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ig_2-2016_ebook

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AUF EINE TASSE KAFFEE MIT PROF. DR. ALFRED SIMON<br />

„Ethische Fragen haben<br />

an Bedeutung gewonnen.“<br />

Fotos:iStock, privat<br />

Der Medizinethiker Professor Dr. Alfred Simon ist Geschäftsführer<br />

der Göttinger Akademie für Ethik in der Medizin e. V.<br />

Mit Robin Kreide sprach er unter anderem über ethische Fragen,<br />

die mit einer alternden Gesellschaft auf uns zukommen.<br />

Her Prof. Simon, es scheint, als würden<br />

ethische Fragen sowohl innerhalb<br />

der Medizinerschaft wie auch der<br />

Gesellschaft insgesamt eine wicht<strong>ig</strong>ere<br />

Rolle spielen als jemals zuvor.<br />

Herr Professor Simon, es scheint, als<br />

würden ethische Fragen sowohl innerhalb<br />

der Medizinerschaft als auch<br />

in der Gesellschaft insgesamt eine<br />

wicht<strong>ig</strong>ere Rolle spielen als jemals<br />

zuvor.<br />

In der Tat haben ethische Fragen seit Mitte<br />

des letzten Jahrhunderts kontinuierlich<br />

an Bedeutung gewonnen. Dies hing zum<br />

einen mit dem technischen Fortschritt in<br />

der Medizin zusammen. Neue Möglichkeiten<br />

wie die künstlich Beatmung oder<br />

die Dialyse ermöglichten es, das Überleben<br />

von Patienten auch in kritischen<br />

Situationen zu sichern. Sie warfen aber<br />

auch die Frage auf, ob alles, was technisch<br />

möglich ist, immer auch medizinisch<br />

sinnvoll und im Sinne des Patienten<br />

ist. Zum anderen setzte in dieser Zeit<br />

eine gesellschaftliche Bewegung ein, die<br />

ein stärkeres Selbstbestimmungsrecht der<br />

Bürgerinnen und Bürger propagierte. Für<br />

die Medizin hieß dies, dass eine stärkere<br />

Patientenautonomie eingefordert wurde.<br />

Auch unter den Medizinerinnen und Medizinern<br />

selbst wuchs in dieser Zeit das<br />

Bewusstsein für die individuellen Rechte<br />

der Patienten.<br />

Angesichts der Möglichkeiten, welche<br />

die Stammzellenforschung oder die<br />

Entschlüsselung des menschlichen Genoms<br />

zukünft<strong>ig</strong> bieten werden, kann<br />

man sich die Frage stellen, ob Medizin<br />

irgendwann überhaupt noch ethisch<br />

beherrschbar sein wird.<br />

Rückblickend muss man sagen, dass bei<br />

vielen Themen die ethische Debatte der<br />

technischen Entwicklung hinterherhinkte.<br />

Bei anderen Thema wie z. B. dem therapeutischen<br />

oder reproduktiven Klonen<br />

Prof. Dr. Alfred Simon<br />

war es aber genau umgekehrt: Hier wurde<br />

öffentlich über die ethische Zuläss<strong>ig</strong>keit<br />

der Verfahren diskutiert, noch bevor<br />

diese technisch überhaupt möglich waren.<br />

Auch in anderen medizinischen Bereichen<br />

machen wir uns Gedanken darüber,<br />

wie wir heute noch nicht entwickelte<br />

Techniken zukünft<strong>ig</strong> handhaben wollen.<br />

Das ist eine wicht<strong>ig</strong>e Voraussetzung, um<br />

einen aus ethischer Sicht vertretbaren<br />

Umgang mit ihnen zu finden.<br />

Im Zusammenhang mit ethischen<br />

Diskussionen über neue medizinische<br />

Techniken hört man immer wieder das<br />

Argument: „Wenn wir es nicht tun,<br />

tun es andere.“ Was setzen Sie dem<br />

entgegen?<br />

Ich halte dies für ein überaus schwaches<br />

Argument. Außerdem trifft es auf viele<br />

Themen gar nicht zu. So ist etwa das reproduktive<br />

Klonen weltweit geächtet.<br />

In anderen Bereichen gibt es einen<br />

derart<strong>ig</strong>en Konsens aber nicht.<br />

Das stimmt. Bei der Stammzellenforschung<br />

etwa hat Deutschland seinen<br />

e<strong>ig</strong>enen Weg gewählt und handhabt diesen<br />

restriktiver als andere Länder. Dass<br />

es auf medizinethische oder bioethische<br />

Fragen in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche<br />

Antworten gibt, halte ich<br />

jedoch für sehr wicht<strong>ig</strong>, weil es einen<br />

lebend<strong>ig</strong>en Dialog befördert. Dieser Dialog<br />

kann ein<strong>ig</strong>e Länder vor einer zu konservativen<br />

Haltung bestimmten Themen<br />

gegenüber bewahren und andere wiederum<br />

vor einer zu unkritischen Haltung<br />

schützen.<br />

Sie haben sich im Rahmen Ihrer<br />

Forschung viel mit der Situation von<br />

Ärzten im Zusammenhang mit dem<br />

Thema Sterbehilfe beschäft<strong>ig</strong>t. Im<br />

letzten November hat der Bundestag<br />

das Thema gesetzlich noch einmal<br />

neu geregelt. Bringen Sie uns doch<br />

bitte auf den aktuellen Stand.<br />

Das im November beschlossene Gesetz<br />

verbietet die geschäftsmäß<strong>ig</strong>e Suizidhilfe.<br />

Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war<br />

es, damit die organisierte Suizidhilfe<br />

durch Sterbehilfevereine und einzelne<br />

Sterbehelfer zu unterbinden. Weiterhin<br />

zuläss<strong>ig</strong> ist die Hilfe zu einem freiverantwortlichen<br />

Suizid, die im Einzelfall aus<br />

Gewissensgründen erfolgt. Ungeachtet<br />

der neuen strafrechtlichen Regelung ist<br />

es Ärzten berufsrechtlich verboten, Suizidhilfe<br />

zu leisten.<br />

Von der neuen gesetzlichen Regelung<br />

nicht erfasst sind die Tötung auf Verlangen<br />

und der Behandlungsabbruch.<br />

Die Tötung eines Patienten auf dessen<br />

Verlangen ist in Deutschland, anders als<br />

etwa in den Niederlanden, ausnahmslos<br />

verboten. Zuläss<strong>ig</strong> ist es hingegen, auf<br />

mögliche lebenserhaltende Maßnahmen<br />

wie z. B. die künstliche Beatmung, die<br />

künstliche Ernährung oder kreislaufstabilisierende<br />

Maßnahmen zu verzichten,<br />

um damit dem Wunsch des Patienten<br />

entsprechend dessen Sterben zuzulassen.<br />

Lehnt ein Patient solche Maßnahmen<br />

ab oder hat er seine Ablehnung vorab z.<br />

6 in

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