oder Bulgarien, sondern alle europäischen Länder.<br />

Während Gypsies und Travellers 2 in Großbritannien <strong>von</strong><br />

Armut, Diskriminierung und Exklusion betroffen sind, taucht<br />

Brad Pitt in Guy Richies Film Snatch als exotische Traveller-<br />

Figur auf und gewinnt die Herzen der ZuschauerInnen.<br />

Während in Europa <strong>Roma</strong> heutzutage als zunehmendes gesellschaftliches<br />

Konfliktpotenzial betrachtet werden, gibt es<br />

weiterhin wenig Diskussion darüber. Das Bild der <strong>Roma</strong>, welches<br />

medial, künstlerisch oder wissenschaftlich erzeugt wird,<br />

bleibt oft fern der Realität.<br />

Aus diesem Anlass widmet sich der Schwerpunkt dieser<br />

Ausgabe jenen Mechanismen einer städtischen Raumproduktion,<br />

die in Verbindung mit der Gruppe der <strong>Roma</strong> stehen. Aus<br />

Sicht der <strong>Stadtforschung</strong> gibt es kaum Arbeiten, die sich<br />

explizit mit den <strong>Roma</strong> auseinandersetzen. Das hat verschiedene<br />

Gründe, die in der <strong>Roma</strong>forschung und der <strong>Roma</strong>politik verankert<br />

sind und im Folgenden näher erläutert werden. Dabei<br />

versteht sich die <strong>Roma</strong>politik in ihrer räumlichen Auswirkung<br />

auch als eine Stadtpolitik, die einen starken Einfluss auf die<br />

Entstehung der urbanen <strong>Lebenswelten</strong> der <strong>Roma</strong> hat. Von diesem<br />

Ausgangspunkt aus stellen die Beiträge in diesem <strong>Heft</strong> die<br />

unmögliche und dringend notwendige Verbindung zwischen<br />

Stadt und <strong>Roma</strong> her, geleitet <strong>von</strong> der Frage: Wie werden städtische<br />

Räume der <strong>Roma</strong> produziert? Und dabei steht nicht die<br />

ethnische Gruppe im Vordergrund, sondern die gegenwärtige<br />

Raumproduktion der Stadtgesellschaft in Europa.<br />

Vom Paradox über die präsente<br />

Abwesenheit zu sprechen<br />

<strong>Roma</strong> stellen die größte und am stärksten <strong>von</strong> Exklusion<br />

betroffene Minderheit in Europa dar. Sie besitzen kein<br />

historisches Heimatland und leben über ganz Europa verteilt.<br />

Mit etwa 70 % lebt die Mehrheit der europäischen <strong>Roma</strong> heute<br />

in mittel- und osteuropäischen Ländern. 80 % da<strong>von</strong> leben in<br />

Ländern, die 2004 bzw. 2007 der Europäischen Union<br />

beigetreten sind (Ringold 2005, S. 4; Kokalanova 2009, S. 38).<br />

Wenn wir über <strong>Roma</strong> sprechen, können wir es nur fiktiv<br />

tun, da sich hinter dieser Bezeichnung keinesfalls eine<br />

bekannte – oder, wie der Begriff suggeriert – eine homogene<br />

Gruppe verbirgt. In vielen europäischen Ländern werden nach<br />

wie vor Fremdbezeichnungen <strong>für</strong> <strong>Roma</strong> benutzt. Auf der<br />

einen Seite stehen Bezeichnungen wie Zigeuner, Tsigane oder<br />

Цигани in einem Zusammenhang mit dem griechischen Wort<br />

atsingani, welches sinngemäß mit »Leute, mit denen man<br />

schwierig in Kontakt treten kann« übersetzt wird. Auf der<br />

anderen Seite lassen sich die Begriffe Gypsy oder Gitane vom<br />

ursprünglichen und irrtümlichen Glauben ableiten, dass <strong>Roma</strong><br />

aus Ägypten (engl. egyptian) herstammen (Marishiakova &<br />

Popov 2007). Der Begriff <strong>Roma</strong> wurde im Jahr 1971 beim<br />

Ersten <strong>Roma</strong>-Welt-Kongress der Internationalen <strong>Roma</strong> Union<br />

in London als anerkannte Bezeichnung <strong>für</strong> alle in Europa<br />

lebenden Gruppen gewählt – <strong>Roma</strong>, Manusch, Sinti, Kale. In<br />

einzelnen europäischen Ländern wird dieser Begriff durch die<br />

Besonderheiten der dort lebenden <strong>Roma</strong> verdeutlicht. Bezugnehmend<br />

auf die allgemeine Definition der Internationalen<br />

<strong>Roma</strong> Union wird in diesem <strong>Heft</strong> der Begriff <strong>Roma</strong> verwendet,<br />

mit dem Wissen, dass auch dieser ein Konstrukt ist und der<br />

Diversität der sich dahinter verbergende Gruppen nicht gerecht<br />

wird. Denn durch die Verwendung dieser zusammenfassenden<br />

1<br />

Am 8. April wird weltweit<br />

die <strong>Roma</strong>kultur gefeiert und<br />

auf die Situation der<br />

<strong>Roma</strong> und insbesondere ihre<br />

Diskriminierung und Verfolgung<br />

aufmerksam gemacht.<br />

Vom 7. bis 11. April fand im<br />

Jahr 1971 in London der<br />

erste Welt-<strong>Roma</strong>-Kongress<br />

statt, an dem Vertreterinnen<br />

<strong>von</strong> <strong>Roma</strong>-Organisationen<br />

aus 23 Länder teilnahmen.<br />

Dort wurde die Verwendung<br />

des Begriffs <strong>Roma</strong> anstatt<br />

der bis dahin üblichen<br />

Fremdbezeichnungen<br />

beschlossen, sowie die<br />

Flagge und die Hymne der<br />

<strong>Roma</strong> angenommen.<br />

2<br />

Travellers oder Pavee sind<br />

die offiziellen Bezeichnungen<br />

einer aus Irland<br />

stämmigen fahrenden soziokulturellen<br />

Gruppe, die<br />

aufgrund ihrer Lebensweise<br />

auch als Gypsies fremdbezeichnet<br />

werden. Ethnisch<br />

sind die Travellers mit den<br />

<strong>Roma</strong>völkern nicht verwandt,<br />

sind jedoch ebenso <strong>von</strong><br />

antiziganistischer Diskriminierung<br />

betroffen.<br />

Anna Kokalanova — URBANE Räume VON und FÜR <strong>Roma</strong><br />

05


Bezeichnung wird eben die Vorstellung einer homogenen<br />

Volksgruppe vermittelt. Die <strong>Roma</strong>-Gemeinschaft teilt sich<br />

jedoch in klar definierte Gruppen und Subgruppen, die<br />

zueinander in einem hierarchischen Beziehungsgeflecht stehen.<br />

Die Beziehungen unter den einzelnen Gruppen sind zum<br />

Teil noch komplexer als zwischen <strong>Roma</strong> und Nicht-<strong>Roma</strong> (u.a.<br />

Kokalanova 2009, S. 36).<br />

Hinter dem Begriff Zigeunerforschung verbarg sich im<br />

Nationalsozialismus das Rassenhygienische Institut unter<br />

der Leitung <strong>von</strong> Robert Ritter. Die pseudowissenschaftlichen<br />

Untersuchungen <strong>von</strong> Ritter und seinen MitarbeiterInnen boten<br />

die Grundlage <strong>für</strong> zahlreiche Zwangssterilisierungen und die<br />

Vernichtung <strong>von</strong> <strong>Roma</strong> in Deutschland und Österreich<br />

(Zimmermann 2007). Bis heute verbinden Überlebende und<br />

deren Familien die Begriffe Wissenschaft und Forschung<br />

mit der Deportation nach Auschwitz.<br />

Erst in den 1990er Jahren begann eine neue wissenschaftliche<br />

Auseinandersetzung, die sich unter der Bezeichnung<br />

<strong>Roma</strong>ni Studies mit der Frage »Wer sind die <strong>Roma</strong>?«<br />

beschäftigt. Die <strong>Roma</strong>ni Studies stellen die Auseinandersetzung<br />

mit dem Leben der <strong>Roma</strong> in den Mittelpunkt. Dabei<br />

versuchen Forschungen in diesem Bereich zunehmend eine<br />

gemeinsame Definition <strong>für</strong> alle <strong>Roma</strong> zu finden. ForscherInnen<br />

wie der Historiker und Kulturwissenschaftler Stefan Benedik<br />

kritisieren diese Herangehensweise, wobei sie vor allem vor<br />

dem Produzieren weiterer Vorurteile und Diskriminierungen<br />

warnen. Benedik verweist darauf, dass durch die Konzentration<br />

auf die Außenbetrachtung <strong>von</strong> <strong>Roma</strong> die Mechanismen der<br />

Diskriminierung, die in der Gesamtgesellschaft verankert sind,<br />

in den Hintergrund rücken. Hinzu können diese durch den<br />

Versuch, die heterogene Gruppe der <strong>Roma</strong> ethnisch unter<br />

einem Forschungsschwerpunkt zusammenzuführen, sogar<br />

gestärkt werden (Benedik 2015).<br />

Als Reaktion auf die einseitige Betrachtungsweise der<br />

<strong>Roma</strong>ni Studies erlebte Ende der 1990er Jahre die antiziganistische<br />

Forschung, die sich mit der negativen Einstellung der<br />

sogenannten Mehrheitsgesellschaft gegenüber den <strong>Roma</strong><br />

befasst, einen starken Aufschwung. Auf diesem Weg wird im<br />

Sinne eines Critical-Whiteness-Diskurses 3 die Perspektive<br />

gedreht und auf die BetrachterInnen gerichtet und somit die<br />

Frage nach ihren Handlungen in den Fokus gestellt. Der Fokus<br />

antiziganistischer Forschung ist auf Diskriminierung und<br />

negative Erfahrungen gesetzt, den Betroffenen wird durch<br />

diesen Ansatz die Macht der eigenen Repräsentation genommen.<br />

<strong>Roma</strong> werden in der antiziganistischen Forschung als<br />

vorrangig bedürftige Menschen und Opfer <strong>von</strong> Diskriminierungen<br />

dargestellt, womit erneut Vorurteile verfestigt werden<br />

(vgl. Benedik 2015).<br />

Schweigen oder die abwesende Präsenz<br />

Ein Sprechen über <strong>Roma</strong> ohne Stereotype und Diskriminierung<br />

scheint in diesem Kontext unmöglich. In dem<br />

daraus folgenden Versuch nicht über <strong>Roma</strong> zu sprechen, entstehen<br />

jedoch zunehmend Konflikte und versteckte Diskriminierungen.<br />

So wurden in den letzten Jahren absurde Begriffe<br />

wie beispielsweise Rotationseuropäer erfunden, um antiziganistische<br />

Aussagen zu umgehen und vor allem zu verdecken 4<br />

(vgl. End 2014).<br />

Des Weiteren fehlt grundsätzlich eine klare Strategie,<br />

die festlegt, ob eine staatliche Intervention sich an <strong>Roma</strong> wenden<br />

darf oder nicht. Deutschland reagierte auf die Aufforderung<br />

der Europäischen Union, eine Nationalstrategie über die<br />

Integration <strong>von</strong> <strong>Roma</strong> zu implementieren, negativ. Begründet<br />

wurde das damit, dass <strong>Roma</strong> zum einen immer schon da gewesen<br />

seien und damit Teil der Gesellschaft sind, weshalb sie<br />

keine Integration benötigen, und zum anderen sich solche Strategien<br />

an die Gesamtgesellschaft richten müssten und nicht<br />

ausschließlich <strong>Roma</strong> als Zielgruppe haben dürfen. Zwei Argumente,<br />

die in ihrem Ansatz sehr gut nachvollziehbar sind.<br />

Den Widerspruch zu dieser Stellungnahme stellen Maßnahmen<br />

der kommunalen und regionalen Verwaltungen dar, wenn sie<br />

in Folge der zunehmenden Zuwanderung <strong>von</strong> bulgarischen und<br />

rumänischen BürgerInnen in manchen Städten explizit <strong>Roma</strong>-<br />

Strategien implementieren. Dadurch wird innerhalb der<br />

Verwaltung die Meinung verbreitet, dass bestimmte Eigenschaften<br />

und Praktiken wie Obdachlosigkeit oder Betteln<br />

typisch <strong>für</strong> <strong>Roma</strong> sind und kein gesamtgesellschaftliches Phänomen<br />

darstellen.<br />

Um eine verstärkte Diskriminierung sowie verdeckte<br />

antiziganistische Aussagen zu vermeiden, scheint das Schweigen<br />

über <strong>Roma</strong> kein gangbarer Ausweg zu sein. Es wird nur<br />

allzu deutlich, dass uns die Begriffe fehlen. Bis heute ist unklar,<br />

worüber wir sprechen und dass bei dem Thema <strong>Roma</strong> eine<br />

große Hilflosigkeit und Unbedarftheit herrscht und es nach wie<br />

vor an Wissen fehlt. Die Ursachen da<strong>für</strong> sind in der jahrhundertelangen<br />

<strong>Roma</strong>-feindlichen Politik in Europa zu suchen, die<br />

sich durch die zunehmende Xenophobie in der Gesellschaft<br />

momentan weiter verstärkt.<br />

3<br />

Critical Whiteness bezeichnet<br />

einen aus den USA stammenden<br />

akademischen<br />

Diskurs zur postkolonialen<br />

Auseinandersetzung mit dem<br />

Weißsein, bei dem die Perspektive<br />

auf das Eigene bzw.<br />

das Privilegierte und<br />

nicht auf das Fremde bzw.<br />

das Marginale gerichtet<br />

wird. Whiteness beinhaltet<br />

dabei nicht nur die Hautfarbe<br />

sondern auch andere<br />

Parameter, die mit Macht<br />

und sozialem Status verbunden<br />

sind.<br />

4<br />

So berichtet beispielsweise<br />

die Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung über »Rotationseuropäer«,<br />

die Wohnungseinbrüche<br />

in Frankfurt<br />

durchführen. Im Nebensatz<br />

wird der Begriff Rotationseuropäer<br />

folgendermaßen<br />

erklärt: »[…] Die Einbrecher<br />

stammen aus dem Kreis<br />

der ›Rotationseuropäer‹,<br />

also aus Sinti- und <strong>Roma</strong>-<br />

Familien, die aus Straßburg<br />

in die Rhein-Main-Region<br />

gebracht werden.« (Iskander<br />

2009) Das Beispiel zeigt,<br />

wie anstatt einer differenzierten<br />

Betrachtung eine<br />

noch stärker stigmatisierende<br />

und versteckt rassistische<br />

Aussage getroffen<br />

wird. Ähnliche Aussagen<br />

trifft beispielsweise auch<br />

der Bürgermeister <strong>von</strong> Duisburg,<br />

Sören Link, wenn er<br />

bei einer Konferenz zum<br />

Umgang mit Geflüchteten im<br />

September 2015 in Berlin<br />

die Bereitschaft äußert,<br />

»(...) das Doppelte an<br />

Syrern [aufzunehmen], wenn<br />

[er] da<strong>für</strong> ein paar Osteuropäer<br />

abgeben könnte«.<br />

(SZ 2015). Dabei wird in<br />

einem Nebensatz noch verdeutlicht,<br />

dass Link mit<br />

dieser Aussage »<strong>Roma</strong> gegen<br />

syrische Flüchtlinge schachern«<br />

würde.<br />

06<br />

<strong>dérive</strong> N o <strong>64</strong> — <strong>Ausgrenzung</strong>, <strong>Stigmatisierung</strong>, <strong>Exotisierung</strong>. <strong>Urbane</strong> <strong>Lebenswelten</strong> <strong>von</strong> <strong>Roma</strong>


<strong>Roma</strong> Politik<br />

Die politische Haltung gegenüber den <strong>Roma</strong>völkern in<br />

Europa hat eine lange Tradition der Nicht-Anerkennung und<br />

Feindseligkeit. Bis heute ist die Politik gegenüber der größten<br />

Minderheit in Europa durch die Verweigerung <strong>von</strong> Menschenrechten,<br />

durch Vertreibung und Ausschließung, Vernichtung<br />

sowie Erziehung durch Sesshaftmachung gekennzeichnet.<br />

Rechte verweigern<br />

Auf dem Territorium des heutigen Rumäniens waren<br />

<strong>Roma</strong> bis ins 19. Jahrhundert hinein Sklaven (vgl. Zimmermann<br />

2007). Obwohl es fast absurd wirkt, ist die Übereinkunft,<br />

dass <strong>Roma</strong> nicht die gleichen Rechte wie anderen BürgerInnen<br />

zustehen, heutzutage immer noch verbreitet. In ihrem Artikel<br />

<strong>für</strong> diesen Schwerpunkt Identität, Illegalität und Infrastruktur –<br />

<strong>Roma</strong> als moderne Stadtbürger zeigt Rosalina Babourkova, wie<br />

die mangelnde, teils fehlende Versorgung mit technischer Infrastruktur<br />

in Stadtteilen mit <strong>Roma</strong>-Bevölkerung durch die Privatisierung<br />

der Netze eine soziale und infrastrukturelle<br />

Ungleichheit zwischen <strong>Roma</strong> und Nicht-<strong>Roma</strong> in Sofia produziert.<br />

Im medialen Diskurs in Bulgarien wird diese Ungleichheit<br />

mit Narrativen begründet. Diese lauten, dass <strong>Roma</strong> in<br />

Europa lediglich geduldet sind und dahin zurückkehren sollen,<br />

woher sie gekommen sind. Die gleiche Argumentation taucht<br />

oft auch bei der Begründung <strong>für</strong> Siedlungsdemolierungen<br />

in städtischen Gebieten auf, bei denen kein alternativer Wohnraum<br />

<strong>für</strong> die betroffenen <strong>Roma</strong>familien angeboten wird.<br />

Vertreiben<br />

Historisch betrachtet war und ist die Vertreibung <strong>von</strong><br />

<strong>Roma</strong> aus städtischen Gebieten gängige Praxis. Es wurde ihnen<br />

häufig untersagt, sich niederzulassen – diese Verbote wurden<br />

immer wieder auch <strong>für</strong> ländliche Gebiete ausgesprochen. Eine<br />

solche Praxis tritt vor allem gegenüber fahrenden <strong>Roma</strong> oder<br />

gegenüber ZuwanderInnen auf und ist heutzutage nicht selten.<br />

Selbst innerhalb der Europäischen Union, auf deren Gebiet das<br />

Recht der Freizügigkeit anerkannt ist, wird eine Vertreibung<br />

durch die so genannte Rückkehrhilfe praktiziert. Das bekannteste<br />

Beispiel der letzten Jahre war die 2010 ausgesprochene<br />

Ankündigung <strong>von</strong> Nicolas Sarkozy, der damals französischer<br />

Präsident war, Hunderte in informellen Siedlungen lebende<br />

<strong>Roma</strong> kollektiv nach Rumänien und Bulgarien auszuweisen.<br />

Die Ankündigung wurde später in die Tat umgesetzt und es<br />

wurden über 1.000 <strong>Roma</strong> nach Bulgarien und Rumänien ausgeflogen.<br />

Die Siedlungen der Vertriebenen wurden medienwirksam<br />

zerstört. Das EU-Parlament kritisierte diese<br />

Vorgehensweise heftig.<br />

Vernichten<br />

Die schärfste Form der Nicht-Anerkennung der <strong>Roma</strong><br />

als BürgerInnen mit gleichen Rechten wurde in Europa während<br />

der Zeit des Nationalsozialismus praktiziert. Das Reichskriminalamt<br />

zur Bekämpfung des Zigeunerwesens in Berlin<br />

hat in Zusammenarbeit mit der Rassenhygienischen Forschungsstelle<br />

<strong>von</strong> Robert Ritter Angehörige <strong>von</strong> <strong>Roma</strong>völkern systematisch<br />

erfasst, verhaftet und in Konzentrationslager deportiert.<br />

Von den 11.000 österreichischen <strong>Roma</strong> wurden zwei Drittel<br />

ermordet oder starben an den unmenschlichen Lagerbedingungen.<br />

Insgesamt fielen dem nationalsozialistischen Regime<br />

rund 500.000 <strong>Roma</strong> zum Opfer (Pientka 2013; Zimmermann<br />

2007; Knudsen 2003; Benz 2007). Diese Vergangenheit ist<br />

immer noch ein Teil der kollektiven Erinnerungen der <strong>Roma</strong>-<br />

Familien in Europa und wurde in Deutschland offiziell als<br />

Teil der Geschichte erst im Jahr 1982 anerkannt.<br />

Erziehen und Bändigen<br />

Anstatt <strong>Roma</strong> aus dem eigenen Gebiet zu vertreiben<br />

oder sie gar zu vernichten, veranlasste Maria Theresia, Kaiserin<br />

<strong>von</strong> Österreich-Ungarn, in der zweiten Hälfte des<br />

18. Jahrhunderts eine Verordnung zur Sesshaftmachung. Diese<br />

bedeutete einerseits das Niederlassungsrecht, andererseits<br />

aber auch das Verbot der eigenen Sprache, das der Eheschließungen<br />

unter <strong>Roma</strong> sowie die Trennung der Kinder <strong>von</strong> deren<br />

Eltern. Ziel dieser Verordnung war eine radikale Zwangs-<br />

Assimilierung (Zimmermann 2007; Knudsen 2003). Ähnliche<br />

Verordnungen und Gesetze wurden auch in der jüngeren<br />

Vergangenheit in Europa verabschiedet. Im Jahr 1958 trat in<br />

Bulgarien ein Gesetz zur Wohnsitzpflicht <strong>für</strong> alle StaatsbürgerInnen<br />

in Kraft, welches die mobile Wohnweise der <strong>Roma</strong><br />

regulieren sollte. Infolgedessen wurden mobile <strong>Roma</strong>-<br />

Gruppen in den Großstädten durch Zwangsmaßnahmen angesiedelt.<br />

Von 1962 bis 1989 verfolgte die bulgarische kommunistische<br />

Partei eine anti-muslimische Politik, bei der <strong>Roma</strong>,<br />

ethnische Türken und Pomaken 5 gezwungen wurden, zum<br />

Christentum zu konvertieren und sich der bulgarischen Kultur<br />

durch Namenswechsel und Kleidungsregeln im öffentlichen<br />

Raum anzupassen. Der Höhepunkt dieser nationalkommunistischen<br />

Ideologie war der sogenannte Rückbesinnungsprozess,<br />

bei dem in den Jahren 1984/85 mit Hilfe <strong>von</strong> Sicherheitsbehörden<br />

türkisch-arabische Namen durch bulgarische<br />

ersetzt wurden (Marushiakova & Popov 2007, S. 149; Kokalanova<br />

2009, S. 22).<br />

Eigene Organisationsstrukturen schaffen<br />

Trotz der weit verbreiteten feindseligen Politik gegenüber<br />

den <strong>Roma</strong> in Europa gab es historisch auch Beispiele <strong>für</strong><br />

die Stärkung der Organisationsstrukturen und der <strong>Roma</strong>-<br />

Community, die <strong>für</strong> die gegenwärtige <strong>Roma</strong>-Politik eine wichtige<br />

Rolle spielen. In Bulgarien wurden <strong>Roma</strong> direkt nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg als wichtiger Teil des Proletariats und<br />

als UnterstützerInnen im Kampf gegen den Faschismus eine<br />

Zeit lang anerkannt und gefördert. So entstanden Ende der<br />

1940er Jahre in Sofia ein <strong>Roma</strong>theater und <strong>Roma</strong>kulturhäuser,<br />

in denen <strong>Roma</strong>-AktivistInnen unter anderem Entwürfe <strong>für</strong><br />

ein <strong>Roma</strong>nes-Alphabet entwickelten (Kokalanova 2009, S. 40;<br />

Marushiakova & Popov 2007). Die Entwicklung einer starken<br />

Vereinskultur und einer Selbstrepräsentation der <strong>Roma</strong> spielte<br />

5<br />

Slawischsprachige<br />

muslimische Minderheit im<br />

Südwesten Bulgariens.<br />

Anna Kokalanova — URBANE Räume VON und FÜR <strong>Roma</strong><br />

07


spätestens ab den 1990er Jahren in Österreich eine wichtige<br />

Rolle, ohne die Projekte wie die Ausstellung <strong>Roma</strong>ne Thana im<br />

Wien Museum 6 nicht möglich wären. Mit dem Projekt<br />

RomArchive zeigt Gilda Horvath in ihrem Beitrag in diesem<br />

<strong>Heft</strong> wie wichtig die eigene Stimme und das Schreiben der<br />

eigenen Geschichte sind, um das Bild der <strong>Roma</strong> nicht weiterhin<br />

durch die Perspektive <strong>von</strong> außen zu verzerren und entweder in<br />

eine ablehnende oder in eine exotisierende Richtung zu treiben.<br />

Dennoch wird die Integration <strong>von</strong> <strong>Roma</strong> heute weiterhin<br />

in Form einer Assimilation in die sogenannte Mehrheitsgesellschaft<br />

verstanden. Besonders seit der EU-Osterweiterung<br />

wurden unterschiedliche Programme auf nationaler oder internationaler<br />

Ebene entwickelt, <strong>von</strong> denen jedoch nur wenige<br />

realisiert wurden. Selbst diesen gelang es nicht, Verbesserungen<br />

im Alltag jener Menschen zu erwirken, die mit diesen<br />

Programmen adressiert wurden. So blieben politische Bemühungen,<br />

die anlässlich der <strong>Roma</strong>dekade 2005-2015 oder der<br />

EU-Rahmenstrategie zur Integration der <strong>Roma</strong> <strong>von</strong> 2011<br />

initiiert wurden, bloße Ankündigungen oder schlugen fehl (vgl.<br />

Jovanovic 2015). In seinem Buch The Gypsy ›menace‹: populism<br />

and the new anti-Gypsy politics argumentiert Michael Stewart,<br />

dass die Förderprogramme der EU, die ausschließlich auf<br />

<strong>Roma</strong> ausgerichtet sind, gepaart mit der sich verschlechternden<br />

sozialen Lage der <strong>Roma</strong> in Europa und deren Abhängigkeit<br />

<strong>von</strong> Sozialleistungen, zu einer Aggressivität in der Gesamtgesellschaft<br />

geführt haben. Gewalt und Aggressivität gegenüber<br />

<strong>Roma</strong> gab es immer, jedoch blieb sie früher im Gegensatz zu<br />

der heutigen Situation auf einer lokalen Ebene. Sie äußerte sich<br />

oft als Konflikt um Ressourcen oder um die gesellschaftliche<br />

Stellung zwischen <strong>Roma</strong> und Nicht-<strong>Roma</strong>. Laut Stewart erleben<br />

wir spätestens seit 2008 eine nicht mehr nur lokale sondern<br />

eine europaweite Gewalt gegen <strong>Roma</strong>. Die einzelnen Konflikte<br />

um Ressourcen sind heute zu einer rechtspopulistischen<br />

Nationalpolitik auf dem ganzen Kontinent gewachsen, die sich<br />

in ihrer Rhetorik dieser Aggressivität bedient (Stewart 2012,<br />

S. 3–23).<br />

Die politischen Versprechungen, die keine positiven<br />

Veränderungen in der Alltagsrealität der <strong>Roma</strong> gebracht haben,<br />

führen zu zusätzlichen Schwierigkeiten, über <strong>Roma</strong> zu sprechen.<br />

Es sind in erster Linie Handlungen notwendig, um diese<br />

zu verbessern. Zu schweigen, und sei es auch nur, um begriffliche<br />

Schwierigkeiten zu vermeiden, und die Augen vor der<br />

Realität zu verschließen, ist jedoch keine Lösung.<br />

<strong>Roma</strong> und Raumproduktion<br />

Die Auseinandersetzung speziell mit <strong>Roma</strong> in der Stadtund<br />

Raumforschung findet vereinzelt und aus verschiedenen<br />

Perspektiven statt. In diesem Schwerpunkt versammeln wir<br />

unterschiedliche Themen, die Verbindung zwischen Stadt und<br />

<strong>Roma</strong> zeigen.<br />

<strong>von</strong> alteingesessenen BürgerInnen thematisiert werden. Auch<br />

das Betteln im öffentlichen Raum wird in der Öffentlichkeit<br />

schnell als <strong>Roma</strong>-Thema dargestellt. Ferdinand Koller zeigt in<br />

seinem Beitrag Sind Bettler <strong>Roma</strong>, sind <strong>Roma</strong> Bettler? wie problematisch<br />

diese Verbindung ist und welche Möglichkeiten es<br />

gibt, dieser entgegenzuwirken. Die negative Verbindung <strong>von</strong><br />

<strong>Roma</strong> und der Nutzung des öffentlichen Raums resultiert vor<br />

allem aufgrund der Außenperspektive. So zeigt die Ausstellung<br />

<strong>Roma</strong>ne Thana ein ganz anderes Bild der Stadt und der Nutzung<br />

der städtischen Räume <strong>von</strong> <strong>Roma</strong> in Österreich. In ihrem<br />

Beitrag Wir lassen es zu verdeutlicht auch Gilda Horvath die<br />

signifikante Bedeutung der Selbstrepräsentation. Dabei macht<br />

sie auch darauf aufmerksam, dass nicht das Tabuisieren <strong>von</strong><br />

bestimmten Themen, sondern das genaue Hinschauen eine<br />

Veränderung in der Realität erwirken kann.<br />

Ethnisch basierte Bürgerrechte<br />

<strong>Roma</strong> sind ein wichtiger Teil der städtischen Gesellschaft<br />

in Europa. Die Auseinandersetzung mit dieser Gruppe<br />

zeigt, dass sich die Bürgerschaft in privilegiert und marginalisiert<br />

auf Basis der ethnischen Zugehörigkeit teilt. In ihrem<br />

Beitrag Identität, Illegalität und Infrastruktur – <strong>Roma</strong> als<br />

moderne Stadtbürger hinterfragt Rosalina Babourkova das<br />

Modell der Citizenship <strong>für</strong> <strong>Roma</strong> durch die Liberalisierung der<br />

städtischen Infrastruktur und die Versorgung mit Elektrizität<br />

in der ethnisch segregierten <strong>Roma</strong>-Siedlung Fakulteta in<br />

Sofia. Anhand einer Busfahrt <strong>von</strong> Sofia nach Wien macht auch<br />

Michael Hieslmair in Sofia-Express deutlich, dass solche<br />

Teilungen nicht nur das Produkt einer staatlichen Intervention<br />

sind. Auch in informellen städtischen Alltagssituationen –<br />

wie die einer Busfahrt – werden <strong>Roma</strong> ganz bestimmte Rechte<br />

zugesprochen und unterprivilegierte Plätze zugeordnet.<br />

Räumliche Segregation<br />

In vielen Städten Europas leben <strong>Roma</strong> in ethnisch<br />

segregierten Siedlungen und Camps. In Osteuropa findet man<br />

in jeder Stadt unterschiedliche informelle Siedlungen <strong>von</strong><br />

<strong>Roma</strong>, die keine spontanen Ansiedlungen darstellen, sondern<br />

eine lange Geschichte aufweisen. Eine solche ist beispielsweise<br />

Fakulteta in Sofia, über die Rosalina Babourkova in ihrem<br />

Artikel schreibt. Auch in Italien und Frankreich leben <strong>Roma</strong> in<br />

informellen Camps unter prekären Bedingungen, der ständigen<br />

Bedrohung einer Räumung ausgesetzt. In seinem Beitrag<br />

Die Geister zwischen den Stühlen beschreibt Andre Krammer<br />

die Situation in Paris und kommentiert deren Entstehung aus<br />

einer biopolitischen Perspektive.<br />

Sichtbarkeit in der Stadt<br />

<strong>Roma</strong> werden im öffentlichen Raum sichtbar und vor<br />

allem in dem Kontext eines potenziellen Konflikts um den<br />

Raum als Ressource thematisiert. Quartiersmanagements und<br />

Gebietsbetreuungen berichten <strong>von</strong> Beschwerden in der Nachbarschaft<br />

um Zunahme an Müll und Lärm im Wohnumfeld, die<br />

6<br />

<strong>Roma</strong>ne Thana. Orte der <strong>Roma</strong><br />

und Sinti ist eine Ausstellung<br />

und ein begleitender<br />

Katalog, entstanden in<br />

Kooperation zwischen Wien<br />

Museum, Landesmuseum<br />

Burgenland, Initiative<br />

Minderheiten und <strong>Roma</strong>no<br />

Centro. Im Wien Museum<br />

wurde die Ausstellung vom<br />

12.2. bis 17.5.2015 gezeigt,<br />

aktuell ist die Ausstellung<br />

bis 11.11.<strong>2016</strong> im Landesmuseum<br />

Burgenland zu sehen.<br />

08<br />

<strong>dérive</strong> N o <strong>64</strong> — <strong>Ausgrenzung</strong>, <strong>Stigmatisierung</strong>, <strong>Exotisierung</strong>. <strong>Urbane</strong> <strong>Lebenswelten</strong> <strong>von</strong> <strong>Roma</strong>


Literatur<br />

Behausung einer delogierten<br />

Familie auf einem Gehsteig in Bukarest.<br />

Foto — Lidija Mirkovic.<br />

Neoliberalisierung des Markts und Zugang zu Raum<br />

Selbst wenn eine solche Segregation in Städten wie<br />

Berlin oder Wien nicht eindeutig sichtbar ist, finden dort komplexe<br />

Ausschlussmechanismen statt, die den Zugang <strong>für</strong> <strong>Roma</strong><br />

zu Wohnraum erschweren. Im Beitrag Zugang zu Wohnraum<br />

<strong>für</strong> bulgarische und rumänische BürgerInnen in Berlin,<br />

gemeinsam <strong>von</strong> der Autorin dieses Artikels und Diana Botescu<br />

verfasst, werden die prekären Zugangsmöglichkeiten der<br />

bulgarischen und rumänischen BürgerInnen zum Berliner<br />

Wohnungsmarkt, die in direkter Verbindung mit seiner Neoliberalisierung<br />

stehen, beschrieben. In ihrer aktuellen Forschungsarbeit<br />

untersucht die Autorin die Räume des Ankommens<br />

<strong>von</strong> bulgarischen Minderheiten in Berlin. Neu ankommende<br />

bulgarische BürgerInnen haben ausschließlich auf dem<br />

privaten Wohnungsmarkt eine Chance auf Wohnraum. Dort<br />

treffen besonders <strong>Roma</strong> auf komplexe Mechanismen der Inklusion<br />

und der <strong>Ausgrenzung</strong>, die in einer Verflechtung mit der<br />

Deregulierung des Marktes und mit der Immobilien-Spekulation<br />

stehen.<br />

Alle Beiträge zeigen, dass durch die thematische Verbindung<br />

<strong>von</strong> <strong>Roma</strong> und urbanen Phänomenen ein Zuwachs an<br />

Erkenntnissen über die städtische Raumproduktion entsteht,<br />

der neue Perspektiven auf die Stadt aufzeigen kann.<br />

Anna Kokalanova ist gebürtige Bulgarin,<br />

Stadtplanerin und Stadtforscherin. Neben ihrer Tätigkeit<br />

als Koordinatorin der Plattform future.lab an<br />

der TU Wien arbeitet sie aktuell an ihrer Dissertation zum<br />

Thema Ankommensräume <strong>von</strong> bulgarischen Minderheiten<br />

in Berlin an der HafenCity Universität Hamburg.<br />

Benedik, Stefan (2015): Über Rom_nija sprechen. In: ig<br />

kultur – Zentralorgan <strong>für</strong> Kulturpolitik und Propaganda,<br />

2.15, S. <strong>64</strong> – 66.<br />

Benz, Wolfgang; Graml, Hermann & Weiss, Hermann (Hg.)<br />

(2007): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 5.,<br />

aktualisierte und erw. Aufl. DTV (Series) 34408.<br />

Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

Bratić, Ljubomir, & IG Kultur Österreich (Hg) (2013):<br />

<strong>Roma</strong>nistan ist überall: Markierungen im unwegsamen<br />

Gelände. Wien: IG Kultur Österreich.<br />

End, Markus (2014a): Antiziganismus in der deutschen<br />

Öffentlichkeit: Strategien und Mechanismen medialer<br />

Kommunikation. Studie <strong>für</strong> das Dokumenations- und<br />

Kulturzentrum Deutscher Sinti und <strong>Roma</strong>. Heidelberg:<br />

Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher<br />

Sinti und <strong>Roma</strong>.<br />

End, Markus (2014b): »Von Klischees und falschen Bildern<br />

Eine Analyse: Wie berichten Medien über Sinti und <strong>Roma</strong>?«<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong> Politische Bildung Sinti und <strong>Roma</strong> in<br />

Europa (Februar). Verfügbar unter: www.bpb.de/<br />

internationales/europa/sinti-und-roma-in-europa/179543/<br />

eine-analyse-wie-berichten-medien-ueber-sinti-und-roma<br />

[Stand 6.6.<strong>2016</strong>].<br />

Härle, Andrea; Kogoj, Cornelia; Schwarz, Werner Michael;<br />

Weese, Michael & Winkler, Susanne (2015): <strong>Roma</strong>ne Thana:<br />

Orte der <strong>Roma</strong> und Sinti. Wien: Czernin.<br />

Iskandar, Katharina (2009): »Immer mehr Wohnungseinbrüche<br />

durch Kinderbanden«. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung,<br />

Februar 12. Verfügbar unter www.faz.net/aktuell/<br />

rhein-main/frankfurt/rotationseuropaeer-immer-mehrwohnungseinbrueche-durch-kinderbanden-1894219.html<br />

[Stand 6.6.<strong>2016</strong>].<br />

Ivancheva, Mariya (2015): From Informal to Illegal:<br />

<strong>Roma</strong> Housing in (Post-)Socialist Sofia. In: Intersections.<br />

East European Journal of Society and Politics,<br />

1 (4): p. 38–54.<br />

Jovanovic, Zeljko. 2015. Warum Europas »Dekade der <strong>Roma</strong>«<br />

nicht zur Integration geführt hat. In: ig kultur –<br />

Zentralorgan <strong>für</strong> Kulturpolitik und Propaganda,<br />

2.15, S. 32 -34.<br />

Knudsen, Marko (2003): Die Geschichte der <strong>Roma</strong>.<br />

Hamburg: <strong>Roma</strong>Books.<br />

Kokalanova, Anna (2009): »(No) Man’s Land. Strategien zur<br />

Entwicklung einer Rom-Siedlung in Sofia«. Master Thesis,<br />

Hamburg: HafenCity Universität.<br />

Marushiakova, Elena & Popov, Vesselin (2007): Studii<br />

<strong>Roma</strong>ni. Bd. 7. Studii <strong>Roma</strong>ni. Sofia: Paradigma.<br />

Marushiakova, Elena & Popov, Vesselin (2015): European<br />

Policies for Social Inclusion of <strong>Roma</strong>: Catch 22? In:<br />

Social Inclusion, 3 (5): 19. Ringold, Dena (2005): <strong>Roma</strong> in<br />

an expending Europe. Breaking the poverty cycle.<br />

Washington DC: World Bank.<br />

Stewart, Michael (Hg.) (2012): The Gypsy ›Menace‹:<br />

Populism and the New Anti-Gypsy Politics. London: Hurst.<br />

N.N. (2015): Tausche Rumänen und Bulgaren gegen Syrer. In:<br />

Süddeutsche Zeitung, 17.9. Verfügbar unter: www.<br />

sueddeutsche.de/politik/duisburger-oberbuergermeistertausche-rumaenen-und-bulgaren-gegen-syrer-1.2652018<br />

[Stand 6.6.<strong>2016</strong>].<br />

Zahariev, Atanas (<strong>2016</strong>): <strong>Roma</strong>ni Boy Attacked in Bulgaria<br />

for Declaring himself Equal. ERRC European <strong>Roma</strong> Rights<br />

Centre. April 19. Verfügbar unter: www.errc.org/article/<br />

romani-boy-attacked-in-bulgaria-for-declaring-himselfequal/4473<br />

[Stand 6.6.<strong>2016</strong>].<br />

Zimmermann, Michael (Hg) (2007): Zwischen Erziehung und<br />

Vernichtung: Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im<br />

Europa des 20. Jahrhunderts. In: Beiträge zur Geschichte<br />

der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bd. 3.<br />

Stuttgart: Steiner.<br />

Anna Kokalanova — URBANE Räume VON und FÜR <strong>Roma</strong><br />

09


Rosalina Babourkova<br />

IDENTITÄT,<br />

ILLEGALITÄT und<br />

INFRASTRUKTUR<br />

<strong>Roma</strong> als moderne Stadtbürger<br />

Daseinsvorsorge, Kommodifizierung, Infrastruktur,<br />

Bulgarien, Transformation, Illegalisierung, Identität,<br />

Wohnraum, Ghetto, Citizenship<br />

In bulgarischen <strong>Roma</strong>siedlungen, wie hier in der Siedlung Fakulteta in Sofia,<br />

werden die Stromzähler auf hohen Masten montiert,<br />

um Manipulationen zu verhindern. Diese Maßnahme ist nur in <strong>Roma</strong>siedlungen<br />

üblich und somit stigmatisierend.<br />

Foto — Anna Kokalanova<br />

Mit dem Übergang Bulgariens <strong>von</strong> einer realsozialistischen in eine marktwirtschaftliche<br />

Ökonomie änderte sich der Stellenwert der städtischen Infrastruktur.<br />

Das gesellschaftliche Ziel der Versorgung aller BürgerInnen mit der<br />

notwendigen Basisinfrastruktur einer modernen Gesellschaft wurde zugunsten<br />

der Kommodifizierung <strong>von</strong> Strom, Wasser etc. verabschiedet. Am Beispiel<br />

der Stromversorgungspolitik und der illegalen Bau-Praxis in bulgarischen<br />

<strong>Roma</strong>-Siedlungen zeigt der folgende Beitrag die gegenseitige Durchdringung<br />

der Themen Identität, Infrastruktur und Citizenship. Stromzähler und<br />

-rechnungen sind heute ein Symbol des Risses in der Beziehung zwischen<br />

Staat und ethnifiziertem Bürger und Verbraucher.<br />

10<br />

<strong>dérive</strong> N o <strong>64</strong> — <strong>Ausgrenzung</strong>, <strong>Stigmatisierung</strong>, <strong>Exotisierung</strong>. <strong>Urbane</strong> <strong>Lebenswelten</strong> <strong>von</strong> <strong>Roma</strong>


Ferdinand Koller<br />

Sind Bettler<br />

ROMA,<br />

sind ROMA Bettler?<br />

Kritik einer einseitigen<br />

Wahrnehmung<br />

Betteln, <strong>Roma</strong>, Antiziganismus,<br />

Verdrängung, Kampagnen<br />

Kampagne gegen Bettelverbote.<br />

Foto — BettelLobby Wien<br />

Bettler, so wie andere marginalisierte Gruppen, werden immer öfter mittels<br />

Verordnungen, Kontrollen und sozialem und medialem Druck aus den Zentren<br />

der Städte verdrängt. Das Problem <strong>für</strong> die Gesellschaft ist nicht ihre Armut,<br />

sondern ihre Sichtbarkeit. Gleichzeitig hat es sich in den letzten Jahren durchgesetzt<br />

Bettler generell als <strong>Roma</strong> wahrzunehmen, unabhängig da<strong>von</strong>, ob<br />

das den Tatsachen entspricht oder nicht. Damit werden die in der Öffentlichkeit<br />

herrschenden Vorurteile gegenüber <strong>Roma</strong> und das Bild, das Politik<br />

und Medien oft <strong>von</strong> ihnen zeichnen, auf Bettler übertragen, gleichzeitig wird<br />

dadurch das Bild der <strong>Roma</strong> in Österreich völlig verzerrt. Die Folgen sind<br />

schwindende Hilfsbereitschaft und Spendenfreudigkeit gegenüber Bettlern<br />

und wenig bis kein Widerstand beim Einsatz <strong>von</strong> polizeilichen Maßnahmen<br />

zur Verdrängung.<br />

Ferdinand Koller — Sind Bettler ROMA, sind ROMA Bettler?<br />

15


Diana Botescu & Anna Kokalanova<br />

ZUGANG zu<br />

Wohnraum <strong>für</strong> bulgarische<br />

und rumänische<br />

BÜRGERiNNEN in Berlin<br />

Formen des informellen Wohnens in der Ankunftsphase<br />

Wohnungsmarkt, Berlin, Zuwanderung, Informalität,<br />

Diskriminierung, <strong>Roma</strong>, soziale Mobilität<br />

Hinterhof einer sogenannten Schrottimmobilie in Berlin.<br />

Foto — Diana Botescu<br />

In vielen Städten gibt es eine rege Debatte über die Wohnungsfrage.<br />

Die aktuell verhältnismäßig stark steigenden Einwohnerzahlen, die nicht nur,<br />

aber auch mit der zunehmenden Zahl an Geflüchteten zu sehen ist,<br />

tragen dazu bei. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit der Situation in<br />

der Ankunftsphase <strong>für</strong> bulgarische und rumänische BürgerInnen am<br />

Berliner Wohnungsmarkt. Wie sehen ihr Raumbedürfnis und ihre Ressourcen<br />

aus? Welche Wohnformen stehen ihnen zur Verfügung? Mit welchen<br />

Diskriminierungen sind sie konfrontiert?<br />

20<br />

<strong>dérive</strong> N o <strong>64</strong> — <strong>Ausgrenzung</strong>, <strong>Stigmatisierung</strong>, <strong>Exotisierung</strong>. <strong>Urbane</strong> <strong>Lebenswelten</strong> <strong>von</strong> <strong>Roma</strong>


Andre Krammer<br />

Die GEISTER<br />

zwischen den<br />

STÜHLEN<br />

Vertreibung, Lager, Antiziganismus, Angst,<br />

Homo sacer, New Babylon,<br />

Nomadentum, Bohème, Flanerie<br />

Anmerkungen zur psychogeographischen Rolle moderner Nomaden und<br />

der sich fortschreibenden Leidensgeschichte der <strong>Roma</strong><br />

Constant, Design for Gypsy Camp, 1956–1958.<br />

Foto — Victor Nieuwenhuys<br />

The vagabond who’s rapping at your door is standing<br />

in the clothes that you once wore.<br />

Bob Dylan 1965<br />

Der glatte Raum wird unaufhörlich in einen gekerbten Raum übertragen<br />

und überführt; der gekerbte Raum wird ständig umgekrempelt, in einen<br />

glatten Raum zurückverwandelt.<br />

Gilles Deleuze, Félix Guattari 2005<br />

26<br />

<strong>dérive</strong> N o <strong>64</strong> — <strong>Ausgrenzung</strong>, <strong>Stigmatisierung</strong>, <strong>Exotisierung</strong>. <strong>Urbane</strong> <strong>Lebenswelten</strong> <strong>von</strong> <strong>Roma</strong>


Kunstinsert:<br />

Angelika Krinzinger<br />

Mäder<br />

Die Geste ist eine Bewegung des Körpers oder eines mit ihm verbundenen Werkzeuges,<br />

<strong>für</strong> die es keine zufriedenstellende kausale Erklärung gibt.<br />

Vilém Flusser<br />

Angelika Krinzinger beschäftigt sich seit vielen Jahren mit oft (makro-)fotografischen Zugängen<br />

zu Objekten und Körperausschnitten. Vielfach entstehen dabei Fotoarbeiten und Serien <strong>von</strong><br />

groß dargestellten Teilbereichen des Körpers, die unprätentiös den sinnlichen Charakter fokussieren<br />

und über das Detail die Frage nach dem Ganzen stellen.<br />

Vor etwa zwei Jahren begann Angelika Krinzinger intensiv <strong>für</strong> ihre Ausstellung An Hand<br />

im Schloss Ambras (2014) in Innsbruck Hände zu fotografieren. Dabei handelte es sich jedoch<br />

nicht – wie sonst in ihren Fotoarbeiten – um jene <strong>von</strong> lebenden Menschen, sondern sie destillierte<br />

Details aus der historischen Porträtgalerie des Schlosses Ambras aus dem 16. Jahrhundert. In<br />

der Zusammenstellung der Fotoarbeiten fällt auf, dass kaum eine dieser historischen Hände den<br />

natürlichen Charakter einer Hand vermittelt. Vielmehr wirken diese durch ihre Vergrößerung<br />

eher wie autonome Studien in einem Skizzenblock: künstlich aber symptomatisch <strong>für</strong> das Korsett<br />

dieser Zeit.<br />

Im April 2015 fotografierte Angelika Krinzinger im Schulheim Mäder, welches zu der<br />

Landessonderschule <strong>für</strong> körper- und mehrfachbehinderte Kinder in Vorarlberg gehört, über zwei<br />

Tage nicht nur die Hände der Kinder, sondern auch jene der LehrerInnen, BetreuerInnen und<br />

TherapeutInnen. Auf diese Weise entstand ein kollektives Manogramm, welches die Wichtigkeit<br />

der Hände, ihren Tastsinn und Bewegungsmöglichkeiten in neuen Relationen erscheinen lässt.<br />

Die 156 Schwarzweiß-Fotos sind zu einer Werkserie, deren Erlös dem Schulheim Mäder zugutekommt,<br />

zusammengefasst, die bei jeder Aufnahme die Frage nach dem Menschen hinter der<br />

Hand stellt.<br />

Die Haltungen der Hände verfolgen offensichtlich keine üblichen Codes, wie etwa die<br />

bekannten Gestikulationen süditalienischer Kommunikationspraktiken. Es ist die Spontaneität<br />

und Offenheit der TeilnehmerInnen, die dieses Projekt so selbstverständlich und vielschichtig<br />

zugleich macht.<br />

Von 16. Juni bis 6. August <strong>2016</strong> gibt es Arbeiten <strong>von</strong> Angelika Krinzinger in der Ausstellung<br />

Filter im Kunstforum Montafon in Schruns zu sehen.<br />

Barbara Holub / Paul Rajakovics<br />

32<br />

<strong>dérive</strong> N o <strong>64</strong> — <strong>Ausgrenzung</strong>, <strong>Stigmatisierung</strong>, <strong>Exotisierung</strong>. <strong>Urbane</strong> <strong>Lebenswelten</strong> <strong>von</strong> <strong>Roma</strong>


Gilda-Nancy Horvath<br />

WIR lassen<br />

ES ZU<br />

Die Verantwortung<br />

des Nichthandelns und<br />

die Bedeutung<br />

der Selbstrepräsentation<br />

<strong>Roma</strong>, Selbstrepräsentation,<br />

Menschenrechte, Zivilisation, Geschichte,<br />

Medien, Mythen<br />

Kampagne »Wir sind gegen das Wort Zigeuner« —<br />

Doris, Harri und Sissi Stojka.<br />

Foto — Bettina Neubauer<br />

Europa versteht sich als Hort der Zivilisation und<br />

als Wiege <strong>von</strong> Aufklärung und Menschenrechten.<br />

Das Schicksal der <strong>Roma</strong>, die seit gut sechs<br />

Jahrhunderten in Europa leben, steht zu diesem<br />

Selbstverständnis in krassem Widerspruch. Kurzen<br />

Pausen der Duldung stehen lange Zeiten der<br />

Verachtung, Vertreibung und Vernichtung gegenüber.<br />

Auch heute sehen sich <strong>Roma</strong> mit Segregation,<br />

Verdrängung, Diskriminierung und rassistischer<br />

Gewalt wie z.B. 2008/09 in Ungarn oder 1995 in<br />

Österreich konfrontiert. Gegen das Unwissen<br />

über Geschichte und Bedeutung der <strong>Roma</strong> <strong>für</strong><br />

Europa entsteht das RomArchive, das damit antritt<br />

durch Aufklärung <strong>für</strong> mehr Verständnis zu sorgen.<br />

Für Gilda-Nancy Horvath verkörpern Projekte<br />

wie dieses die Hoffnung, dass die Idee Europas<br />

gestärkt wird und der Trend zu Abkapselung<br />

und nationalstaatlichem Egoismus gebremst wird.<br />

Wie wir die Ärmsten und Schwächsten in dieser Gesellschaft<br />

behandeln, ist der historische Maßstab, an dem die Glaubwürdigkeit<br />

dessen was wir Europa nennen gemessen werden<br />

wird. Die <strong>Roma</strong> und all jene Menschen, die jetzt auf der Flucht<br />

sind, sind der Spiegel, den Europa sich nicht vorhalten will.<br />

Aus gutem Grund, denn was würde es sehen? Eine Fratze dessen,<br />

was dereinst die Wiege der Menschenrechte und Aufklärung<br />

war, oder zumindest behauptete es zu sein.<br />

Staunend wie ein Kind, stand ich vor dir Europa.<br />

Voll der Freude, der Aufbruchsstimmung, voller Lust auf das<br />

Neue, den Fortschritt, die Zukunft. Das ist jetzt 15 Jahre<br />

her. Es mag pathetisch klingen, übertrieben, kitschig. Doch<br />

ich halte es nur <strong>für</strong> angebracht zu fragen: Was ist aus dir<br />

geworden, Europa?<br />

<strong>Roma</strong> sind ein Teil Europas<br />

Wenn ich über <strong>Roma</strong> schreiben soll, dann muss ich<br />

zwangsläufig auch über all das schreiben, was die Situation der<br />

<strong>Roma</strong> beeinflusst: Die Bildungssituation verschiedener<br />

Länder in Europa, die unterschiedlichen Entwicklungen in der<br />

Historie und Politik post-kommunistischer Länder und jenen<br />

in Zentraleuropa; auch über den Holocaust und wie dieser sich<br />

heute auf die nachfolgenden Generationen auswirkt. Ebenso<br />

Gilda-Nancy Horvath — WIR lassen ES ZU<br />

37


Michael Hieslmair<br />

SOFIA–Express<br />

Alltag am<br />

Verkehrskorridor<br />

Arbeitsmigration, Mobilität, Linienbus,<br />

<strong>Roma</strong>, Segregation, Bulgarien,<br />

Tourismus, Pflege, Multilokalität<br />

Reisebus des bulgarischen Unternehmens Air Kona<br />

Eurolines Linienverbund Sofia und Wien, Hin- und Retourfahrt 61 Euro<br />

Abfahrt: Donnerstag, 2. 9. 2014, 16 Uhr Centralna Avtogara Sofia<br />

Ankunft: Freitag, 3. 9. 2014, 6 Uhr am Vienna International Bus Terminal Erdberg<br />

40<br />

<strong>dérive</strong> N o <strong>64</strong> — <strong>Ausgrenzung</strong>, <strong>Stigmatisierung</strong>, <strong>Exotisierung</strong>. <strong>Urbane</strong> <strong>Lebenswelten</strong> <strong>von</strong> <strong>Roma</strong>


Martin Gegner<br />

Die<br />

BRASILIANISCHE<br />

Stadt —<br />

zu modern <strong>für</strong> das 21. Jahrhundert?<br />

Brasilien, Städtebau, Moderne, CIAM, Le Corbusier,<br />

Funktionalismus, Fortschritt, Verkehrspolitik,<br />

Automobil, Wohnungsfrage, Oscar Niemeyer, Brasília,<br />

Rio de Janeiro, São Paolo<br />

Eixo Monumental, Brasília.<br />

Foto — Inst. f. Architektur, Universität Aalborg.<br />

In Brasilien entwickelte sich im 20. Jahrhundert<br />

eine eigentümliche Form des<br />

Städtebaus, die <strong>von</strong> einer besonderen<br />

Rezeption der Moderne Europas geprägt<br />

war. Der weiterhin dominierende Einfluss,<br />

den diese Ideologie auf die Planung<br />

sowohl <strong>von</strong> Megacities als auch auf die<br />

<strong>von</strong> Kleinstädten hatte, rechtfertigt es, in<br />

der Überschrift <strong>von</strong> der brasilianischen<br />

Stadt zu sprechen. Selbstverständlich<br />

sind nicht alle brasilianischen Städte<br />

gleichförmig. Dennoch finden sich in<br />

fast allen immer wiederkehrende Planungsmuster,<br />

die bis in unsere Zeit hinein<br />

angewandt werden. Die Diskussion,<br />

ob deshalb bei der brasilianischen<br />

Stadt <strong>von</strong> einem eigenen Typus gesprochen<br />

werden kann, findet sich an anderer<br />

Stelle (Gegner 2015).<br />

In diesem Beitrag sollen das spezifisch<br />

Moderne der brasilianischen Stadt herausgearbeitet<br />

und die daraus resultierenden<br />

Probleme diskutiert werden. So<br />

wird zunächst die Rezeption der europäischen<br />

Moderne in Brasilien nachgezeichnet,<br />

um dann den eigenen<br />

brasilianischen Weg in die Moderne zu<br />

skizzieren. Unter Moderne wird hier<br />

die <strong>für</strong> Architektur und Städtebau mittlerweile<br />

historische Epoche <strong>von</strong> 1920 bis<br />

1960 verstanden. Der Titel stellt die<br />

Frage, ob der brasilianische Urbanismus<br />

zu stark an den Konzepten der ersten<br />

Hälfte des 20. Jahrhunderts festhält. Die<br />

besonderen Anforderungen des 21. Jahrhunderts,<br />

die keinesfalls objektiv zu bestimmen<br />

sind, werden zum Schluss unter<br />

Bezug auf die Millennium Development<br />

Goals der Vereinten Nationen (UN 2000)<br />

in der Zuständigkeit des Programms<br />

<strong>für</strong> menschliche Siedlungen UNHABITAT<br />

(UN 2010) definiert. Auf diese Weise<br />

werden die konkreten Entwicklungen des<br />

brasilianischen Städtebaus zu Beginn<br />

des 21. Jahrhunderts den übernationalen<br />

und – unter Bezug auf das Estatuto<br />

da Cidade (Presidência da República<br />

2001) – auch den nationalen Zielvorstellungen<br />

gegenübergestellt.<br />

Magazin<br />

Martin Gegner — Die BRASILIANISCHE Stadt – zu modern <strong>für</strong> das 21. Jahrhundert?<br />

45


Besprechungen<br />

Die Stadt<br />

ins Werk setzen<br />

Henri Lefebvre und das<br />

Recht auf Stadt<br />

Klaus Ronneberger<br />

Im letzten Jahrzehnt hat die Forderung Recht<br />

auf die Stadt eine Renaissance erlebt. Unter<br />

dieser eingängigen Parole werden so unterschiedliche<br />

Themen wie Gentrifizierung, Privatisierung<br />

öffentlicher Güter oder Migrationsund<br />

Flüchtlingsbewegungen angesprochen. Im<br />

März 1968 – also kurz vor der Pariser Mai-<br />

Revolte – fordert der Philosoph Henri Lefebvre<br />

im Manifest Le droit à la ville erstmals das Recht<br />

auf Stadt ein. Diese Kampfschrift ist nun mit<br />

einem Vorwort vom Hamburger Künstler und<br />

Aktivisten Christoph Schäfer auf deutsch beim<br />

Nautilus Verlag erschienen.<br />

Um die Bedeutung dieses Büchleins zu<br />

verstehen, bedarf es einer historischen Kontextualisierung:<br />

Ab den sechziger Jahren machen<br />

sich die negativen Auswirkungen des fordistischen<br />

Urbanisierungsprogramms nachhaltig<br />

bemerkbar: Der autogerechte Umbau der<br />

Städte, die Stadtflucht zahlungskräftiger Bevölkerungsgruppen<br />

in das suburbane Eigenheim,<br />

die Trostlosigkeit der neuen Trabantensiedlungen<br />

und die Verödung der Zentren werden<br />

<strong>von</strong> Lefebvre als »globale Krise der Stadt«<br />

wahrgenommen. Synchron zu dieser Entwicklung<br />

setzt auch eine Sanierung der kernstädtischen<br />

Altbaubestände ein. Im Fall <strong>von</strong> Paris<br />

organisiert man im Rahmen der rénovation<br />

urbaine den Abriss <strong>von</strong> Stadtquartieren, und<br />

die Mehrzahl der betroffenen BewohnerInnen<br />

wird einfach in die Peripherie umgesiedelt.<br />

Die Stadtsoziologie, damals vornehmlich an statistisch-empirischen<br />

Verfahrensweisen orientiert,<br />

zeigt wenig Neigung, solche Phänomene<br />

gesellschaftstheoretisch zu reflektieren. Viele<br />

SozialwissenschaftlerInnen lassen sich unkritisch<br />

auf Fragestellungen der Planungs- und Verwaltungsinstanzen<br />

ein, denen es um die Kontrolle<br />

und Beherrschung sozialer Prozesse geht.<br />

Henri Lefebvre, zu jener Zeit vor allem als<br />

marxistischer Alltagssoziologe bekannt, gehört<br />

zu den ersten Vertretern der scientific community,<br />

die die fordistische Stadtentwicklung aus<br />

einer umfassenden theoretischen Perspektive zu<br />

analysieren versuchen. In Le droit à la ville<br />

bemüht er da<strong>für</strong> so unterschiedliche Felder wie<br />

Philosophie und Kunst, um sich tastend der<br />

urbanen Problematik anzunähern. Natürlich sind<br />

die Jahrzehnte an dem Text nicht spurlos vorbeigegangen.<br />

Von Lefebvre heftig kritisierte<br />

Phänomene wie Funktionalismus oder Strukturalismus<br />

haben heute ihre Bedeutung als<br />

konzeptive Ideologien verloren. Auch die <strong>von</strong><br />

ihm häufig beschworene Avantgarderolle<br />

des Proletariats bei der Verwirklichung einer<br />

urbanen Gesellschaft wirkt aus heutiger Sicht<br />

eher bizarr.<br />

Dennoch sind einige seiner Thesen, die er<br />

in La révolution urbaine (1970) nochmals präziser<br />

und systematischer ausarbeitet, weiterhin <strong>von</strong><br />

Bedeutung. So bilden <strong>für</strong> den Philosophen Industrialisierung<br />

und Verstädterung eine<br />

dialektische Einheit: Die Industrialisierung der<br />

Gesellschaft impliziert immer auch eine Urbanisierung.<br />

Ihre Dynamik führt zu einer Zusammenballung<br />

<strong>von</strong> Arbeitskräften und Produktionsmitteln,<br />

welche wiederum den Ausbau<br />

städtischer Infrastrukturen vorantreibt. Im Laufe<br />

des 20. Jahrhunderts breitet sich ihm zufolge<br />

ein »urbanes Gewebe« (tissu urbain) über die<br />

Landschaft aus. Sowohl die Stadt wie das Land<br />

werden Opfer der kapitalistischen Akkumulation.<br />

Bildhaft gesprochen vollzieht sich der<br />

Besprechungen<br />

Urbanisierungsprozess nach dem Prinzip <strong>von</strong><br />

Explosion und Implosion. Die historische Stadt<br />

explodiert; ihre Trümmer werden weit hinausgeschleudert,<br />

und neue Randgebiete und Satellitenstädte<br />

entstehen. Implosion steht <strong>für</strong> die<br />

gleichzeitig stattfindende Aufwertung der<br />

Stadtzentren. Der frühere Stadt-Land-Gegensatz<br />

transformiert sich zu einem neuen Gegensatz,<br />

demjenigen zwischen Zentrum und<br />

Peripherie. Entscheidend ist die Behauptung<br />

Lefebvres, dass die Ausbreitung des »urbanen<br />

Gewebes« nicht zu einem konturlosen urban<br />

sprawl führt. Vielmehr regenerieren sich die<br />

Stadtkerne als »Zentren des Konsums« und als<br />

»Entscheidungszentren« der Macht. Der Kampf<br />

um »Zentralität« (Information, Begegnung,<br />

Vergnügen) wird deshalb zum wichtigen<br />

Moment einer widerständigen Praxis, die gegen<br />

die kapitalistische Verwertungslogik aufbegehrt.<br />

Angesichts der gegenwärtigen Stadtentwicklung<br />

erweisen sich in dieser Hinsicht Lefebvres<br />

Überlegungen als zutreffend: Der Erlebniskonsum<br />

ist zu einem wichtigen Bestandteil<br />

der urbanen Ökonomie geworden. Gleichzeitig<br />

hat in den Metropolen die Verdichtung<br />

<strong>von</strong> Headquarter-Strukturen eine neue<br />

Qualität angenommen.<br />

Lefebvre will auch das marxistische Revolutionsprojekt<br />

erneuern: Marx und Engels hätten<br />

die Dialektik <strong>von</strong> Industrialisierung und Urbanisierung<br />

nicht wirklich begreifen können. Das<br />

Problem des Wohnens (l’habiter) sei zwar <strong>von</strong><br />

ihnen erkannt worden, aber das Phänomen der<br />

Urbanisierung gehe weit über die »Wohnungsfrage«<br />

hinaus. Lefebvre deutet damit eine<br />

historische Beschränkung des Marx’schen Denkens<br />

an. Er kommt zu dem Schluss, dass die<br />

erste Welle der Weltrevolution, die durch die<br />

Agrarreformen des 19. Jahrhunderts stimuliert<br />

wurde, verebbt sei. Nun werde die nächste<br />

Welle der Revolution durch die »Stadtreform«<br />

vorangetrieben. Das Recht auf Stadt besitzt <strong>für</strong><br />

ihn eine strategische Bedeutung, denn mit der<br />

»Banlieusierung« der Arbeiterklasse und dem<br />

damit einhergehenden Verlust <strong>von</strong> »Zentralität«<br />

drohe deren widerständiges »urbanes Bewusstsein«<br />

zu verschwinden. Er kommt in diesem<br />

Zusammenhang auf die Pariser Commune zu<br />

sprechen. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte<br />

Baron Georges-Eugène Haussmann im Auftrag<br />

Napoleons III. das Zentrum <strong>von</strong> Paris <strong>für</strong> die<br />

besitzenden Klassen völlig umkrempeln lassen.<br />

Die innerstädtische Arbeiter- und Armutsbevölkerung<br />

wurden systematisch in periphere Zonen<br />

verdrängt. Aus Sicht <strong>von</strong> Lefebvre stellt die<br />

Erhebung <strong>von</strong> 1871 die kraftvolle Rückkehr der<br />

abgeschobenen ArbeiterInnen in das städtische<br />

55


Martin Feiersingers knappe, konzise Texte das<br />

Interesse am jeweiligen Bau noch steigern.<br />

Da ist es dann ein Jammer, wenn die beschriebenen<br />

Strukturen nicht zu sehen sind.<br />

Ob auch andere Länder ein solches Maß<br />

an Schätzen der Moderne bergen? Vielleicht<br />

kann man Martin und Werner Feiersinger<br />

zumindest da<strong>für</strong> gewinnen, Italien auch weiter<br />

Richtung Süden mit ihren Kameras zu<br />

durchkämmen. Jedenfalls sei der Band allen<br />

an der Architektur der Nachkriegsjahrzehnte<br />

Interessierten unbedingt empfohlen, gerade<br />

jetzt, wenn man vielleicht seinen Sommerurlaub<br />

plant. Das nächste Traumziel der Rezensentin<br />

steht jedenfalls fest: der ligurische Küstenort<br />

Bergeggi mit seiner 1950er-Jahre-Retorten-<br />

Feriensiedlung Torre del Mare und ihren in die<br />

Felsen der Steilküste gehauenen, auf<br />

verschränkten Zylinderstrukturen basierenden<br />

Bauten <strong>von</strong> Mario Galvagni. Auch so ein<br />

Name, den man sich merken muss. Wir lechzen<br />

jedenfalls schon jetzt nach Band 3 …<br />

—<br />

Martin & Werner Feiersinger<br />

Italomodern 2. Architektur in<br />

Oberitalien 1946-1976.<br />

Zürich: Park Books, 2015<br />

552 Seiten, 48,- Euro<br />

—<br />

Räume des Phantastischen<br />

und Grotesken<br />

Thomas Ballhausen<br />

Nick Cave ist richtigerweise nicht nur als Musiker<br />

eine fi xe Größe des kulturellen Geschehens<br />

– seine Prosaarbeiten und insbesondere seine<br />

Lyrics machen immer wieder die literarischen<br />

Qualitäten seines Wirkens deutlich. Für die nun<br />

auch in deutscher Sprache vorliegende jüngste<br />

Veröffentlichung, The Sick Bag Song, hat er<br />

sich auf eine Zwischenform verlegt, die in mehrfacher<br />

Hinsicht <strong>von</strong> der Kategorie des Raums,<br />

sei es in geografi scher oder in poetischer Hinsicht,<br />

geprägt ist. Als lyrischer Prosastrom wird<br />

eine Tour in den Vereinigten Staaten und Kanada<br />

nachgezeichnet, die jeweiligen Städte, <strong>von</strong><br />

Nashville über Los Angeles bis Montreal, geben<br />

die zyklische Kapitelstruktur des Buches ab.<br />

Doch wer hier ein Nacherzählen <strong>von</strong> musikalischen<br />

Stationen in Sinne eines Tour-Tagebuchs<br />

erwartet, wird angenehm überrascht.<br />

Im Mittelpunkt des Langgedichts stehen<br />

nicht so sehr die Auftritte, sondern vielmehr die<br />

Passagen des Übergangs. Von den Rändern her<br />

erzählt Cave über Getriebenheit, über das<br />

Element des Unsteten. Die Kreisbewegung der<br />

Tour ist eingebunden in die umklammernde<br />

Refl exion über eine Kindheitserinnerung, über<br />

das ganz prinzipielle Spannungsverhältnis<br />

zwischen dem Objektivitätsanspruch allgemeingültiger<br />

Wahrheit und subjektstiftender individueller<br />

Erfahrung. Die Unaufl ösbarkeit der<br />

Frage, ob nun etwas tatsächlich so gewesen<br />

ist oder ob es auf eigenständige/eigenwillige<br />

Weise erinnert wird und damit auf einer<br />

verschobenen Ebene Wahrheitsgehalt gewinnt,<br />

ist wenig überraschend die poetologische<br />

Grundlage <strong>von</strong> Caves Text.<br />

Bevor sich aber ein Moment <strong>von</strong> Aussöhnung<br />

abzeichnen kann, muss die Tour durchschritten<br />

werden: Die titelspendenden sick bags<br />

sind hier aber nicht nur Notizzettel, sondern<br />

im übertragenen Sinn auch ein diagrammatischer<br />

Raum, in dem Cave seine mannigfaltigen<br />

Bezüge und Referenzen, die auf den ersten<br />

Moment nicht selten widersprüchlich oder auch<br />

gegenläufi g anmuten, literarisch neu zu einander<br />

positioniert. Was sich da fi ndet, macht<br />

deutlich, dass der Titel des Buchs keine Zufälligkeit<br />

ist, spielt Cave doch sehr gekonnt mit<br />

Auswurf und Verwerfung, mit Unrat und Dreck.<br />

Es ist also bestimmt nicht das cleanliness bag<br />

der asiatischen Zivilluftfahrt, das sich auftut,<br />

sondern vielmehr eine wahre Kotztüte (An die<br />

Titelwahl der ansonsten sehr gelungenen<br />

Übersetzung und das österreichische Spezifi -<br />

kum Speibsackerl soll an dieser Stelle kurz erinnert<br />

werden). Wenn also alle in der sprichwörtlich<br />

gleichen Tüte sitzen, ist es nur umso<br />

stimmiger, wenn Cave auch auf dieser Ebene<br />

sein Oszillieren zwischen Dokumentation<br />

und Fiktion fortführt und in seinen mythopoetischen<br />

Verschränkungen die geschilderten<br />

Szenerien in Räume des Phantastischen und<br />

Grotesken überführt. Und nichts ist dann wirklicher,<br />

als wenn er beispielsweise weiblichen<br />

Allegorien <strong>von</strong> Nationen begegnet oder unter<br />

einer Brücke eine pfl egebedürftige »Drachin«<br />

fi ndet. Die aufwändig gestaltete Ausgabe lädt<br />

zum Vergleicht mit dem im Anhang abgedruckten<br />

englischsprachigen Original, auf<br />

jeden Fall aber zur sofortigen erneuten<br />

Lektüre dieses Raum-Texts ein.<br />

—<br />

Thomas Ballhausen<br />

Nick Cave: The Sick Bag Song/Das Spucktütenlied<br />

Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch <strong>2016</strong><br />

ISBN 978-3-462-04862-9<br />

—<br />

60<br />

<strong>dérive</strong> N o <strong>64</strong> — <strong>Ausgrenzung</strong>, <strong>Stigmatisierung</strong>, <strong>Exotisierung</strong>. <strong>Urbane</strong> <strong>Lebenswelten</strong> <strong>von</strong> <strong>Roma</strong>


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Alle Inhaltsverzeichnisse und zahlreiche Texte<br />

sind auf der <strong>dérive</strong>-Website nachzulesen.<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 1 (01/2000)<br />

Schwerpunkte: Gürtelsanierung: Sicherheitsdiskurs,<br />

Konzept – und Umsetzungskritik, Transparenzbegriff;<br />

Institutionalisierter Rassismus am Beispiel der »Operation<br />

Spring«<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 2 (02/2000)<br />

Schwerpunkte: Wohnsituation <strong>von</strong> MigrantInnen und<br />

Kritik des Integrationsbegriffes; Reclaim the Streets/<br />

Politik und Straße<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 3 (01/2001) (vergriffen)<br />

Schwerpunkt: Spektaktelgesellschaft<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 4 (02/2001)<br />

Schwerpunkte: Gentrifi cation, Stadtökologie<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 5 (03/2001)<br />

Sampler: Salzburger Speckgürtel, Museumsquartier,<br />

räumen und gendern, Kulturwissenschaften und <strong>Stadtforschung</strong>,<br />

Virtual Landscapes, Petrzalka,<br />

Juden/Jüdinnen in Bratislava<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 6 (04/2001)<br />

Schwerpunkt: Argument Kultur<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 7 (01/2002)<br />

Sampler: Ökonomie der Aufmerksamkeit, Plattenbauten,<br />

Feministische Stadtplanung,<br />

Manchester, Augarten/Hakoah<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 8 (02/2002)<br />

Sampler: Trznica Arizona, Dresden, Ottakring,<br />

Tokio, Antwerpen, Graffi ti<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 9 (03/2002)<br />

Schwerpunkt in Kooperation mit dem<br />

Tanzquartier Wien: Wien umgehen<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 10 (04/2002) (vergriffen)<br />

Schwerpunkt: Produkt Wohnen<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 11 (01/2003)<br />

Schwerpunkt: Adressierung<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 12 (02/2003)<br />

Schwerpunkt: Angst<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 13 (03/2003)<br />

Sampler: Nikepark, Mumbai,<br />

Radfahren, Belfast<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 14 (04/2003) (vergriffen)<br />

Schwerpunkt: Temporäre Nutzungen<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 15 (01/2004)<br />

Schwerpunkt: Frauenöffentlichkeiten<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 16 (02/2004)<br />

Sampler: Frankfurt am Arsch, Ghetto Realness,<br />

Hier entsteht, (Un)Sicherheit, Reverse Imagineering,<br />

Ein Ort des Gegen<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 17 (03/2004)<br />

Schwerpunkt: Stadterneuerung<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 18 (01/2005)<br />

Sampler: Elektronische Stadt, Erdgeschoßzonen,<br />

Kathmandu, Architektur in Bratislava<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 19 (02/2005)<br />

Schwerpunkt: Wiederaufbau des Wiederaufbaus<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 20 (03/2005)<br />

Schwerpunkt: Candidates and Hosts<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 21/22 (01-02/2006)<br />

Schwerpunkt: <strong>Urbane</strong> Räume – öffentliche Kunst<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 23 (03/2006) (vergriffen)<br />

Schwerpunkt: Visuelle Identität<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 24 (04/2006)<br />

Schwerpunkt: Sicherheit: Ideologie und Ware<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 25 (05/2006) (vergriffen)<br />

Schwerpunkt: Stadt mobil<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 26 (01/2007)<br />

Sampler: Stadtaußenpolitik, Sofi a, Frank Lloyd Wright,<br />

Banlieus, Kreative Milieus, Refl exionen der phantastischen<br />

Stadt, Spatial Practices as a Blueprint for Human<br />

Rights Violations<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 27 (02/2007)<br />

Schwerpunkt: Stadt hören<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 28 (03/2007)<br />

Sampler: Total Living Industry Tokyo, Neoliberale<br />

Technokratie und Stadtpolitik, Planung in der Stadtlandschaft,<br />

Entzivilisierung und Dämonisierung, Stadt-<br />

Beschreibung, Die Unversöhnten<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 29 (04/2007)<br />

Schwerpunkt: Transformation der Produktion<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 30 (01/2008) (vergriffen)<br />

Schwerpunkt: Cinematic Cities – Stadt im Film<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 31 (02/2008) (vergriffen)<br />

Schwerpunkt: Gouvernementalität<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 32 (03/2008)<br />

Schwerpunkt: Die Stadt als Stadion<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 33 (04/2008)<br />

Sampler: Quito, Identität und Kultur des Neuen Kapitalismus,<br />

Pavillonprojekte, Hochschullehre,<br />

Altern, Pliensauvorstadt, Istanbul, privater Städtebau,<br />

Keller, James Ballard<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 34 (01/2009)<br />

Schwerpunkt: Arbeit Leben<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 35 (02/2009)<br />

Schwerpunkt: Stadt und Comic<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 36 (03/2009)<br />

Schwerpunkt: Aufwertung<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 37 (04/2009)<br />

Schwerpunkt: Urbanität durch Migration<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 38 (01/2010)<br />

Schwerpunkt: Rekonstruktion<br />

und Dekonstruktion<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 39 (02/2010) (vergriffen)<br />

Schwerpunkt: Kunst und urbane Entwicklung<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 40/41 (03+04/2010)<br />

Schwerpunkt: Understanding <strong>Stadtforschung</strong><br />

<strong>dérive</strong> Nr. 42 (01/2011)<br />

Sampler<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 43 (02/2011)<br />

Sampler<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 44 (03/2011)<br />

Schwerpunkt: Urban Nightscapes<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 45 (04/2011)<br />

Schwerpunkt: <strong>Urbane</strong> Vergnügungen<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 46 (01/2012)<br />

Das Modell Wiener Wohnbau<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 47 (02/2012)<br />

Ex-Zentrische Normalität:<br />

Zwischenstädtische Lebensräume<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 48 (03/2012)<br />

Stadt Klima Wandel<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 49 (04/2012)<br />

Stadt selber machen<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 50 (01/2013) (vergriffen)<br />

Schwerpunkt Straße<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 51 (02/2013)<br />

Schwerpunkt: Verstädterung der Arten<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 52 (03/2013)<br />

Sampler<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 53 (04/2013)<br />

Citopia Now<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 54 (01/2014)<br />

Public Spaces. Resilience & Rhythm<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 55 (02/2014)<br />

Scarcity: Austerity Urbanism<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 56 (03/2014) (vergriffen)<br />

Smart Cities<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 57 (04/2014)<br />

Safe City<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 58 (01/2015)<br />

<strong>Urbane</strong>s Labor Ruhr<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 59 (02/2015)<br />

Sampler<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 60 (03/2015)<br />

Schwerpunkt: Henri Levebvre und das Recht aus Stadt<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 61 (04/2015)<br />

Perspektiven eines kooperativen Urbanismus<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 62 (01/<strong>2016</strong>)<br />

Sampler<br />

<strong>dérive</strong> Nr. 63 (02/<strong>2016</strong>)<br />

Korridore der Mobilität


Impressum<br />

ABONNEMENT<br />

<strong>dérive</strong> – <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>Stadtforschung</strong><br />

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:<br />

<strong>dérive</strong> – Verein <strong>für</strong> <strong>Stadtforschung</strong><br />

Mayergasse 5/12, 1020 Wien<br />

Vorstand: Christoph Laimer, Elke Rauth<br />

ISSN 1608-8131<br />

Offenlegung nach § 25 Mediengesetz<br />

Zweck des Vereines ist die Ermöglichung und Durchführung<br />

<strong>von</strong> Forschungen und wissenschaftlichen Tätigkeiten zu den<br />

Themen Stadt und Urbanität und allen damit zusammenhängenden<br />

Fragen. Besondere Berücksichtigung sollen dabei<br />

inter- und transdisziplinäre Ansätze finden.<br />

Grundlegende Richtung:<br />

<strong>dérive</strong> – <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>Stadtforschung</strong> versteht sich als<br />

interdisziplinäre Plattform zum Thema <strong>Stadtforschung</strong>.<br />

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<strong>dérive</strong> – Radio <strong>für</strong> <strong>Stadtforschung</strong><br />

Jeden 1. Dienstag im Monat <strong>von</strong> 17.30 bis 18 Uhr<br />

in Wien live auf ORANGE 94.0<br />

oder als Webstream http://o94.at/live.<br />

Sendungsarchiv: http://cba.fro.at/series/1235<br />

Chefredaktion: Christoph Laimer<br />

Schwerpunktredaktion: Anna Kokalanova<br />

Redaktion / Mitarbeit: Thomas Ballhausen, Andreas Fogarasi,<br />

Barbara Holub, Holger Hörtnagl, Michael Klein, Andre<br />

Krammer, Axel Laimer, Iris Meder, Erik Meinharter, Sabina<br />

Prudic-Hartl, Paul Rajakovics, Elke Rauth, Manfred Russo.<br />

AutorInnen, InterviewpartnerInnen und KünstlerInnen<br />

dieser Ausgabe: Rosalina Babourkova, Thomas Ballhausen,<br />

Diana Botescu, Barbara Feller, Martin Gegner, Michael<br />

Hieslmair, Gilda-Nancy Horvath, Anna Kokalanova, Ferdinand<br />

Koller, Andre Krammer, Angelika Krinzinger, Iris Meder,<br />

Paul Rajakovics, Klaus Ronneberger, Monika Streule.<br />

Anzeigenleitung & Medienkooperationen:<br />

Helga Kusolitsch, anzeigen@derive.at<br />

Vertrieb: Holger Hörtnagl<br />

Website: Christian Klettner, Artistic Bokeh<br />

Grafi sche Konzeption & Gestaltung:<br />

Atelier Liska Wesle — Wien / Berlin,<br />

Li t h o g ra fi e: Branko Bily<br />

Coverfoto: Belleville in Belgrad 2011/12<br />

Foto — Lidija Mirkovic<br />

Hersteller: Resch Druck, 1150 Wien<br />

Kontoverbindungen<br />

EU: Empfänger: Christoph Laimer<br />

Bank: easybank, A–1010 Wien<br />

IBAN: AT51 14200 20011126570, BIC: EASYATW1<br />

Schweiz: Postkonto, Kontonummer 87-705939-9<br />

Empfänger: Christoph Laimer, AT–1030 Wien<br />

Abonnement<br />

Standard: 24 Euro (inkl. Versandspesen Inland)<br />

Ermäßigt: 20 Euro (inkl. Versandspesen Inland)<br />

Förder- und Institutionenabo: Euro 50<br />

Ausland jeweils plus 8 Euro Versandspesen<br />

Abonnements laufen ein Jahr (vier <strong>Heft</strong>e). Bestellungen an:<br />

bestellung@derive.at oder per Bestellformular auf www.derive.at<br />

Wir danken <strong>für</strong> die Unterstützung:<br />

Bundeskanzleramt – Kunstsektion,<br />

MA 7 – Wissenschafts- und Forschungsförderung.<br />

Mitgliedschaften, Netzwerke:<br />

Eurozine – Verein zur Vernetzung <strong>von</strong> Kulturmedien,<br />

IG Kultur, INURA – International Network for Urban<br />

Research and Action, Recht auf Stadt – Wien.<br />

Die Veröffentlichung <strong>von</strong> Artikeln aus <strong>dérive</strong> ist nur mit<br />

Genehmigung des Herausgebers gestattet.<br />

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Impressum


»Historisch betrachtet<br />

war und ist<br />

die Vertreibung<br />

<strong>von</strong> <strong>Roma</strong> aus<br />

städtischen Gebieten<br />

gängige Praxis.«<br />

Anna Kokalanova, S. 7<br />

Diskriminierung, Selbstrepräsentation, Vertreibung,<br />

Segregation, Citizenship, Kommodifizierung, Wohnraum, Ghetto,<br />

Betteln, Antiziganismus, Informalität, Lager,<br />

New Babylon, Nomadentum, Arbeitsmigration, Moderne,<br />

Städtebau, Brasilien

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