Leseprobe Computer und Arbeit 06_2017
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
<strong>Computer</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
cua | it-mitbestimmung <strong>und</strong> datenschutz<br />
cua-web.de<br />
26. JAHRGANG<br />
ISSN 1863-8511<br />
D 11680<br />
6 | <strong>2017</strong><br />
künstliche intelligenz<br />
Roboter übernehmen<br />
das Denken<br />
mobile arbeit Neue Ansätze <strong>und</strong> Regeln mit Augenmaß sind jetzt nötig<br />
digitale transformation Betriebsräte können als Vorbild dienen<br />
eu-richtlinie Brüssel hat sich beim Schutz von Betriebsgeheimnissen geeinigt
titelthema künstliche intelligenz CuA 6 |<strong>2017</strong><br />
Künstliche Intelligenz<br />
in der <strong>Arbeit</strong>swelt<br />
forschung »Faszinierend« plegte der Wissenschaftsoizier an Bord des Raumschifs<br />
Enterprise, Mr. Spock, manchmal auch zu bedrohlichen Phänomenen zu sagen.<br />
Faszinierend sind auch die Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz. Doch die Wucht<br />
der Entwicklung droht der Menschheit den Stecker zu ziehen. …<br />
VON ANDREAS HÖPKEN<br />
8
CuA 6 |<strong>2017</strong><br />
künstliche intelligenz<br />
titelthema<br />
Künstliche Intelligenz (kurz: KI) –<br />
da denken die meisten Leserinnen<br />
<strong>und</strong> Leser an das Raumschif<br />
Enterprise oder an Star Wars. Doch<br />
es gibt tatsächlich seit langer Zeit ernstzunehmende<br />
Forschung in dem Bereich. Die stetig<br />
steigende Rechnerleistung ermöglicht aktuell<br />
erhebliche Fortschritte. Eine Folge davon halten<br />
viele selbst in den Händen: die Spracheingabesysteme<br />
in Smartphones wie zum Beispiel<br />
Siri. Was hier noch wie Spielerei wirkt,<br />
kann im wirklichen <strong>Arbeit</strong>sleben <strong>und</strong> darüber<br />
hinaus sehr schnell an Bedeutung gewinnen.<br />
KI ist nicht nur Spracherkennung, sondern<br />
hat auch erhebliche andere Folgen. Es besteht<br />
nämlich die Möglichkeit – oder Gefahr –, dass<br />
einzelne Systeme anfangen, wirklich selbstständig<br />
zu denken.<br />
Das bei Google entwickelte Google Translate<br />
etwa, ist so ein System. Ein künstliches<br />
»neuronales Netz« sorgt dafür, dass die KI<br />
dazu in der Lage ist, über 100 Sprachen in jede<br />
andere zu übersetzen. 1 Früher musste noch<br />
jede Sprache einzeln in die jeweilige Zielsprache<br />
übersetzt werden (Englisch zu Deutsch,<br />
Französisch zu Deutsch …). Es waren also<br />
mehrere H<strong>und</strong>ert Unterprogramme erforderlich.<br />
Nun ist diese Künstliche Intelligenz in der<br />
Lage, sozusagen das Gemeinsame aller Sprachen<br />
zu nutzen, um mit einem einzigen Zwischenschritt<br />
über die Gemeinsamkeiten eine<br />
Übersetzung von jeder Ausgangssprache in<br />
jede Zielsprache zu erstellen. Spektakulär ist<br />
hier vor allem die Tatsache, dass diese Umstellung<br />
des Verfahrens nicht mehr von Menschen<br />
angestoßen wurde. Das System hat diese Vereinfachung<br />
quasi selbst in die Wege geleitet.<br />
Deep Learning – es geht sogar<br />
noch komplexer<br />
Ein anderes Beispiel: Auch beim autonomen<br />
Fahren gibt es gewaltige Entwicklungsschübe.<br />
So berichtete Spiegel Online unter der<br />
Überschrift »Die Denksportwagen« 2 über die<br />
Fähigkeiten von Fahrzeugen beziehungsweise<br />
von deren KI. Dieser wurden Millionen Bilder<br />
von Hindernissen eingegeben <strong>und</strong> dann<br />
mittels Training der Umgang damit »erlernt«.<br />
Letztlich war das System dazu in der Lage,<br />
in vergleichbaren Situationen zu entscheiden<br />
<strong>und</strong> wenn nötig das Fahrzeug zu stoppen.<br />
Ein klassisches Softwareprogramm (Algorithmus)<br />
brauchte es dazu nicht mehr, das neu<br />
ronale Netz lernte selber, die dabei verwendete<br />
Methode nennt sich »Deep Learning«. Dies ist<br />
leider auch nicht ganz ungefährlich, wir kommen<br />
später noch darauf zurück.<br />
Heutige autonome Fahrzeuge oder Roboter<br />
können noch nach Algorithmen – programmierte<br />
Befehle – arbeiten. Sofern sie nur<br />
noch über neuronale Netze arbeiten, dokumentieren<br />
sie die dahinter stehende Logik als<br />
Programm. Zukünftig soll auf diese Dokumentation<br />
verzichtet werden. Damit ist für einen<br />
Menschen nicht mehr die Logik zu erkennen,<br />
wie sie arbeiten, weil keine Entscheidungsbäume<br />
mehr sichtbar sind. So werden diese Systeme<br />
quasi autonom.<br />
»Auf dem Gebiet<br />
der ›kognitiven<br />
Intelligenz‹, sind<br />
Maschinen dem<br />
Menschen bereits<br />
oft überlegen.«<br />
andreas höpken<br />
Die genannten Beispiele berühren im Wesentlichen<br />
einen Ausschnitt aus der KI, die Bereiche<br />
der neuronalen Netze, selbstlernender<br />
Systeme oder eben dem Deep Learning. In<br />
einem anderen Gebiet, der »kognitiven Intelligenz«,<br />
sind Maschinen dem Menschen bereits<br />
oft überlegen.<br />
Dieser Bereich behandelt die Erfassung,<br />
die Abbildung von Erfahrungen in Wissen<br />
<strong>und</strong> letztlich das Schlussfolgern aus dem Kombinieren<br />
vorhandener Wissensbestände. Bei<br />
Spielen wie Schach <strong>und</strong> anderen Brettspielen<br />
war dieses Gebiet bereits frühzeitig erfolgreich.<br />
Selbst bei dem höchst komplexen Spiel<br />
Go ist der beste Mensch von einem Programm<br />
besiegt worden. 3<br />
Wird der Mensch zum Haustier?<br />
In der Robotik oder Robotertechnik ging es<br />
im zivilen Bereich bislang um die Entwicklung<br />
darum geht es<br />
1. Immer leistungsfähigere<br />
<strong>Computer</strong> treiben die<br />
Entwicklung der Künstlichen<br />
Intelligenz voran.<br />
2. Es besteht die Gefahr,<br />
dass Künstliche Intelligenz<br />
<strong>und</strong> Robotik die<br />
Beschäftigten allmählich<br />
verdrängen.<br />
3. Wir sollten die Richtung<br />
<strong>und</strong> Handlungsweisen<br />
in der <strong>Arbeit</strong>swelt<br />
vorgeben – solange es<br />
noch geht.<br />
1 Merkert, Google: Translate-KI übersetzt dank selbst erlernter<br />
Sprache, www.heise.de/newsticker/meldung/Google-Translate-KIuebersetzt-dank-selbst-erlernter-Sprache-3502351.html<br />
2 Stockburger, Die Denksportwagen, www.spiegel.de/auto/aktuell/<br />
kuenstliche-intelligenz-wie-autos-durch-neuronale-netze-dasfahren-lernen-a-1132759.html<br />
3 Google-Software besiegt Go-Genie auch im letzten Match, www.<br />
faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/google-computer-alphagobesiegt-go-weltmeister-14125664.html<br />
9
datenschutz Neue Regeln für Beschäftigtendaten CuA 6 |<strong>2017</strong><br />
Neue Regeln für<br />
Beschäftigtendaten<br />
gesetzgebung Das neue B<strong>und</strong>esdatenschutzgesetz ist durch. Die<br />
alten Vorschriften wurden an die EU-Datenschutzgr<strong>und</strong>verordnung<br />
angepasst. Die beiden Regelwerke bringen auch Neuerungen für<br />
das künf tige Verarbeiten von Beschäftigtendaten durch die Interessenvertretung.<br />
Ein erster Überblick.<br />
VON PETER GOLA<br />
Der Deutsche B<strong>und</strong>estag hat am 27.<br />
April <strong>2017</strong> – die Zustimmung des<br />
B<strong>und</strong>esrats erfolgte am 12. Mai<br />
– das »DatenschutzAnpassungs<strong>und</strong><br />
Umsetzungsgesetz EU« (DSAnpUG) verabschiedet.<br />
Mit diesem Gesetz sollen notwendige<br />
Anpassungen des deutschen Datenschutzrechts<br />
an die ab dem 25. Mai 2018 geltende<br />
EUDatenschutzgr<strong>und</strong>verordnung (DSGVO)<br />
erfolgen. Unter anderem wird ein neues B<strong>und</strong>esdatenschutzgesetz<br />
(BDSG) diese EUVerordnung<br />
ergänzen.<br />
Enthalten wird das neue Gesetz auch eine<br />
bereichsspeziische Norm zum Beschäftigtendatenschutz,<br />
in der der bisherige § 32 BDSG<br />
in einer erweiterten Fassung fortgeführt werden<br />
soll. Die nunmehrige Regelung des § 26<br />
Abs. 1 Satz 1 BDSGneu erlaubt weiterhin die<br />
Verarbeitung von Beschäftigtendaten für Zwecke<br />
des Beschäftigungsverhältnisses, »wenn<br />
dies für die Entscheidung über die Begründung<br />
eines Beschäftigungsverhältnisses oder<br />
nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses<br />
für dessen Durchführung oder Beendigung<br />
erforderlich ist.«<br />
Hinzugetreten ist ein zweiter Erlaubnistatbestand,<br />
nach dem auch die »zur Ausübung<br />
oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz<br />
24
CuA 6 |<strong>2017</strong><br />
Neue Regeln für Beschäftigtendaten<br />
datenschutz<br />
oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs oder<br />
Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung)<br />
ergebenden Rechte <strong>und</strong> Plichten der Interessenvertretung<br />
der Beschäftigten« erforderlichen<br />
Verarbeitungen gestattet werden. Der<br />
Gesetzgeber sieht die Regelung als notwendig<br />
an, da er die allgemeinen Informationsplichten<br />
des BetrVG zu Recht nicht als der DSGVO<br />
vorrangige Normen betrachtet.<br />
Die Befugnis, die gr<strong>und</strong>sätzlich unmittelbar<br />
<strong>und</strong> zwingend geltende DSGVO um nationale<br />
Regelungen zu ergänzen, ergibt sich aus in der<br />
Verordnung enthaltenen Öfnungsklauseln,<br />
Ȥ 26 BDSG-neu<br />
gibt der Beachtung<br />
von schutzwürdigen<br />
Interessen der<br />
Beschäftigten Raum,<br />
ohne die Informati<br />
onsansprüche der<br />
Betriebsräte zu<br />
reduzieren.«<br />
peter gola<br />
die sowohl Regelungsaufträge als auch in das<br />
Ermessen des nationalen Gesetzgebers gestellte<br />
Regelungsmöglichkeiten enthalten. Die<br />
Befugnis zur Schafung von Normen zum Beschäftigtendatenschutz<br />
indet ihre Gr<strong>und</strong>lage<br />
primär in Art. 88 DSGVO. 1<br />
Soweit der öfentliche Dienst betrofen ist,<br />
es also um die Ausführung der dort zu erledigenden<br />
öfentlichen Aufgaben <strong>und</strong> die dazu gegebenenfalls<br />
auszuübende öfentliche Gewalt<br />
geht, gestattet Art. 6 Abs. 1e in Verbindung mit<br />
Abs. 2 DSGVO den Mitgliedsstaaten insoweit<br />
speziischere Regelungen zu erlassen. 2<br />
Den Kreis der besonders geschützten Beschäftigten<br />
regelt der nationale Gesetzgeber<br />
in § 26 Abs. 8 BDSGneu, wobei hierzu die<br />
bereits in § 3 Abs. 11 BDSG aufgezählten Beschäftigten<br />
inklusive der nunmehr auch erwähnten<br />
Leiharbeitnehmer zählen.<br />
Vorrang der Informationsregelungen<br />
des Betriebsverfassungsgesetzes<br />
Auch das neue BDSG ist als Aufanggesetz<br />
konzipiert, es tritt gegenüber speziischen<br />
Rechtsvorschriften des B<strong>und</strong>es gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
zurück, § 1 Abs. 2 Satz 1 BDSGneu. Das bedeutet,<br />
dass die Erlaubnisnorm des § 26 Abs. 1<br />
Satz 1 BDSGneu mit ihrer Gestattung von Datenverarbeitungen,<br />
die zur Erfüllung von Rechten<br />
<strong>und</strong> Plichten der Interessenvertretung erforderlich<br />
sind, nicht zum Zuge kommt, wenn<br />
sich die diesbezügliche Befugnis beziehungsweise<br />
Verplichtung bereits aus dem BetrVG,<br />
dem BPersVG oder auch einer Betriebsvereinbarung<br />
ergibt.<br />
Durch § 1 Abs. 2 Satz 2 BDSGneu wird<br />
aber auch ergänzend klargestellt, dass die jeweilige<br />
bereichsspeziische Spezialregelung<br />
nur vorrangig ist, wenn eine Tatbestandskongruenz<br />
vorliegt. Diese ist im Einzelfall nach<br />
den Tatbeständen des jeweiligen bereichsspeziischen<br />
Gesetzes zu beurteilen. Eine Norm<br />
außerhalb des BDSG rechtfertigt im Übrigen<br />
eine Datenverarbeitung nur, wenn sie eine<br />
konkrete Aussage bezüglich der Art der Daten<br />
<strong>und</strong> ihrer Zweckbestimmung macht. Es genügt<br />
nicht, dass lediglich »abstrakt« eine Aufgabe<br />
beschrieben wird, zu deren Erfüllung gegebenenfalls<br />
personenbezogene Daten benötigt<br />
werden. 3 Inwieweit im Einzelfall die Bestimmungen<br />
des BetrVG / BPersVG über Informationsplichten<br />
des <strong>Arbeit</strong>gebers gegenüber der<br />
Belegschaftsvertretung Vorrang vor § 26 Abs. 1<br />
Satz 1 BDSGneu haben, ist unter diesen Vorgaben<br />
zu klären.<br />
Dieser Vorrang kann ohne Zweifel für Bestimmungen<br />
bejaht werden, die sowohl die Art<br />
der personenbezogenen Information als auch<br />
die Art <strong>und</strong> Weise des Informationslusses<br />
regeln. Eine solche konkrete das BDSG verdrängende<br />
B<strong>und</strong>esvorschrift stellt unter anderem<br />
§ 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG dar,<br />
der dem Betriebsrat ein Recht auf Einsicht in<br />
Brutto lohn <strong>und</strong> Gehaltslisten gibt. Gewährt<br />
werden kann nur die Einsichtnahme. Ein OnlineZugrifsrecht<br />
steht dem Betriebsrat nicht<br />
zu <strong>und</strong> kann ihm auch nicht freiwillig eingeräumt<br />
werden. 4<br />
Die Erforderlichkeit der Maßnahme ist<br />
vorgegeben <strong>und</strong> eventuell entgegenstehende<br />
Wünsche von einzelnen Beschäftigten sind<br />
irrelevant, das heißt Individualrechte haben<br />
gegenüber dem kollektivrechtlich begründeten<br />
darum geht es:<br />
1. Es gibt eine neue<br />
Rechtsgr<strong>und</strong>lage für die<br />
Verarbeitung von Beschäftigtendaten<br />
im Rahmen<br />
betriebsverfassungsrechtlicher<br />
Aufgaben.<br />
2. Betriebs- <strong>und</strong> Personalräten<br />
sind alle zur Erfüllung<br />
ihrer Rechte <strong>und</strong><br />
Plichten erforderlichen<br />
Daten zur Verfügung zu<br />
stellen.<br />
3. Die Interessen der betrofenen<br />
Beschäftigten<br />
sind bei der Datenverarbeitung<br />
zu wahren.<br />
1 Zur Vereinbarung des § 26 BDSG-neu mit den Anforderungen des<br />
Art. 88 DSGVO vgl. Gola/Thüsing/Schmidt, Was wird aus dem<br />
Beschäftigtendatenschutz?, in: DuD 4/<strong>2017</strong>, 244 f.<br />
2 Maier, Der Beschäftigtendatenschutz nach der DSGVO, in: DuD<br />
<strong>2017</strong>, 169 f.<br />
3 Vgl. zum Beispiel Kort, Die Stellung des Betriebsrats im System des<br />
Beschäftigtendatenschutzes, in: RDV 2012, 8 f. (9); Dix, in: Simitis<br />
(Hrsg.), BDSG, § 1 Rn. 170<br />
4 Generell zum Online-Zugrif zur Erfüllung von Informationsplichten<br />
siehe BAG 16.8.2011 – 1 ABR 22/10 ; ferner Kort, Online-Zugrif<br />
im Betrieb. Die Rechtsprechung des BAG zu §§ 34 <strong>und</strong> 80 BetrVG,<br />
in: ZD 2012, 247 f.<br />
25
datenschutz Betriebsgeheimnisse – Neues aus Brüssel CuA 6 |<strong>2017</strong><br />
Betriebsgeheimnisse<br />
– Neues aus Brüssel<br />
gesetzgebung Die EU hat eine neue Richtlinie zum Schutz von<br />
Geschäftsgeheimnissen beschlossen. Enthalten ist auch eine weite<br />
Whistleblower-Regelung. Bis Mitte 2018 muss die Richtlinie in<br />
nationales Recht umgesetzt sein. Höchste Zeit angesichts der unklaren<br />
Rechtslage – auch bei der arbeitsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht.<br />
VON BRENT SCHWAB<br />
Trotz Fehlens einer ausdrücklichen<br />
gesetzlichen Regelung für den <strong>Arbeit</strong>nehmer<br />
zur Verschwiegenheit<br />
über ihm bekannte Betriebs oder<br />
Geschäftsgeheimnisse während des bestehenden<br />
<strong>Arbeit</strong>sverhältnisses ist eine allgemeine<br />
arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsplicht<br />
in unserer Rechtsordnung dem Gr<strong>und</strong>e – aber<br />
nicht dem Umfang nach – allgemein anerkannt.<br />
Flankiert wird dieselbe noch durch spezielle<br />
wettbewerbsrechtliche <strong>und</strong> deliktsrechtliche<br />
Regelungen (§§ 17 f. UWG, § 823 Abs. 2<br />
BGB). Für bestimmte Geheimnisträger gerade<br />
im Bereich der Interessenvertretung bestehen<br />
in unserer Rechtsordnung noch spezialgesetzliche<br />
Regelungen (zum Beispiel §§ 79 BetrVG,<br />
§ 35 EBRG, § 35 SprAuG).<br />
Gegenstand dieser arbeitsrechtlichen Ver <br />
schwiegenheitsplicht sind Betriebs <strong>und</strong> Geschäftsgeheimnisse.<br />
Diese sind nach herrschender<br />
Meinung alle Tatsachen, die im Zusammenhang<br />
mit einem Geschäftsbetrieb stehen,<br />
die nur einem eng begrenzten Personenkreis<br />
bekannt <strong>und</strong> nicht ofenk<strong>und</strong>ig sind, <strong>und</strong> nach<br />
dem Willen des <strong>Arbeit</strong>gebers aufgr<strong>und</strong> eines<br />
berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim<br />
gehalten werden sollen. 1 Die arbeitsvertragliche<br />
Verschwiegenheits beziehungsweise<br />
1 BAG 15.12.1987, in: DB 1987, 1020; BGH 26.2.2009, in: GRUR 2009,<br />
603 – Versicherungsvertreter<br />
32
CuA 6 |<strong>2017</strong><br />
Betriebsgeheimnisse – Neues aus Brüssel<br />
datenschutz<br />
Rücksichtnahmeplicht nach § 241 Abs. 2 des<br />
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist allerdings<br />
nicht auf derartige Betriebs <strong>und</strong> Geschäftsgeheimnisse<br />
beschränkt, sondern erfasst darüber<br />
hinaus alle schützenswerten Geheimhaltungsinteressen<br />
des <strong>Arbeit</strong>gebers.<br />
Ob diese Verschwiegenheitsplicht auch<br />
nach Beendigung des <strong>Arbeit</strong>sverhältnisses besteht,<br />
ist allerdings dem Gr<strong>und</strong>e <strong>und</strong> dem Umfang<br />
nach umstritten, zumal hier erhebliche<br />
Abgrenzungsschwierigkeiten zum entschädigungsplichtigen<br />
<strong>und</strong> auf zwei Jahre befristeten<br />
Wettbewerbsverbot der §§ 74 f. Handelsgesetzbuch<br />
(HGB) bestehen. Hinzu kommen<br />
noch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte,<br />
da die Verschwiegenheitsplicht eines <strong>Arbeit</strong>nehmers<br />
in jedem Falle einer verfassungskonformen<br />
Auslegung unter Abwägung der widerstreitenden<br />
Interessen der Vertragsparteien bedarf,<br />
Art. 5 <strong>und</strong> 12 des Gr<strong>und</strong>gesetzes (GG). 2<br />
Was Plichtverletzungen bei verbotener<br />
Nutzung betrieblicher Kommunikationsmittel<br />
angeht, so wird hier von der Rechtsprechung<br />
ein wichtiger Gr<strong>und</strong> für eine außerordentliche<br />
fristlose Kündigung im Sinne des § 626 BGB<br />
durch den <strong>Arbeit</strong>geber bejaht. 3 Ob Art. 8 der<br />
Konvention zum Schutz der Menschenrechte<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten (EMRK) dem <strong>Arbeit</strong>geber<br />
die heimliche Kontrolle des EMailVerkehrs<br />
gestattet <strong>und</strong> eine hierauf gestützte Kündigung<br />
des <strong>Arbeit</strong>sverhältnisses passieren lässt,<br />
erscheint nach wie vor als fraglich. 4<br />
Denn in diesem rumänischen Fall hat<br />
der Europäische Menschenrechtsgerichtshof<br />
(EGMR) zwar angenommen, dass die heimliche<br />
Überwachung durch den <strong>Arbeit</strong>geber gegen<br />
Art. 8 EMRK, welcher auch im <strong>Arbeit</strong>sverhältnis<br />
gelte, verstoße. Gleichwohl müsse es<br />
dem <strong>Arbeit</strong>geber möglich sein, die Einhaltung<br />
seines Verbots kontrollieren zu dürfen, sofern<br />
die Persönlichkeitsrechte des <strong>Arbeit</strong>nehmers<br />
gewahrt blieben, was im konkreten Falle bejaht<br />
wurde.<br />
Die neue EU-Geschäftsgeheimnis-<br />
Richtlinie<br />
EURichtlinien wie die Geschäftsgeheimnis<br />
Richtlinie vom 8. Juni 2016 5 richten sich nur<br />
an die Mitgliedsstaaten <strong>und</strong> sind für dieselben<br />
hinsichtlich des zu erreichenden Zieles unmittelbar<br />
verbindlich, überlassen jedoch den<br />
innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form<br />
<strong>und</strong> der Mittel, Art. 288 des Vertrags über die<br />
<strong>Arbeit</strong>sweise der EU (AEUV). Für Private gelten<br />
EURichtlinien gr<strong>und</strong>sätzlich nicht unmittelbar,<br />
<strong>und</strong> zwar selbst dann nicht, wenn sie<br />
nicht rechtzeitig oder nicht vollständig oder<br />
unzutrefend in nationales Recht umgesetzt<br />
worden sind. 6<br />
Die Umsetzungsfrist ist nach Art. 19 Abs. 1<br />
der EURichtlinie bis zum 9. Juni 2018 festgelegt.<br />
Was den Umsetzungsbedarf im deutschen<br />
Recht angeht, so dürfte dieser angesichts des<br />
bestehenden doch recht umfassenden Schutzsystems<br />
von Knowhow nicht übermäßig,<br />
sondern lediglich in dem einen oder anderen<br />
Punkte ergänzungsbedürftig sein. Das heißt,<br />
den gegenwärtig noch im Kern strafrechtlich<br />
gewährten Schutz aufbrechen <strong>und</strong> ein im<br />
Kern zivilrechtliches Schutzregime schafen,<br />
wobei regelungstechnisch wohl ein separates<br />
»Stammgesetz« erforderlich würde. 7<br />
Im Rahmen dieser Umsetzung in deutsches<br />
Recht ist selbstredend zu beachten, dass es sich<br />
bei der EURichtlinie um ein Mindestniveau<br />
handelt, welches somit lediglich eine Untergrenze<br />
darstellt, aber darüber hinausgehende<br />
national besser stellende Regelung unabhängig<br />
von einer Rechtsharmonisierung im EURaum<br />
ohne Weiteres zulässt, beziehungsweise unberührt<br />
lässt.<br />
Die wichtigsten Einzelheiten<br />
der EU-Richtlinie<br />
} Begrif des Geschäftsgeheimnisses<br />
Art. 2 Nr. 1 EURichtlinie enthält eine Legaldeinition<br />
des »Geschäftsgeheimnisses«, welche<br />
Informationen für schützenswert erklärt,<br />
welche geheim, von kommerziellem Wert <strong>und</strong><br />
Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen<br />
sind. Diese Deinition stimmt<br />
völlig mit der völkerrechtlichen Regelung des<br />
Art. 39 Abs. 2 des Übereinkommens über handelsbezogene<br />
Aspekte der Rechte des geistigen<br />
Eigentums (TRIPS) überein, welche für<br />
die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland wie auch für<br />
die Europäische Union insgesamt als Mindestschutzstandard<br />
verbindlich ist, Art. 1 Abs. 1<br />
Satz 2 TRIPS.<br />
In unserem nationalen Recht wird zwar<br />
aus mehr oder weniger historischen Gründen<br />
darum geht es<br />
1. Nach langem Hin <strong>und</strong><br />
Her hat die Europäische<br />
Union sich auf eine<br />
Richtlinie zum Schutz von<br />
Betriebs- <strong>und</strong> Geschäftsgeheimnissen<br />
geeinigt.<br />
2. Die Mitgliedsstaaten<br />
können eine Beschränkung<br />
der Haftung von <strong>Arbeit</strong>nehmern<br />
im Rahmen<br />
der Umsetzung in nationales<br />
Recht vorsehen.<br />
3. Die EU-Richtlinie<br />
enthält spezielle Ausnahmeregelungen<br />
für<br />
betriebliche Interessenvertretungen.<br />
2 BVerfG 2.7.2001, in: NZA 2001, 888 sowie bereits 20.1.1981, in: AP<br />
BGB § 611 Schweigeplicht (»Fall Wallraf«); BVerfG 6.3.2014, in: NJW<br />
2014, 1581; zu weiteren Einzelheiten siehe Schwab, Verschwiegenheitsplichten<br />
von <strong>Arbeit</strong>nehmern, in: CuA 7-8/2012, 25 f.<br />
3 BAG 16.7.2015, in: NZA 2016, 161; anderer Ansicht Däubler, Internet<br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>srecht, 4. Aulage, Rn. 195<br />
4 EGMR 14.1.2016 – 61496/08, in: AiB 2016, 58 (= DÖV 2016, 350)<br />
5 Richtlinie (EU) 2016/943 vom 8.6.2016 über den Schutz vertraulichen<br />
Know-hows <strong>und</strong> vertraulicher Geschäftsinformationen<br />
(Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger<br />
Nutzung <strong>und</strong> Ofenlegung (ABl. L 157/1 vom 15.6.2016)<br />
6 EuGH 26.9.1996, Arcaro, Slg. 1996, I – 4705<br />
7 Zu den Einzelheiten siehe insbesondere Kalbfus, Die EU-Geschäftsgeheimnis-Richtlinie,<br />
in: GRUR 2016, 1009 f. sowie McGuire,<br />
Der Schutz von Know-how im System des Immaterialgüterrechts,<br />
in: GRUR 2016, 1000 f.<br />
33
IT <strong>und</strong> Datenschutz. Mitbestimmen.<br />
<strong>Computer</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
cua | it-mitbestimmung <strong>und</strong> datenschutz<br />
cua-web.de<br />
26. JAHRGANG<br />
ISSN 1863-8511<br />
D 11680<br />
6 | <strong>2017</strong><br />
<strong>Computer</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
CuA | IT-MITBESTIMMUNG<br />
UND DATENSCHUTZ<br />
Mit Online-Ausgabe <strong>und</strong> Archiv<br />
Neuaulage!<br />
Mit Redaktions-Service-Online<br />
künstliche intelligenz<br />
Roboter übernehmen<br />
das Denken<br />
mobile arbeit Neue Ansätze <strong>und</strong> Regeln mit Augenmaß sind jetzt nötig<br />
digitale transformation Betriebsräte können als Vorbild dienen<br />
eu-richtlinie Brüssel hat sich beim Schutz von Betriebsgeheimnissen geeinigt<br />
Mit App<br />
Machen Sie jetzt<br />
den Gratis-Test!<br />
§<br />
Ihr gutes Recht:<br />
§<br />
»<strong>Computer</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>« ist erforderliches <strong>Arbeit</strong>smittel<br />
gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG bzw. § 44 Abs. 2 BPersVG<br />
sowie den entsprechenden Vorschriften der LPersVG.<br />
Ganz nah dran.<br />
Ihr Partner im <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Sozialrecht.